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5.

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Euphorie (gr.) – Heitere Stimmung und Wohlbefinden, trotz gefährlicher Lage.

Das war es, dachte Captain Don Redhorse.

»Euphorie«, sagte er vor sich hin. Dann schlug er das Handbuch zu. Es war nicht nötig, die weiteren Bemerkungen unter dem Stichwort zu lesen. Drei Tage waren seit der Landung vergangen. Don Redhorse stand einen Augenblick bewegungslos inmitten der Kommandokanzel. Von draußen klangen keine Geräusche herein. Redhorse grinste. Wahrscheinlich ließen sich seine vier Begleiter wieder von den Eingeborenen herumtragen. Es gab nichts, was die hundert Gleamors nicht für die fünf Terraner zu tun bereit waren.

Das anfängliche Misstrauen der Raumfahrer hatte sich gelegt. Brazos Surfat, Whip Gilliam, Olivier Doutreval und Chard Bradon schienen sich jetzt ausgesprochen wohl zu fühlen. Sie hatten ihr Vergnügen daran, sich von den Gleamors überall herumschleppen zu lassen.

Nur Redhorse kämpfte vergeblich gegen das Misstrauen an, das er fühlte.

Ein Geräusch an der Schleuse ließ Redhorse hochfahren. Er griff nach dem Kombistrahler und verließ die Kanzel.

Vor der Schleuse stand Chard Bradon. Die beiden Eingeborenen, die ihn getragen hatten, warteten hinter ihm. Redhorse versuchte, seinen Ärger zu unterdrücken.

Bradon, der junge Offiziersanwärter, schien von der Missbilligung seines Vorgesetzten nichts zu spüren.

»Ich weiß jetzt, warum die Gleamors so eigenartige Reifröcke tragen, Sir«, sagte er.

Redhorse blickte an Bradon vorbei. In der Nähe des Waldrandes konnte er einige Gleamors beobachten, die damit beschäftigt waren, Korporal Surfat die Schuhe zu polieren. Gilliam und Doutreval hielten sich im Lager der Gleamors auf. Da sie von Eingeborenen umringt waren, konnte Redhorse nicht viel von dem erkennen, was sich dort abspielte. Wahrscheinlich wurden die beiden Männer mit schmackhaften Pilzen gefüttert.

»Sir«, sagte Bradon beleidigt, »ich dachte, Sie seien an meiner Entdeckung interessiert.«

»Schießen Sie los, Chard«, forderte Redhorse den jungen Mann auf.

»Mit diesen Reifröcken können die Gleamors sich weit in die Sümpfe hinauswagen«, berichtete Bradon. »Sobald sie bis an die Hüfte einsinken, falten sich die Röcke auf und verhindern, dass ihre Träger im Morast untergehen. Die Gleamors ernten auf diese Art ihre gesamte Nahrung.«

»Was werden Sie jetzt tun, Chard?«, wollte Redhorse wissen.

Bradon wurde unsicher. Er bemerkte, dass Redhorses Freundlichkeit, die er seinen Begleitern bisher entgegengebracht hatte, erloschen war.

»Ich weiß nicht, Captain«, sagte Bradon gedehnt. »Eigentlich hatte ich vor, mich von den beiden Burschen, die mich begleiten, ins Lager der Gleamors bringen zu lassen. Dort gibt es immer eine schmackhafte Mahlzeit.«

»Das mag schon sein«, sagte Redhorse. »Zunächst sollten Sie mir jedoch in die Kommandokanzel folgen, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«

Chard Bradon stützte beide Arme auf den unteren Schleusenrand.

»Sir, ich halte Ihr Misstrauen gegenüber den Gleamors für übertrieben. Sie sind ehrlich um uns bemüht. Sie lesen uns jeden Wunsch förmlich von den Augen ab. In drei Tagen kam es nicht zu einem einzigen Zwischenfall.«

»Und die Roboter?«, erinnerte Redhorse.

»Dafür sind die Eingeborenen bestimmt nicht verantwortlich zu machen.«

»Folgen Sie mir in die Kanzel«, sagte Redhorse. Als Bradon zögerte, sagte er mit Nachdruck: »Das ist ein Befehl!«

Die beiden Gleamors wollten Bradon folgen, doch Redhorse stieß sie zurück und schloss die äußere Schleusenwand. Im Inneren des Diskusschiffes nahm Redhorse auf dem Pilotensitz Platz.

Bradon blieb mit hängenden Schultern in der Nähe der Positronik stehen; ein mürrischer junger Mann, der sich an seinem Vorhaben gehindert sah. Redhorse beobachtete ihn voller Groll, aber auch mit einem gewissen Verständnis. Er durfte Bradon keinen Vorwurf machen, wenn selbst so erfahrene Männer wie Gilliam, Surfat und Doutreval dem Übermaß an gleamorischer Freundlichkeit erlagen.

»Während Sie dort draußen Ihre kindischen Späße trieben, habe ich über unser Problem nachgedacht«, begann Redhorse. »Ich glaube, dass ich einige Antworten auf die Fragen, die uns beschäftigen, gefunden habe.«

»Da bin ich gespannt«, sagte Bradon. Redhorse hörte den schwachen Spott aus der Antwort des Offiziersanwärters heraus, doch er ignorierte ihn.

»Die Eingeborenen verfügen über eine schwache paranormale Begabung«, sagte Redhorse. »Sie sind weder Telepathen, noch besitzen sie andere ausgeprägte parapsychische Fähigkeiten. Ihre ESP-Macht ist auf ihrem Gesang begründet, den sie immer wieder anstimmen.«

Bradon grinste. »Verzeihen Sie, Sir! Das verstehe ich nicht.«

»Die Ausstrahlungen der Gleamors sind sehr schwach, aber sie genügten, um unsere beiden Kampfroboter verrückt werden zu lassen. Das menschliche Gehirn ist nicht so empfindsam wie eine Positronik, was hyperdimensionale Impulse angeht. Aber der Gesang der Gleamors ist mit parapsychischer Kraft verbunden.«

»Angenommen, Sie hätten recht, Captain, wie soll uns dieser Gesang gefährlich werden?«

»Euphorie«, sagte Redhorse. »Wir werden uns bald wie im siebten Himmel fühlen und unfähig sein, eine Gefahr rechtzeitig zu bemerken. Die Gleamors wiegen uns in Sicherheit. Ob sie das unfreiwillig oder mit Absicht tun, kann ich nicht sagen.«

Bradon machte ein paar Schritte auf den Offizier zu. »Aber ich bin doch Herr meiner eigenen Sinne«, protestierte er. »Ich kann immer noch frei entscheiden.«

Auf Redhorses kantigem Gesicht erschien ein schwaches Lächeln.

»Sind Sie glücklich, Chard?«, fragte er.

Verwirrt breitete Bradon die Arme aus.

»Ja«, sagte er.

»Sehr glücklich?«

»Ich weiß nicht, was das bedeuten soll«, brachte Bradon hervor. Er versuchte, Redhorses scharfem Blick auszuweichen. Schließlich gab er zögernd zu: »Also gut, Captain! Ich bin sehr glücklich! Ist das ein Fehler?«

Ohne sichtbare Kraftanstrengung stand Redhorse auf. Obwohl seine Bewegungen träge wirkten, erkannte man die Leichtigkeit, mit der er sie ausführte.

Vor Bradon machte Redhorse halt.

»Dieses Glücksgefühl wird sich noch steigern, Chard«, sagte er. »Sie und die drei anderen werden vor Wohlbefinden zu träumen beginnen. Auch ich bin dagegen nicht gefeit. Die Gleamors schläfern uns ein. Sie wenden die unglaublichste Methode gegen ihre Feinde an, von der ich bisher gehört habe: sie sind zum Erbrechen freundlich und hilfsbereit.«

Bradon spürte den verhaltenen Zorn in Redhorses Stimme.

»Ist es ein Verbrechen, freundlich zu sein?«, fragte er.

»Sie unterwerfen sich«, sagte Redhorse. »Sie machen sich zu Sklaven, bereit, jede noch so erniedrigende Arbeit auszuführen. Und dabei lachen und singen sie, als würde ihnen die ganze Sache Spaß machen. Wahrscheinlich warten sie nur darauf, bis wir satt, müde und glücklich unsere Waffen wegwerfen und voller Erwartung zu ihnen kommen. Dann, Bradon, dann wird das bittere Erwachen für uns kommen.«

»Ihr Misstrauen kann ich nicht teilen, Sir«, beharrte Bradon auf seiner Meinung.

»Sie sind bereits so weit, dass Sie die Sumpflandschaft dort draußen für ein Paradies halten«, sagte Redhorse. »Käme jetzt eine Riesenschlange aus dem Morast, wären Sie bereit, sie für einen harmlosen Regenwurm zu halten. Das hat die unwahrscheinliche Nächstenliebe der Gleamors fertiggebracht.«

Redhorse sah erschrocken, dass seine Worte bei Bradon keine Resonanz fanden, es war, als spräche er gegen eine Wand. In seinem Leben war Redhorse unzähligen Menschen begegnet, und er besaß einen sicheren Instinkt für ihre Gefühle. Bradon, das spürte der Captain, fühlte nichts als verständnislosen Zorn, wie ein Kind, dem man ein Spielzug wegnehmen will, das man ihm kurz zuvor geschenkt hat.

Schließlich sagte Bradon mit verkniffenem Gesicht: »Warum starten wir nicht, wenn Sie diesen Planeten für so gefährlich halten, Sir?«

»Wir sind gelandet, um den Hypersender der Meister der Insel zu finden«, sagte Redhorse. »Die Station befindet sich wahrscheinlich irgendwo im Tri-System. Gleam ist unsere einzige Chance, Anhaltspunkte zu finden.«

»Was wollen Sie jetzt unternehmen, Captain?«

»Ich werde die Mannschaft hier in der Jet zusammenrufen«, kündigte Redhorse entschlossen an. »Ich muss Ihnen allen verbieten, sich noch länger mit den Eingeborenen zu beschäftigen.«

»Wenn die Gleamors der Schlüssel zu diesem Sesam-öffne-dich sind, ist das keine kluge Entscheidung, Sir.«

Das, dachte Redhorse mehr erstaunt als ärgerlich, war eine offene Kritik. Er musste jetzt handeln, bevor es unmöglich wurde, die vier Männer von den Eingeborenen zu trennen.

»Folgen Sie mir!«, befahl er Bradon. »Wir gehen zum Lager hinüber.«

Gemeinsam verließen sie die Space-Jet. Es war später Nachmittag. Am Horizont zogen Regenwolken auf. Drückende Schwüle lag über dem Land. Einige Eingeborene sangen. Inzwischen war auch Surfat ins Lager getragen worden. Der Korporal hockte jetzt neben Gilliam und Doutreval und ließ sich füttern. Redhorse verbot Bradon, sich von den beiden wartenden Gleamors tragen zu lassen.

Bevor Redhorse und Bradon das Lager der Gleamors erreichten, begann das Erdbeben. Redhorse spürte das schwache Vibrieren des Bodens, mit dem sich das Beben ankündigte. Er blieb stehen und legte eine Hand auf Bradons Arm.

Der Boden zitterte wie ein erwachendes Riesentier. Redhorse sah, wie Bradon den Mund öffnete, ohne irgend etwas zu sagen. Die Eingeborenen im Lager sprangen auf. Verständnislos saßen die drei Raumfahrer zwischen den Gleamors.

Für einen Augenblick, vielleicht nur für eine Sekunde, beruhigte sich der Planet. Dann kam die zweite Welle. Der Stoß ließ Redhorse taumeln.

Vor seinen Augen begann alles zu wackeln, als beobachte er seine Umgebung durch zersprungenes Glas. Bradon stieß einen schrillen Warnruf aus. Mit gespreizten Beinen stand Redhorse da, sich seiner Hilflosigkeit gegenüber diesen Naturgewalten bewusst. Die Hälfte der Gleamors fiel zu Boden, als habe sie eine unhörbare Salve niedergestreckt. Noch immer saßen Gilliam, Doutreval und Surfat auf ihren Plätzen. Vor ihnen lagen Stoffbeutel mit essbaren Pilzen.

Plötzlich verschwand ein Teil des Pilzwaldes aus Redhorses Blickfeld. Bei einer Varietévorführung hatte Redhorse einmal gesehen, wie ein Magier seine Partnerin von der Bühne hatte verschwinden lassen. Still und blitzschnell hatte sie sich unter den Händen des Zauberkünstlers aufgelöst. Daran musste der Captain jetzt denken. Auch das Waldstück war mit einer unheimlichen Geschwindigkeit verschwunden.

Nur langsam wurde sich Redhorse der Tatsache bewusst, dass die Pilzbäume in eine klaffende Bodenspalte gestürzt waren. Das Beben wurde heftiger. Redhorse hatte das Gefühl, als stoße ihm jemand eine Faust in die Magengrube. Im Eingeborenenlager herrschte völlige Verwirrung. Die Gleamors fielen zu Boden und versuchten immer wieder aufzustehen. Sie torkelten durcheinander, ohne ein sichtbares Ziel zu haben, nur von ihrer Angst getrieben. Ihr Selbsterhaltungstrieb war also weitaus besser entwickelt, als Redhorse zunächst geglaubt hatte. Der Captain fragte sich, warum er ausgerechnet jetzt solche Überlegungen anstellte.

Hinter sich hörte er einen Entsetzensschrei. Er fuhr herum. Der Boden bäumte sich unter ihm auf und schleuderte ihn einige Meter seitwärts. Im Fallen sah er die Space-Jet. Sie war seitwärts in eine kleinere Spalte abgerutscht. Zwei der Landestützen waren verbogen und ragten wie die Krallen eines toten Riesenvogels gen Himmel. Bis auf die Kanzel war der gesamte Diskus von Schlamm, Erde und zerfetzten Pflanzen bedeckt.

Bradon lag zwischen Redhorse und der SJ-4C. Er hatte den Kopf gehoben und blickte unverwandt zur Jet hinüber, als könnte er jede weitere Gefahr durch seine Blicke bannen. Redhorse kroch über den bebenden Untergrund auf den Offiziersanwärter zu.

Bradon blickte sich zu ihm um. Sein Gesicht sah seltsam alt und zerfallen aus. Das Moos hatte zu schäumen begonnen. Die nach Pfefferminz riechende Substanz klebte an Bradons Uniform. Redhorse wollte Bradon ermutigend zulächeln, doch er brachte nur ein verzerrtes Grinsen zustande. Die Erschütterungen ließen nicht nach. Inmitten des Sumpfes entstanden einige Geysire. Metergroße Blasen stiegen an die Oberfläche und zerplatzten.

Die heftigen Stöße erschütterten Redhorses Körper. Bradon wippte wie eine Stoffpuppe vor ihm auf und nieder, beide Hände in das schäumende Moos gekrallt. Die Space-Jet wackelte, als wäre sie aus Pappe. Bradon schrie: »Die Jet, Sir!«

Redhorse kroch weiter über das klebrige Moos auf den jungen Raumfahrer zu. Ein Blick zurück zeigte ihm, dass keiner der Gleamors mehr auf den Füßen war. Nur Korporal Brazos Surfat stand inmitten des primitiven Lagers, den massigen Schädel vorgereckt, die Hände zu Fäusten geballt.

Redhorse erreichte Bradon.

»Wir sind verloren!«, rief Bradon verstört. Seine Stimme klang krächzend. Er spuckte den Dreck vor sich auf den Boden, den er fast verschluckt hatte, als ein starker Stoß sein Gesicht in den Pflanzenteppich gedrückt hatte. Schräg vor Bradon lagen die beiden Gleamors, die ihn begleitet hatten. Sie hielten sich umklammert, als könnte ihnen in dieser Haltung nichts passieren.

Die Erdstöße verloren an Heftigkeit. Redhorse richtete sich mühevoll auf. Da spaltete sich hundert Meter vor ihm der Boden. Der Riss breitete sich in Redhorses Richtung aus.

»Aufstehen!«, schrie Redhorse Bradon zu.

Er wartete nicht darauf, was Bradon tun würde, sondern rannte davon. Weit draußen über dem Meer stand eine Feuerlohe. Darüber breitete sich dunkler Rauch aus.

Eine vulkanische Insel, dachte Redhorse. Wahrscheinlich war sie in die Luft geflogen. Während er um sein Leben rannte, dachte er an die Flutwelle, die durch diese Eruption ausgelöst werden musste.

Die Bodenspalte verlief V-förmig bis zum ehemaligen Lager der Eingeborenen.

Zwei Gleamors versanken schreiend von der Oberfläche ihres Planeten. Dann hörten die Erdstöße auf. Redhorse sah sich nach Bradon um. Der Offiziersanwärter lag nur zwanzig Meter von der Erdspalte entfernt.

Tri II, die Sonne, um die Gleam kreiste, leuchtete blutrot zwischen den Rauch- und Regenwolken hindurch. Ascheflocken schwebten vom Himmel herab. Redhorse schrie einige Befehle.

Die fünf Terraner beeilten sich, zum Diskusschiff zu gelangen. Redhorse erreichte es zuerst. Die Schleuse war unbeschädigt geblieben. Eine halbe Tonne Schlamm und Pflanzen lagen in der Schleusenkammer. Redhorse hoffte, dass es ihnen trotzdem gelingen würde, den Diskus zu starten.

Bradon blieb neben ihm stehen. Er keuchte vor Anstrengung, aber auf seinem Gesicht erschien die Andeutung eines Lächelns.

»Hoffentlich hat das Schiff diese Erschütterung überstanden«, sagte er.

Redhorse atmete auf. Das Erdbeben schien das Glücksgefühl Bradons gründlich vertrieben zu haben. Der Captain bezweifelte nicht, dass auch die anderen Mitglieder der Besatzung durch dieses Ereignis aus ihrer Zufriedenheit erwacht waren. Gleam hatte seine Gefährlichkeit erneut gezeigt.

Whip Gilliam kam vor der Space-Jet an. Er umrundete das Diskusschiff, bevor er etwas sagte.

»Was halten Sie davon, Sergeant?«, fragte ihn Redhorse.

»Wir werden starten können, sobald die Schleuse frei ist«, meinte Gilliam zuversichtlich. Er deutete auf die Landestützen. »Nur mit der nächsten Landung werden wir Schwierigkeiten haben.«

»Das befürchte ich auch«, gestand Redhorse. Es war typisch für einen Mann wie Gilliam, in einem solchen Augenblick von der nächsten Landung zu sprechen, obwohl noch nicht einmal sicher war, ob sie starten konnten. Redhorse wünschte, er hätte etwas von dieser gelassenen Zuversicht Gilliams auf sich übertragen können, denn sein Optimismus war nur gedämpft.

Doutreval kam heran. Schweigend betrachtete er den Schaden. Redhorse sah, wie der Funker den Kopf schüttelte. Schließlich erreichte auch Surfat die Jet, schwitzend und keuchend, den kahlen Schädel mit Schlamm verschmiert. Surfat sah wie ein schlecht maskierter Clown aus, doch Redhorse verspürte keine Lust, beim Anblick des Korporals zu lachen.

»Es sieht so aus, als müssten wir für den Rest unseres Lebens auf Gleam bleiben und Pilze anpflanzen«, sagte Surfat. »Ich ahnte es, dass wir nicht ungeschoren davonkommen.«

»Verschonen Sie uns vorläufig mit Ihren Ahnungen«, empfahl ihm Redhorse.

»Die Flutwelle!«, schrie Doutreval dazwischen.

Vom offenen Meer schob sich eine meterhohe Wand auf das Sumpfgebiet zu. Ascheflocken wirbelten wie Schnee auf die Männer herab.

»Klettert auf die Jet!«, rief Redhorse seinen Begleitern zu.

Nacheinander stiegen sie auf die Kanzel des Diskusschiffes. Redhorse hoffte, dass die Wucht der Flutwelle von den Sumpfkriechwäldern gebrochen würde. Auf dem Kamm der gewaltigen Woge bildeten Milliarden aus ihrem Teppich gerissener Pilze einen natürlichen Kranz. Die Flutwelle schob die Pflanzenteppiche vor sich her, als besäßen sie kein Gewicht. Über dem Meer schwebte eine schwarze Rauchwolke, die sich langsam landeinwärts ausbreitete und den Aschenregen immer stärker werden ließ.

Die Flutwelle wurde langsamer und niedriger, doch sie war schon tief ins Sumpfgebiet vorgestoßen. Berge von Pilzen und Moos wurden übereinandergeschichtet und dann vom tosenden Wasser überschwemmt. Inmitten dieses Chaos glaubte Redhorse die zerschmetterten Körper einiger größerer Tiere zu erkennen. Die Geysire wurden von der heranrollenden Flut erstickt, niedergewalzt und gedrosselt, bis sie an anderen Stellen wieder hervorbrachen, größer noch und ihre Fontänen fächerförmig in die Höhe schleudernd.

Redhorse hörte ein schwaches Wimmern, dann kroch Mister Jefferson an ihm vorbei und kuschelte sich ängstlich auf Surfats breiten Rücken. Das Tier schien die Gefahr zu spüren, die ihnen allen drohte. Je näher die Woge kam, desto größer erschien sie Redhorse. Über der unsichtbaren Vulkaninsel stand noch immer eine Feuerlohe. Redhorse stellte sich vor, wie sich ungeheure Lavamassen ins Meer ergossen, den Ozean zum Brodeln und Dampfen brachten, während riesige Pflanzeninseln von der Lava mit in die Tiefe gerissen wurden.

Die Flutwelle schoss heran. Obwohl sie viel von ihrer Wucht verloren hatte, würde sie weit aufs Land hinausschießen. Redhorse schätzte, dass ihre Ausläufer bis zum Wald reichen würden.

»Festhalten!«, schrie er den Raumfahrern zu.

Jetzt vermochten die Männer das Tosen der Wassermassen zu hören. Gurgelnd und schmatzend ergossen sich die Fluten über das Land, als wollten sie mit einem Ansturm all das zurückgewinnen, was die Pflanzen in jahrelangem Ringen dem Meer abgenommen hatten. Redhorse blickte auf. Die Woge schien nur aus Pflanzen zu bestehen. Auf ihrem Kamm sprühte weißer Gischt. Hundert Meter von der Space-Jet entfernt tauchte ein Gravotänzer aus dem Sumpf. Redhorse beobachtete, wie das riesige Tier, scheinbar starr vor Schreck, den Kopf aus dem Morast streckte. Die Welle riss das Wesen mit sich. Einen Augenblick sah Redhorse es hilflos zappeln, dann tauchte es in Schlamm und Gewächsen unter.

Dann erreichte die Flutwelle die SJ-4C. Redhorse presste sein Gesicht gegen die dreckverschmierte Oberfläche des Diskusschiffes und klammerte sich fest. Er hielt den Atem an. Die Jet wurde erschüttert, als die Woge sie traf. Redhorse hatte das Gefühl, von einem zentnerschweren Gegenstand belastet zu werden. Er spürte, wie das Wasser an ihm zerrte und ihn fast von der Jet spülte. Pflanzen klatschten gegen ihn und peitschten sein Gesicht. Seine Lunge drohte zu bersten.

Da bekam er wieder Luft. Er richtete sich auf. Das gesamte Kleinstraumschiff war über und über mit Gewächsen aller Art bedeckt. Redhorse riss das verfilzte Gestrüpp von sich, das an ihm hängengeblieben war. Sein Körper dampfte. Das Wasser war fast heiß gewesen.

Hustend kam auch Surfat auf die Beine. Bis auf Doutreval hatte die Besatzung die Flutwelle gut überstanden. Der Funker war ohne Bewusstsein. Offenbar hatte der Wasserdruck seinen Kopf gegen die Außenfläche der Kanzel geschlagen. Gemeinsam betteten sie Doutreval vor die Kanzel.

Gilliam kletterte hinunter und untersuchte die Schleuse.

»Sieht nicht viel schlimmer aus als zuvor«, berichtete er. »Die Schleuse lag entgegengesetzt zur Woge. Das Wasser hat sogar einen Teil des Schlammes weggespült.«

Brazos Surfat säuberte dem wimmernden und völlig durchnässten Mister Jefferson den Pelz. Redhorse beobachtete das Eingeborenenlager. Nach und nach tauchten alle Eingeborenen dort auf. Auch die Gleamors hatten die Flutwelle fast ohne Verluste überstanden. Wie Redhorse vermutet hatte, war die Gewalt des Wassers am Waldrand gebrochen worden. Eine kümmerlich anmutende Welle floss zum Meer zurück.

Redhorse verließ seinen Platz auf dem Diskusschiff und schwang sich in die Schleusenkammer. Durch Schlamm und Wasser watete er in die Kommandokanzel. Der Captain untersuchte alle Geräte. Sie funktionierten zu seiner Zufriedenheit. Lediglich drei der Kombistrahler, die in der Schleusenkammer gelegen hatten, waren stark verschmutzt.

Gilliam hatte bereits damit begonnen, den Schlamm aus der Schleusenkammer zu schaufeln. Surfat war noch bei dem verletzten Doutreval. Nachdenklich ließ sich Redhorse auf dem Pilotensitz nieder. Sie hatten bereits mehrfach ihr Leben riskiert, ohne auch nur einen Schritt weitergekommen zu sein. Noch besaßen sie keine Anhaltspunkte, wo die rätselhafte Sendeanlage zu suchen war. Die neunte Schockbasis verbarg ihr Geheimnis gut.

Redhorse versuchte, sich die Gedankengänge jener vorzustellen, die den Hypersender errichtet hatten. Wo hätte er den Sender versteckt? Was wussten die Gleamors? Der Captain war überzeugt davon, dass die Eingeborenen eine bestimmte Rolle spielten.

Manchmal fragte sich Redhorse, ob die Meister der Insel die verzweifelten Bemühungen der Terraner nicht auf irgendeine Weise beobachteten und voll spöttischer Freude die Rückschläge erlebten, die die Bewohner des dritten Planeten Sols erlitten.

Surfat streckte seinen haarlosen Kopf in die Kanzel.

»Doutreval ist wieder auf den Beinen«, sagte er. »Er hat wahrscheinlich eine leichte Gehirnerschütterung.«

Wenige Augenblicke später kam Offizier Doutreval in die Kommandokanzel.

»Es ist besser, wenn Sie sich ein paar Stunden hinlegen«, sagte Redhorse. »Ziehen Sie Ihre nassen Kleider aus.« Er wartete, bis Doutreval fertig war, dann breitete er die Decke über ihm aus. Der erschöpfte Funker schlief sofort ein.

»So«, sagte Redhorse. »Jetzt kümmern wir uns um unsere eigenen Kleider. Brazos, Sie machen uns etwas zum Essen, denn ich glaube kaum, dass die Pilze, mit denen Sie sich den Magen gefüllt haben, lange vorhalten.«

Es dauerte nicht lange, bis die Gleamors wieder bei der Space-Jet auftauchten. Wortlos halfen sie Gilliam und Bradon bei der Säuberung der Schleusenkammer. Sie kletterten sogar auf den Diskus und entfernten die dort angeschwemmten Pflanzen.

»Hilfsbereit wie immer«, stellte Redhorse fest. »Obwohl das Erdbeben auch für sie eine Katastrophe war, sind sie schon wieder dabei, uns zu helfen.«

Im Freien begannen ein paar Eingeborene zu singen. Redhorse wurde wütend. Er suchte sich eine trockene Hose und ein Hemd aus ihrer Notausrüstung und kleidete sich um. Als er sich gewaschen hatte, fühlte er sich besser. Surfat öffnete einige Konserven. Sie weckten Doutreval und aßen. Die Mahlzeit verlief schweigend. Jeder der Männer hing seinen eigenen Gedanken nach.

Schließlich sagte Bradon unvermittelt: »Ich glaube jetzt, dass Sie recht hatten, Captain.«

Redhorse blickte auf und schob seinen Teller zur Seite. In der Schleusenkammer rumorten einige Gleamors. Wahrscheinlich suchten sie den jetzt blankgescheuerten Boden nach Schmutzresten ab.

»Wie meinen Sie das, Chard?«, erkundigte sich Redhorse.

Bradon senkte den Kopf. »Ich habe nachgedacht. Wir haben uns vom Gesang der Gleamors betäuben lassen. Sie scheinen tatsächlich über schwache parapsychische Fähigkeiten zu verfügen.«

»Einen Augenblick, Jüngelchen«, unterbrach ihn Surfat. »Wovon reden Sie überhaupt?«

Redhorse schilderte kurz sein Gespräch mit Bradon und unterrichtete die Männer von seiner Absicht, die Besatzung von den Eingeborenen fernzuhalten.

»Zunächst dachte ich, dass das Misstrauen des Captains übertrieben sei«, fuhr dann Bradon fort. »Doch das Erdbeben hat mich wieder in die Wirklichkeit zurückgerufen. Wir waren auf dem besten Weg, uns zu Drohnen zu entwickeln, die von den Gleamors gepflegt und gemästet wurden. Aber jede Drohne wird einmal rücksichtslos getötet, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt hat.«

»Sie glauben also, dass die Gleamors uns nicht so freundlich gesinnt sind, wie sie den Anschein erwecken?«, fragte Gilliam.

»Das ist schwer zu sagen«, meinte Bradon. »Vielleicht haben die Eingeborenen wirklich gute Absichten, doch wir können nicht wissen, ob sie von Unbekannten kontrolliert werden.«

»Wenn die Gleamors schwache parapsychische Fähigkeiten haben, dann sind sie bestimmt nicht ohne Grund auf dieser Welt«, mischte sich Surfat ein. »Der Verdacht des Captains ist nicht unbegründet. Vor dem Erdbeben hatte ich bereits daran gedacht, Gleam nicht mehr zu verlassen und den Rest meines Lebens bei den Eingeborenen zu verbringen.«

»Das ist durchaus verständlich«, sagte Redhorse. »Der Gesang der Eingeborenen löst solche Wünsche aus, wenn man nicht gegen seine Wirkung ankämpft.«

»Was jetzt?«, fragte Gilliam gelassen.

Redhorse überlegte. »Nach wie vor haben wir nur zwei Möglichkeiten: entweder wir starten sofort und versuchen, trotz der Beschädigungen der SJ-4C den Flottenverband im Leerraum vor Andro-Beta zu erreichen, oder wir riskieren den endgültigen Verlust des Kleinstraumschiffes und suchen weiterhin nach dem Sender.«

Stille folgte den Worten des Captains. Die anfängliche Begeisterung der Raumfahrer für den neuentdeckten Planeten hatte merklich nachgelassen. Jedem der Männer war bewusst, dass es jederzeit zu einem neuen Erdbeben kommen konnte. Es war fraglich, ob sie ein zweites Mal überleben würden. Hinzu kamen eine Reihe weiterer Gefahren, die undurchsichtigen Gleamors eingeschlossen.

»Wenn wir jetzt zurückfliegen, haben wir keine begründete Entschuldigung für unsere Landung auf dieser Welt«, sagte Doutreval von seinem Lager aus. »Das wird dem Captain die Streifen kosten.«

Redhorse lächelte. »Sie denken anscheinend noch uneigennütziger als ein Gleamor, Olivier.«

»Ich wollte nur, dass jeder daran denkt«, erklärte der Funker.

»Ich kann einen längeren Aufenthalt, gleichgültig aus welchen Gründen, nicht länger allein verantworten«, sagte Redhorse. »Ich stelle jedem frei, seine Ansichten offen zu äußern. Wenn die Mehrheit für eine Rückkehr ist, werden wir einen Startversuch unternehmen.«

»Ich war der einzige, der gegen die Landung protestierte«, grollte Brazos Surfat. »Doch jetzt, Captain, bin ich dafür, dass wir das zu Ende führen, was wir begonnen haben.«

»Diese Ansicht vertrete ich auch«, sagte Bradon.

Gilliam sagte: »Es sieht so aus, als sollten wir noch eine Weile auf diesem Planeten bleiben, Sir.«

Bevor Redhorse etwas sagen konnte, ertönten plötzlich die Alarmanlagen der Space-Jet. Die Ortungsgeräte sprachen an. Verblüfft sprang Doutreval von seinem Lager auf und nahm vor den Kontrollen Platz.

»Ich dachte, das Reflektorfeld innerhalb der Atmosphäre sei undurchdringlich«, sagte er verwirrt. »Was bedeutet das schon wieder?«

»Das bedeutet«, sagte Redhorse, »dass sich etwas innerhalb des Reflektorfeldes befindet.«

Zwei Gleamors kamen ins Innere des Diskusschiffes. Sie machten einen erregten Eindruck. Durch Gesten forderten sie die Männer auf, ihnen ins Freie zu folgen.

»Sehen wir nach, was passiert ist«, entschied Redhorse. »Nehmt eure Waffen mit.«

Sie folgten den beiden Eingeborenen. Als er aus der Schleuse sprang, sah Redhorse sofort, dass die Gleamors dabei waren, ihr notdürftiges Lager zu räumen. Sie sammelten Decken und Tragbeutel ein, die ihren gesamten Besitz darstellten. Eine größere Gruppe war bereits zum Wald unterwegs.

»Sie brechen auf«, stellte Surfat fest. »Man könnte fast glauben, dass sie vor irgend etwas Angst haben.«

Redhorse blickte zum wolkenverhangenen Himmel empor. In einer oder zwei Stunden würde es dunkel werden. Der Captain fragte sich, was in die Atmosphäre Gleams eingetaucht war. Näherte sich ein fremdes Raumschiff? Oder hatte Rhodan eine weitere Space-Jet in dieses Gebiet von Andro-Beta geschickt?

»Leitia!«, rief einer der Gleamors erregt. Er ergriff Redhorses Hand und wollte den Captain mit sich ziehen.

»Immer mit der Ruhe«, sagte der Cheyenne und löste sich aus dem Griff.

»Es wird am besten sein, wenn ich in die Jet zurückkehre und die Kontrollen überwache«, schlug Doutreval vor. »Vielleicht kann ich herausfinden, was in die Ortungsbereiche unserer Geräte gekommen ist.«

Bevor Redhorse seine Zustimmung geben konnte, erschienen die fremden Raumschiffe. Lautlos tauchten sie über den Bergen auf und näherten sich, ständig an Höhe verlierend, dem Sumpfgebiet.

Perry Rhodan 26: Kontrollstation Modul (Silberband)

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