Читать книгу Perry Rhodan 120: Die Cyber-Brutzellen (Silberband) - Clark Darlton - Страница 7

3.

Оглавление

Der Gleiter war unauffällig, ein sehr weitverbreiteter Fahrzeugtyp. Automatisch fädelte er sich in das Überwachungsnetz der Metropole Terrania ein, kaum dass er den Hangar verlassen hatte.

»Du bist dir darüber im Klaren, dass man uns verfolgen wird?«, fragte Adelaie.

Marcel Boulmeester wählte einen Kurs in Richtung des nördlichen Stadtrands. »Eine Warnung an das Institut ist sinnvoll«, sagte er verhalten. »Ich glaube zwar nicht, dass sich Brutzellen aus meinem Körper entfernt haben, aber Vorsicht ist geboten. Das Labor muss gereinigt werden.«

Adelaie wählte den Anschluss des Deltacom-Instituts. Die Verbindung kam sofort zustande. »Ich brauche jemanden, der sich in der Nähe des Hauptlabors befindet«, verlangte sie.

Ein Assistent blickte sie erstaunt an. »Mortimer ist der Ansicht, dass du mit dem Chef im Labor eingeschlossen bist.«

»Wenn das so ist, verbinde mich mit ihm!«

Das Bild wechselte. Mortimer Skand wirkte sichtlich verwirrt, er setzte zu einer Frage an, doch Adelaie unterbrach ihn sofort. »Hör zu, Mortimer!«, sagte sie energisch. »Der Chef und ich haben einen Versuch mit den Brutzellen durchgeführt. Möglicherweise befinden sich nun freie Zellen im Labor. Ihr müsst alles desinfizieren und so weiter, du weißt schon. Der Chef und ich werden für einige Zeit unterwegs sein, zur Besorgnis besteht kein Anlass.«

»Wo bist du? Wo ist Marcel?«

»Ich melde mich wieder.« Adelaie unterbrach die Verbindung.

Boulmeester schenkte ihr ein verzerrtes Lächeln. »Gut gemacht«, sagte er.

»Ich habe es nicht freiwillig getan«, widersprach ihm die Laborantin. »Was wir derzeit tun, ist falsch.«

Innerlich gab Boulmeester ihr recht. Er war von einem einzigen Gedanken beseelt: Er musste zum Mond, zu NATHAN. Immer wieder redete er sich ein, dass dies sein eigener Wille war und dass NATHAN ihm helfen konnte, die Parasiten in seinem Körper zu entfernen. Aber schon machten sich wieder dumpfe, wirre Gedanken in ihm breit. Er schrieb sie dem Einfluss der Brutzellen zu. Der Begriff trojanisches Pferd stieg in seinen Überlegungen auf, und er murmelte die Worte mehrmals leise vor sich hin und lauschte ihrem Klang, bis er Adelaies sorgenvollen Blick sah.

Die Hyperinpotronik NATHAN konnte ihn heilen. Er würde es niemals so weit kommen lassen, dass sich die Cyber-Brutzellen auf das wichtigste Rechnersystem stürzen konnten, das Terra zur Verfügung stand. NATHAN war für die Liga Freier Terraner und die Kosmische Hanse unersetzlich.

In dem Moment erkannte Marcel Boulmeester deutlich, was geschah. Er ließ den Gleiter absinken und landete in einem Parkgelände. Die Idee, dass NATHAN ihm helfen würde, stammte von den Brutzellen, nicht von ihm selbst. Ihr Ziel war es, NATHAN zu manipulieren. »Adelaie«, sagte er schwer atmend. »Die Wahrheit ...«

Ich bin eine positronisch-biologische Vernichtungswaffe, wollte er der Laborantin eingestehen. Ich darf auf keinen Fall den Mond erreichen, denn dann werden Milliarden von Cyber-Brutzellen NATHAN infiltrieren. Statt dieses Eingeständnisses fuhr er drängend fort: »Wir müssen uns beeilen, bevor ich die letzte Kontrolle über mich verliere.«

Er sah die Zukunft deutlich vor sich. Am Ende würde sein Tod stehen. Sobald sich die Brutzellen aus seinem Körper lösten, war er nicht mehr lebensfähig.

»Wir müssen zum Mond gelangen, schnell und ohne aufgehalten zu werden«, sagte Marcel Boulmeester. »Du musst mit Mortimer reden – nicht aus der Distanz, sondern persönlich ...«

Adelaie war diese Entwicklung nur recht. Wenn sie Glück hatte, konnte sie eine Warnung weitergeben. Eine falsche Hoffnung? Sie wusste nicht, ob das Subsystem der Brutzellen, das sie in sich trug, das verhindern würde. Momentan hatte sie jedenfalls nicht den Eindruck.

»Ich erwarte dich in spätestens vier Stunden zurück!«, rief Boulmeester ihr nach, als sie den Gleiter verließ.

Mit der Rohrbahn gelangte sie schnell in die Nähe von Mortimer Skands Wohnung und rief im Institut an. »Wie sieht es im Labor aus?«, fragte sie.

Mortimer schüttelte den Kopf. »Was geht eigentlich vor, Adelaie? Wo bist du mit dem Chef?«

»Unterwegs«, sagte sie ärgerlich. »Mehr wirst du vorerst nicht erfahren. Was ist mit dem Labor?«

Skands typisches Achselzucken verriet ihr genug. »Die Roboter haben keine Brutzellen aufgespürt, aber einen Blutfleck mit toten Polizeizellen«, sagte er. »Das Blut stammt von Marcel, und eine der registrierten Brutzellen fehlt. Das ist alles. Noch einmal: Was ist geschehen?«

Adelaie setzte an, alles zu berichten, doch ein jäher stechender Schmerz in der Herzgegend raubte ihr den Atem.

»Fühlst du dich nicht gut?«, fragte Mortimer besorgt.

»Kein Problem«, versicherte sie. »Alles in Ordnung. Ich bin nur übermüdet.«

Offensichtlich spielte die Entfernung zwischen Boulmeester und ihr keine Rolle. Oder das System der Brutzellen in ihrer Brust kontrollierte bereits ihre Gedanken. »Der Chef hat einen Versuch mit der fehlenden Brutzelle eingeleitet«, erläuterte sie. »Ihr müsst also nicht nach ihr suchen. Das Blut hat er sich selbst abgenommen und mit den Polizisten experimentiert. Alles verläuft bestens.«

Skand war damit keineswegs schon zufrieden. Er wechselte einige Worte mit Franzlin, der kurz im Hintergrund zu sehen war. »Ich verstehe das alles nicht, Adelaie«, sagte er dann eindringlich. »Franzlin ist ebenfalls der Ansicht, dass wir die Liga alarmieren müssen.«

»Dafür gibt es keinen Anlass, und Marcel will das auch nicht. Ein Alarm würde sein Vorhaben gefährden.«

»Dann musst du uns schon einige Fragen beantworten.« Franzlin trat in den Vordergrund. »Solange Boulmeester nicht hier ist, bin ich der Verantwortliche.«

»Wie du meinst.« Eigentlich hoffte Adelaie, dass sie sich in Widersprüche verwickeln würde, weil sie nur so auf die eigentliche Bedrohung aufmerksam machen konnte.

»Mortimer sagt, dass er dich bewusstlos im Labor liegen sah.«

»Ein harmloser Unfall ohne Folgen.« Sie konnte das schlecht leugnen.

»Ich verstehe die Geheimnistuerei nicht. Wie habt ihr es überhaupt geschafft, das Labor zu verlassen?«

»Marcel verfolgt ein überaus wichtiges Vorhaben, das die Forschungen schnell weiterbringen kann. Und aus seinem Labor gibt es einen geheimen Ausgang.« Adelaie sah Franzlin und Mortimer Skand an, dass beide mit ihren Antworten nicht zurechtkamen.

»Welches Vorhaben?«, drängte Skand.

»Die Einzelheiten kenne ich nicht. Marcel protokolliert die wichtigsten Ergebnisse. Sie müssen innerhalb der nächsten zwölf Stunden den anwesenden Hanse-Sprechern im Stalhof vorgetragen werden. Wegen der Bedeutung der Erkenntnisse wird der Chef das persönlich übernehmen. Du, Mortimer, sollst eine Transmitterpassage zum Mond für heute sechzehn Uhr bereitstellen lassen, für Marcel Boulmeester und mich.«

Skand schüttelte den Kopf. »So einfach geht das nicht. Vorsicht ist angesagt, Adelaie. Ich brauche Beweise dafür, dass alles in Ordnung ist.«

»Ich führe Marcels Anweisungen aus. Genügt dir das nicht?«

»Warum meldet sich der Chef nicht persönlich?«, fragte Franzlin.

»Er wird sich melden«, behauptete Adelaie ohne Umschweife, denn plötzlich durchzuckte sie wieder ein greller Schmerz in der Herzgegend. »Um fünfzehn Uhr in Mortimers Wohnung. In Ordnung?«

Franzlin und Skand willigten ein.

Obwohl sie nur für Boulmeester und die Brutzellen gearbeitet hatte, fühlte Adelaie sich erleichtert. Marcel Boulmeester musste sich immerhin in der Wohnung einfinden. Vielleicht ergab sich daraus eine Möglichkeit, das Unheil abzuwenden.

Sie verließ die Wohnung und das Gebäude.

Um ein Haar wäre sie mit einer Gestalt zusammengestoßen, die wie aus dem Boden gewachsen vor ihr stand. Der Mann war mittelgroß und humanoid. Die kleinen rostbraunen Flecken in seinem Gesicht und das verwirbelte schwarze Haar hatte Adelaie erst vor wenigen Tagen in einem wissenschaftlichen Infoclip gesehen. Sie erkannte Quiupu sofort, aber seinen Blick konnte sie nicht deuten. Zurückhaltung und ein Hauch von Entsetzen?

Wortlos hastete sie an dem Fremden vorbei. Wenn sie richtig informiert war, hatte Perry Rhodan ihn im Weltraum gefunden.

Wenn Mortimer Skand eine Sache über den Kopf zu wachsen drohte, neigte er zu Resignation oder übertriebener Nachgiebigkeit. Was jetzt mit seinem Chef Marcel Boulmeester geschehen war, konnte er nicht verstehen. Ebenso Adelaies seltsames Verhalten.

Eine wichtige Entscheidung hatte ihm Franzlin abgenommen, darüber war er erleichtert. Also hatte er Boulmeesters Transfer zum Mond arrangiert.

Trotzdem fühlte sich Skand unwohl. Vieles am Verhalten seines Vorgesetzten passte einfach nicht zu den gewohnten Vorgängen. Solche Überlegungen wälzend, schwebte er im Antigravschacht nach oben in die 104. Etage. Verdutzt blieb er stehen, als er kurz darauf den Fremden vor seiner Wohnungstür sah. Quiupu blickte ihm mit einem undefinierbaren Ausdruck entgegen.

»Du willst zu mir?«, fragte Skand.

»Es gibt eine weitläufige Verwandtschaft zwischen Viren und Cyber-Brutzellen«, murmelte Quiupu.

»Komm herein«, bat Skand zögernd.

Der Fremde folgte ihm durch den Empfangsraum auf die von Energiefeldern gesicherte Terrasse. Mortimer bot seinem Besucher einen Sessel an. Quiupu setzte sich nach einer Weile.

»Es gibt ebenfalls eine Verwandtschaft zwischen den Polizeizellen und Viren, aber ...« Ohne erkennbaren Grund schwieg der Fremde wieder.

»Bist du hier, um mir das zu sagen?«

Quiupu blickte sich unsicher um. »Es freut mich, dass du nicht befallen bist.«

»Ich verstehe kein Wort.« Skand wurde schroffer. »Heraus mit der Sprache! Was willst du von mir?«

»Ist dir mein Besuch unangenehm?«

»Ich habe nicht viel Zeit.«

»Würdest du die Wahrheit kennen, hättest du noch weniger Zeit. Was geschieht in dem Institut, in dem du arbeitest?«

Mortimer Skand ging einige Schritte auf und ab. »Ich sehe keinen Anlass, mit dir darüber zu reden. Ich habe gehört, dass du das Institut besucht hast. Also wird man dir alles gesagt haben, was du hören wolltest.«

»Zu wenig.« Quiupus Stimme wurde eine Nuance schriller. »Es läuft ein Mensch herum, der die kleinen Einheiten in sich trägt.«

»Du meinst die Brutzellen?«

»Ihr nennt sie so. Es sind weitläufige Verwandte der euch bekannten Viren, meine Forschungen haben das bewiesen.«

»Jeder Mensch schleppt Viren mit sich herum. Sie gehören zu unserer Natur.«

»Du verstehst mich nicht. Das tut mir leid«, rief Quiupu. »Ich sagte, es läuft ein Mensch herum, der Cyber-Brutzellen in sich trägt!«

Skands Geduld war nicht die beste. »Jeder weiß, dass du ein wenig verrückt bist, Quiupu. Ich will wirklich nicht unhöflich sein, aber warum belästigst du gerade mich?«

Der Fremde erhob sich. »Wenn ich dich belästige, bitte ich dafür um Verzeihung. Das war nicht meine Absicht. Ich wollte dich nur warnen und um eine Information bitten.«

»Danke für die Warnung. Ich passe schon auf mich auf – und du passt auf dich auf. Und was für eine Information ...?«

Der Fremde ging langsam zum Ausgang.

Der Zufall wollte es, dass der Interkom ansprach. Boulmeester war der Anrufer. »Hast du den Transfer nach Luna arrangiert, Mortimer?«

»Ja, aber ...«

»Mehr will ich gar nicht wissen. Wegen der Einzelheiten melde ich mich später.« Die Verbindung erlosch.

Skand wandte sich wieder zu seinem Besucher um. Quiupu stand bereits an der Tür und blickte ihn starr an. »Entschuldige die Störung«, sagte er. »Es wird nicht wieder vorkommen.«

»Was ist mit der Information, die du haben wolltest?«, fragte Skand gereizt.

»Ich habe sie.« Quiupu ging.

Mortimer Skand erwartete Boulmeester um fünfzehn Uhr, und diesmal würde er dem Chef auf den Zahn fühlen. Umso enttäuschter war er, als er das Missverständnis bemerkte. Marcel kam nicht persönlich, sondern meldete sich nur telefonisch.

»Ist alles bereit?«, fragte Boulmeester ohne Umschweife.

Skands Vorsätze waren in Sekundenschnelle weggewischt. »Ja, natürlich«, sagte er lasch. »Aber du musst die Tickets abholen. Oder soll ich sie vorbeibringen? Wo bist du?«

»Ich schicke Adelaie, gib ihr die Unterlagen. Über welche Station hast du gebucht?« Auf Skands Frage ging der Kybernetiker mit keiner Silbe ein.

»Welche Station?«, wiederholte Boulmeester ungeduldig.

»Auto-drei im Wissenschaftszentrum Terrania-Nord wird ab sechzehn Uhr für dich und Adelaie nach Luna geschaltet.«

»Adelaie wird in Kürze bei dir sein. Das war's.«

Mortimer Skand biss sich wütend auf die Unterlippe. Dann musste Adelaie ihm eben die Wahrheit sagen. Wusste sie überhaupt genug?

Er bekam nie eine Antwort auf diese Frage, denn Adelaie traf nicht ein. Nach über einer Stunde vergeblichen Wartens ließ er sich mit der LFT-Führung verbinden.

»Ich muss den Ersten Terraner sprechen!«, verlangte er. »Dringend.«

Zu diesem Zeitpunkt war es schon zu spät.

Anfangs hatte Quiupu beabsichtigt, Mortimer Skand erneut aufzusuchen. Der Mann war sein einziger Ansatzpunkt, der zu Boulmeester und seiner Gehilfin führen konnte.

Als er Adelaie aus einem Gleitertaxi aussteigen und den Wohnblock betreten sah, änderte er sein Vorhaben und folgte ihr. Er holte sie ein, bevor sie den Antigravschacht betreten konnte. Ein Messgerät an seinem Gürtel verriet mit schwachem Pfeifton, dass er sich auf der richtigen Spur befand. Die Frau trug die virenähnlichen Einheiten mit sich herum.

»Geh nicht weiter!«, befahl er scharf.

Adelaie fuhr herum. »Was willst du?«

»Du musst mich begleiten! Am besten wäre es, wenn du das freiwillig tust.«

Sie zuckte zusammen, ihr Gesicht zeigte für einen flüchtigen Moment den Ausdruck von Schmerz.

»Ich will dir helfen«, sagte Quiupu, und als sie sich an die linke Brustseite griff, zögerte er nicht länger. Ein betäubendes Gas ließ Adelaie schlaff in sich zusammensinken.

Über einen rückwärtigen Ausgang des Wohnblocks gelangte er mit der nur träge reagierenden Frau zu dem Antigravschacht, der ihn in sein Labor brachte. Während er darauf wartete, dass sich Adelaies Zustand wieder normalisierte, lokalisierte er die Brutzellen, die sich in ihr eingenistet hatten. Es gab nur einen einzigen relativ kleinen Zellverbund, der jedoch in gefährlicher Nähe des Herzens saß.

Quiupu arbeitete schnell und sorgfältig, als er eine seiner beiden modifizierten Polizeizellen in eine Hochdruckkanüle überführte. »Es besteht kein Grund zur Aufregung«, sagte er. »In deinem Körper steckt ein Klumpen aus Cyber-Brutzellen. Er muss entfernt werden.«

Vergeblich versuchte Adelaie, wieder auf die Beine zu kommen, sie war noch zu schwach. »Diese positronischen Zellen lassen sich nicht einfach entfernen, sie setzen sich dagegen zur Wehr«, brachte sie schwerfällig über die Lippen.

»Du hast wahrscheinlich Erfahrungen mit Boulmeester?«, fragte Quiupu.

»Was weißt du von ihm?«

»Vermutlich wird er bald von positronischen Zellen beherrscht. Alle Brutzellen müssen vernichtet werden, sie stellen eine Bedrohung dar. Ich glaube, dass Boulmeester zum Mond will, um NATHAN zu infiltrieren.«

»Du wirst es nicht verhindern können«, behauptete Adelaie. »Und ich kann dir nicht helfen. Das Ding in mir hindert mich daran. Ich kann es dir nicht einmal näher erklären, ohne Schmerzen zu erleiden ...«

Wortlos ging Quiupu zu ihr, drückte die Kanüle an ihren Hals und entleerte deren Inhalt. »Es wird einige Sekunden dauern, bis die Wirkung einsetzt. Ich kann nur hoffen, dass es klappt.«

»Was hast du mir injiziert?«

»Eine Polizeizelle aus Franzlins Labor.«

»Der Versuch ist sinnlos«, behauptete Adelaie. »Die Polizisten sind noch ungeeignet. Boulmeester hat es ebenfalls versucht, sein Körper oder die Brutzellen haben die Polizisten abgestoßen. Übrigens trägt er elf oder mehr Ballungen aus Brutzellen.«

»Dann hat Boulmeester bereits jede Kontrolle über sich verloren. Ich muss es trotzdem versuchen. Die Zelle, die ich dir gespritzt habe, ist keine gewöhnliche Polizeizelle, ich habe sie behandelt. Sie muss funktionieren.«

Adelaie stöhnte. Ein konvulsivisches Zucken durchlief ihren Körper. Obwohl sie versuchte, auf die Beine zu kommen, schaffte sie es nicht.

Quiupu nahm von da an permanent Messungen an ihr vor.

»Es klappt«, stellte er schließlich fest. »Das Subsystem ist bereits weitgehend vernichtet. Wahrscheinlich wirst du dich noch etwas schwach fühlen, aber das wird sich schnell legen.«

»Ich bin müde«, stöhnte Adelaie. Quiupu verabreichte ihr ein Stärkungsmittel.

»Mittlerweile müsste der Zwang weitgehend von dir abgefallen sein«, sagte er fünf Minuten später. »Sag mir, was du über Boulmeester weißt. Wir müssen ihn daran hindern, zum Mond zu gehen und NATHAN anzugreifen.«

Sie nickte schwach. »Wo ist dein Interkom?«

Quiupu deutete auf das Gerät, das sich in einer Ecke des Labors befand. Wenige Minuten später stand Adelaie so dicht davor, dass die Aufnahmeoptik nur sie erfassen konnte. Sie nannte eine Kodenummer.

»Zimmer 44!«, verlangte sie, als das Konterfei einer Frau im Empfang erschien. Das Bild wurde für wenige Sekunden dunkel, dann stabilisierte sich Boulmeesters Gesicht.

»Marcel, es hat nicht ganz geklappt. Der Transmitter wurde für eine wichtige Regierungssache blockiert. Ich bemühe mich um einen neuen Termin. Warte bitte, bis ich mich wieder melde.«

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Boulmeester misstrauisch.

»Ja, natürlich. Ich melde mich wieder.« Ohne dem Kybernetiker Gelegenheit zur Reaktion zu lassen, unterbrach Adelaie die Verbindung.

»Wo steckt der Mann?«, fragte Quiupu.

»In einem kleinen Hotel im Erholungspark Nord. Ich führe dich hin.«

Minuten später waren sie unterwegs.

Marcel Boulmeester lag ausgestreckt auf dem Bett und dachte an gar nichts. Sein Gehirn befand sich unter vollständiger Kontrolle der Cyber-Brutzellen, die Metamorphose war vollzogen.

Nur seine äußere Erscheinung war noch die eines Menschen. Unter der Haut verliefen die notwendigen Muskelstränge, die den Körper bewegen konnten.

Boulmeester war nur mehr eine biologische Positronik. Seine Sinnesorgane lieferten alle Informationen zur Zentraleinheit des Zellverbunds, der sich selbst als Fünften Boten bezeichnete. Dessen Energiehaushalt erforderte einen beträchtlichen Aufwand. Nachschub von außen gab es nicht, deshalb formte das Energiesystem beständig Substanz des Trägers um und führte die so gewonnene Energie den Subsystemen zu – ein Vorgang, der den Körper nach und nach verzehren würde.

Boulmeester existierte nicht mehr als Mensch, deshalb konnte er diese Vorgänge nicht einmal erahnen. Von der ursprünglichen Gehirnstruktur waren nur noch wenige Sektionen vorhanden, aus denen der Fünfte Bote Informationen gewann. Eines der Subsysteme im Kopf des Mannes hatte mittlerweile einen eigenen Erinnerungssektor angelegt, in dem die Wissensinhalte des Menschen abgespeichert wurden. In der ersten Phase der Übernahme hatte dies zu Problemen und Missverständnissen geführt, und einige Male waren versehentlich rücktransformierte Überlegungen und Steuerbefehle durch den Träger ausgesprochen worden.

Der Fünfte Bote stand in Verbindung mit einem Subsystem, das er außerhalb des Trägers angesiedelt hatte. Diese Vorsorge hatte das Notsystem eingeleitet, als die Gefahr einer Bloßstellung zu groß geworden war. Aus Gründen der Sicherheit wurde das ausgelagerte System in regelmäßigen Zeitabständen angerufen und abgefragt.

Bald würde der Fünfte Bote sein Ziel erreicht haben. Die Schleusen waren vorbereitet, die Milliarden Einzelzellen konnten ihr Werk beginnen.

Der Fünfte Bote wartete auf das Eintreffen neuer Informationen, die der Träger des ausgelagerten Subsystems zu beschaffen hatte.

Dass der routinemäßige Anruf bei dem ausgelagerten Subsystem ohne Antwort blieb, löste eine Alarmmeldung aus. Die Reaktion übertrug sich auf den Körper Marcel Boulmeester. Er erhob sich und begann, unruhig auf und ab zu gehen.

Endlich kam Adelaies kurzer Anruf. Der Fünfte Bote geriet in Unruhe.

Etwas stimmt nicht, meldete der Logikbereich. Doch bevor ein Resultat vorlag, war die Verbindung zwischen den beiden Trägern wieder unterbrochen.

Der zweite Träger wird zum Fünften Boten zurückkommen. Diese Behauptung des Logikbereichs stützte sich auf den kurzen Wortwechsel zwischen Adelaie Bletz und dem Körper Marcel Boulmeester. Aus der unmittelbaren Nähe muss sich die Störung des ausgelagerten Subsystems erklären lassen.

Der positronische Mensch befand sich im Zustand höchster Aktivität und Aufmerksamkeit.

Als Adelaie das Hotelzimmer betrat, konnte sie davon nichts ahnen. Für sie lag Boulmeester dösend auf dem Bett.

Obwohl sie mit allen denkbaren Reaktionen gerechnet hatte, wurde die Laborantin überrascht. Aus der Rückenlage heraus vollbrachte Boulmeester die Unmöglichkeit, wie eine gespannte Feder in die Höhe zu schnellen. Seine Faust traf die Laborantin an der Schläfe und schickte sie bewusstlos zu Boden.

Quiupu, der draußen gewartet hatte, sprang zwar noch nach vorn, um Adelaie beizustehen, aber Boulmeester rannte ihn geradezu um. Während er sich wieder aufraffte, sah Quiupu den Kybernetiker zum Antigravschacht rennen und hineinspringen. Nur kurz zögerte er, bevor er dem Flüchtigen folgte.

Als er das Hotel verließ, sah er Boulmeesters Gleiter soeben abheben. Die Maschine entfernte sich in Richtung der dicht bewaldeten Bergkette im Norden.

Quiupu erreichte seinen eigenen Gleiter und sprang hinein. Er verlangte dem Triebwerk Höchstleistung ab.

Unter ihm huschte die Landschaft vorüber. Das Gelände stieg langsam an. Bald tauchte ein von Schluchten durchzogenes Bergmassiv auf. Quiupu hatte seit seiner Ankunft auf Terra die Hauptstadt des Planeten nicht verlassen, die Region, über die er hinwegraste, war ihm fremd.

Allmählich holte er auf. Boulmeester tauchte in eine Schlucht ein, die Felswände traten näher zusammen und zwangen ihn, die Geschwindigkeit zurückzunehmen.

Quiupu löste ein stabförmiges Gerät von seinem Gürtel und richtete es auf den vor ihm fliegenden Gleiter. Urplötzlich geriet Boulmeesters Maschine ins Taumeln und wurde langsamer. Bevor Quiupu nahe heran war, schrammte das Fahrzeug an vorspringenden Felsen entlang. Teile des Rumpfes wurden abgerissen und wirbelten durch die Luft. Boulmeester stürzte aus dem zerbrechenden Fahrzeug.

Quiupu lenkte seinen Gleiter in die Nähe des Abstürzenden. Der Kybernetiker ruderte wild mit den Armen. Unmittelbar bevor er am Boden aufschlug, drehte er sich in der Luft und schaffte es dann, sich mehrmals abzurollen.

Federnd kam der Fliehende wieder auf die Beine. Quiupu hatte schon im Hotel einen Eindruck von den Kräften gewonnen, die die Brutzellen mit dem Körper entwickeln konnten. Er ging kein Risiko ein, als er Boulmeester mit dem Gleiter rammte und ihn zur Seite schleuderte.

Nur einen Atemzug später landete Quiupu, sprang aus seiner Maschine und hastete zu dem Kybernetiker. Hastig presste er dem Mann die Hochdruckkanüle mit der zweiten präparierten Polizeizelle an den Hals.

Eine Möglichkeit, die Wirkung der Injektion zu überwachen, hatte er hier nicht. Nur eines seiner Instrumente zeigte die Nähe der Brutzellen an. Offen blieb, ob der eine Polizist gegen die Zusammenballungen von Brutzellen in Boulmeesters Körper etwas ausrichten konnte.

Vorsichtshalber zog Quiupu sich bis zu seinem Gleiter zurück.

Schwankend kam der Kybernetiker wieder auf die Beine. Er blickte sich nur kurz um und ging einen Schritt auf den wartenden Forscher zu. »Der Fünfte Bote ist perfekt«, sagte Boulmeester. »Dein Versuch, mich zu behindern, ist lächerlich.«

»Du willst NATHAN vernichten, nicht wahr?«

»Wieso vernichten? Ich bin der Fünfte Bote, ich muss NATHAN manipulieren, damit er im Sinn des Ganzen arbeitet.«

Der Mensch Marcel Boulmeester existierte nicht mehr, er war zur positronischen Einheit geworden. Vorrangig war jetzt, dass der Fünfte Bote ein geschlossenes System blieb, das keine weiteren Brutzellen aussandte.

»In Ordnung, Boulmeester ... oder Fünfter Bote«, sagte Quiupu. »Ohne Unterstützung gelangst du nie zum Mond. Ich sehe ein, dass du der Stärkere bist. Die Gesetze der Unauslöschbarkeit des Daseins zwingen mich dazu, dich ans Ziel führen.«

Mortimer Skand hatte sich über Interkom bei Julian Tifflor gemeldet. Der Erste Terraner hörte ihm ruhig, wenn auch mit eisig werdender Miene zu.

»Ich werde sofort eine Untersuchung veranlassen«, sagte Tifflor, als Skand bedeutungsvoll schwieg.

Das war der Moment, in dem die Positronik den Anruf der Laborantin Adelaie Bletz meldete und dass die Frau nicht nur behauptete, von Brutzellen befallen gewesen zu sein, sondern sogar von einem Angriff auf NATHAN sprach.

Tifflor war endgültig alarmiert. Dreißig Minuten später saßen Adelaie und Mortimer Skand bei ihm und berichteten. Als sie Quiupu erwähnte, horchte der Erste Terraner auf. Eine kurze Rückfrage informierte ihn, dass die Überwachung des Fremden auf ein Minimum eingeschränkt worden war.

An dieser Panne konnte Tifflor nichts mehr ändern, er schickte jedoch umgehend Spezialisten ins Deltacom-Institut und in Quiupus Labor. Die Ergebnisse der schnellen Analysen zwangen ihn, nach Marcel Boulmeester und Quiupu zu fahnden.

Kurz darauf traf eine Meldung des Wissenschaftszentrums Terrania- Nord ein. Zwei Personen, zweifelsfrei Marcel Boulmeester und Quiupu, hatten Terra über Transmitter mit Ziel Luna verlassen.

NATHAN teilte indes mit, dass weder Quiupu noch der Kybernetiker auf Luna angekommen seien. Auch sonst fand sich keine Spur von den beiden.

Die Station arbeitete vollautomatisch. In der Halle im ersten Untergeschoss des Wissenschaftszentrums herrschte gedämpftes Licht. Außer Quiupu und Boulmeester war niemand anwesend.

Quiupu ging zu der Schalttafel des Transmitters. »Eine Überprüfung ist nicht erforderlich«, wandte eine positronische Stimme ein. »Der Transfer zum Mond ist bereits freigegeben.«

Mit einer knappen Handbewegung wischte der Forscher über die Konsole hinweg. Die künstliche Stimme schwieg daraufhin. »Alles ist ordnungsgemäß, Fünfter Bote«, sagte Quiupu. »Damit kann ich mich von dir verabschieden.«

Boulmeester schritt auf das Transportfeld des Transmitters zu. Für einen Sekundenbruchteil behinderten Aggregatteile die freie Sicht zwischen beiden Männern. Quiupus Hand fuhr erneut in einer blitzschnellen Bewegung über die Tastatur.

»Du musst dich beeilen!«, rief er dem positronischen Menschen zu.

Boulmeester blieb stehen. »Der Fünfte Bote will, dass du mich begleitest.« Da Quiupu zögerte, ergriff der Kybernetiker ihn hart am Oberarm und zerrte ihn zu sich heran.

Der Forscher wollte sich losreißen. Er hatte die Zielkoordinaten so verstellt, dass der Transmitterdurchgang im Nichts enden musste. Wenn er Boulmeester begleitete, war er ebenfalls verloren.

»Du brauchst um dein kümmerliches Leben nicht zu zittern«, sagte der Kybernetiker und öffnete seine freie Hand. Eine kleine Wunde war aufgeplatzt. »Das ist eine Schleuse«, bemerkte er. »Sieh hinüber zur Schalttafel!«

Sämtliche Systeme zeigten Grünwert. »Alles klar zum Transfer.«

Quiupu erkannte erst in der Sekunde, dass der Fünfte Bote sein Spiel durchschaut und mehrere Brutzellen freigesetzt hatte. Schleuse nannte er die kleine Wunde, durch die sie den Körper verlassen hatten.

Die Zeit, in der nichts geschah, schien sich endlos zu dehnen. »Das Subsystem ist zurückgekommen«, sagte Boulmeester schließlich. »Der Transmitter ist wieder auf den Mond justiert.«

Als sich das Transportfeld aufbaute, riss Quiupu eines seiner Geräte vom Gürtel und schleuderte es auf die Konsole. Im gleichen Sekundenbruchteil verschwand die Umgebung.

Der Fluch des Fünften Boten verhallte im Nichts.

Perry Rhodan 120: Die Cyber-Brutzellen (Silberband)

Подняться наверх