Читать книгу Perry Rhodan 26: Kontrollstation Modul (Silberband) - Clark Darlton - Страница 9
3.
ОглавлениеDurch die offene Schleuse wehte die warme Luft der fremden Welt in die Kommandokanzel der Space-Jet. Redhorse stand innerhalb der Schleusenkammer und blickte auf das unbekannte Land, das sich vor seinen Augen ausbreitete. Er hatte die beiden Kampfroboter, die zur Ausrüstung der SJ-4C gehörten, bereits hinausgeschickt. Sie hatten sich beiderseits der Schleuse postiert, und ihre scharfen positronischen Ortungsgeräte suchten die Umgebung nach Gefahren ab.
Hinter Redhorse versammelte sich seine Mannschaft; die Männer hielten die schweren Kombistrahlgewehre schussbereit in den Händen.
Gleam war eine stille Welt. Außer dem kaum hörbaren Geräusch, das der heranstreichende Wind in der Schleusenkammer verursachte, konnte Redhorse nichts hören. Der Boden, auf den Redhorse hinausblickte, war mit fußhohem Moos bewachsen. Nur stellenweise hatte er sein ursprüngliches Aussehen bewahrt; vor besonders felsigem Untergrund hatten die vordringenden Pflanzen kapituliert. Der nackte Felsboden war mit Phosphatadern durchzogen, die im Sonnenlicht glitzerten. Zwischen dem Sumpfgebiet und dem unteren Bergland lag ein Pilzwald, der das Land in einer Richtung vor Redhorses Blicken abschirmte. Im Moos sah Redhorse einige kleinere Tiere, die wie Eidechsen aussahen. Sie huschten blitzschnell von einem Versteck ins andere. Größere Tiere konnte der Captain nicht erkennen.
Brazos Surfat schob sich an seine Seite. Der dicke Mann ächzte und trocknete sich das schweißnasse Gesicht ab.
»Wie sieht es aus, Captain?«, erkundigte er sich. Er hielt den Strahler lässig in den Händen, offenbar nur von dem Wunsch beseelt, so schnell wie möglich in eine kühlere Gegend zu gelangen.
»Ein paradiesisches Bild«, meinte Redhorse. Er deutete aus der Schleuse. »Die Roboter scheinen der gleichen Ansicht zu sein.«
»Gehen wir doch hinaus«, kam Doutrevals Stimme aus dem hinteren Teil der Schleusenkammer.
Redhorse wusste nicht, warum er zögerte. »Jemand muss in der Jet zurückbleiben«, entschied er. »Ich möchte den Diskus nicht ohne Wache zurücklassen.«
»Dazu bin ich der richtige Mann«, behauptete Surfat und machte Anstalten, sich ins Innere der Jet zurückzuziehen. Redhorse hielt ihn am Arm fest.
»Doutreval wird hierbleiben«, ordnete er an. »Er muss die Funkanlage im Auge behalten.«
Redhorse und seine drei Begleiter verließen die Space-Jet. Der Boden, den sie betraten, war weich, auf dem Moos konnten sie sich lautlos fortbewegen.
»Wir schlagen die Richtung zu den Bergen ein«, befahl der Captain. »Von dort aus haben wir einen besseren Überblick.«
»Ich bin kein guter Bergsteiger«, protestierte Surfat.
»Es wird Ihrer Figur gut tun«, sagte Bradon.
Sie kamen gut voran. Redhorse behielt ständig den Wald im Auge. Nur von dort konnte ein überraschender Angriff kommen. Die Pilzbäume besaßen massive Stämme von dunkelgrüner Farbe. Die Form der großen Pilze war unterschiedlich. Am zahlreichsten waren Gewächse mit kuppelförmigem Oberteil. Dazwischen standen Exemplare in ovaler Form, deren Oberfläche rissig und von wucherndem Moos bedeckt war. Das Unterholz bestand aus einem Gewirr kleinerer Pilze und unzähligen Moosarten. Redhorse bezweifelte, dass ein Mensch sich durch dieses Dickicht einen Weg bahnen konnte.
Vor Redhorses Füßen krabbelte ein goldfarbener Käfer auf acht dürren Beinchen durchs Moos. Er zog ein kugelförmiges Gespinst hinter sich nach, was wie Watte aussah. Das Insekt war verhältnismäßig groß. Als Redhorse sich bückte, richtete es sich auf die Hinterbeine und bewegte aufgeregt seine Greifzangen. Dann geschah etwas Eigenartiges. Das Gespinst löste sich auf und bildete einen Schwarm winziger weißer Flocken, die sich auf den Käfer herabsenkten. Innerhalb von Sekunden war das Insekt in einen Kokon eingehüllt. Seine Bewegungen erstarben, dann fiel es wie tot zwischen das Moos.
»Erstaunlich«, sagte Redhorse. Er ergriff den eingehüllten Käfer und hob ihn hoch. Die Hülle, die das Tier umgab, erwies sich als steinhart und unzerbrechlich. Redhorse klopfte behutsam mit einem Finger dagegen.
»Ein ausgezeichneter Schutz«, sagte er. Er legte den Käfer auf den Boden zurück. Als die Männer weitergingen, zerbrach der Kokon. Der Kopf des Insektes erschien. Bald darauf hatte es sich befreit. Der Schutzpanzer blieb zurück, doch während der Käfer seinen Weg fortsetzte, bildete sich hinter ihm bereits ein neues Gespinst.
»Wahrscheinlich irgendein Drüsensekret«, sagte Redhorse.
Surfat rieb seinen Nacken. »Wenn auf Gleam alle Lebewesen so klein und passiv eingestellt sind, bin ich zufrieden«, meinte er.
Gilliam lachte. »Weshalb, glauben Sie, besitzt der Käfer einen solchen Schutz?«
Surfat blickte sich ängstlich um. Sie hatten sich inzwischen etwa zwei Meilen von der Space-Jet entfernt. Der Diskus glänzte im Sonnenlicht. In seiner Umgebung war keine Bewegung zu erkennen. Unbeweglich standen die beiden Kampfroboter vor der Schleuse.
Die Männer setzten ihren Weg fort. Redhorse bezweifelte, dass sie irgendwo auf Hinweise stoßen würden, die ihnen die Suche nach dem Sender erleichtern konnten. Wenn nicht irgendein Zufall sie auf die richtige Spur führte, würden sie die Station wahrscheinlich nie entdecken. Redhorse glaubte nicht, dass ihnen auf Gleam unliebsame Überraschungen bevorstanden. Die Meister der Insel hatten sich in diesem Fall offenbar darauf beschränkt, ihre Anlage so zu tarnen, dass niemand dorthin vordringen konnte.
Vielleicht, überlegte Redhorse, wäre es mit der Ausrüstung eines größeren Schiffes möglich gewesen, eine erfolgreiche Suchaktion durchzuführen. Doch das würde bei den Gefahren im Raum von Andro-Beta ein Unternehmen sein, dessen Ausgang ungewiss war.
Als sie etwa fünf Meilen zurückgelegt hatten, blieb Surfat schweratmend auf einem großen Stein sitzen. Er lehnte seine Waffe gegen den Felsbrocken.
»Allmählich bekomme ich Blasen an den Füßen«, jammerte er. »Wenn wir wenigstens Flugaggregate hätten.«
»Niemand rechnete damit, dass wir eine fremde Welt betreten würden«, sagte Redhorse. »Wir können froh sein, dass die Handfeuerwaffen zur Ausrüstung der Space-Jet gehören.«
»Wollen Sie hier sitzen bleiben?«, erkundigte sich Bradon bei Surfat.
Der Korporal öffnete die oberen Knöpfe seines verschwitzten Hemdes. Er warf einen Blick zum Himmel. »Hoffentlich geht bald die Sonne unter«, sagte er.
»Bis dahin werden wir wieder bei der Jet sein«, sagte Redhorse. »Es ist zu gefährlich, sich während der Dunkelheit außerhalb der Jet aufzuhalten.«
Das Diskusschiff lag jetzt schräg unter ihnen, war aber immer noch deutlich zu sehen. Hinter dem Sumpfgebiet schloss sich das offene Meer an. Die dunkleren Stellen waren die vordringenden Pflanzen. Überall dort, wo sie die Wasseroberfläche noch nicht bedeckten, spiegelte sich das Licht von Tri II.
Es war ein wunderbarer Anblick, der noch an Eindruckskraft gewinnen musste, wenn sie höher gestiegen waren. Redhorse konnte jetzt den Pilzwald überblicken. Doch seine Hoffnung, dahinter irgend etwas Interessantes zu entdecken, wurde enttäuscht. Auch dort schien es nur Sümpfe zu geben.
Obwohl sie sich schon in der Bergregion befanden, wucherte zu ihren Füßen noch immer ein dichter Moosteppich. Diese Pflanzen schienen unglaublich zäh zu sein und kamen offenbar mit einem Minimum an Grundstoffen aus.
Surfat stieß plötzlich einen erstickten Schrei aus, der Redhorse herumfahren ließ. Der Korporal war aufgesprungen und deutete entsetzt auf den Stein, den er als Sitzplatz ausgewählt hatte. Ein eigenartiges Lebewesen kam darunter hervorgekrochen. Es sah aus wie ein knorriger Ast, doch als es seine Höhle unter dem Felsen verlassen hatte, faltete es sich auf wie ein Regenschirm und rannte mit unglaublicher Geschwindigkeit über das Moos davon. Es schien unzählige Füße zu besitzen, die das Moos kaum berührten. Das Tier brachte eine Entfernung von dreißig Metern zwischen sich und die vier Männer, bevor es mit einem Ruck verharrte. Ungefähr in seiner Körpermitte glänzte ein längliches Auge, das boshaft zu den Terranern herüberstarrte.
Surfat setzte sich wieder.
Bradon ergriff einen Stein und warf ihn dem Tier nach. Hastig zog sich das Wesen weiter zurück. Es änderte während seiner Flucht manchmal blitzartig die Richtung, so dass Redhorse an die Bewegungen einer Wasserspinne denken musste.
»Ein Moosläufer«, sagte Gilliam und prägte damit den Namen für dieses eigenartige Tier.
Surfat beobachtete misstrauisch den kleinen Höhlenausgang unter dem Stein. Das plötzliche Auftauchen des Tieres hatte ihn erschreckt.
»Dort unten im Tal bewegt sich etwas!«, rief Bradon Redhorse zu, der noch immer den Moosläufer beobachtete.
Der Cheyenne blickte in die angegebene Richtung. Etwa fünfhundert Meter hinter der Jet war im Sumpfgebiet eine Bewegung entstanden. In der grünen Fläche glaubte Redhorse einen dunkleren Fleck zu erkennen, der einen Pflanzenteppich vor sich herschob.
»Was kann das sein?«, fragte Surfat unruhig.
Redhorse kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können.
»Vielleicht ist es eine unterirdische Gasquelle, die den Sumpf aufbrodeln lässt«, vermutete Bradon.
»Oder ein Tier«, meinte Surfat.
»Dann ist es ein ziemlich großes Tier«, sagte Redhorse. Sie sahen, wie der Sumpf auf einer größeren Fläche in Unruhe geriet. Der dunkle Fleck schob sich systematisch aufs offene Meer hinaus.
»Es sind Pflanzen«, stellte Redhorse schließlich fest.
»Pflanzen?«, wiederholte Bradon. »Wie können Sie so sicher sein, Sir?«
»Ich habe etwas Ähnliches bereits vor unserer Landung beobachtet«, erklärte Redhorse. »Die dunklere Farbe dieser unruhigen Stelle deutet darauf hin, dass die Wasserpflanzen dort besonders dicht wachsen. Sie besitzen keine Ausdehnungsmöglichkeit, ihr Lebensraum wird immer mehr eingeengt. Also suchen sie sich den einzig möglichen Weg, und dieser führt aufs Meer hinaus. Die Pflanzeninseln, die wir von der Jet aus gesehen haben, lösten sich also nicht vom Rand der Sumpfgebiete, sondern bahnten sich vom Innern der Sümpfe aus einen Weg. Was wir dort sehen, sind Sumpfkriechwälder.«
»Gleam wird mir immer unheimlicher«, gestand Brazos Surfat. So, wie er auf dem Stein hockte, erinnerte er Redhorse an die Statue einer asiatischen Gottheit. »Wir sollten umkehren, damit sich Doutreval nicht so einsam fühlt.« Redhorse deutete auf eine spitze Felsnadel. »Bis dorthin wollen wir noch weitergehen«, sagte er. »Von dort können wir das gesamte Tal überblicken.«
Mürrisch stand Surfat auf. Er sah aus, als hätte er einen Tausend-Meilen-Marsch hinter sich. Was Expeditionen zu Fuß betraf, war Surfat nicht gerade der Ausdauerndste. Redhorse lächelte unmerklich. Wenn sie erst wieder an Bord der CREST II waren, würde es für Surfat viel zu erzählen geben.
»Unterhalb der Felsnadel liegt ein eigenartiger Stein«, sagte Gilliam, als sie ihr Ziel fast erreicht hatten.
Redhorse wusste, dass er sich auf die Beobachtungsgabe des Sergeanten verlassen konnte. Gilliam besaß zwar nur ein natürliches Auge, doch dieses verstand er zu nutzen.
Der Stein erwies sich als quadratischer Klotz, durch den schräg von oben ein kreisrundes Loch getrieben war. Es war deutlich zu erkennen, dass Unbekannte den Felsen mit primitiven Werkzeugen bearbeitet hatten. Der Stein sah verwittert aus. An allen Seiten wucherte Moos an ihm empor.
»Da haben wir unseren Hinweis«, sagte Surfat und entsicherte seine Waffe. »Auf Gleam gibt es intelligentes Leben.«
Redhorse strich mit den Fingerspitzen über die raue Oberfläche des Felsens. Wer hatte diesen Quader hierhergebracht, und – was noch wichtiger war – warum hatte man ihn ausgerechnet an diesen Platz gelegt?
Redhorse fühlte ein schwaches Prickeln auf seiner Kopfhaut. Der behauene Stein erschien ihm wie eine ausgesprochene Drohung.
Bradon ließ sich auf die Knie sinken und stocherte mit dem Lauf seines Strahlers in der Bohrung. Grauer Staub rann auf der Unterseite des Loches heraus. Redhorse vermutete, dass die Bohrung zum Transport des Steines gedient hatte. Wenn man einen längeren Holzstab hindurchschob, konnten einige kräftige Männer den Felsen tragen. Der Captain bezweifelte jedoch, dass menschliche Wesen den Quader an diesen Platz gebracht hatten.
Bradon begann, das Moos von der Außenfläche abzureißen. Dabei stieß er auf ein in den Stein eingeritztes Zeichen. Es war ein Kreis mit zwei gekreuzten Strichen darin, die wie ein X aussahen. Bradon machte Redhorse darauf aufmerksam.
»Das hilft uns nicht weiter«, sagte der Captain. »Wir wissen nicht, seit wieviel Jahren das Ding hier schon liegt.«
Surfat und Gilliam hatten inzwischen die nähere Umgebung abgesucht, ohne auf weitere Spuren einer Zivilisation gestoßen zu sein. Wie Redhorse erwartet hatte, konnte man von der Felsnadel aus das gesamte Tal überblicken. Er sah jedoch nichts, was auf eine Ansiedlung oder die Anwesenheit intelligenter Wesen hingedeutet hätte. Das machte den Stein noch geheimnisvoller.
»Ich schlage vor, dass wir umkehren«, meldete Surfat seine Bedenken an. »Doutreval ist allein dort unten in der Jet.«
Redhorse dachte nach. Wer immer den Felsen hierhergebracht hatte, schien seit langer Zeit diesen Platz nicht mehr aufgesucht zu haben. Trotzdem musste der Stein eine Bedeutung haben. Kein intelligentes Wesen legte grundlos inmitten einer Berglandschaft einen behauenen Quader nieder.
»Vielleicht ist es ein Denkmal«, sagte Bradon.
Redhorse umrundete den Felsen. Noch einmal betrachtete er die Bohrung. Plötzlich bekam er eine Idee. Er schob den Lauf seiner Waffe in das Loch und trat einige Schritte zurück. Der Schatten des Karabiners fiel genau auf den eingeritzten Kreis. Er stand in einem bestimmten Winkel zu dem mysteriösen X.
»Es ist eine Sonnenuhr«, sagte Redhorse. »Das Holz, das in der Bohrung steckte, ist inzwischen vermodert und zerfallen.«
»Keine schlechte Theorie«, sagte Gilliam. »Aber warum sollte jemand hier eine Sonnenuhr aufstellen?«
»Die Felsnadel ist ein markanter Punkt in dieser Landschaft«, sagte Redhorse. »Ist es nicht möglich, dass dieser Platz einmal der Treffpunkt unbekannter Wesen war?«
Der Schatten des Kombistrahlers wanderte langsam über den Kreis hinweg. Redhorse zog die Waffe wieder heraus und säuberte sie. Allein das Alter dieses Felsens ließ ihn bezweifeln, dass sie noch mit den Wesen zusammentreffen würden, die ihn aufgestellt hatten.
»Wir werden nie erfahren, ob die Theorie des Captains stimmt«, sagte Surfat.
Redhorse blickte zur Sonne, die jetzt flach über dem Meer stand. Es wurde Zeit, dass sie umkehrten. Mehr würden sie sowieso nicht finden, und es war zu gefährlich, Doutreval noch länger allein zu lassen.
Redhorse gab den Befehl zum Aufbruch. Er hätte den Stein gern mitgenommen, doch er war zu schwer für sie.
Als sie mit dem Abstieg begannen, erfolgte der erste Angriff auf die Space-Jet. Er kam völlig unerwartet und mit solcher Schnelligkeit, dass er fast das Ende der Expedition herbeigeführt hätte.
Zum dritten Mal wanderte Olivier Doutreval von der Funkanlage zur offenen Schleuse zurück. Er konnte nicht verstehen, dass die Hyperortungsgeräte nicht ansprachen. Wenn sich der Sender, der die Mobys aktiviert hatte, tatsächlich auf Gleam befand, dann hätten seine Impulse nicht von der Atmosphäre reflektiert werden dürfen, weil er innerhalb des Reflektorfeldes stand.
Vergeblich grübelte Doutreval darüber nach, wie er die abschirmenden Einflüsse der Atmosphäre aufheben konnte. Dazu hätte wahrscheinlich auch die Ausrüstung eines größeren Schiffes nicht genügt.
Doutreval erreichte die äußere Schleusenöffnung und blickte auf Gleam hinaus. Er konnte die vier anderen Männer der Besatzung nicht sehen. Sie waren zwischen den Felsen dort oben verschwunden. Die Stille hatte etwas Bedrückendes an sich. Doutreval blickte auf die beiden Kampfroboter. Solange sich die Maschinen nicht bewegten, bestand keine Gefahr. Doutreval hätte gern die SJ-4C verlassen, um die nähere Umgebung zu inspizieren. Das erschien ihm nicht gefährlich. Wenn er wirklich vom Wald aus angegriffen wurde, hatte er immer noch Zeit, sich zurückzuziehen. Von allen anderen Seiten konnte sich ihm niemand unbemerkt nähern. Doutreval glaubte nicht, dass er mit seinen Peilversuchen noch Erfolg haben würde.
Er schulterte seinen Strahler und verließ die Space-Jet. Gleichgültig blickten die Roboter zu ihm herüber. Tief atmete Doutreval die warme Luft ein. Der Wind führte einen modrigen Geruch mit sich, der von den Sümpfen kam. Doutreval ließ seine Blicke über das Gebirge gleiten. Diese Landschaft war zum größten Teil vulkanisch. In unmittelbarer Nähe schien es keine größeren Vulkane zu geben, doch Doutreval vermutete, dass Gleam noch nicht zur Ruhe gekommen war. Bestimmt waren stärkere Eruptionen keine Seltenheit. Es konnte auch zu schweren Erdbeben kommen.
Doutreval rupfte einige Moospflanzen heraus und zerriss sie zwischen den Fingern. Ein Geruch wie nach Pfefferminze breitete sich aus. Doutreval schnippte die Pflanzenreste davon. Hier, in der Nähe der Berge, war der Boden noch nicht sumpfig. Doutreval wusste jedoch, dass er nur wenige hundert Meter zurücklegen musste, um das Sumpfgebiet zu erreichen.
Er fand eine Höhle eines der eidechsenähnlichen Tiere. Sie war offenbar unbewohnt und von Moos fast verwuchert. Doutreval presste seine Fußspitze hinein und lockerte das Erdreich. Einige kleinere Insekten, die den verlassenen Bau zu ihrer Behausung erkoren hatten, flüchteten in aller Hast. Sie unterschieden sich kaum von terranischen Arten.
Doutreval ging weiter, bis er die Haut fand. Sie lag zwischen dem Moos, schon halb zerfallen, aber noch immer auf die erschreckende Größe ihres Trägers hinweisend. Doutreval bückte sich und riss ein Stück ab. Die Haut war mit Schuppen bedeckt. Es sah so aus, als hätte sich hier eine riesige Schlange gehäutet. Doutreval blickte sich nach allen Seiten um. Nichts war zu sehen. Er atmete erleichtert auf und fuhr mit der Untersuchung seines Fundes fort.
Die Haut war in der Sonne ausgetrocknet. Früher musste sie besonders elastisch gewesen sein. Die Maserung wirkte fremdartig, die Schuppen besaßen eine dreieckige Form und waren von tiefblauer Farbe.
Doutreval maß die Länge der Haut mit Schritten ab und schätzte, dass das Tier, das sie abgelegt hatte, mindestens zwanzig Meter lang sein musste. Sein Durchmesser mochte einen halben Meter betragen.
Ein gurgelndes Geräusch ließ Doutreval herumfahren.
Vom Waldrand kam in mächtigen Sätzen etwas auf ihn zu, was wie eine Riesenschildkröte aussah. Doutreval wusste nicht viel über Schildkröten, aber er hatte immer geglaubt, sie könnten sich nur langsam kriechend fortbewegen. Das Riesentier, das auf ihn zuhüpfte, ließ ihn seine Meinung rasch ändern.
Er machte einen Schritt zurück. Seine Füße verfingen sich in der Haut. Er stolperte und fiel ins Moos. Die Waffe entglitt seinen Händen. Plötzlich begann rings um ihn das Moos zu schäumen und sonderte einen klebrigen Schaum ab, der stark nach Pfefferminze roch. Entsetzt erkannte Doutreval, dass er sich nur langsam von dieser feuchten Masse losreißen konnte.
Wieder erscholl das Gurgeln. Doutreval glaubte Triumph darin zu erkennen. Er wandte den Kopf. Die »Schildkröte« stieß sich vom Boden ab und segelte scheinbar schwerelos dreißig Meter über den Boden. Doutreval ächzte. Seine Hände streckten sich nach dem Strahler aus. Es gelang ihm, den Schaft zu berühren, doch er konnte die Waffe nicht zu sich heranziehen. Er war bereits über und über mit Schaum bedeckt. Der gesamte Moosteppich war in Aufruhr geraten.
Verzweifelt kämpfte Doutreval gegen die fürchterliche Umklammerung an. Endlich kam sein Oberkörper frei. Der Gestank betäubte ihn fast. Er dachte flüchtig daran, dass er wahrscheinlich nie mehr Pfefferminztee trinken würde, wenn er diesen Angriff überstand.
Die Schildkröte gurgelte und röhrte wie eine Dampfpfeife. Als Doutreval die Waffe ergriff und sich umblickte, war der Angreifer direkt über ihm. Der Funker riss die Kombiwaffe herum. Für einen Augenblick blendete ihn die Sonne. Mit einem dumpfen Platscher landete die Schildkröte zehn Meter hinter Doutreval. Aus den Augenwinkeln sah Doutreval die Kampfroboter heranstürmen. Sie wagten jedoch nicht zu schießen, weil der Funker sich in der Schussbahn befand.
Zum ersten Mal sah Doutreval seinen Gegner in aller Deutlichkeit. Das Wesen hatte nur den Panzer mit einer Schildkröte gemeinsam. Sein Kopf war breit und massig, er ragte nur Zentimeter unter dem Panzer hervor. Doutreval erkannte, dass das Tier eine gewaltige Unterlippe besaß. Zwei kleine, starre Augen leuchteten in der dunklen Kopfhaut.
Das Wesen sprang jetzt nicht mehr, aber es schob sich so nachdrücklich auf Doutreval zu, dass an seinen Absichten kein Zweifel bestand. Der kleine Raumfahrer riss den Strahler hoch und feuerte. Das Untier brüllte auf, als sein Panzer an einer Stelle verschmorte, dann stampfte es in wahnsinnigem Tempo auf Doutreval zu. Doutreval ließ sich auf die Knie sinken und zielte auf den kaum sichtbaren Kopf. Da fuhr die Bestie herum und steuerte auf einen der Roboter zu. Doutreval schoss und fehlte. Die beiden Roboter begannen ebenfalls zu feuern, doch der Angreifer hatte die Gefahr geahnt und zu einem Sprung angesetzt, der ihn bis zur Space-Jet trug.
Doutreval rannte hinter dem Tier her. Voll Entsetzen dachte er daran, dass sein Widersacher die Schleuse zerstören könnte. Im Laufen begann er wieder zu schießen, doch viel zu unkonzentriert, um einen Treffer zu landen. Die Kampfroboter waren offenbar verwirrt und benötigten länger als Doutreval, um sich auf die neue Situation einzustellen. Außerdem würden sie mit dem Schießen wieder zögern, weil die Gefahr bestand, dass die SJ-4C getroffen wurde.
Doutreval fluchte erbittert, als der Gigant auf die Schleuse losging. Er warf sich ins Moos und riss den Strahler nach vorn. Die Pflanzen begannen sofort ihren Klebstoff auszuscheiden, doch Doutreval hatte jetzt keine Zeit, sich darum zu kümmern. Er zielte bedächtig und drückte ab. Diesmal hatte er mehr Glück. Das schildkrötenähnliche Wesen wurde in der Nähe des Kopfes getroffen. Es trompetete wie ein zorniger Elefant. Halb verrückt vor Schmerzen sprang es etwa zehn Meter in die Höhe. Doutreval hielt den Atem an, weil er befürchtete, der tonnenschwere Körper könnte auf die Kanzel der Jet fallen und sie zertrümmern.
Doch das seltsame Tier warf sich im Sprung herum und donnerte unweit von Doutreval ins Moos. Keuchend rannte der Funker auf die offene Schleuse zu. Die kleinen Augen des Monstrums erspähten Doutreval. Der Terraner sah, wie sich sein Verfolger in die Luft erhob und diesmal mit großer Zielsicherheit auf ihn zusegelte. Doutreval fragte sich entsetzt, wie es möglich war, dass das schwere Untier sich einfach in die Luft erheben konnte. Er blieb im Moos hängen und fiel. Die Schildkröte, oder was immer es war, landete wenige Meter hinter ihm und erschütterte den Boden. Mit aufgerissenen Augen sah Doutreval, dass das Riesentier seine Unterlippe wie eine Schaufel vorgeschoben hatte und auf ihn losging. Der Raumfahrer wollte schießen, doch die Waffe versagte. Doutreval schleuderte sie von sich und kroch auf Händen und Knien davon. Wie er befürchtet hatte, war er viel zu langsam, um die Jet zu erreichen, bevor er eingeholt wurde. Ein bösartiges Zischen ließ ihn anhalten. Fast gleichzeitig wurde er von der vorgeschobenen Unterlippe des Ungeheuers aufgehoben. Einen Augenblick lag er in der wulstartigen Vertiefung und wartete auf den Tod, dann schleuderte ihn das Tier mit einem Ruck ein paar Meter in die Höhe und fing ihn geschickt wieder auf. Die fremde Welt drehte sich um Doutreval. Jet, Mooslandschaft, Berge und Kampfroboter wirbelten durcheinander, bis er mit einem Aufschrei wieder in der Lippe landete.
Er versuchte herauszuspringen, doch sein Peiniger stülpte den Lippenrand um und warf ihn nieder.
Plötzlich wurde die Lippe schlaff, und Doutreval kippte heraus, fiel in das aufschäumende, nach Pfefferminz riechende Moos. Der Gigant gab ein eigenartiges Geräusch von sich, und seine Bewegungen erstarben. Gleich darauf wurden die Kampfroboter sichtbar. Mit vorgehaltenen Waffen näherten sie sich dem toten Tier.
Doutreval kam auf die Beine. Sein Körper schmerzte. Er schien jedoch nichts gebrochen zu haben. Er suchte seinen Strahler und schwankte auf die Schleuse zu. Kurz davor brach er kraftlos zusammen. Die Kampfroboter hatten den Angreifer erledigt, doch Doutreval gab sich keinen Illusionen hin. Solche Wesen waren im allgemeinen keine Einzelgänger. Er richtete sich auf und sah, wie die anderen Mitglieder der Besatzung den Hügel herabgestürmt kamen. Redhorse und Gilliam rannten an der Spitze.
Doutreval seufzte erleichtert. Zum Glück gab es hier kaum Moos. Der Schaum, den die Pflanzen produzierten, genügte nicht, um den Funker einzuhüllen.
Redhorse erreichte den Verletzten. Er half Doutreval auf die Beine.
»Wie ich sehe, hatten Sie Besuch«, sagte er trocken.
Doutreval atmete heftig. Er wischte sich Dreck und Schweiß aus dem Gesicht.
»Ohne die Roboter hätte ich es nicht geschafft«, stöhnte er.
Jetzt war auch Gilliam heran und half dem Captain, Doutreval in die Space-Jet zu bringen. Dann kam Bradon. Surfat erreichte den Diskus erst, als Doutreval bereits auf der Tragbare im Innern der Jet lag und von Redhorse untersucht wurde.
Der Korporal schob seinen schweren Körper keuchend in die Kommandokanzel. Mit einem Blick erfasste er die Lage. Dann begann er hoffnungsvoll zu schnüffeln.
»Ah!«, machte er. »Pfefferminztee! Doutreval, Sie sind ein Engel. Das ist genau das richtige Getränk für einen Mann, der das Rennen seines Lebens gelaufen ist.«
Doutreval fluchte erbittert, dann verlor er das Bewusstsein.
Surfat blickte sich unglücklich um.
»Müssen Sie immer ins Fettnäpfchen treten?«, fuhr Bradon ihn an.
»Das tote Tier dort draußen kann unter Umständen weitere Besucher anlocken«, sagte Redhorse. »Gehen Sie in die Schleuse, Whip.«
Der hagere Sergeant verschwand in der Schleusenkammer. Redhorse behandelte den bewusstlosen Funker. Nach einer Weile kam Doutreval wieder zu sich. Er klammerte sich an Redhorses Arm fest.
»Das Moos«, stammelte er. »Sie müssen auf das Moos aufpassen, Captain.«
»Schon gut«, sagte Redhorse besänftigend. »Machen Sie sich keine Sorgen. Die Gefahr ist vorüber.«
In diesem Augenblick kam Whip Gilliam herein. Redhorse bemerkte sofort, dass irgend etwas nicht in Ordnung war.
»Da draußen singt jemand«, sagte der Sergeant.
»Singen?«, echote Redhorse. »Was heißt das?«
»Es kommt aus dem Wald«, bekräftigte Gilliam. »Und es hört sich wie Gesang an.«
Redhorse wechselte einen raschen Blick mit Surfat. Die beiden Männer griffen nach ihren Waffen und folgten Gilliam in die Schleuse. Auch Bradon ging mit hinaus. Doutreval bewegte sich unruhig auf der Trage. Schließlich richtete er sich mühevoll auf und kämpfte gegen das Schwindelgefühl an, das ihn zu übermannen drohte. Es gelang ihm, auf die Beine zu kommen und einige Schritte zu machen. Gleich darauf fühlte er sich besser. Er nahm ebenfalls eine Waffe und verließ die Kanzel.
Die Besatzung der SJ-4C hatte sich in der Schleusenkammer versammelt und beobachtete den Waldrand.
Ein hoher, seltsam klagender Ton drang zwischen den Pilzen hervor. Er ließ Doutreval erschauern.
»Das ist aber ein komischer Gesang«, bemerkte Surfat trocken.
»Ich habe einmal etwas Ähnliches im Requell-System gehört«, ließ Bradon verlauten. »Bei einer Beerdigung.«
»Machen Sie immer so passende Bemerkungen?«, entrüstete sich Surfat.
»Ruhe!«, befahl Redhorse. Der Gesang schwoll an. Er hörte sich an wie Wind, der durch irgendwelche Hohlräume pfiff.
»Die Roboter!«, schrie Doutreval auf.
Seine Stimme ging in dem anschwellenden Heulen, das aus dem Wald kam, fast unter.
Die beiden Kampfroboter kamen schwankend hinter dem toten Ungeheuer hervor. Jedenfalls glaubte Redhorse zunächst, dass sie schwankten. Dann erkannte er, dass sie ihre metallenen Gelenke nach der traurigen Melodie des Gesanges bewegten, der aus dem Wald herüberklang.
»Es sieht fast so aus, als würden sie tanzen«, sagte Bradon überrascht.
Die Roboter wiegten ihre Oberkörper hin und her. Ihre Bewegungen wirkten gleichmäßig, als hätten sie sie sorgfältig einstudiert.
»Mit ihrer Positronik scheint irgend etwas nicht zu stimmen«, übertönte Surfats grollende Stimme den Gesang. »Captain, wir sollten diese verrückte Welt auf schnellstem Wege verlassen.«
Redhorse beobachtete stumm die beiden Kampfmaschinen. Das Verhalten der sonst so zuverlässigen Roboter war mehr als ungewöhnlich. Redhorse fragte sich, ob der eigenartige Gesang etwas damit zu tun hatte.
Die Roboter tanzten um die tote Riesenschildkröte herum. Als sie auf der anderen Seite wieder auftauchten, begannen sie ihre Waffen abzufeuern. Die Strahlen zischten in den Himmel hinauf, wo allmählich Wolken aufzogen.
»Jetzt sind sie völlig verrückt geworden«, stöhnte Surfat.
Redhorse presste die Lippen aufeinander. Sie mussten irgend etwas tun, um die Roboter in die Space-Jet zurückzubringen und abzuschalten, bevor sie Unheil anrichten konnten.
»Einer muss hinaus und mit ihnen reden«, sagte Redhorse.
»Lassen Sie mich gehen, Sir«, sagte Bradon sofort.
»Wir werden beide gehen«, beschloss Redhorse und sprang aus der Schleuse. Die unsichtbaren Sänger wurden noch lauter, als die beiden Terraner sich vorsichtig den Kampfrobotern näherten.
»Hallo, ihr verrückten Burschen!«, rief Bradon den Automaten zu und winkte freundschaftlich mit seinem Kombistrahler.
»Lassen Sie diesen Unfug, Chard«, befahl Redhorse ungehalten. »Ich werde mit ihnen reden.«
Er fragte sich nachdenklich, ob es Sinn hatte, den Robotern Befehle zu geben. Sie hatten sich ihnen jetzt bis auf zehn Meter genähert. Unbekümmert hüpften die Kampfmaschinen durch das Moos und feuerten ihre Waffen ab. Zum Glück richteten sie die Mündungen der Strahler nach oben.
»Hört auf zu schießen!«, befahl Redhorse mit scharfer Stimme.
Die Roboter verharrten ruckartig. Redhorse hörte Bradon aufatmen. Doch da sah er, wie sich die Waffen der seelenlosen Maschinen senkten und in ihre Richtung wiesen.
»Sir!«, krächzte Bradon mit trockener Kehle. »Was halten Sie davon?«
»Wir ziehen uns langsam zurück«, ordnete Redhorse an. »Sobald sie feuern, müssen wir uns verteidigen.«
Sie hörten Gilliam und Surfat Warnrufe ausstoßen. Mit tänzelnden Schritten folgten die Roboter den beiden Raumfahrern.
»Vielleicht können wir sie auf diese Weise in die Schleuse locken«, sagte Redhorse.
»Versuchen wir es«, ermunterte ihn Bradon. »Ich glaube, sie sind noch ziemlich friedlich.«
Das Heulen im Pilzwald nahm wieder an Lautstärke zu. Einer der Roboter jagte einen Strahlenschuss über die Köpfe der Raumfahrer hinweg. Bradon riss den Strahler hoch, doch Redhorse befahl ihm, nicht zu schießen.
Wieder feuerte einer der Roboter. Diesmal flammte das Moos vor Redhorses Füßen auf. Die beiden Männer hatten die Schleuse fast erreicht. Die Maschinen kamen durch das brennende Moos. Ab und zu blieben sie stehen, drehten sich einmal um die eigene Achse und setzten dann ihren Weg fort. Dieses Verhalten konnte nur durch einen Fehler in den Positroniken ausgelöst worden sein. Redhorse war sich jedoch nicht darüber im klaren, wieso beide Roboter gleichzeitig davon betroffen wurden.
Gilliam und Surfat halfen den beiden Männern in die Schleuse. Redhorse atmete auf.
»Schnell die Schleuse schließen und starten, Sir!«, rief Surfat.
»Halt!« Redhorse hob einen Arm. »Wir werden sie in die Schleuse locken.«
In der nächsten Sekunde bereute er seinen Entschluss. Die Roboter gaben jetzt gezieltes Feuer auf die Space-Jet ab. Zu seinem Entsetzen sah Redhorse die Verankerung der äußeren Schleusenwand aufglühen und in einer Funkenkaskade verschmoren.
»Feuer erwidern!«, schrie er.
Die Schleusenkammer füllte sich rasch mit Rauch, so dass den Männern die Sicht versperrt war. Ohne zu zielen, feuerten sie ins Freie. Als sich der Qualm verzogen hatte, sahen sie die Roboter auf den Waldrand zurennen.
»Da verschwinden sie«, sagte Redhorse erbittert. »Jetzt können wir nicht starten, bevor die Schleuse repariert ist. Unsere Roboter sind wir auch los.«
Hustend und mit tränenden Augen sprang er aus der Schleuse. Als er aufblickte, sah er die Roboter zwischen den Pilzbäumen verschwinden. Surfat kletterte hinter ihm ins Freie.
»Dieser elende Planet«, sagte er. »Wir haben uns von seinem schönen Aussehen anlocken lassen. Da sieht man es wieder: nur auf die Hässlichkeit ist noch Verlass.«
Offenbar meinte er sich mit diesen Worten. Redhorse zog es vor, sich nicht in ein Gespräch einzulassen. Inzwischen hatten Gilliam und Doutreval den Schaden untersucht.
»Wie sieht es aus?«, erkundigte sich Redhorse.
Gilliam hockte sich im Schleusenrand nieder und ließ seine dürren Beine herausbaumeln. Er strich sein weißblondes Haar aus der Stirn.
»Wir müssen die Verankerung herausstemmen und durch eine neuwertige ersetzen«, sagte er. »Sonst können wir die Schleuse nicht schließen.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Es können immer nur zwei Männer daran arbeiten«, erklärte Doutreval. »Wenn Surfat mithilft, muss er sogar allein damit fertig werden, weil nicht genügend Platz zur Verfügung steht.«
»Wenn Sie mit diesen Anspielungen ...«, begann Surfat.
»Schon gut«, unterbrach ihn Redhorse. »Gilliam und Doutreval werden mit der Arbeit beginnen. Inzwischen muss einer die Roboter verfolgen. Wir können sie unmöglich hier zurücklassen. Sie wären der sicherste Beweis für unseren Aufenthalt auf dieser Welt.«
Redhorse wandte sich an Bradon: »Sie müssen die Roboter verfolgen, Chard.«
Bradon blickte zum Waldrand hinüber. Der Gesang war wieder verstummt. Nichts deutete darauf hin, dass sich zwischen den großen Pilzen etwas verbarg.
»Gilliam und Doutreval müssen mit den Reparaturarbeiten beginnen. Ich werde mich in der Umgebung etwas umsehen«, gab Redhorse weitere Befehle.
»Und was«, fragte Brazos Surfat, »mache ich?«
»Sie begleiten Bradon, Brazos«, sagte Redhorse.
Surfat stieß die Luft zwischen den Zähnen hervor. Er zeigte zum Waldrand.
»Dort hinüber?«, wollte er wissen. »In diesen Dschungel?«
»Die Roboter werden nur langsam vorankommen. Beeilen Sie sich. Wenn Gefahr droht, können Sie Signalschüsse abgeben.«
Gilliam und Doutreval brachten Werkzeuge zum Schleusenausgang und begannen mit ihrer Arbeit. Bradon und Surfat setzten sich in Richtung auf den Wald in Bewegung.
Einen Augenblick sah Redhorse ihnen nach, dann ging er zu dem toten Monstrum, von dem Doutreval fast getötet worden wäre. Er wollte es gründlich untersuchen. Im Augenblick schien keine Gefahr zu drohen. Wer immer im Wald gesungen hatte, schien sich für einen offenen Angriff auf die Space-Jet und ihre Besatzung nicht stark genug zu fühlen. Das ließ Redhorses Zuversicht ansteigen.
Irgend etwas ging auf Gleam vor. Redhorse fragte sich, welcher Zusammenhang zwischen einer uralten Sonnenuhr, einer Riesenschildkröte und dem Gesang im Wald bestehen konnte. Darauf gab es keine Antwort.
Während sie Doutreval zu Hilfe geeilt waren, hatte Redhorse das nun tote Tier mächtige Sprünge vollführen sehen, die in keinem Verhältnis zu seiner Größe und seinem Gewicht standen. Redhorse vermutete, dass dieses Phänomen mit den eigenartigen Schwerkraftverhältnissen zusammenhing.
Offenbar lebte diese Tierart auch in der Nähe des Äquators, wo die Schwerkraft dreimal stärker als in den Polargebieten war. Irgendwann waren ein paar Exemplare der Riesentiere in die Polarzone ausgewandert und hatten entdeckt, dass man sich dort viel schneller und leichter fortbewegen konnte. Vielleicht besaß die Kreatur sogar variable Organe, die sich der jeweiligen Gravitation entsprechend »einstellten«. Daraus konnten sich ungewöhnliche Aspekte ergeben.
Redhorse erreichte den Kopf des Wesens, das er Gravotänzer oder Stülplipper genannt hatte, und untersuchte das breite Maul mit der vorgeschobenen Unterlippe, die fast zwei Meter durchmaß. Der Captain gelangte zu der Überzeugung, dass er es mit einem reinen Pflanzenfresser zu tun hatte, der Doutreval unter normalen Umständen nicht angegriffen hätte. Irgend etwas hatte das Tier gereizt.
Redhorse umrundete den toten Giganten. Er hörte den Lärm, den Gilliam und Doutreval bei ihrer Arbeit erzeugten. Er blickte zum Waldrand. Surfat und Bradon hatten die ersten Pilzbäume erreicht und gingen vorsichtig an ihnen vorbei.
Nach dem kurzen Zwischenfall zeigte sich Gleam wieder von seiner besten Seite. Redhorse ahnte jedoch, dass ihnen nur eine kurze Ruhepause vergönnt war. Er verwünschte die Voreiligkeit, mit der er dem Drängen seiner Begleiter nach einer Landung nachgegeben hatte. Zugegeben, er hatte es nur zu gern getan, aber mit einer disziplinierten Mannschaft wäre es nie soweit gekommen.
Man konnte eben nie zwei Dinge auf einmal haben, dachte Redhorse betrübt. Entweder man zog mit einer Gruppe hochanständiger Raumfahrer hinaus und begnügte sich mit ihren kleinen Späßen und ihrer unentwickelten Phantasie, oder man umgab sich mit sämtlichen Gaunern, die auf einem Schiff anzutreffen waren, und wartete darauf, dass die Schwierigkeiten begannen.
Bei Maheo, dachte Redhorse grimmig, er hätte die gleichen Männer wieder ausgewählt, wenn man ihn jetzt vor die Wahl gestellt hätte. Wahrscheinlich war es der Indianer in ihm, der ihn so handeln ließ; etwas von jenen Indianern, die es fertiggebracht hatten, nach dem amerikanischen Bürgerkrieg aus ihren Reservationen auszubrechen und eine Übermacht von US-Kavalleristen an der Nase herumzuführen.
Redhorse dachte gern an die Vergangenheit seines Volkes, und er empfand keinen Groll gegen die Weißen. Es waren alles seine Brüder. Besonders jene, die ihn begleiteten.
Für Surfat war die gewaltige Ansammlung von Pilzen der unheimlichste Wald, den er jemals gesehen hatte.
»Hinter jedem dieser Bäume kann ein Gegner lauern«, sagte er zu Bradon.
»Das bezweifle ich zwar«, entgegnete Bradon, »aber ich glaube, dass man rasch auf uns aufmerksam wird, wenn Sie weiter mit dem Lärmaufwand eines Elefantenbullen zwischen den Bäumen hindurchmarschieren.«
Surfat blieb stehen und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Sie sollten froh sein, dass ich bei Ihnen bin, Jüngelchen«, sagte er.
»Sagen Sie nicht immer Jüngelchen zu mir«, beschwerte sich Bradon. »Kommen Sie, wir gehen weiter, sonst finden wir die Roboter nie.«
Surfat blickte an sich herunter, um festzustellen, was er mit einem Elefantenbullen gemeinsam hatte, dann setzte er sich wieder in Bewegung. Dieser Bradon war kein übler Kerl, dachte er versonnen, aber er hätte vor einem älteren Korporal etwas mehr Respekt zeigen sollen.
Surfat schaute mit brennenden Augen auf die gut sichtbare Spur, die die beiden Roboter im Unterholz hinterlassen hatten. Abgerissene Blätter, zerfetzte Lianen und abgebrochene Pilzstängel wiesen den Raumfahrern den Weg.
Bradon ging voran. Er hielt seine Waffe von sich gestreckt und bahnte sich damit einen Weg. Trotzdem hatte Brazos Surfat Schwierigkeiten, das Tempo beizubehalten. Immer wieder blieb er irgendwo hängen und riss seine Uniform auf.
Surfat hätte nicht zu sagen vermocht, wieviel Zeit verstrichen war, als Bradon plötzlich anhielt. Der Offiziersanwärter legte einen Finger auf die Lippen und deutete auf irgend etwas im Vordergrund, was Surfat nicht sehen konnte. Surfat streckte seinen Hals, ohne eine bessere Aussicht zu gewinnen. Er brachte seinen Kopf dicht an Bradons rechtes Ohr und flüsterte:
»Was haben Sie entdeckt?«
»Eine Lichtung«, verriet Bradon.
»Ist jemand dort?« Surfat kämpfte verzweifelt gegen einen Niesreiz an. Seit Doutreval sich im Moos gewälzt hatte, schien es überall nach Pfefferminze zu riechen.
»Ich kann nicht die gesamte Lichtung überblicken«, teilte ihm Bradon mit. »Wir müssen vorsichtig weiter.«
»Warten Sie!«, flehte Surfat. »Ich muss niesen.«
Bradon fuhr herum. »Hören Sie mit diesen Scherzen auf«, verwies er den Korporal.
»Das ist kein Scherz«, sagte Surfat empört. Dann nieste er dreimal hintereinander. Es klang wie Pistolenschüsse und war bestimmt in einem Umkreis von drei Meilen zu hören.
»Ahhh!«, machte Surfat. »Jetzt geht es mir besser.«
Bradon sagte: »Jetzt können wir auch auf die Lichtung hinausgehen.«
Surfat war ein Mann, der selten Schuldbewusstsein empfand, und im Augenblick war seine körperliche Erleichterung größer als seine Furcht. Er folgte dem Jüngeren mit vorgehaltener Waffe auf die Lichtung hinaus. Der Boden war weich, und sie konnten fast überall die Fußabdrücke der Roboter sehen.
»Sie haben getanzt«, sagte Bradon. »Zumindest sind sie einige Zeit hier herumgehüpft. Das verringert ihren Vorsprung.«
Surfat schaute sich misstrauisch um. »Sie wollen doch die Verfolgung nicht fortsetzen?«, fragte er verwirrt.
»Natürlich«, sagte Bradon. »Wir sollen die Roboter zurückholen.«
Surfat kicherte. »Sie haben Mut, Jüngelchen«, sagte er anerkennend.
Bradon beachtete ihn nicht. Er kauerte sich auf die Knie und untersuchte die Fußspuren.
Er ging einige Meter an den Spuren entlang. Dann zeigte er zur gegenüberliegenden Seite der Lichtung.
»Sie scheinen dort wieder im Wald verschwunden zu sein«, sagte er.
»Beeilen wir uns«, drängte Surfat. »Es wird bald dunkel.«
Bevor sie jedoch die Lichtung verließen, wurde sie von jemand anderem betreten.
Das Wesen sah aus wie ein Waschbär, obwohl seine Schnauze nicht so spitz und die Hinterbeine nicht so kurz waren. Als es die beiden Männer erblickte, richtete es sich auf diese Hinterbeine auf und stieß einen Warnruf aus.
»Was ist das?«, fragte Bradon verblüfft.
Surfat richtete seine Waffe auf das Tier. »Ich weiß nicht, ob wir darüber lange diskutieren sollen.«
Der Waschbär, oder was immer es war, hatte große Ohren, einen dunkelbraunen Pelz und einen winzigen Schwanzstummel, der jetzt vor Erregung zuckte.
Einige Zeit fixierten sich die Wesen zweier verschiedener Galaxien; auf der einen Seite der Lichtung zwei Terraner, auf der anderen ein seltsames Tier, über dessen Eigenarten die Raumfahrer nichts wussten.
Schließlich schien der Waschbär einen Entschluss zu fassen. Er ließ sich auf die Vorderpfoten sinken und watschelte auf die beiden Männer zu.
»Er greift an!«, rief Surfat.
Bradon warf ihm einen mitleidigen Blick zu. Das Tier steuerte geradewegs auf den zurückweichenden Surfat zu. Der Korporal hielt ihm den Lauf des Kombistrahlers entgegen. Das Gleam-Wesen schnupperte daran, miaute entzückt und rückte weiter gegen Surfat vor.
»Wir müssen es irgendwie aufhalten«, jammerte Surfat. »Es wird immer zudringlicher.«
Das Pelztier hatte Surfats Beine erreicht und kletterte daran hoch. Bradon sah lachend zu. Surfat stand wie gelähmt da und wusste offenbar nicht, wie er sich verhalten sollte.
»Es klettert auf Ihren Rücken«, sagte Bradon.
Surfat wandte vorsichtig den Kopf. Die Gleam-Version eines Waschbären kauerte sich mit offensichtlicher Zufriedenheit auf Surfats breiten Schultern zusammen, schmatzte behaglich und wackelte mit den Augendeckeln.
»Es sieht so aus, als hätten Sie einen neuen Freund gewonnen«, sagte Bradon spöttisch.
Surfat blickte ihn erbost an. »Nehmen Sie das Tier von meinem Rücken.«
»Ich denke nicht daran«, erklärte Bradon. »Es könnte immerhin sein, dass es glaubt, ich würde Sie angreifen, und dass es anfängt zu beißen und kratzen.«
Aus der Ferne hörten sie den Schuss eines Strahlers. Bradon lauschte angestrengt. Wieder wurde ein Schuss abgefeuert.
»Das ist das Signal zum Umkehren«, sagte Bradon. »Los, Korporal! Wir geben die Verfolgung auf. Die Space-Jet scheint in Gefahr zu sein.«
»Soll ich mit diesem ... diesem Tier weitergehen?«, wollte Surfat wissen.
»Wir nehmen es mit«, entschied Bradon. »Vielleicht kann es uns nützlich sein. Es macht einen anhänglichen Eindruck.«
Mit beiden Händen griff der Korporal nach dem Wesen auf seiner rechten Schulter. Es fing an, jämmerlich zu miauen, als es Surfats Absichten erkannte. Sein Stummelschwanz klopfte empört gegen Surfats Rücken.
Unschlüssig ließ Surfat die Arme sinken.
»Wir können es mitnehmen«, sagte er schließlich, packte voller Zorn den Strahler und folgte Bradon, der bereits die Lichtung verließ.
Etwas Feuchtes berührte das Ohr des Korporals.
»Zum Teufel!«, schrie er hinter Bradon nach. »Jetzt leckt es mich an den Ohren, Bradon.«
Chard Bradon schien kein besonders gutes Gehör zu haben, denn er wandte sich weder um, noch verlangsamte er sein Tempo. Schimpfend rannte Surfat hinter dem jungen Raumfahrer her, während das Tier auf seiner rechten Schulter hin und her schaukelte und jeden unverhofften Ruck mit ängstlichem Miauen begleitete.
Als sie den Wald verließen, hatte Bradon fast einen Vorsprung von fünfzig Metern. In der Nähe des Waldrandes wartete er auf Surfat. Das Tageslicht begann einer milchigen Dämmerung Platz zu machen. Über dem Sumpfgebiet bildeten sich Nebelschwaden.
Surfat war erleichtert, als sie bei der Space-Jet ankamen und die drei zurückgebliebenen Männer wohlbehalten antrafen. Doutreval und Gilliam hatten die gesamte Schleusenhalterung ausgebaut und waren mit der Reparatur beschäftigt. Captain Redhorse hielt Wache.
»Haben Sie die Signalschüsse abgegeben, Sir?«, erkundigte sich Bradon.
»Ja«, sagte Redhorse. »Es wird dunkel, und Sie würden im Wald nicht vorankommen.« Sein Blick fiel auf Surfat, der sich keuchend vor der Schleuse niederließ.
»Was haben Sie da eingefangen?«, fragte Redhorse den Korporal.
Das Tier auf Surfats Schulter blickte sich ängstlich um, klammerte sich aber entschlossen an der Jacke des Raumfahrers fest.
»Das ist Mister Jefferson!«, rief Surfat.
Bradon bekam runde Augen. »Ich wusste nicht, dass Ihr Freund einen Namen hat«, sagte er.
»Ich habe ihn soeben getauft«, grollte Surfat.
Redhorse warf einen nachdenklichen Blick auf das Pelzwesen. »Finden Sie nicht, dass Mister Jefferson ein ungewöhnlicher Name für ein solches Tier ist?«, erkundigte er sich bei Surfat.
»Sein Name ist Mister Jefferson, Sir. Dieser Name passt zu ihm.«
Mister Jefferson miaute zustimmend. Surfat kraulte ihm vorsichtig den Rücken.
Es wurde dunkler, als Chard Bradon erwartet hatte. Die Temperatur sank um knapp zehn Grad. Tri II war vor drei Stunden am Horizont verschwunden. Das Licht der Sterne von Andro-Beta reichte jedoch aus, um das Land schwach zu erhellen.
Bradon ging zehn Meter vor der Schleuse auf und ab und versuchte, mit den Augen die Nacht zu durchdringen. In einer halben Stunde war seine Wache vorüber; er würde in die Jet gehen und Redhorse wecken, der ihn ablösen wollte.
Bradon fragte sich, ob seine vier Kameraden schliefen. Bestimmt hätte er kein Auge zugetan, wenn er in der Kommandokanzel gelegen hätte. Die erste Nacht auf einem fremden Planeten besaß immer etwas Unheimliches. Bradon hatte sich mit vielen älteren Raumfahrern unterhalten. Wenn man die erste Nacht auf einer unbekannten Welt überlebt, hatten diese Männer gesagt, kann man sich Hoffnung machen, die Erde wiederzusehen.
Bradon blieb stehen und lauschte. Ab und zu hörte er ein Rascheln oder das Plätschern des Wassers. Der eigenartige Gesang, den sie beim Verschwinden der Kampfroboter gehört hatten, war bisher nicht wieder erklungen.
Der langgestreckte dunkle Schatten schräg vor Bradon war der Waldrand.
Auf der anderen Seite lagen die Berge, doch davon konnte Bradon jetzt nichts sehen. Das einzige Vertraute in Bradons Umgebung war die Silhouette der Space-Jet. Kaum wahrnehmbarer Lichtschein fiel durch die Kommandokanzel. Redhorse hatte lediglich die Kontrollbeleuchtung eingeschaltet, um nicht die Aufmerksamkeit irgendeines Nachträubers zu erwecken.
Beinahe lautlos patrouillierte Bradon vor dem Kleinstraumschiff. Der Pflanzenteppich verschluckte das Geräusch seiner Schritte. Bradon wäre es lieber gewesen, wenn der Boden aus grobkörnigem Kies bestanden hätte, damit man die Annäherung eines fremden Wesens leichter gehört hätte. Vielleicht schlich schon irgend etwas durch die Nacht auf ihn zu, ohne dass er davon etwas merkte.
Chard Bradon vertrieb diese Gedanken. Er durfte sich nicht durch irgendwelche Hirngespinste verwirren lassen.
Irgendwo knackte etwas. Das Geräusch ließ Bradon zusammenfahren. Er umklammerte den Haltegurt des Kombistrahlers fester. Vor seinen Füßen huschte ein kleineres Tier vorbei. Bradon hörte das Rascheln, das es im Moos erzeugte. Dann war es wieder still. Allmählich trampelte Bradon einen Pfad durch das Moos, denn er legte immer wieder die gleiche Strecke zurück. Von Doutreval wussten sie, wie gefährlich die Pflanzen unter Umständen werden konnten.
Von der Space-Jet klang ein Ruf zu Bradon herüber. Der Offiziersanwärter sah eine schattenhafte Gestalt auf sich zukommen. Es war Redhorse.
»Die Ablösung ist erst in fünfzehn Minuten fällig, Sir«, sagte Bradon.
Redhorse schulterte seinen Karabiner. Bradon glaubte ihn lächeln zu sehen.
»Ist alles in Ordnung, Chard?«
»Ich konnte nichts Verdächtiges feststellen, Sir.«
»Haben Sie den Ring gesehen, Chard?«, erkundigte sich Redhorse, nachdem sie schweigend einige Meter nebeneinander gegangen waren. Bradon blieb verwirrt stehen.
»Welchen Ring, Captain?«
»Mister Jeffersons Ring, Chard«, erwiderte Redhorse ruhig. »Ich habe unseren Freund gründlich untersucht. Um seine linke Vorderpfote trägt er einen schmalen Metallring.«
Bradon hatte das Gefühl, er müsste sich bei Redhorse entschuldigen. Surfat und er hatten den Ring nicht entdeckt. Redhorse hatte als einziger daran gedacht, Mister Jefferson zu untersuchen.
»Was halten Sie davon, Sir?«
»Ich würde sagen, dass ihm jemand diesen Ring umgelegt hat. Jemand, der damit wahrscheinlich seine Ansprüche auf dieses Tier demonstrieren will. Entweder hat sich Surfats Freund verirrt, oder er wurde absichtlich zu uns geschickt.«
»Absichtlich?« Bradon schluckte. »Das glaube ich nicht. Jene, die das Tier losgeschickt hätten, müssten damit rechnen, dass uns der Ring misstrauisch macht. Er ist schließlich ein Hinweis, dass es hier irgendwo intelligente Wesen gibt.«
»Vielleicht soll es eine Drohung sein«, meinte Redhorse.
Bradon fragte voller Unbehagen: »Was werden wir jetzt tun?«
»Das gleiche wie zuvor: Warten, dass Doutreval und Gilliam mit den Reparaturarbeiten fertig werden.«
»Und Mister Jefferson?«
»Ich glaube nicht, dass er eine Gefahr für uns ist. Wir sollten jedoch vorsichtig sein.« Redhorse legte Bradon eine Hand auf die Schulter. »Ihre Wache ist vorüber, Chard. Gehen Sie schlafen.«
Bradon blickte verzweifelt auf die dunklen Umrisse der SJ-4C. »Ich glaube nicht, dass ich einschlafen kann, Sir.«
»Gehen Sie nur«, empfahl ihm Redhorse. »Der Schlaf kommt von allein.«
»Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass Indianer ein gutes Gehör besitzen«, sagte Bradon.
»Das kann schon sein«, gab Redhorse zu.
Bradon versuchte in der Dunkelheit das hagere Gesicht des Captains zu erkennen.
»Ich bin froh, dass Sie jetzt Wache halten, Sir«, sagte er. Dann ging er durch die Nacht auf die Space-Jet zu und wurde gleich darauf eins mit den schattenhaften Umrissen des Raumschiffes.
Für Redhorse bedeutete die Wache ein paar Stunden, während denen er mit sich und seinen Gedanken allein war. Obwohl der Cheyenne ein geselliger Mensch war, wusste er auch die Einsamkeit zu schätzen. Es war etwas Großartiges daran, bei fast vollkommener Stille in der dunklen Umgebung einer fremden Landschaft zu stehen und über verschiedene Dinge nachzudenken. Redhorse fühlte sich fast von seiner Verantwortung für die SJ-4C befreit; es kam ihm vor, als sei er plötzlich zu einem Einzelwesen geworden, ohne Beziehung zu irgendeinem anderen Individuum.
Redhorse lauschte aufmerksam.
Ja, dachte er spöttisch, Indianer besitzen ein gutes Gehör.
Er hörte das schwache Säuseln des Windes, der von den Bergen kam und über das Tal hinwegstrich. Wenn er angespannt lauschte, konnte er sogar das feine Knistern des von seinen Stiefeln niedergetrampelten Mooses hören, das sich allmählich wieder aufrichtete. Für Redhorse war die Nacht mit unterschwelligen Geräuschen ausgefüllt, es summte, wisperte und raunte ununterbrochen.
Nur die lauten Geräusche, die den Captain alarmiert hätten, blieben aus. Eine Stunde verstrich, ohne dass Redhorse irgend etwas wahrnahm. Er ging auf die andere Seite der Jet und beobachtete das Sumpfgebiet. Auch dort blieb es still.
Die Nacht, dachte Redhorse, hat nichts von ihrem Mysterium verloren. Er dachte an seine Vorfahren, die die Götter der Dunkelheit gefürchtet und mit Opfergaben zu versöhnen versucht hatten. Über Jahrhunderte hinweg hatte sich diese Furcht im Innern des Menschen erhalten.
Redhorse blickte auf die Uhr an seinem Handgelenk und sah, dass seine Wachzeit vorüber war. Nun war Brazos Surfat an der Reihe. Der Korporal würde bestimmt nicht freiwillig aus der Jet kommen, um Redhorse abzulösen.
Redhorse ging zur SJ-4C hinüber und kletterte in die Kommandokanzel. Die Männer schliefen. Mister Jefferson röchelte und wimmerte angstvoll. Offenbar hatte er unangenehme Träume. Redhorse warf einen Blick unter den Kartentisch. Im schwachen Licht der Kontrollbeleuchtung war die Kiste kaum zu erkennen, die Jefferson als Behausung diente. Trotzdem konnte Redhorse die zusammengerollte Gestalt des Pelztieres sehen.
Redhorse ging zu Surfats Lager und rüttelte den schlafenden Mann an der Schulter.
Der Korporal fuhr hoch und griff nach dem Strahler, der neben ihm am Boden lag.
»Wollen Sie mich erschießen?«, fragte Redhorse.
Surfat gab ein paar unmissverständliche Geräusche von sich, dann richtete er sich umständlich auf.
»Zeit für die Ablösung«, sagte Redhorse. »Beeilen Sie sich, dass Sie ins Freie kommen.«
»Wie können Sie nur so unmenschlich sein und einen schlafenden Menschen mitten in der Nacht wecken?«, beklagte sich Surfat. »Ich dachte, die Zeit, da die Indianer ihre Gefangenen gefoltert haben, wäre längst vorüber.«
Er wich zurück, als Redhorse auf ihn zuging. Stöhnend und keuchend verschwand er aus der Kommandokanzel.
Redhorse ließ sich auf Surfats Lager nieder. Er hörte die Atemgeräusche der anderen Männer. Mister Jefferson winselte leise. Der Captain schloss die Augen. Die Nacht schien ruhig zu verlaufen.
Fauchend entlud sich vor der Space-Jet Surfats Kombistrahler.
»Alarm!«, schrie Redhorse, griff nach seiner Waffe und jagte mit langen Schritten zur Schleuse. Hinter ihm erhoben sich die Männer schlaftrunken von ihren Plätzen.
Redhorse sprang aus der Schleuse und versuchte, irgend etwas zu erkennen.
Da wurde die Nacht von einem Flammenblitz erhellt. Hinter dem Blitz sah Redhorse Surfats massigen Körper. Er drehte den Kopf und erblickte undeutlich das, worauf der Korporal schoss.
Redhorse hielt den Atem an.
Vom Sumpf herüber kam etwas auf die Space-Jet zugekrochen, das wie eine Riesenschlange aussah.
Als Redhorse weiterrannte, erklang im Wald wieder der eigenartige Gesang. Diesmal erschien er Redhorse lauter. Es hörte sich an, als heulte ein Rudel Kojoten. Redhorse erschauerte. Gilliam und Bradon verließen lärmend die Space-Jet. Gleich darauf folgte Doutreval.
»Hierher, Captain!«, schrie Surfat.