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7.

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Gruude Vern ließ sich von einem Gleiter zum Hotel bringen, bezog sein Zimmer und verließ den Komplex schnell wieder, um sich Jarvon anzusehen. Aber eigentlich suchte er nur die Sportstätten auf.

Am nächsten Tag knüpfte er bereits einige Kontakte und ließ durchblicken, weshalb er auf Jarvith-Jarv war.

Am zweiten Tag spürte er, dass er beobachtet wurde, doch es gelang ihm trotz aller Mühe nicht, herauszufinden, wer ihn überwachte. Bislang hatte er bestimmte Orte mehrmals aufgesucht, an denen vor allem junge Leute anzutreffen waren, und er hatte einige Gespräche über die sportlichen Möglichkeiten auf Terra geführt. Nun schlug er einen Weg quer durch die Stadt ein, der ihn erneut zu diesen Sportstätten und Spielplätzen bringen würde. Auf diese Weise hoffte er, seinen Verfolger zu entlarven.

Er glaubte zu spüren, dass der Unbekannte ihm näher rückte. Immer wieder blieb er deshalb stehen und suchte spiegelnde Flächen mit seinen Blicken ab, aber er entdeckte kein ihm bekanntes Gesicht.

Er fühlte sich nicht mehr frei. Es war lästig, dass ihm jemand im Nacken saß, den er offenbar nicht abschütteln konnte. Vor einem Infostand verharrte er. Nahezu gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass er sich in tödlicher Gefahr befand. Gruude Vern wirbelte herum und rannte los.

Er war erst wenige Schritte weit, da brach hinter ihm der Boden auf. Eine heftige Druckwelle warf ihn zu Boden, während eine grelle Stichflamme nahezu zehn Meter weit in die Höhe fauchte. Er schaffte es nicht, sofort wieder auf die Füße zu kommen.

Männer und Frauen liefen auf ihn zu und starrten ihn an. Amby Törn schob sich durch die Menge nach vorn, kniete neben ihm nieder und legte ihm die Hand unter den Kopf. »Ist alles in Ordnung, Gruude?«, fragte sie.

»Danke. Es geht schon.« Er stemmte sich hoch und kam mit ihrer Hilfe auf die Beine. Seine Schulter schmerzte.

»Das hätte schlimm ausgehen können«, sagte Amby.

»Diese Narren von der Stadtverwaltung«, kommentierte jemand hinter ihr. »Wir haben positronische Sicherungen für die Gasdruckleitungen angeboten, aber niemand wollte sie – obwohl wir Hunderte von Welten dieser Klassifizierung kennen, auf denen mit diesen einfachen Mitteln absolute Sicherheit erreicht wurde. Immer müssen erst Unfälle passieren.«

Es war ein rothaariger Springer, der sich lautstark aufregte. Sein geflochtener Bart reichte ihm bis über den Gürtel. Mit brennendem Blick musterte er die junge Frau, als überlege er, sie zu kaufen.

»Komm, Amby«, bat Vern hastig. »Ein Glas Wein wird uns beiden jetzt gut tun.«

Die Menge zerstreute sich bereits, da es nichts mehr zu sehen gab. Roboter kamen und schlossen das Loch im Boden. Vern blickte flüchtig zu ihnen hinüber, doch er hatte kein Interesse daran, die Explosionsstelle zu untersuchen.

Amby führte ihn zu einer nahen Taverne. Gruude bestellte den Wein – und schwieg.

»Du glaubst offenbar nicht an einen Zufall, sondern dass jemand versucht hat, dich umzubringen?«, fragte Amby nach einigen Minuten.

Vern sagte nichts dazu, doch sein Blick sprach Bände.

»Ein Konkurrent?«, spöttelte sie. »Jemand, der dir die besten Sportler vor der Nase wegschnappen will?«

Er lächelte dünn.

»Bist du so wichtig?«, fragte sie weiter.

Er prostete ihr zu. »Du bist weggelaufen. Warum? Hast du etwas gehört oder gespürt?«

»Sprechen wir nicht von mir, sondern von dir«, sagte Vern. »Du hast einen seltsamen Ausdruck in den Augen, verwirrend und rätselhaft.«

»Lass das Bruke nicht hören.« Amby deutete auf einen Mann, der sich mit einem Pelzwesen auf der Schulter einen Weg durch die Menschenmenge bahnte. Er streichelte den Kopf des schwarz-weiß gefleckten Geschöpfs, das Vern an einen terranischen Ameisenbären erinnerte.

»Was ist das für ein Tier?«, fragte Vern.

»Primas ist ein Halkone«, antwortete Amby. »Sie leben in Rudeln in vulkanischen Talkesseln auf dem Südkontinent. Primas war ein Rudelführer. Bruke hat ihn aus einem Schwemmaschesumpf gerettet, und seitdem sind beide dicke Freunde. Soweit ich weiß, ist Bruke der Einzige, dem es gelungen ist, sich mit einem Halkonen anzufreunden.«

»Und was hat er davon?«, fragte Vern geringschätzig. Amby Törn reagierte gereizt auf die Frage. Gruude meinte deutlich zu spüren, dass sie glaubte, Tosen verteidigen zu müssen.

»In den Talkesseln wachsen unter der Schwemmasche winzige Blähpilze, die von den Halkonen erschnüffelt werden. Und ebendiese Schnüffelnase hat Bruke sich zunutze gemacht. So, wie Primas Blähpilze findet, entdeckt er auf Raumschiffen alles, was nicht astrein ist.«

»Dann ist es aussichtslos, schmuggeln zu wollen?«

»Völlig.«

Vern beobachtete den Kontrolleur, bis dieser wieder in der Menge verschwand. Er fragte sich, ob Tosen, der Arkonide Goron oder womöglich gar Amby Törn mit dem Anschlag auf ihn zu tun hatte. Oder gar einige der Touristen, die mit ihm nach Jarvith-Jarv gekommen waren und die er erst jetzt auf der Dachterrasse des benachbarten Restaurants entdeckte.

Das Sirren des Halkonen schreckte Bruke Tosen auf. Ihm war, als reiße ein schwarzer Vorhang vor ihm entzwei. Eben hatte er sich in seiner Wohnung am Stadtrand gewähnt, aber er befand sich in einem Restaurant, und vor ihm stand ein exotisches Gericht.

Primas lag auf dem Stuhl neben ihm und hielt sich die Nase mit beiden Pfoten zu. Offenbar war der Gewürzduft für ihn unerträglich. Bruke achtete kaum darauf. Verwirrt fragte er sich, wie er hierhergekommen war. Er glaubte, sich deutlich zu erinnern, dass er vor wenigen Sekunden in seiner Wohnung unter der Dusche gestanden hatte. Er meinte sogar, das Wasser noch auf der Haut zu spüren. Allerdings war er korrekt gekleidet.

Ein dunkelhäutiger Mann trat auf ihn zu, blickte ihn erwartungsvoll an und sagte: »Es gibt nur eine Möglichkeit. Er hatte zwei Hosen an.« Danach lachte er schallend.

Bruke Tosen wusste nicht, wovon der Mann sprach. Das Lachen verstummte, und der Dunkelhäutige schüttelte enttäuscht den Kopf. »Nicht?«, fragte er. »Was dann?«

Bruke war so verwirrt, dass er eine Weile brauchte, bis er begriff, dass er dem anderen offenbar eine Scherzfrage gestellt hatte, die dieser zu beantworten suchte. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Ich werde es dir später erklären«, versprach er und legte schwerfällig die Hand auf seinen Bauch. »Mir geht es nicht gut. Ich fürchte, ich habe das Aschefieber.«

Er stand auf und verließ mit Primas das Restaurant. Sein Rückzug, das musste er sich eingestehen, glich einer Flucht.

Draußen war es warm wie gewöhnlich. Die Sonne stand im Zenit. Die Kunststoffhaube über der Stadt schimmerte an ihrer oberen Rundung rot, ein deutliches Zeichen dafür, dass Schwemmasche von den benachbarten Vulkanen ausgeworfen und von den Stürmen über die Stadt hinweggetragen wurde. In Jarvon selbst merkte man sonst nichts von der vulkanischen Tätigkeit. Die Stadt war so gebaut, dass sie erschütterungsfrei blieb.

Bruke Tosen erkannte, dass er sich im Zentrum von Jarvon befand. Er beschloss, schnellstens in seine Wohnung zurückzukehren.

Nervös und unsicher drängte er sich durch die Reihen der Gäste, die vor den Restaurants saßen und die Sonne genossen. Er näherte sich der Röhrenbahnstation, als er die rothaarige Frau unter den Bäumen bemerkte. Sie winkte ihm zu.

Zögernd hielt er inne. Er erkannte Sintha-Lee. Von dem blauen Auge, das ihr Gesicht vor zwei Tagen verunstaltet hatte, war nichts mehr zu sehen. Sie lächelte.

Auf eine solche Gelegenheit hatte Tosen gewartet. Er ging auf die Frau zu. »Ich bin überrascht, dass du nicht an Bord bist«, sagte er.

»Ich ertrage Xingars Nähe nicht mehr.« Sie machte eine auffordernde Geste.

Bruke Tosen setzte sich an ihren Tisch, wobei er darauf achtete, dass ihn einige Büsche dem Blick vorbeischlendernder Passanten weitgehend entzogen.

»Kann es sein, dass der Patriarch dir jemanden nachschickt?«

Sintha-Lee legte ihm ihre Hand auf den Arm. Er zuckte leicht zusammen. Sosehr ihn diese Frau anzog, so wenig wagte er, die rechtliche Sphäre zu verletzen, die sie und den Springerpatriarchen verband.

»Wir haben uns getrennt«, behauptete sie und schaute ihn durchdringend an. Er registrierte nicht einmal, dass Primas, den er nach wie vor auf der Schulter trug, eingeschlafen war.

»Natürlich ist Xingar wütend«, schränkte Sintha-Lee leise ein. »Er lässt sich nichts wegnehmen und bildet sich ein, dass ich nach wie vor sein Eigentum sei.«

»Wenn du willst, kann ich dich für einige Tage in Sicherheit bringen.«

»Soll ich zu dir ziehen?«

Ihre Offenheit überraschte ihn. »Ich dachte eher daran, dass ich ein Haus in den Bergen anmieten könnte«, entgegnete er. »Dort könntest du bleiben, bis die XIN-I gestartet ist. Es geht ja nur um einige Tage.«

Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich wusste, dass ich mich in dir nicht täusche. Besorgst du mir das Haus?«

Seine Mühe damit beschränkte sich auf einen Anruf über sein Kombiarmband. In den Bergen entlang der Küste gab es viele Häuser, die nur wenige Monate im Jahr genutzt wurden. Jeder Bürger von Jarvith-Jarv konnte sie mieten.

Sintha-Lee erläuterte, dass sie sofort mit einem Gleiter zu dem Haus fliegen und dort bleiben würde, bis Xingar den Planeten verlassen hatte.

»Besuche mich morgen«, bat sie.

»Gern«, bestätigte er.

In seiner euphorischen Stimmung hatte er seine eigenen Probleme verdrängt. Als er wieder allein war und sich erinnerte, dass er nach Hause gehen wollte, entsann er sich, dass er offenbar für einige Stunden das Gedächtnis verloren hatte. Er beschloss, sich an den Medoteil seiner Hauspositronik anzuschließen und einen Allgemeintest vorzunehmen.

»Was ist mit dir?«, fragte Amby, als Bruke Tosen am nächsten Tag das Raumhafengebäude betrat. Sie hatte auf ihn gewartet, weil sie vergeblich versucht hatte, ihn über Interkom in seiner Wohnung zu erreichen.

»Was soll mit mir sein?« Ambys ängstlich forschender Blick ärgerte ihn.

»Bist du krank?«

»Ich habe mich testen lassen. Alles in Ordnung. Und nun habe ich zu tun, in fünf Minuten beginnt mein Dienst.«

»Ich habe heute Geburtstag und wollte dich fragen, ob du ...«

»Tut mir leid, ich habe keine Zeit.« Bruke wurde bewusst, wie schroff er die freundlich gemeinte Einladung zurückwies. Er wollte es wiedergutmachen, aber Amby eilte bereits davon.

»Verdammt«, murmelte er und blickte ihr nach. Am liebsten hätte er sie zurückgerufen oder wäre ihr nachgelaufen. Ein Blick auf die Uhr mahnte ihn indes, dass er nur mehr wenige Minuten hatte, und er war nie zu spät zum Dienst gekommen.

»Du bist netter zu Primas als zu Amby«, sagte eine tiefe Stimme hinter ihm, als er sein Büro betrat. Überrascht drehte Bruke Tosen sich um.

Goron blickte ihn vorwurfsvoll an. »Ich weiß, es geht mich nichts an«, gestand der Arkonide ein. »Doch es tut mir weh, wenn ich mit ansehen muss, dass einer meiner Freunde sich wie ein Narr benimmt.«

»Mache ich das?«

»So ist es, Bruke. Amby würde alles für dich tun, und du siehst sie nicht einmal. Stattdessen lässt du dich mit Sintha-Lee ein und merkst nicht einmal, dass sie sich über dich lustig macht. Dieses Weib ist eiskalt.«

»Was weißt du von Sintha-Lee?« Tosen fühlte sich in der Defensive.

»Sie ist Xingar hörig.« Goron lächelte traurig. »Ich will dich nur warnen. Glaub ihr nicht, oder du läufst in eine Falle, in der du umkommen wirst. Ich denke immer wieder daran, was du vor einigen Tagen zu mir gesagt hast: Mehandor lassen sich ihr Handelsmonopol nicht so ohne Weiteres streitig machen. Sie können warten, wenn es sein muss, jahrzehntelang. Eines Tages schlagen sie dann zu und holen sich zurück, was sie glauben, verloren haben. Dafür ist ihnen jedes Mittel recht.«

»Ich verbiete dir solche Äußerungen«, sagte Tosen schneidend scharf. »Sintha-Lee ist keine Kämpferin des Patriarchen, falls du so etwas andeuten wolltest. Und nun raus!«

Goron wandte sich um und verließ das Büro. Bruke Tosen ging zum Fenster. Die XIN-I war noch da, sie wurde entladen.

Der Importkontrolleur rief über die Hauptpositronik die Einfuhrdaten des Walzenraumers ab.

Nach zwanzig Minuten stand für ihn fest, dass die Daten manipuliert worden waren. Die Ladung war freigegeben worden, obwohl mit großer Wahrscheinlichkeit einige Positionen darunter waren, die auf der Verbotsliste standen.

Sie sind bestochen, erkannte Tosen. Alle haben sich in den Dienst der Springer gestellt. Ich scheine der Einzige zu sein, der ehrlich ist.

Es wäre sinnlos gewesen, Beschwerde einzulegen. Damit hätte er höchstens seinen Arbeitsplatz riskiert und sich selbst in den Bereich der vorzeitigen Pensionierung gerückt. Und das mit einundvierzig Jahren.

Er war an einem Scheideweg angelangt. Ihm blieb keine andere Alternative, als sich ebenfalls bestechen zu lassen oder sich aufzulehnen. Wählte er die zweite Möglichkeit, musste er sich direkt an den Bürgermeister wenden. Andernfalls bestand die Gefahr, dass seine Proteste auf dem Dienstweg versickerten.

Er nahm Primas auf die Schulter, legte ein Atemschutzfilter an und ging auf die Landebahn hinaus. Aus den Hangars schwebten Lastencontainer herab. Primas hob den Kopf und schnüffelte, obwohl der nächste Container noch fast fünfzig Meter entfernt war.

»Was ist los?«, fragte Tosen erstaunt. »Wenn du auf diese Entfernung etwas aufspürst, dann muss der Container bis oben hin voll sein mit verbotener Ware.«

»He, Bruke!«, rief eine bekannte Stimme hinter ihm.

Er drehte sich in der Überzeugung um, dass Formier gekommen sei, um ihn von der Ladung der XIN-I abzulenken, und er war entschlossen, sich um keinen Preis weglocken zu lassen.

Formier reichte ihm eine kleine Metallkapsel. »Das wurde eben für dich abgegeben. Ein Junge soll es gebracht haben.«

Der Kollege ging weiter, ohne sich um ihn zu kümmern.

Tosen zögerte lange, bis er die Kapsel öffnete. Er fand einen positronisch versiegelten Brief darin, wollte ihn wieder in die Tasche schieben und ihn später lesen, doch die Neugierde gewann die Oberhand. Also kehrte er ins Büro zurück und schob den Brief ins Lesegerät. Eine zierliche Handschrift wurde projiziert.

»Irgendwie haben sie herausgefunden, wo ich bin. Bitte, hilf mir. S-L.«

Bruke Tosen meldete sich bei seinem Vorgesetzten und bat ihn, den Dienst für heute sofort beenden zu dürfen. Er erhielt die Erlaubnis und stürmte aufs Dach des Gebäudes, auf dem stets mehrere Taxigleiter standen. Er startete eine der Maschinen und brachte sie innerhalb weniger Sekunden auf Höchstgeschwindigkeit.

Ein Springer lässt sich nichts wegnehmen, ging es ihm durch den Kopf.

Der Tag war klar, ein leuchtend blauer Himmel spannte sich über dem Land. Tosen konnte die Vulkane sehen, die auf einigen Inseln dem Kontinent vorgelagert waren.

Bruke sah plötzlich größte Schwierigkeiten für sich, falls Sintha-Lee etwas zugestoßen war. Er hatte den Bungalow gemietet. Er hatte Schwierigkeiten nicht nur mit dem Springer, sondern auch mit den Kollegen gehabt.

Ihm wurde übel bei dem Gedanken, was geschehen würde, wenn ein Verdacht auf ihn fiel. Alle standen aufseiten Xingars, der ihnen ein ansehnliches Bestechungsgeld bezahlte.

Das Haus stand über einem Steilhang. Von hier reichte der Blick weit übers Meer. Tosen landete auf der Rückseite. Eine Kunststoffkuppel hob sich aus dem Boden, stülpte sich über den Gleiter und öffnete gleichzeitig einen Durchgang zum Haus. Während er ausstieg, geriet er in eine Strahlendusche, die alle Schadstoffe der Atmosphäre beseitigte. Bruke nahm das Atemschutzfilter ab und warf es in den Gleiter. Jämmerlich heulend schloss sich Primas ihm an.

Er betrat das Gebäude und stieß die Tür zum Salon auf. Sintha-Lee lag bäuchlings vor dem wandbreiten Fenster, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt. Ihr aufgelöstes Haar sah aus wie ein Bündel von Blutfäden.

Als er neben ihr niederkniete, räusperte sich jemand hinter ihm. Tosen fuhr herum und sah Olof Xingar und zwei weitere Springer. Ihr erster Schlag traf ihn, ohne dass er sich wehren konnte. Er wurde quer durch den Raum gewirbelt und hatte Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen, bevor Olof sich erneut auf ihn stürzte. Diesen Angreifern hatte er wenig entgegenzusetzen.

Eine feuchte Schnauze stieß ihn immer wieder an, und eine Zunge leckte über seine Nase. Benommen sehnte er sich nach nichts anderem, als weiterhin im Dämmerzustand zu bleiben und die Entspannung zu genießen. Die Zunge ließ ihn nicht in Ruhe, bis er die Augen öffnete.

Bruke Tosen wollte sich aufrichten, sank aber gleich wieder zurück. Es schien nicht eine Stelle an seinem Körper zu geben, die nicht schmerzte.

Offenbar lag er unter einem Steilhang aus schwarzem Gestein, der sich neben ihm in den Himmel wölbte. Tosen hob den rechten Arm und schob den Kopf des Halkonen zurück. Dabei merkte er, dass er kein Atemschutzfilter trug.

Er sah sich um, weil er hoffte, den Filter in seiner Reichweite zu finden. Doch um ihn herum gab es nur schwarzes Gestein und einige Farne.

Hastig legte er die Hände über Mund und Nase, bis ihm klar wurde, dass er damit die Schadstoffe nicht abhalten konnte. Er hatte keine Ahnung, wie lange er schon in der Wildnis lag, erst Minuten oder schlimmstenfalls schon Stunden. Das Armband hatten ihm die Springer abgenommen, er konnte also nicht um Hilfe rufen oder sich wenigstens orientieren.

Tosen stemmte sich an einem Felsen ab und kam wenigstens auf die Knie. Mochten die Springer glauben, dass er tot sei oder so gut wie tot, weil die atmosphärischen Gifte ihm den Rest geben würden, wenn er nicht bald in ärztliche Behandlung kam, er gab nicht auf.

War Sintha-Lee tot oder ebenfalls in der Wildnis ausgesetzt?

Er war sicher, dass Xingar und seine Sippe sich früher oder später zu Herrschern über das Handelskontor von Jarvith-Jarv aufschwingen würden, wenn er ihnen nicht in die Arme fiel.

Er befand sich in einer gut hundert Meter tiefen Schlucht. Nach Süden hin stieg sie bis zu einem Vulkankegel an, dorthin durfte er sich keinesfalls wenden.

Primas fiepte und lief nach Nordwesten. Schon nach wenigen Metern hielt der Halkone inne und wandte sich um.

Bruke folgte dem Tier, auch wenn ihm jeder schnelle Schritt Höllenqualen bereitete.

Als er sich etwa einen Kilometer weit durch das unwegsame Gelände vorangekämpft hatte, fiel der Boden unvermittelt steil ab. Ein blühendes Tal öffnete sich. Leuchtend rote Bäume wuchsen inmitten von Nadelwäldern, und auf freien Flächen wucherte übermannshohes Gras. Gigantische Pflanzenfresser schoben sich träge hindurch. Über ihnen kreisten Raubvögel. Tosen wusste, dass es ein tödliches Unternehmen war, sich unbewaffnet auf eine solche Ebene zu wagen.

»Es hat keinen Sinn«, sagte er zu Primas, der ihn ungeduldig anblickte. »Wenn ich da hinuntergehe, werde ich umkommen.«

Allerdings durfte er auch nicht in den Bergen bleiben. Der bebende Untergrund kündigte einen Vulkanausbruch in größter Nähe an. Womöglich schon sehr bald würden sich glühende Lavamassen durch die Schlucht über die Ebene ergießen.

Zu spät registrierte Tosen das Summen einer Stechlibelle, da bohrte sich ihr Rüssel bereits in seinen Nacken. Er schlug nach dem Insekt, reagierte jedoch viel zu langsam. Das Gift befand sich da bereits in seiner Blutbahn.

Strahlenförmig breitete sich der Schmerz von seinem Nacken über den Körper aus. Stöhnend taumelte Bruke einige Schritte weit, dann brach er zusammen.

Es ist dunkel!, war sein erster Gedanke, als er die Augen aufschlug. Über sich sah er den Erdnussmond von Jarvith-Jarv.

Bruke Tosen wunderte sich darüber, dass er noch lebte. Jemand musste ihm ein Gegengift injiziert haben.

Er hörte Schritte näher kommen. Licht flammte neben ihm auf. Geblendet schloss er die Augen wieder. »Sintha-Lee?«, formulierte er mühsam. Eine Hand streifte über seine Wange, als ob sie ihm Leben vermittelte.

Die Frau hatte ihn gerettet. Er lächelte, als sie ihm Wasser auf die Lippen träufelte, und es gelang ihm, sich ein wenig zu entspannen.

»Ich muss zum Arzt«, sagte er schwerfällig. »Sintha-Lee, bitte, ich muss nach Jarvon.«

Sie antwortete nicht, sondern schob ihm ihre Hände unter die Schultern und half ihm auf. Müdigkeit und Erschöpfung erlaubten ihm nur, die Augen kurz zu öffnen. Er sah, dass er vor dem Gleiter stand, mit dem Sintha-Lee gekommen war. Sie hatte aus den hinteren Sitzen eine Liege gemacht, um ihn bequemer transportieren zu können. Dankbar lächelnd ließ er sich auf die Polster fallen und schlief fast augenblicklich ein.

Als er erwachte, befand sich der Gleiter bereits im Luftraum über Jarvon. Tosen drehte den Kopf. Er wollte Sintha-Lees Namen rufen, aber nur ein Stöhnen kam über seine Lippen. Nicht die Springerin hatte ihn gerettet, sondern Amby Törn.

»Du hattest Glück«, sagte der Mediziner. »Ich habe bisher niemanden erlebt, der unter solchen Bedingungen durchgekommen ist.«

Bruke Tosen spürte die Hochdruckinjektion.

»Du brauchst wenigstens zwei Wochen Ruhe, bis das Gift in deinem Körper abgebaut ist«, hörte er den Mediziner sagen. »Ich werde das Importamt benachrichtigen.«

Bruke wollte protestieren, doch die Müdigkeit kam schnell über ihn.

In den nächsten Tagen schwebte er in einem Zustand, der zwischen Wachsein und Bewusstlosigkeit lag. Einige Male löste er sich immerhin so sehr aus seiner Benommenheit, dass er Amby bemerkte, die bei ihm Krankenwache hielt.

Als er schließlich bei vollem Bewusstsein die Augen aufschlug, war er allein. Er lag in einem lichtdurchfluteten Krankenzimmer, und aus Akustikfeldern ertönte sanfte Musik.

Bruke Tosen fühlte sich besser. Er erhob sich und ging zum Fenster. Augenblicklich erkannte er, wo er sich befand. Nicht weit entfernt ragte ein dreieckiger Turm in den Himmel, dort residierte der Bürgermeister von Jarvon.

Tosen wusste, was er zu tun hatte. Er musste zu Kulgar Hars gehen und ihn über die Zustände am Raumhafen informieren.

Aus dem Schatten eines Baumes vor der Klinik löste sich eine gedrungene Gestalt. Für einige Sekunden sah Tosen das leuchtend rote Haar und den Bart eines Springers. Er zweifelte nicht daran, dass Xingar zu einem zweiten Schlag gegen ihn ausholte.

Hastig kleidete Tosen sich an, dann lief er mit Primas zum Fenster und schob es auf. Er ließ sich auf ein Vordach gleiten, rannte gebückt an den Fenstern der anderen Zimmer vorbei und kletterte an einem Baum, dessen Äste über das Dach reichten, nach unten.

Er beobachtete, dass Amby Törn sich der Klinik näherte. Ihr stand eine arge Enttäuschung bevor, doch er glaubte, daran nichts ändern zu können.

Niemand hielt ihn auf, als er zu dem Gleiter lief, mit dem Amby gekommen war.

Der junge Mann presste die Ellenbogen an seine Seiten und hielt die Fäuste schützend vors Kinn, als er losrannte. Er stürmte durch den Trainingssaal, in dem sich mehr als hundert Sportler eingefunden hatten. Bevor er sich in das Federband stürzte, das die Ziellinie überspannte, blickte er kurz zu Gruude Vern hinüber, der ihn aufmerksam beobachtete.

Der Sportler zerrte das Federband weit über die Ziellinie hinaus. Seine Füße stemmten sich in Kerben im Hallenboden, dann schlug das Band zurück. Sein mächtiger Körper krümmte sich. Es schien, als würde das Band ihn aus den Fußkerben reißen, doch er hielt dem Ansturm stand und schaffte es sogar, sich einen halben Meter weiter voranzukämpfen.

Vern gab das Zeichen. Eine Automatik klinkte das Band aus und ließ es fallen.

Erschöpft sank der junge Mann auf die Knie, aber er lächelte, als er Verns anerkennendes Nicken sah. »Bekomme ich einen Vertrag?«, fragte er.

»Du hast Chancen«, sagte der Terraner.

»Bist du nicht zufrieden? Ich habe fünf Wettkämpfe absolviert und ...«

»Ich würde an deiner Stelle weniger reden«, unterbrach ihn Vern und wandte sich dem nächsten Kämpfer zu.

Ein Springer erschien neben ihm. »Hast du Zeit für mich?«, fragte er.

Gruude Vern blickte auf. Der Springer mochte kaum zwanzig Jahre alt sein. Er trug das Haar kurz, ein ebenfalls gestutzter Bart zierte sein Kinn. Diese Haartracht war für einen Mehandor ungewöhnlich.

»Warum nicht?« Vern erhob sich und führte den neuen Bewerber in einen Nebenraum, in dem einige Sessel und ein Tisch an einer Bar standen.

»Ich will etwas klären, bevor ich mich bewerbe«, eröffnete der Springer. »Ich habe gehört, dass der Grenzwert für die Kämpfer bei 1,25 Gravos liegt.«

»Stimmt.«

Der Springer grinste. »Meine Papiere beweisen, dass ich auf Jarvith-Jarv geboren und aufgewachsen bin, obwohl das nicht den Tatsachen entspricht. Ich habe neunzehn von zwanzig Jahren auf der XIN-I gelebt, dort herrschen aufgrund einer Manie des Kommandanten Xexxer ständig 1,48 Gravos.«

Gruude Vern musterte sein Gegenüber. Wenn der Mann die Wahrheit gesagt hatte, verbarg sich hinter seiner vergleichsweise schmächtigen Gestalt ein bärenstarker Kämpfer, der in der Lage war, jeden anderen aus dem Feld zu schlagen. Der Springer bot ihm einen glatten Betrug an.

»Wir können ins Geschäft kommen, sobald geklärt ist, warum ein Galaktischer Händler nicht mehr an Bord seines Schiffes, sondern auf Terra leben will«, sagte Vern.

»Ich habe Streit mit dem Patriarchen. Es geht um Bruke Tosen.«

»Was ist mit ihm?«

»Tosen war an Bord der XIN-I und hat eine Bombe gelegt. Sie ist explodiert, hat jedoch keinen großen Schaden angerichtet. Xingar will Tosen – hm – bestrafen.«

»Bruke Tosen ein Bombenleger? Das glaubst du selbst nicht.«

»Es ist wahr. Ich habe die Aufzeichnung der Überwachung gesehen.«

»Und weshalb hast du Streit?«

»Ich bin nicht mit der Art der Bestrafung einverstanden. Xingar könnte Tosen erledigen, wenn er den Beweis offenlegt, aber das will er nicht. Er sucht persönliche Rache, weil Tosen sich weigert, Bestechungsgelder anzunehmen.«

»Interessant.«

»Kommen wir ins Geschäft?«

»Zeig, was du kannst.« Gruude Vern führte den Springer auf die Kampfbahn hinaus.

Bruke Tosen landete in der Stadt. Er ließ den Gleiter stehen und tauchte im Gewühl der Menge unter.

Als Importkontrolleur wusste er, welche Waren wo angeboten wurden, und war darüber informiert, wo widerrechtlich gehandelte Produkte auftauchten. Zielstrebig betrat er ein Geschäft für gebrauchte Nuklearbatterien. Ein verwahrlost wirkender Mann kam ihm aus dem Halbdunkel des Verkaufsraums entgegen, ein Arkonide mit mattem Blick.

»Was kann ich für dich tun?«

»Ich brauche eine Waffe«, antwortete Tosen. »Einen Impulsnadler.«

Jäh verschwand der Schleier, der über dem Gesicht gelegen hatte. Die Augen des Arkoniden wurden klar, er streckte sich.

»Eine Waffe? Du weißt, dass so etwas auf Jarvith-Jarv verboten ist. Hier ist nicht einmal die Polizei bewaffnet.«

Tosen zeigte seinen Ausweis. »Ich weiß, dass du mit Waffen handelst, und ich brauche eine. Wenn du mir keine gibst, werde ich dafür sorgen, dass Xingar keine einzige mehr durch die Kontrollen bringt.«

Innerhalb von Sekunden schien der Arkonide um Jahre jünger geworden zu sein. Bruke Tosen wusste, dass sein Gegenüber sich in der Maske des verwahrlosten Händlers wohlfühlte und die höchsten Gewinne herausschlug. Er war jedoch nicht bereit, mehr als unbedingt notwendig zu zahlen.

Tosen setzte sich auf eine der großen Batterien, weil plötzlich seine Knie weich wurden und er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Ihm wurde so übel, dass er nicht mehr reden konnte. Trotzdem versuchte er, den Schwächeanfall zu verbergen.

Der Arkonide blickte ihn nachdenklich an, drehte sich um und verließ den Laden. Er kam gleich darauf mit einem kleinen Bündel zurück, wickelte es auf und enthüllte einen handlichen Impulsnadler.

Bruke Tosen erschrak über den Preis. Für die Waffe musste er an die Grenze seiner Kreditlinie gehen. Er nahm sich zusammen, überwand die Übelkeit weitgehend und handelte den Preis herunter. Danach fühlte er sich so schlecht, dass er nur mehr den Wunsch hatte, das Geschäft schnellstens zu verlassen. Er ließ sich eine Energiezelle für die Waffe geben und steckte sie ein, dann eilte er auf die Straße hinaus. Er schleppte sich bis zu einer Bar, ließ sich hier ein hochprozentiges Getränk geben und stürzte es hinunter. Es brannte derart in der Kehle, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Immerhin besserte sich sein Befinden.

Wenig später verließ er Jarvon in einem Mietgleiter in Richtung der Berge.

Mehrmals fragte er sich, wie viele Tage vergangen waren, seit die Springer ihn zusammengeschlagen hatten. Er kam nicht darauf, seine Erinnerungslücken waren zu groß.

Wieder landete er hinter dem Haus unter der Kuppel. Dieses Mal trat er mit schussbereiter Waffe ein.

Niemand griff ihn an. Auch Sintha-Lee war nicht mehr da. Blutflecke und zertrümmertes Mobiliar zeugten von dem Kampf, den er mit den Springern ausgetragen hatte.

Er fühlte sich leer und ausgebrannt und konnte sich nicht vorstellen, dass er jemals wieder Erfüllung in seiner Arbeit finden würde. Er ließ sich in einen Sessel sinken und starrte einfach vor sich in.

Fast eine Stunde lang konnte Bruke seine Gedanken nicht ordnen, zumal er abermals einen Schwächeanfall erlitt.

Er ließ sich schließlich auf den Boden sinken und streckte sich aus. Das half. Allmählich wurde er sich darüber klar, dass er zum Bürgermeister gehen musste. Hars war nicht nur Oberhaupt der größten Stadt von Jarvith-Jarv, sondern der einflussreichste Mann des Planeten.

Tosen entsann sich, dass Xingar behauptet hatte, auch Kulgar Hars stehe auf der Liste derer, die Bestechungsgelder annahmen, doch er glaubte dem Patriarchen nicht.

Ich habe einen Fehler gemacht, erkannte Bruke Tosen, als er das Haus mit Primas auf der Schulter verließ. Ich hätte das Bestechungsgeld zum Schein annehmen sollen. Dann hätte ich einen greifbaren Beweis gehabt und außerdem Zeit gewonnen, um mich in aller Ruhe vorzubereiten. Aber das war nicht mehr zu ändern.

Er flog nach Jarvon zurück, parkte den Gleiter am Stadtrand und legte die restliche Strecke zu Fuß zurück. Nahe beim Verwaltungsturm entdeckte er drei Springer in einem Straßenrestaurant. Er beobachtete sie aus sicherer Entfernung und zog sich zurück, als er überzeugt davon war, dass sie den Turm beobachteten. Bruke umging das Areal und näherte sich schließlich von Norden, entdeckte aber auch da einige Springer. Auf dem direkten Weg kam er also nicht ans Ziel.

Er verließ Jarvon wieder und flog zu einem Kuppeldorf fünftausend Kilometer nördlich. Er erreichte die an der Küste liegende kleine Siedlung am späten Abend. Im offenen Hafen waren einige Spezialfangschiffe vertäut. Die Bewohner des Dorfes lebten vom Fang von Schalentieren. Einige Raumfahrtlinien flogen Jarvith-Jarv nur an, um ihren Passagieren diese Köstlichkeit bieten zu können.

Den Halkonen auf der Schulter, suchte Tosen das örtliche Transmitterzentrum auf und betrat das Transportfeld. Falls die Springer ihn in der Verwaltung erwarteten, würden sie ihn nicht überraschen.

Perry Rhodan 120: Die Cyber-Brutzellen (Silberband)

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