Читать книгу Biltong zum Frühstück - Claudia Tülp - Страница 11
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Jette hatte jetzt den fünften Tag in Folge am Pool verbracht, mittags geschlafen und abends einfach nur gewartet, dass sie irgendwie etwas zu essen bekommt. Jetzt wurde es Zeit, dass sie mehr zu sehen bekam. Sie war doch nicht diesen weiten Weg geflogen, um hier mit dieser schrecklichen Frau die Zeit zu verbringen. Elsa steuerte ihre Familie sehr gekonnt. Herbert war den ganzen Tag nicht da und bekam davon nichts mit. Auf was hatte sie sich nur eingelassen! Das ist doch kein Urlaub. Sie legte sich in das Bett und wartete bis Ringo dazu kam. „Sag einmal Ringo, wie wollen wir die nächsten Tage verplanen? Ich hätte mal Lust etwas zu unternehmen“, sagte sie vorsichtig. „Klar, können wir. Was willst du machen? Morgen eine Runde shoppen?“ Nein, ich will nicht shoppen! schrie es in ihr, aber ruhig sagte sie nur „gut lass uns einfach mal in die City gehen.“ Jette schlief in dieser Nacht nicht. Was sollte sie zu Hause erzählen? Hey, ich war in Afrika und habe mir einen Sonnenbrand geholt und konnte die ganze Zeit nicht aus dem Haus? Das stimmte schon, die Sonne hatte sie gleich am ersten Tag voll erwischt. Die Arme und Beine waren krebsrot. Sie hatte tausende Sommersprossen im Gesicht und die Hitze haute sie regelrecht um. Sie musste endlich etwas ändern.
Am Morgen diskutierte die Familie über die Fahrt an die Küste. Das Geschäft wurde geschlossen und Weihnachten stand vor der Tür. Die Familie hatte ein kleines Haus direkt am Atlantischen Ozean und dort wollten sie das - Fest der Liebe - gemeinsam verbringen. Es sollte eine Art von Tannenbaum organisiert werden und Muscheln zum Essen geben. Sie wollten alle raus aus der Stadt. Es war einfach unerträglich heiß hier im Inland. Die Temperaturen waren täglich über 40 Grad und es war kein Luftzug zu spüren. Am Mittwoch wollten sie starten und am Samstag kam Herbert dann nach.
Fünf Tage noch und dann sah Jette endlich mehr von diesem Land! Sie konnte diese paar Tage noch durchhalten. Mit neuer Energie ging sie mit Ringo und seiner Schwester in die City. Luisa musste die ganze Mode von Windhoek anprobieren. Es war so anstrengend. Jette interessierte sich nicht so für Kleidung. Sie wäre am liebsten durch jedes Souvenirgeschäft gelaufen. Es gab einfach so tolle afrikanische Sachen mit Tieren, die sie gehofft hatte zu sehen. Sie hoffte sich, in der Küstenstadt alleine bewegen zu können. Hier ging es nicht. Überall waren Menschen, die einen ansprachen, um etwas zu verkaufen oder um ein paar Dollar zu erbetteln. Es war so erschreckend, wie viel Armut es hier gab. Die drei liefen hier mit dicker Kreditkarte umher und konnten sich alles leisten, während die Menschen um sie herum, kaum etwas zum Leben hatten. Eine gewisse Art von Aggression kam ihr entgegen. Sie schämte sich mit ihrer hellen Haut und roten Haaren. Sie wurde angestarrt und auch weggedrängt. Jette fühlte sich nicht wohl hier.
Sie fuhren wieder nach Hause, als Ringo noch etwas in einem kleinen Markt einkaufen wollte. Er hielt direkt vor der Tür und sprang raus. Auch Luisa ging in das Geschäft und Jette saß alleine auf dem Beifahrersitz im Auto. Alle Fenster waren geöffnet.
Sie sah wie sich ein Mann auf ihrer Seite in das Fenster legte und sie ansprach. Sie verstand ihn nicht und wurde nervös. Dieser Mann drückte dabei leicht ihre Schulter nach hinten. Sie fing an zu schwitzen. Was sollte sie jetzt tun? Sie schaute zum Markt, aber dort war niemand zu sehen. Der Mann gestikulierte mit den Händen und sprach schnell in seiner Sprache. Plötzlich sah sie aus dem Augenwinkel, wie eine Hand auf der Fahrerseite in das Auto griff. Diese Hand war so schnell, dass sie erst dachte, sie sah nur einen Schatten. Sie fing an zu schreien und der Mann, der sie nach hinten drückte, ließ locker. Ringo stürmte aus dem Geschäft und lief mit erhobenen Fäusten auf dem Mann an der Fahrerseite zu. Jette merkte, wie der andere auf ihrer Seite sie losließ und wegrannte. Ringo schrie ihr entgegen. „Mache das Handschuhfach auf, dort liegt eine Waffe!“ Jette glaubte sich verhört zu haben. Nein, sie nahm keine Waffe in die Hand. Was sollte sie auch damit machen? Luisa kam zum Auto und schrie nur „Meine Tasche ist weg! Dieser Kerl hat meine Tasche aus dem Auto genommen. Jette du hättest wirklich aufpassen müssen. Meine goldene Tasche aus Italien. Da war doch meine ganze Schminke drin!“ Jetzt reichte es Jette, aber bevor sie etwas sagen konnte, schrie Ringo Luisa an. „Bist du nicht mehr ganz dicht! Deine blöde Tasche interessiert hier niemanden. Du hattest doch deine Geldbörse in der Hand. Hier hätte viel mehr passieren können!“ Luisa funkelte ihren Bruder bitter böse an und setzte sich maulig nach hinten. Endlich fragte auch Ringo mal nach Jette. „Ist alles gut bei dir? Ich muss schon sagen, du hast Glück gehabt. Meistens hauen sie gleich jemanden etwas auf den Kopf. Du musst die Fenster schließen, wenn du alleine im Auto bist.“ Jette wurde schlecht „Hast du schon einmal geschossen?“, fragte er sie. Sie konnte nur mit dem Kopf schütteln. Die Tränen standen ihr in den Augen. Woher sollte sie wissen, wie sie sich verhalten sollte, wenn sie tagelang auf einem Grundstück saß, wo nur nachts die Hunde herumliefen? Sie fing an Afrika zu hassen.
Core wählte die Nummer von der Familie Dohl. Es meldete sich die Haushaltshilfe. „Victoria hier”, Core grinste. „Hallo Victoria. Was macht das Baby?“ „Oh Frau Core! Baby alles gut. Ist gesund und wächst. Hat viel Hunger.“ „Schön, das klingt ja gut. Sag einmal ist der Besuch aus Deutschland schon da?“ „Ja, aber alle in der Stadt.“ Core verabschiedete sich, ohne etwas ausrichten zu lassen. Victoria würde nie etwas ausrichten, sie war einfach zu schüchtern. Sie nahm sich vor, es später noch einmal zu versuchen.
Ringo hatte einen Moment Angst um Jette gehabt. Bis jetzt konnte sie sich in Namibia nicht zurechtfinden, weil sie sich außerhalb des Grundstücks noch nicht großartig bewegt hatte. Aber sie musste einfach verstehen, dass er ein Jahr von zu Hause weg gewesen war und nun die Zeit mit seiner Familie verbringen wollte. Er freute sich schon auf die Küstenstadt. Dort konnten sie sich dann auch mit ein paar Freunden treffen. Das war für Jette bestimmt eine nette Abwechslung. Seine Mutter war nun mal etwas schwierig, aber die Beiden mussten sich irgendwie verständigen. Seine Familie war das Wichtigste in seinem Leben und wenn Jette hier nicht ihren Platz fand, passte sie hier nicht rein. Er stieg ins Auto und sie fuhren wieder zurück nach Hause. Die Lust am Essen war ihnen allen vergangen. Seine Schwester maulte wegen der Tasche und er sah, dass Jette mit den Tränen kämpfte. Auf was hatte er sich nur eingelassen?