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Freundschaft

Jette kam gerade zu Hause rein, als das Telefon klingelte. Sie riss den Hörer ans Ohr. „Hallo!“ „Hallo, hier spricht Core, Ist Ringo da?“ Etwas eifersüchtig änderte sich ihr Tonfall am Hörer. „Nein, er ist nicht da!“ „Oh schade, ich habe diese Telefonnummer von seinem Vater. Jetzt stehe ich hier am Hauptbahnhof und hatte gehofft das er mich abholt“, sagte diese Frau. „Wie? Wusste er denn das du kommst“, fragte sie leicht zickig. „Nein, ich sollte erst nächste Woche kommen, aber ich bin schon etwas früher aus England abgeflogen“, sagte Core mit netter Stimme. „Okay was nun?“ Jette wollte eigentlich nicht weiter mit ihr darüber reden. „Vielleicht kannst du mich abholen. Ich weiß sonst nicht wohin“, meinte Core. Jette vereinbarte einen Treffpunkt am Bahnhof und fuhr total entnervt dorthin. Was sollte dieser Mist? Bin ich hier ein Taxi? Sie war wütend und fragte sich, ob dieses Mädchen auch aus Namibia kam. Am Bahnhof stand eine junge Frau mit blonden langen Haaren und sehr heller Haut. Jette schaute an ihr vorbei. So hatte sie sich keine Frau aus Namibia vorgestellt. Aber da war sonst niemand, der weiblich war und einen großen Koffer dabeihatte. Sie ging auf diese Frau zu. „Hallo, bist du Core?“ Core drehte sich um, lächelte Jette freundlich an. „Ja, dann bist du die, mit der ich eben telefoniert habe?“ „Ja, mein Name ist Jette und ich bin die Freundin von Ringo“, stellte Jette gleich klar. „Ich weiß! Ringo´s Vater hat mir von dir erzählt. Sie können es gar nicht glauben, dass Ringo mit einer Frau in Deutschland zusammenwohnt“, lachte Core. Jette nahm den Koffer und packte diesen in den Kofferraum. „Was machst du hier?“ fragte sie während der Fahrt. Ihr war diese junge Frau irgendwie sympathisch. Sie wirkte noch so naiv. „Ich muss nach Europa, um zu entscheiden, was ich mal machen will und habe die ersten Tage bei meiner Schwester in England gewohnt. Aber sie ist im Uni-Stress und das Wetter ist dort ganz schrecklich, sodass ich eine Woche früher abgeflogen bin. Ich wollte aber nicht gleich zu meiner Tante und dachte, ich könnte ein paar Tage bei euch bleiben.“ Bei uns bleiben! Einfach so! Jette war etwas durcheinander. „Kommst du auch aus Namibia“, fragte sie. „Ja, ich lebe dort auf einer Farm. Die Schule habe ich jetzt beendet, um zu entscheiden, was ich machen will“, dabei schaute Core aus dem Fenster und staunte über die ganzen Autos und das Chaos auf den Straßen. „Ich bin froh hier heil angekommen zu sein. In Namibia heißt es, dass hier alle in Lederhosen rumlaufen und das am Flughafen gleich Drogen verkauft werden!“ Jette lachte „Ja, klar! Die gibt es hier an jeder Ecke. Wollen wir schnell welche holen“, lachte sie. Sie bekam sich kaum wieder ein. „Lederhosen gibt es nur in Bayern und Drogen sind hier verboten. Wo bist du gelandet?“ „Ich komme aus Hannover. Das war der günstigste Flug von England“, meinte Core.

Als Jette die Tür aufschloss, war Ringo schon Zuhause. Er stand noch im Flur und zog gerade seine Jacke aus. „Core! Was machst du denn schon hier“, rief er glücklich. Er nahm sie in die Arme und schleuderte sie wie ein kleines Mädchen herum. „Ringo lass das! Ich bin kein kleines Mädchen mehr“, lachte sie. Ringo war so glücklich, das Jette vor Eifersucht fast platzte. Er drehte sich um und nahm sie in den Arm. „Jette Schatz, das ich Core. Meine Cousine. Ihr Vater hat sie auch nach Deutschland geschickt. Das scheint immer noch so üblich zu sein.“ Core lächelte sie an „Endlich mal wieder mit Menschen zusammen sein, die glücklich sind. In England war es so stressig, dass ich schon nervös war, was mich hier noch so alles erwarten würde.“ „Komm erst einmal rein und lass uns das feiern“, grinste Ringo. Er nahm ein Bier aus dem Kühlschrank und öffnete noch eine Flasche Sekt. Nachdem er eingeschenkt hatte, setzten sie sich in das Wohnzimmer. Ringo fragte nach den Plänen und Core erzählte unglücklich von dem Gespräch mit ihrem Vater. „Ich bleibe erst einmal nur sechs Wochen in Deutschland. Nächste Woche gehe ich zu unserer Tante und bleibe dort ein paar Tage. Dann muss ich in den Süden. Zu Weihnachten fliege ich nach Hause. Man, bin ich froh, dass meine Mutter sich da durchgesetzt hat.“ Sie lachte und Jette fühlte sich irgendwie komisch. Diese junge Frau war gerade mal 17 Jahre alt und ihr Vater schickte sie in das ferne Europa. Sie fliegt einfach früher zu fremden Menschen und hofft auf eine Unterkunft. Was sind die Namibier für Menschen? Brauchen sie keine Sicherheit? Sie war durcheinander. Was passiert mit mir in dem Land dieser Menschen, dachte sie. Ringo schenkte nach. „Was ist die Veränderung Core? Bis jetzt klingt es doch gut.“ Core nickte traurig. „Ja, aber ich muss direkt nach Silvester wieder los. Europa hat mich dann wieder, aber in Frankreich! Mein Vater hat mit einem früheren Gast von uns gesprochen. Er suchte gerade ein Au-pair für seine beiden kleinen Töchter, für sechs Monate. Diesen Job habe ich jetzt. Egal, wird schon nett. So lerne ich Frankreich kennen und das ist doch auch was.“ Sie wirkte auf einmal wirklich so positiv! Jette beneidete sie. Ringo schaute auf Jette. „Kann sie für eine Woche bleiben“, fragte er. Jette überlegte nicht lange. Sie hatte Lust Core näher kennen zulernen. „Klar kein Problem. Wir haben doch unten noch einen kleinen Partyraum. Da können wir doch ein Bett reinstellen.“ Sie fand diese Idee wirklich gut und sie brauchte den Raum ja nicht. Core bedankte sich. „Eine Matratze reicht. Ich brauche nicht viel, außer nette Leute.“ Es war ein entspannter Abend zusammen in dieser kleinen Gruppe. Ringo´s Freund Mark kam noch vorbei und es floss noch etwas mehr Bier. Nach zwei Flaschen Sekt, hatten dann auch Jette und Core genug. Es wurde sehr spät, bis sie ins Bett kamen. Core wollte die erste Nacht auf dem Sofa schlafen, da erst noch eine Matratze beschafft werden musste.

Am nächsten Morgen ging Jette zur Arbeit, während Ringo im Bett blieb. Er wollte wieder mal einen Tag blau machen, da er meinte, er würde nach Weihnachten sowieso nicht mehr diesen Job machen. Jette konnte das nicht. Trotz ihrer Kopfschmerzen fuhr sie mit dem Fahrrad ins Büro. Ringo benötigte das Auto, um eine Matratze zu organisieren.

Die Woche ging so schnell vorbei. Sie hatten viel Spaß zusammen und auch der Alkohol floss jeden Abend. Jette und Core freundeten sich an und lachten sehr viel zusammen. Trotz des Alters unterschied von acht Jahren, fanden sie eine freundschaftliche Basis, die ein Leben lang halten sollte.

Auch Core fand die Zeit mit ihrer neuen Freundin großartig. Sie verstand sich mit Jette sehr gut, obwohl Jette schon sehr Deutsch war. Es gab kleine Situationen, die sie nicht verstand. Jette war so kompliziert und alles musste organisiert sein, aber sie war ein toller Freund auf den man sich verlassen konnte. Das allerwichtigste aber, sie waren auf einer Welle und das gefiel Core. In Windhoek konnte sie kaum mit jemanden richtig reden, da es wie auf einem Dorf ist. Sie wusste, dass sie ihre Ängste dort nie jemanden erzählen konnte, aber bei Jette hatte sie so ein gutes Gefühl. Den letzten Abend sprachen sie noch über die Zukunft. Core hatte schon Respekt davor, was ihr Vater von dieser Zeit erwartete, aber sie ging da ohne große Bedenken ran. Sie konnte es eh nicht ändern. Sie war neugierig darauf, wie Jette sich wohl in Namibia fühlen würde. Das Leben dort ist nun mal nicht wie hier. Sie musste sich endlich entspannen, aber vielleicht schaffte sie das. Das Einzige was sie nicht ansprechen konnte, waren die Haare. Warum hatten die Deutschen überall diese Haare? Waren diese Menschen so unhygienisch?

Als Ringo sie am Morgen direkt zu der Tante brachte, sprach sie das Thema an „Hast du kein Problem mit den Haaren unter den Armen“, fragte sie ihn während der Fahrt. Er nickte leicht. „Sie wird das schon noch merken, dass wir in dieser Hinsicht anders sind. Lass ihr die Zeit, nur ich hoffe bis Namibia.“ Er grinste und beide wussten, dass Elsa, Ringo´s Mutter sich darüber lustig machen würde. Sie war keine einfache Frau. Sie war eine Glucke, die über ihre zwei Kinder wachte. Die Familie war mit zwei kleinen Kindern ausgewandert und hatte sich durchbeißen müssen. Jetzt hatte der Vater sein eigenes Reinigungsunternehmen und die Mutter war für den Einsatz der Reinigungskräfte zuständig. Sie war eine knallharte Geschäftsfrau. Wenn es aber um ihre Kinder ging, dann stand sie 100% dahinter ob richtig oder falsch. Jette tat Core leid. Sie konnte Elsa nicht leiden. Elsa war selber Deutsche, aber wollte nie wieder in dieses Land zurück, nur wenn sie aus Namibia fliehen müssten. Core wollte es von Ringo wissen. „Hast du deiner Mutter schon gesagt, dass du mit deiner Freundin kommst?“ Ringo schaut sie an. „Natürlich, meine Mutter ruft doch jedes Wochenende an und will wissen wie es mir geht.“ Da kam gerade das kleine Muttersöhnchen zum Vorschein. „Meinst du, Jette und Elsa verstehen sich? Deine Mutter wollte nie, dass du eine Deutsche mit nach Hause bringst und nun das.“ Core regte sich ein wenig auf. Sie kannte Elsa und ihr tat Jette jetzt schon leid! „Klar, warum nicht? Sie findet doch alles gut was wir machen“, meinte er während er sich auf den Verkehr konzentrierte. Denkst Du, dachte sie. Sie lässt euch in dem Glauben, damit sie ihre Spielchen spielen kann, aber sie sprach es nicht aus, da sie merkte, wie sehr er hinter seiner Mutter stand „Naja, ihr werdet es schon erleben.“

Es war ruhig zu Hause. Jette schloss die Tür auf und es war niemand mehr da. Sie hatte die Zeit genossen, mit so viel Trubel in der Wohnung. Nun war es ruhig, einfach nur ruhig. Sie machte das Radio an und drehte den Lautstärkeregler etwas höher. Es passte! Sie hörte ein Lied über Afrika. Jette setzte sich in den Sessel und ließ die Musik sich mit ihren Gefühlen mischen. Sie dachte wieder an Namibia und auch an ihre Ängste. Nein, sie wollte sich nicht wieder verrückt machen. Sie wollte sich einfach nur freuen, auch wenn die Unruhe sie ständig einholte. Sie dachte an Core. Sie hatte gesehen, dass die Frauen sich rasieren unter den Armen. Das war ihr neu, aber sie fand es schön. Sie hatte sich bis jetzt noch nie Gedanken darüber gemacht. Sie ging in das Bad und schaute sich an. Nein, sie wollte dazu gehören! Sie nahm sich Ringo´s Rasierer und entfernte die Haare unter den Armen. Schon komisch, aber es fühlt sich sauber an. So konnte der Sommer in Afrika kommen sie grinste.

Als Ringo dann nach Hause kam, hatten beide großen Hunger. Sie bestellten einfach nur Pizza und aßen diese vor dem Fernseher. Ringo klaute ihr ein Stück Pizza. „Mein Vater hat angerufen. Er hat die zwei Flüge gebucht. Wir fliegen kurz nach Nikolaus aus Frankfurt ab und bleiben vier Wochen“, kauend schaute er sie an. Jette schaute ihn zurück an. „Das ist ja schon bald. Meine Mutter wird durchdrehen“, lachte sie etwas angespannt. Vier Wochen… Das würde ihre Mutter nie durchstehen, dachte sie. Sie war froh schon mit ihrem Chef gesprochen zu haben. Er hatte ihr für drei Wochen Urlaub gegeben. Nun wurden daraus vier. „Wie bezahlen wir die Flüge? Von hier aus oder geben wir deinem Vater das Geld?“ fragte sie Ringo. „Nein, mein Vater hat hier ein deutsches Konto und dahin überweisen wir deinen Flug. Meinen Flug bezahlen meine Eltern. Immerhin haben sie mich weggeschickt.“ Er schaute sie an. „Und darüber bin ich jetzt froh.“ Jette hatte mit ihrem Vater auch schon gesprochen und er wollte auch ihr den Flug finanzieren. Sie bekam noch Weihnachtsgeld, aber das wollte sie vor Ort nutzen. Wenn sie das früher gewusst hätte! Sie schaute ihn an und zog ihr Shirt aus. Sie hob die Arme und grinste. Ohne ein Wort nahm er sie in die Arme und küsste sie. Er wusste, jetzt war sie bereit für seine Heimat.

Biltong zum Frühstück

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