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Mögen die Spiele beginnen

Angefangen hat damals alles mit einem Anfall spät jugendlicher, grandioser Dummheit. Um es mal auf schwäbisch zu sagen: „Mei, war i bleed.“

Ich war ja generell ein Spätzünder – auf rein biologischer Ebene. Die rebellierende Zeit der Pubertät hatte ich nach meinen Empfindungen komplett übersprungen, bis auf eine kleine mickrige Woche am Ende meines 17. Lebensjahres.

Und diese eine Woche war der Start meines Lebens mit vielen schmerzhaften Erlebnissen. Sowohl psychisch als auch physisch.

Ich bin ausgezogen.

Das allein wäre vermutlich gar nicht so schlimm gewesen – nein. Madame musste ja mit ihrem (ersten) Freund zusammenziehen. Auch das wäre vermutlich nicht so schlimm gewesen. Aber ich musste ja bei seinen Eltern mit einziehen, weil ich es bei meinen Eltern ja sooo unglaublich schlecht hatte. Eine selten dämliche Entscheidung. Davon rate ich jedem ab. Es grenzt an ein Wunder, wenn diese Konstellation wirklich gut geht.

Ich habe natürlich auch schöne Erinnerungen an diese Zeit. Dennoch gehört diese Entscheidung in die Schublade mit der Beschriftung: Hätte ich mal lieber bleiben lassen sollen.

Erst nach ziemlich viel Gebettel meinerseits sind wir dort ausgezogen. Ich wollte in eine Mietwohnung, denn ganz ehrlich, das war nicht nur meine erste Beziehung, sondern auch die erste meines Freundes. Aber nein, Herr Markus wollte ja unbedingt eine Wohnung kaufen, da Miete nur rausgeschmissenes Geld ist.

Als wir allerdings noch bei seinen Eltern wohnten, hatten wir unser (für mich gefürchtetes) erstes Mal.

Keine schöne Erfahrung. Nope. Definitiv nicht.

Ich möchte gar nicht unnötig ins Detail gehen. Daher die Kurzfassung.

Ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen. Vielleicht kennst du das von dir selbst.

Ich möchte dir an dieser Stelle noch erzählen, dass ich noch nie großartig mit Sex etwas anfangen konnte. Zumindest nicht, wie wir ihn hier kennen. Pornos schreckten mich ab und der Satz „Beim ersten Mal tut es weh, aber dann macht es Spaß“ der damaligen Freundin meines Bruders, machten es auch nicht besser.

Ich hatte also, schon vor meinem ersten Mal, Angst davor. Warum das so war, sollte ich erst Jahre später erkennen.

Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich ziemliche Schmerzen. Obendrein muss ich wohl mit der Hingabe eines toten Fisches dabei gewesen sein. Jedenfalls hat es auch ordentlich geblutet – und das sogar zwei Tage danach.

Erschreckenderweise herrscht gerade in diesem Punkt ein katastrophaler Wissensnotstand in unserer Gesellschaft. Auch ich zählte mich zu den Unwissenden, weshalb es mir wichtig ist, es hier nochmal gesondert mit aufzugreifen.

Die meisten denken, es sei normal, dass eine Frau nach dem ersten Mal blutet. Das geht sogar so weit, dass von Frauen in einigen Ländern erwartet wird, dass sie beim ersten Mal bluten. Selbstverständlich in der Hochzeitsnacht. Denn nur so kann sich der Mann sicher sein, dass seine frisch gebackene Gemahlin noch Jungfrau ist.

Ich will gar nicht daran denken, was den Frauen passiert, die eigentlich das Glück haben, eben nicht zu bluten. Bei so viel Dummheit oder besser Unwissenheit, stellt es mir sämtliche Nackenhaare auf.

Es ist schon traurig, wie sehr das Thema Sex überall präsent ist, aber wirklich darüber reden und sich informieren tun die wenigsten. Und die Mehrzahl glaubt tatsächlich, dass beim ersten Mal das Jungfernhäutchen durchstoßen wird.

DAS IST GEQUIRLTER BOCKMIST.

Jetzt mal ehrlich, wie zum Henker soll das dann mit der Periode funktionieren? Hat dann dieses Häutchen Löcher? Wäre das nicht leicht sinnfrei? Und ja, auch Jungfrauen schieben sich Tampons da unten rein. Entjungfern die sich dann selbst, oder wie? Dass ich da nicht selbst draufgekommen bin, zeigt, wie sehr ich dieses Thema verdrängt hatte.

Dieses ominöse Jungfernhäutchen gibt es schlichtweg nicht. Zumindest nicht so, wie es die breite Masse kennt. Wenn du dich also auch zu den Unwissenden zählst, wirst du mich vielleicht fragen: Ok, aber warum blutet es dann bei vielen Frauen?

Das ist zum Glück einfach erklärt. Wenn der Mann sein bestes Stück in die heiligen Hallen der Frau steckt, muss er erst mal durch den Eingang. Klingt logisch, ist auch so. Dieser Eingang besteht aus dem Jungfernhäutchen – ringförmig angeordnete Schleimhautfalten. Beim ersten Mal ist es oft noch etwas eng und muss erst mal gedehnt werden. Wie ein Ohrringloch, das schon seit Jahren unbenutzt ist. Da muss man auch erst mal vorsichtig den Ohrstecker reinfummeln. Mit dem Jungfernhäutchen, auch Hymen genannt, ist es ähnlich.

Wenn der Mann also im Eifer des Gefechts und mit der Sanftheit einer Schlagbohrmaschine die Partnerin begattet, entstehen dabei offene Wunden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Und genau das ist der Grund, warum eine Frau beim ersten Mal bluten kann.

Wenn der Mann aber liebevoll und behutsam ist, sich vorsichtig „vortastet“, werden schmerzhafte Verletzungen somit minimiert. Wenn die Frau ebenso achtsam mit ihrem Körper ist, kann sie dem Mann auch mitteilen, wo und wann es wehtut. Auf diesem Weg werden innere Verletzungen vermutlich komplett vermieden.

Es gibt aber auch Frauen, die dieses Häutchen gar nicht haben. Und dann gibt es noch seltenere Fälle, wo es tatsächlich zusammengewachsen ist und operativ geöffnet werden muss.

Doch selbst wenn Frauen dieses Häutchen nicht hätten, bin ich der Meinung, dass ganz besonders beim ersten Mal mit sehr viel Liebe und Achtsamkeit an die Sache rangegangen werden sollte.

Hier also eine Bitte an alle, die diese Zeilen gerade lesen: Achte auf dich und deinen Körper. Spür in dich hinein, was dir guttut und was nicht. Und noch viel wichtiger ist es, das auch deinem Partner zu sagen. Kommunikation ist hier das A und O.

Jeder sollte sich einmal überlegen, ob Sex wirklich etwas mit Liebe zu tun hat, wenn man der Frau dabei offene und blutende Wunden beschert. Es ist doch eher etwas Inniges. Man möchte mit dem anderen verschmelzen und ihn nicht verletzen. Zumindest sehe ich das so.

Mein damaliger Partner war dermaßen ungestüm, dass sogar der Gummi platzte. Ein Glück, dass er das überhaupt merkte und seinen Zauberstab rechtzeitig rausgezogen hat. Seine ‚Liebe‘ hat er dann quer über meinem Bauch verteilt. Ich lag da wie paralysiert. Hatte sogar die Augen geschlossen, ganz nach dem Motto: Ich sehe es nicht, also ist es nicht da.

Er hat mich sauber gemacht und mir ein paar Tempos für die Blutung gegeben. Ob ich im Anschluss noch Zärtlichkeiten bekam, weiß ich nicht mehr. Immerhin stand ich unter Schock. Auch das ist mir erst durch das Schreiben klar geworden. Verständlich, wenn man bedenkt, dass ich Angst vor Sex hatte und dann diese Erfahrung machen musste.

Und was bei einem Schock passiert, wissen wir ja mittlerweile. Es werden bestimmte Informationen tief in dein Unterbewusstsein eingebrannt. In meinem Fall entstand dabei vermutlich der Glaubenssatz, dass Sex mit Schmerzen verbunden ist.

Als mir das alles so richtig bewusst wurde, dachte ich mir: „Ja leck mich doch am Afterballen! Die Psyche kann echt ganz schön arschig sein.“

Ich kann mich nur wiederholen: Keine schöne Erfahrung! Nope. Definitiv nicht.


Meine Aufgaben für dich:

- Warum war Markus so ungestüm?

- Welche Glaubenssätze findest du?

Stiller Schmerz

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