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1. Prolog

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Während der Fernsehwerbung begann sie, unser Haus in eine Festung zu verwandeln.

Zuerst versperrte sie die Tür, legte den Riegel vor. Dann arbeitete sie sich über mein Zimmer, ihr Schlafzimmer, das Bad und die Küche ins Wohnzimmer vor. Dort ließ sie die Gurte der Jalousien beider Fenster und der Terrassentür durch ihre Hände rutschen. Es krachte und ratterte, die graue Wand senkte sich hinter den Scheiben, die Schlitze schlossen sich.

Ich konzentrierte mich auf den Sekundenzeiger, lauschte der Melodie, die die Tagesschau ankündigte.

Als der Sprecher den Kopf hob und in die Kamera blickte, ließ meine Mutter sich seufzend in den Sessel mit der hohen Lehne fallen.

Eine Stunde später war sie tot.

Ich war 24 Jahre alt, studierte an der Universität in München Germanistik und half hin und wieder nachmittags in der Fachbuchhandlung in der Schellingstraße aus.

Ich hatte keine Freundin und keine Freunde. Ich kannte keine Diskotheken und war noch nie in einer Bar gewesen. Ich las viel, darüber hinaus hatte ich keine Hobbys. Ich lebte mit meiner Mutter in dem verwinkelten Häuschen, das deren Eltern kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut hatten.

Ich war angepasst und konfliktscheu, hasste Gewalt. Ich wollte meine Ruhe, schätzte das Alleinsein.

Ich war ein Mörder.

Morgen wirst Du frei sein

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