Читать книгу Luna's Töchter - Claudia Trapka - Страница 6
Das Feuerschwert
ОглавлениеAn der Stätte angekommen, wichen die Pflanzen wieder zur Seite, und wir konnten den herrlichen Raum betreten. Wieder schaute ich mir den gesamten Raum voller Ehrfurcht an. Dieses Mal versuchte ich jedoch, jedes Detail zu erfassen. Ich hoffte ein Zeichen, welches auf den Verbleib eines Schwertes hinweisen könnte, zu entdecken. Es dauerte eine Weile und ich hatte auch keine große Eile, denn dieses Mal nahm ich mir die Zeit, jede Statue genau zu erfassen, jede Einlassung in den Steinen zu betrachten. Als ich zwischendurch auf Jo blickte, erkannte ich, er tat es mir gleich. Nichts unterbrach unsere Ruhe. Die Pflanzen und Tiere schienen gespannt den Atem anzuhalten.
Ich fragte mich, warum sie nichts von dem Verbleib der Schwerter wussten. Schließlich konnten sie ja mehr oder weniger alles beobachten. Ein Fuchs kam vorsichtig näher und setzte sich in eine Ecke. Wir wagten nicht, ihn zu fragen, ob es nicht doch jemanden gab, der uns einen Tipp geben konnte.
Dann entdeckte ich etwas: „Jo komm doch mal her!“, rief ich aufgeregt.
In wenigen Sprüngen stand er bei mir. Verschreckt sprang der Fuchs davon.
Jo lachte, „Hast Du etwa was gefunden?“
Ich nickte nur und zeigte auf die Schwertplätze und die daneben liegenden Reliefs.
Er war etwas verwirrt, „was meinst Du?“
Nun war ich es, die lächelte: „Na schau Dir die Schwerter und die Bilder daneben mal genauer an.“
Ich machte eine bedeutungsvolle Pause. „Jedes hat einen anderen Griff und eine Art Schild. Ich vermute, die Schilder sind eher magisch, wer sollte so große schwere Schwerter mit einem Schild aus Metall oder Stein sonst führen können? Aber wenn Du sie genau betrachtest, dann siehst Du, dass die jeweiligen Schwerter schon in ihrer Form eindeutig in einen speziellen Einlass gehören. Und dieses hier, es sieht aus, als hätte es eine Art Fackel als Schild, das habe ich schon mal gesehen. Und das Relief daneben sieht auch ein wenig wie eine Flamme aus, findest Du nicht?“
Ungläubig starrte Jo mich an.
Nachdenklich fügte ich hinzu: „Wenn mir jetzt noch einfällt wo, dann sind wir schon weiter.“
„Dagi, warum ist Dir das nicht vorher aufgefallen?“ Aber er strahlte dabei.
„Ich denke, weil ich vorher nicht bewusst nach einem Hinweis gesucht habe.“ Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Doch dann fuhr ich ernst fort, „ich glaube, in der heutigen Zeit wird dieses Schwert als –Feuerschwert – bezeichnet. Ich muss mal im Internet forschen. Das kann noch nicht so lange her sein, als ich davon gehört habe.“
Und voller Hoffnung wollte Jo wissen, ob ich auch bei den anderen eine Idee hätte.
„Nein, tut mir leid. Obwohl sie mir bekannt vorkommen, so habe ich sie bewusst noch nie gesehen. Aber schau, das direkt neben dem Feuerschwert ist eindeutig auch ein Elementschwert. Es wirkt, als hätte es eine Welle als Schild. Vielleicht hilft uns das weiter. Zumal ich mir sicher bin, dass das Feuerschwert nicht weit sein kann.“
Voller Tatendrang machten wir uns auf den Heimweg. Ich war mir sicher, dass wir den ersten Hinweis auf ein Schwert gefunden hatten.
Wieder zu Hause angekommen, setzte ich mich sofort an meinen Rechner und suchte im Internet nach dem Feuerschwert. Dies fand ich nicht. Wir spielten mit der Bezeichnung des Schwertes etwas herum und prompt fanden wir in unserem Heimatkundemuseum die Lösung:
Das gute Stück wird Flammenschwert genannt.
„Der Legende nach konnte der erste Besitzer mit dem Schwert nicht nur seine Feinde in Schach halten, sondern hatte auch Macht über Flammen. Er soll das Feuer zu seinen Gunsten beeinflusst haben.“
Ich lächelte: „Das klingt nach einer von Luna’s Töchtern.“
Genüsslich lehnte ich mich zurück. Wir hatten ein Schwert gefunden. Obwohl mir noch nicht klar war, wie wir beim Heimatkundemuseum an dieses herankamen, so hatten wir es zumindest schon einmal entdeckt.
Sanft aber doch etwas zweifelnd, fragte Jo mich: „Wie sollen wir an dieses Schwert herankommen?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich gebe zu, ich weiß es nicht. Vielleicht können wir sie überzeugen, eine Kopie auszustellen und uns das Schwert zu überlassen.“
Ironisch gab Jo zurück: „Klar, die sagen, natürlich geben wir Ihnen das Schwert, wenn es zum Besten der Umwelt ist.“
Ich verstand seinen Unmut gut. Noch wusste ich auch nicht, was wir tun konnten, aber irgendwie fühlte ich, dass Luna uns nicht im Stich lassen würde.
„Ich habe noch keine Ahnung, wie wir an das Schwert kommen. Vielleicht müssen wir es auch erst einmal dort lassen. Aber ich denke, wir sollten morgen ins Museum gehen, vielleicht finden wir einen Hinweis auf das zweite Schwert. Weißt Du, so wie eine Kette, auf dem Ersten steht ein Hinweis auf das Zweite. Oder so.“
Jo hatte Recht, das wäre durchaus denkbar.
„Gut, gehen wir morgen ins Museum.“
Im Museum liefen wir eigentlich recht desinteressiert umher, bis wir in die Abteilung der Ritterzeit kamen. Hier versuchten wir, alle Gegenstände genau zu erfassen. Es waren einige Schwerter ausgestellt, doch das, welches wir suchten, war nicht dabei.
Enttäuscht sahen wir uns um. Und trotteten zwischen den anderen Schwertern hin und her. Keines wirkte wirklich machtvoll. Es waren eben Schwerter von normal sterblichen Rittern.
Dann entdeckte Jo einen Sicherheitsangestellten und ich sprach ihn an.
„Entschuldigen Sie, ich hörte, dass es hier im Museum ein Schwert mit einem besonderen Namen gibt. Schwert der Flammen oder so ähnlich. Ist es im Moment nicht ausgestellt?“
Der Angestellte blickte uns argwöhnisch an. „Dieses Schwert ist nicht zu besichtigen. Vor einigen Wochen wurde versucht, es zu stehlen. Es ist unter Verschluss.“
Zumindest wussten wir nun, warum wir es nicht fanden und warum es mir so bekannt vorkam. Es war sicher durch die Presse gegangen, dass jemand im Museum etwas hatte stehlen wollen.
Ich gab nicht so schnell auf. „Hören Sie, mein Freund hier kommt von weit her, um es zu sehen, wenn Sie es uns nicht zeigen dürfen, dann würde ich gern mit dem Leiter dieser Einrichtung sprechen.“
Wieder folgte ein misstrauischer Blick. „Der Herr Direktor ist heute nicht zu sprechen. Machen Sie mit seiner Sekretärin einen Termin aus.“
Jo lächelte sein Hundeblicklächeln und sah ihn flehend an.
Ich übersetzte: „Er weiß noch nicht, ob er länger in der Stadt bleiben kann. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie eine Ausnahme machen könnten.“
Die kühle Fassade bröckelte. „Ich darf Sie nicht zum Schwert führen.“ Und etwas nachgiebiger: „Ich werde die Sekretärin anfunken, was wir tun können. Bitte warten Sie einen Moment.“
Er drehte sich um und verschwand hinter einer Notausgangstür.
Ich musste grinsen: „Jo, Dein Hundeblick ist Gold wert. Du solltest ihn patentieren lassen.“
Er nahm mich in den Arm und lächelte. Sagen durfte er ja in der Öffentlichkeit nichts.
Es dauerte eine kleine Weile, bis der Sicherheitsangestellte interessanterweise aus einer anderen Richtung wieder auftauchte. Dann lächelte er zaghaft. „Der Herr Direktor ist bereit, Ihnen heute Abend nach Museumsschließung das Schwert zu zeigen. Dann ist er von seinen Terminen zurück. Wären Sie so freundlich und kommen dann noch einmal wieder?“
Begeistert erwiderte ich: „Gern. Vielen Dank, Sie sind ein Schatz. Sollen wir dann an den Haupteingang kommen?“
„Ja. Ich soll Sie dann zum Direktor führen.“
„Super. Wir werden da sein.“
Wir winkten fröhlich und verließen das Museum. Bis zum Museumsschluss war noch viel Zeit, es war erst Mittag.
„Jo, wir sollten etwas essen gehen und überlegen, ob wir bis heute Abend auf eine andere Art etwas über die Schwerter herausfinden.“
Er rieb sich den Bauch und nickte grinsend.
Es war schon merkwürdig, wie schnell ich mich an seine warme weiche Stimme gewöhnt hatte. Zumindest kam es mir komisch vor, dass er mir nur mit Zeichensprache antwortete. Aber wir mussten da noch eine Weile durch. Und irgendwie war es ja auch amüsant.
Ich hakte mich also bei ihm ein. In der Nähe gab es ein wunderbares australisches Restaurant.
„Wenn wir schon mal hier sind, dann können wir hier auch essen. Ich leiste es mir nur selten, aber es ist wirklich gut. Man bekommt hier auch Außergewöhnliches, wenn man es möchte.“
Jo leckte sich über die Lippen und bedeutete mir mit einer seiner unbeholfenen Gesten, dass er dieses Mal bezahlen wollte.
„Jo, kommst Du denn an Dein Geld heran. Warum hast Du dann die alten Klamotten angehabt, als wir uns das erste Mal trafen?“
Aber eigentlich konnte ich mir die Frage selbst beantworten. Mit einem geschniegelten Anzugträger hätte ich nicht so schnell Kontakt zugelassen, auch wenn die Bäume mir gesagt hätten, ich soll ihm vertrauen. Ich hätte ihn dann aber nicht mit in meine Wohnung genommen. Ein Anzugträger kann sich schließlich ein Hotel leisten....Wir wären uns nie so vertraut geworden.
Unsere Nachforschung war leider nicht sehr erfolgreich. Wir fanden bis zum Abend nicht viel Neues heraus. Zwar hatten wir erfahren, dass das zweite Schwert, welches wir finden mussten, das Wasserschwert war. Und für uns war es logisch, dass die darauf folgenden Schwerter Erde und Luft verkörpern würden. Aber dann wurde es speziell, und wir mussten uns darauf verlassen, dass wir bei dem jeweiligen Schwert einen Hinweis auf das folgende Schwert finden würden. Wir hofften zumindest auf einen entsprechenden Ansatz.
Kurz bevor das Museum schloss, standen wir wieder am Eingang. Und wie verabredet holte uns der Sicherheitsangestellte ab.
„Sie sind pünktlich,“ lächelte er, „bitte folgen Sie mir.“
Er lotste uns in die geschlossenen Bereiche des Museums, ein langer Flur führte zu einem großen Treppenhaus.
Als Museumsbesucher bekam man das gar nicht zu sehen. Eigentlich schade, dachte ich, denn diese Mauern sind wunderschön. Überall konnte man alte Fresken bewundern, und wunderbare Wandmalereien erzählten die Geschichte der Stadt, seit dem Mittelalter. Die Epochen wiesen uns den Weg in den dritten Stock zum Büro des Direktors. Vor der Tür endete die Geschichte etwa vor dem ersten Weltkrieg. Der Sicherheitsangestellte klopfte, öffnete die Tür und verabschiedete sich.
Ehrfürchtig traten wir in das Büro. Wir sind tatsächlich direkt in das Büro des Museumsleiters geführt worden. Die Sekretärin hatten wir wohl übersprungen. Aber vielleicht hatte die Gute auch einfach nur schon Feierabend.
Wir wurden von einem freundlich lächelnden Mitfünfziger empfangen. Er war, ganz nach dem Klischee, etwas dicklich und wirkte wissend, aber gemütlich. Interessiert musterte er uns, bevor er uns begrüßte.
„Sie sind also die Herrschaften, die unbedingt das Flammenschwert sehen möchten. Darf ich fragen warum?“
Ich hätte wissen müssen, dass so eine Frage kommen würde.
Ich musste improvisieren: „Nun ja, mein Freund spricht zwar nicht, schreibt aber zurzeit an einem geschichtlichen Werk über magische Schwerter. Ich assistiere ihm dabei. Wir wollen noch weitere vierzehn Schwerter dokumentieren.“
Er zuckte zusammen. „Ich kenne die Legende der fünfzehn Schwerter. Deshalb halte ich dieses Schwert nach dem letzten Diebstahlversuch unter Verschluss. Diese Schwerter dürfen nicht in die falschen Hände geraten und sollten auch nicht so dokumentiert werden, wie Sie es vorhaben. Das wäre ja quasi eine Anleitung für Scharlatane, deren Macht zu missbrauchen, wenn an dieser Legende etwas Wahres dran wäre.“
Jetzt erinnerte ich mich auch wieder, wann ich zuletzt von dem Schwert gehört hatte. Etwa vier Wochen zuvor hatte es einen Einbruch im Museum gegeben, bei der Berichterstattung erwähnte der Pressesprecher, dass dieses Schwert von nun an unter Verschluss gehalten würde.
Wir waren überrascht, dass der Direktor die Legende kannte. Schließlich stand sie in keinem Geschichtsbuch. Jedoch mussten ja die Töchter irgendwo geblieben sein. Also konnte man sich seinen Teil zusammen reimen, wenn man halbwegs intelligent war.
„Sie wollen uns das Schwert deshalb nicht zeigen?“ Ich klang viel zu verzweifelt.
„Nein, nein, ich zeige es Ihnen. Ich möchte Sie nur bitten, mit Bedacht diese Informationen zu verwenden. Es ist gefährlich.“
„Das ist sehr nett. Kennen Sie den genauen Weg dieses Schwertes und wissen Sie, wo die Anderen verborgen sind?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, es heißt, wer eines in den Händen hält, findet das nächste, wenn er den Hinweisen folgt. Aber ich persönlich, glaube das nicht, denn ich hielt es in den Händen und fand keinen Hinweis.“
Unsere Vermutung war also richtig, wir mussten das Erste haben, um das Zweite zu finden.
„Und welche Wege ist das Schwert gegangen? Ich meine, es wurde doch nicht geschaffen und hier ausgestellt? Es wurde doch sicher auch benutzt.“
„So genau kennt man den Weg nicht. Das Museum bekam das Schwert bereits zu seiner Eröffnung vor über hundert Jahren. Dadurch sind viele Dinge leider nicht mehr erhalten. Damals wurde hier noch nicht so richtig Buch geführt. Und in Geschichtsbüchern ist nichts verzeichnet. Man müsste die jeweiligen Nachfahren der Besitzer dieses Schwertes fragen, aber es ist nicht einmal mehr bekannt, wer das Schwert damals gespendet hat.“
Äußerst merkwürdig, solche Informationen wurden in der Regel auch schon vor hundert Jahren verzeichnet, falls der Eigentümer seine Besitztümer zurück haben wollte. Aber, ich vermutete Luna hinter der ganzen Sache. Wir würden sie fragen, wenn es sich ergeben sollte. Außerdem war ich ja nach unserer Vermutung eine Nachfahrin und ich wusste eben nichts...
Einige Minuten später führte uns der Direktor in einen Raum, welcher einzeln technisch gesichert war. Die Alarmanlage schaltete er mit einem Zahlencode aus. Er schloss die Tür auf, sie war zweifach verriegelt, und ließ uns eintreten. Die Fenster waren vergittert. In diesem Raum stand eine alte Rüstung und verschiedene Artefakte hingen an den Wänden. Alle schienen etwa aus der Zeit des Schwertes zu stammen. Das Schwert selbst wirkte, als würde es in der Mitte über einem Sockel schweben. Ein Plexiglassockel verhinderte, dass es zu Boden fiel. Ich trat etwas näher an diese Konstruktion heran. Mit jeder Faser meines Körpers wünschte ich mir, das Schwert einmal berühren zu dürfen. Dieses Schwert wirkte stark. Es glänzte nach all den Jahren, als wäre es noch nie geführt worden. Selbst Wetter schien mit dem Schwert nicht in Berührung gekommen zu sein. Seine Klinge war so lang, dass sie mir vermutlich vom Boden bis zu meinen Hüften reichen würde. Eine Gravur, die mir spontan nichts sagte, zierte die Klinge. Ich würde mich später damit beschäftigen müssen. Denn diese Gravur konnte ohne Zweifel der Hinweis auf das nächste Schwert sein. Aber der Griff, es war der Griff, von dem ich mich nicht abwenden konnte. Er wirkte feingeschliffen mit gutem Leder umwickelt, damit man nicht selbst verletzt würde, wenn man es führte. Am Ende des Griffes bildete ein geschliffener Feueropal den krönenden Abschluss. Der Opal hatte die Form einer Flamme. ‚Daher hat also das Schwert seinen Namen’, dachte ich.
Ich war zu fasziniert, um irgendetwas um mich herum zu bemerken.
Doch plötzlich schrie der Direktor: „Vorsicht!“
Erschrocken drehte ich mich zu ihm um. Er hatte Jo beiseite gestoßen und eine Art Feuerwesen kam direkt auf mich zu geschossen. Ich zuckte zurück, sprang zur Seite und fiel gegen den Plexiglassockel. Dieser stürzte um, das Schwert schien genau auf mich zu fallen. Doch wie durch ein Wunder landete es nicht in meiner Brust, sondern direkt mit dem Griff in meiner Hand. Entsetzt und verdattert rappelten wir uns auf.
„Passiert so was in diesem Raum öfter? Oder wollten Sie mich umbringen?“, fauchte ich den Direktor an und legte das Schwert vorsichtig neben dem Sockel ab.
Doch der Direktor wirkte verstörter, als Jo und ich zusammen. Das Feuerwesen war verschwunden, doch die Vorhänge an den Fenstern brannten lichterloh. Während der Direktor noch mit seiner Fassung rang, versuchte mir Jo etwas in Zeichensprache zu sagen. Dummerweise war ich im Moment zu durcheinander, um ihn zu verstehen. Aber dann sah ich die Pflanzen neben den Vorhängen.
In der vertauten, mir verständlichen Sprache riefen sie um Hilfe. Wasser gab es hier nicht. Ich versuchte, die Pflanzen von den Flammen wegzuziehen. Aber sie waren zu schwer.
Aus dem Schwert erhob sich plötzlich ein leichter Nebel. Der Nebel formte sich zu einer Gestalt. Diese Gestalt bedeutete mir, das Schwert zu nehmen. Wie von Geisterhand geführt, tat ich, was von mir verlangt wurde. Dann hob die Gestalt meine Hände und führte das Schwert zur uns am nächsten lodernden Flamme. Mit der Schwertspitze berührte ich die Flammen und augenblicklich erloschen diese. Ich hatte begriffen. Ich rannte von Vorhang zu Vorhang und löschte die Flammen mit der Schwertspitze. Damit rettete ich den Pflanzen das Leben, und sie bedankten sich leise.
Meine Handlung verwirrte den Direktor so sehr, das er in Ohnmacht fiel. Jo konnte ihn gerade noch auffangen, damit er sich nicht den Kopf aufschlug.
Als alles vorbei war, sanken wir nebeneinander auf den Boden. Den Direktor bettete Jo vorsichtig neben sich auf seine Jacke.
Es dauerte eine Weile, bis der Direktor wieder zu sich kam. Sein Blick schweifte durch den Raum. Unsere Augen folgten ihm. Die Vorhänge waren fast alle völlig unbrauchbar geworden. Das Schwert lag wieder neben dem Sockel. Dieser lag noch immer umgestürzt mitten im Raum, und wir saßen wie ein Häufchen Elend an der Tür und rangen nach Fassung.
Noch während wir so saßen, stieg aus dem Schwert erneut der Nebel auf. Auch dieses mal hatte er eine Form. Das war zuviel für den Direktor, wieder fiel er in sich zusammen und verlor das Bewusstsein. Jo und ich beobachteten das Szenario jedoch mit wachsender Aufmerksamkeit. So entging uns auch nicht, dass sich der Sockel wieder aufstellte und gerade rückte, so wirkte es in dem Nebel zumindest, und ein zweites Schwert entstand. Eine originalgetreue Kopie des Flammenschwertes suchte sich seinen Platz über dem Sockel. Alles geschah in Sekundenschnelle und wie von allein. Dann schien es, als zwinkerte uns das Nebelwesen zu und wies auf das Originalschwert. Spätestens jetzt blieb mir die Luft weg. Das Wesen verschwand wieder im Schwert, bevor es auf die Größe einer Nagelfeile zusammenschrumpfte.
Natürlich begriffen wir sofort, und Jo ließ das Minischwert in meine Handtasche gleiten. Jo bedeutete mir, wieder zu atmen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich tatsächlich die Luft anhielt. Japsend sog ich Luft ein, dann konzentrierten wir uns darauf, den Direktor wieder zu sich zu bringen.
„Herr Direktor, hallo.“
Jo klopfte vorsichtig auf seine Wangen, während ich immer wieder versuchte ihn anzusprechen.
„Herr Direktor, es ist alles wieder in Ordnung. Wachen Sie auf.“
Es dauerte bestimmt eine gute halbe Stunde, bis er wirklich wieder bei sich war. Dann setzte er sich ruckartig auf. Ein großer Fehler, sein Kreislauf war völlig im Keller. Zumindest blieb er bei Bewusstsein.
„Herr Direktor, geht es wieder?“ Wollte ich wissen.
Etwas benommen antwortete er: „Ja, ich weiß nicht so recht was passiert ist. Ich träumte, ein übernatürliches Wesen hat hier Feuer gelegt.“
Ich schüttelte freundlich den Kopf: „Nein, Herr Direktor, das war kein Traum. Schauen Sie, die Vorhänge.“
Er stöhnte: „Und wie soll ich das der Versicherung begreiflich machen? Das glaubt mir kein Mensch.“
„Nun. Sie haben uns als Zeugen.“
Das war für ihn nur ein kleiner Trost.
„Sie sollten jetzt gehen, ich sollte mich etwas hinlegen.“
„Wohnen Sie weit von hier? Sollen wir Sie heimbringen? Oder Ihre Frau benachrichtigen, dass sie Sie abholt?“
Er lehnte ab: „Nein, nein, ich, ähm, schlafe zurzeit im Büro. Darf auch niemand wissen.“
Wir grinsten und ich erklärte: „Keine Sorge, wir verraten nichts. Schlafen Sie gut. Wir kommen morgen noch mal vorbei, um mit Ihnen den Versicherungsmenschen zu überzeugen.“
„Danke.“
Dann verließen wir das Museum.
Ich war auf dem Heimweg etwas skeptisch: „Hätten wir nicht jetzt den Bericht mit ihm machen sollen? Ich meine, nicht dass er uns unterstellt, wir hätten Feuer gelegt. Zumal wir hier etwas in der Tasche haben,“ ich deutete auf meine Handtasche, „was nicht so ganz erklärbar ist.“
Jo schaute sich um, niemand war zu sehen, also konnte er antworten: „Im Moment ist das gute Stück so klein, dass niemand ahnen würde, dass dieses das Original hier ist.“
„Ich habe trotzdem ein mulmiges Gefühl im Magen.“
Schelmisch grinste Jo: „Na das liegt wohl eher am leeren Magen.“
Damit war für ihn das Thema erst einmal beendet. Und ich stellte fest, dass mein Magen tatsächlich knurrte wie ein Bär, der im Winterschlaf gestört wurde.
Zu Hause legte ich das Minischwert auf den Küchentisch und betrachtete es ganz genau. Jede Einzelheit war auf der Miniatur zu erkennen.
„Ich hoffe nur, dass wir zu gegebener Zeit erfahren, wie wir es wieder auf die richtige Größe bekommen.“
„Sicher. Aber im Moment ist es gut, das es so klein ist. So lässt es sich hier besser aufbewahren und zum Schloss transportieren. Stell Dir vor, wir müssten fünfzehn Schwerter in Originalgröße schleppen. – Grausam. Ich hoffe, wir bekommen alle zunächst verkleinert. Das macht es leichter.“
Recht hatte Jo ja, aber mir war trotzdem mulmig.
Und ich sollte Recht behalten. Obwohl der Direktor zugab, nichts wäre gestohlen worden, behauptete er doch, wir hätten das Feuer gelegt. Am nächsten Morgen stand die Polizei vor unserer Tür und wollte dazu unsere Stellungnahme. Wieder einmal musste ich erklären, das Jo nicht sprach und erzählte unsere Version des abendlichen Vorfalls. Natürlich ließ ich die Schrumpfung des Schwertes aus.Ich verschwieg auch, dass das Schwert im Museum nicht mehr das Original war.
„Und als der Direktor wieder zu sich kam, meinte er, wir sollen erst einmal heimgehen. Ich vermute, er will so erreichen, das wir für seine Vorhänge aufkommen müssen, aber das werden wir nicht tun,“ schloss ich.
Der Polizist nickte und gab zu bedenken: „Da steht Aussage gegen Aussage.“
Jo schüttelte den Kopf und holte mein Handy. Ein Video darauf bestätigte meine Aussage. Das Video war zu kurz für den gesamten Ablauf, aber lang genug, um zu beweisen, dass wir unschuldig waren.
„Jo, Du bist Gold wert. Ich habe gar nicht mitbekommen, wie Du das gefilmt hast.“ Ich wiederholte mich, aber das war nun mal unsere Rettung. Deshalb war er am Abend vorher so ruhig geblieben. Der Mann überraschte mich immer wieder.
„So sieht der Sachverhalt schon wieder ganz anders aus. Das war dann eindeutig eine falsche Verdächtigung des Direktors.“
Sanft erwiderte ich dem Beamten: „Haben Sie ein Nachsehen mit dem Herrn Direktor. So etwas passiert niemandem alle Tage, und er wusste sicher keinen besseren Ausweg.“
Wohlwollend antwortete dieser: „Nun, wie Sie meinen, aber mit diesem Video hätte er auch ohne Probleme einfach mit der Versicherung sprechen können.“
„Natürlich. Aber er stand halt unter Schock.“
Die Polizeibeamten nahmen das Handy als Beweismittel mit und erklärten, ich bekäme es nach Beweisaufnahme zurück. Dann verabschiedeten sie sich ausgesprochen freundlich.
„Jo, jetzt haben wir uns ein supertolles Frühstück verdient.“
Sein Lächeln ließ mich schwach werden.
„Brötchen sind schon fertig.“
Ich lächelte zurück und stürmte in die Küche. „Erste!“
Das Frühstück war erste Klasse, wie an jedem Morgen, wenn Jo es zubereitete. Zwischen zwei Bissen sagte ich: „Warum habe ich eigentlich immer Recht? Ich weiß schon, warum ich immer so misstrauisch bin.“
Jos Hundeblick sorgte dafür, dass ich mich fast verschluckte.
„Jo, das ist nicht fair. Dem Blick kann man einfach nicht widerstehen. Außerdem hattest Du sehr vertrauenswürdige Fürsprecher.“ Ich deutete auf meine Pflanzen.
Lachend verbeugte er sich vor ihnen.
„Ich weiß, ich darf mit Dir reden, aber es ist schon noch ungewohnt, zumal ich im Beisein von anderen schweigen muss.“
„Du weckst meine Neugier. Seit wann schweigst Du schon?“
„Das werde ich Dir wohl sagen dürfen. Lass mich kurz nachdenken, Maryeta war krank, da war ich fünfzehn. Und das Gebet sprach ich damals. Seit dem schweige ich.“
„Ist das nicht manchmal schwer gewesen? In der Schule und bei den Eltern?“
Er nickte: „Besonders am Anfang, als meine Eltern noch nicht wussten, warum ich plötzlich schwieg. Bis Maryeta es ihnen erklärte. Dann setzten sie sich in der Schule und überall dafür ein, dass ich alles aufschreiben durfte, was ich hätte sagen sollen und wollen. Dadurch konnte ich mein Abitur dann auch machen.“ Und etwas nachdenklich fuhr er fort: „Wenn die Tiere nicht mit mir gesprochen hätten, hätte ich nicht einmal meinen Stimmbruch mitbekommen. Und ich hätte vermutlich auch inzwischen nicht einmal mehr gewusst, wie meine Stimme klingt. Es war eine lange Zeit. Aber die Gesundheit meiner Schwester ist es mir wert.“
Nachdenklich und schweigend frühstückten wir zu Ende.