Читать книгу Der Gartenkünstler Peter Joseph Lenné - Clemens Alexander Wimmer - Страница 12
|47|V „Seine wissenschaftliche Bestrebungen“
Lenné in Paris
ОглавлениеWährend Peter sich vermutlich auf Reisen befand, ging es mit den Bonner Gärten weiter bergab. Am 16. September 1809 legte Johann Heinrich Lenné, Josephs jüngerer Bruder, der Mairie ein „Projekt zur Anlegung einer Bleiche und einer Baumschule im Hofgarten“ vor. 1810 wurde der Hofgarten von der Stadt übernommen, die die Boskette zu Seiten der Festwiese verkaufen wollte. Am 24. Mai 1810 rang man sich zu einem Verbot der Viehweide im Hofgarten durch. Der letzte Rest der Orangenbäume kam im Juli 1811 in die Koblenzer Baumschule. Die Orangerie wurde daraufhin im August 1811 abgerissen. Schon lange bemühte sich Vater Lenné um eine Stelle in Koblenz. Doch das zog sich hin.
Peter verließ das traurige Bonn so schnell wie möglich. Nach seinen Angaben im Lebenslauf reiste er „nach Beendigung der üblichen Lehrjahre in der practischen Gärtnerei im April 1811 nach Paris, wo er bei dem Director des Botanischen Gartens und der Agricultur-Schule, Thouin, einem Freunde seines Vaters, freundliche Aufnahme und Förderung seiner wissenschaftlichen Bestrebungen fand.“ Er muss schon als Kind etwas Französisch gelernt haben, denn sein Vater empfahl ihm in einem Brief vom 31. August 1816 die Lektüre des Cours d’agriculture von Abbé Rozier.1 Wenn man schon pro forma Franzose war, konnte man auch in Paris arbeiten. Nicht irgendwo in der Provinz, sondern im weltberühmten Jardin des Plantes. Dies war gewiss nicht ohne Beziehungen möglich. Als |48|Thouin 1805 einen Gärtnersohn aus Weimar aufnahm, schickte ihm der Weimarer Herzog zum Dank einen Brillantring.
André Thouin war mit 17 Jahren als Nachfolger seines Vaters jardinier en chef du Jardin du Roi geworden.2 Inzwischen war er nicht „Director des botanischen Gartens“, wie Lenné angibt, sondern Professeur pour la culture et naturalisation des végétaux. Er hatte sich bereits 1789 der Revolution angeschlossen und war unter den zwölf 1793 ernannten Professoren am neu gegründeten Muséum d’histoire naturelle, dem der Jardin du Roi zugeordnet wurde. Bis auf zwei waren alle Professoren Akademiker, darunter Antoine-Laurent de Jussieu (1748–1836) als Professor für Botanik im Freiland (Botanique à la campagne) und René Louiche Desfontaines (1750–1833) als Professor für Botanique au Muséum. Nur der holländische Blumenmaler Gérard van Spaendonck (1746–1822), Professor für Ikonographie oder Naturdarstellung, und Peters Vorgesetzter Thouin waren Nichtakademiker.
Die botanischen Sammlungen des Jardin du Roi wurden auf diese Weise bewahrt, während der revolutionäre Bildersturm, der Blumen durch Kartoffeln zu ersetzen strebte, viele private Sammlungen vernichtete.3 Thouin wirkte auch bei der Namensfindung für die Monate und Tage im 1793 eingeführten Französischen Revolutionskalender mit. 1794 erhielt er vom Convent den Auftrag, die Gärten im Umkreis von 30 Meilen um Paris nach brauchbaren Pflanzen abzusuchen. Manche wertvolle Bestände wurden so dem Museum einverleibt. Thouin machte darüber hinaus Vorschläge, wie die herrenlos gewordenen Gärten für ökonomische und Bildungszwecke genutzt werden könnten. Hieraus wurde nichts, ebenso wenig aus seinen großen Plänen, in jedem Departement einen Jardin des Plantes zu gründen.
Thouin war auf seinem Gebiet europaweit anerkannt und verehrt.
„Wenige Menschen … übten mehr nützlichen Einfluss aus. Er wurde Mittelpunkt einer Korrespondenz, die sich in alle Weltteile erstreckte, und hörte während eines halben Jahrhunderts nicht auf, den Austausch der wertvollsten Pflanzen zwischen den verschiedenen Ländern zu befördern.“4
Ein Schriftwechsel mit „M. Lainé“ ist in Thouins Biographie aus der Feder seines Neffen Oscar Leclerc erwähnt. Vater Lenné wird darin |49|als wertvoller Hinweisgeber bei der Akquisition exotischer Gehölze genannt.5 Peters Behauptung, Thouin sei ein Freund seines Vaters gewesen, scheint indes übertrieben. Vater Lenné gibt an, Thouin bei seinen Parisaufenthalten (mes sejours à Paris) getroffen zu haben. Wann, wissen wir nicht. 1795/96 inspizierte Thouin die Gärten am Rhein und traf dabei mit Vater Lenné zusammen. Die Übernahme des Botanischen Gartens in Bonn durch den französischen Staat entsprach Thouins Konzept der Departementsgärten und bot einen Anlass zu offiziellem Schriftwechsel. In der Tat wandte sich Vater Lenné, als Koblenz Teil Frankreichs geworden war, in einem von Schmeicheleien strotzenden Brief vom 1. Vendémiare X (23. September 1801) an Thouin mit der Bitte, ihm für den Botanischen Garten der Bonner École centrale, als dessen Directeur er sich bezeichnete, seltenes und edles Saatgut zu schicken.6
Thouin gehörte zu den wenigen, die am 18. Mai 1804 gegen die Einführung des Kaiserreichs gestimmt hatten. Er verweigerte die Aufnahme in die Ehrenlegion und folgte keiner Einladung der kaiserlichen Regierung. Nicht ungelegen kam ihm indessen, dass die von der Revolution verpönten Zierpflanzen wieder zu Ehren gelangten, wozu die Pflanzenleidenschaft der Kaiserin Joséphine viel beitrug. Ihr sandte Thouin gern Pflanzen, auch nach ihrer Scheidung von Napoleon. Zahlreiche Neueinführungen erhielt er als Erster und akklimatisierte sie. Darunter waren die ersten Dahlien, die 1802 aus Madrid kamen. 1812 stellte er die Scheinquitte Chaenomeles sinensis vor, die er von Pariser Handelsgärtnern erhalten hatte.
Thouin bewohnte ein barockes Stadtpalais, das Hôtel de Magny, das Bestandteil eines 1787 zur Gartenerweiterung nach Westen angekauften Privatgrundstücks war. Er logierte im Erdgeschoss, ausgestattet mit Louis-XVI-Möbeln des Grafen Buffon. Auf dem geräumigen Platz hinter dem Haus waren die großen Kübelpflanzen aufgestellt. Man kann sich vorstellen, dass Peter im Obergeschoss oder in einer Mansarde des Palais untergebracht war.
Seine Lehrtätigkeit hatte Thouin erst im Jahr VII (1799), sechs Jahre nach seiner Ernennung zum Professor, aufgenommen. Er lehrte Geschichte des Landbaus, Saat, Pflanzung, Baumschnitt, Stecklingsvermehrung, Veredlung und Werkzeugkunde. Hierzu ließ |50|er 170 Lehrtafeln und Werkzeugmodelle anfertigen, die zum Teil noch heute vorhanden sind. Seine Vorlesungen wurden nach und nach in den Annales du Muséum National d’Histoire Naturelle veröffentlicht. 1812 war gerade die Vorlesung über Hecken im Druck.
Thouins Vorlesungen über „die Kunst, Pflanzen zu erziehen, Gärten und Anpflanzungen zu vervollkommnen, fremde Gewäche an das einheimische Clima zu gewöhnen“, waren äußerst beliebt und wurden von vielen Privatpersonen und Gärtnern auch aus dem Ausland besucht.
„Man konnte für diese Stelle gewiss keinen passenderen Mann finden, als ihn“, so Gotthelf Fischer von Waldheim 1802, „welcher gleich ausgedehnte theoretische und practische Kenntniss der Botanik besitzt. Gerade und ernst, aber doch sanft in seinem Umgange liebt und schätzt ihn jeder, der ihn nur kennt, und besonders seine Collegen.“7
Eine „Agricultur-Schule“, wie Lenné schreibt, gab es in Paris nicht, der Ausdruck École bezog sich nur auf Thouins Lehrgärten. Er richtete im Jardin des Plantes mehrere Abteilungen mit der programmatischen Bezeichnung École ein, die besagte, dass die wahre Schule die Praxis im Freien ist. Es gab neben der École de Botanique die École de plantes d’usage (1803), die École des arbres fruitiers (1802), die École des semis (1805) und die École d’agriculture pratique (1806). Thouin demonstrierte auf diesem nur 60 × 70 m großen Gelände sämtliche in seinen Vorlesungen behandelten Handgriffe am Originalmaterial, nachdem er sie zuvor im Hörsaal anhand der Abbildungen und Modelle erläutert hatte. Der Mann mit dem sanften Lächeln und der auffälligen Nase, als der er auf Porträts erscheint, blieb unverheiratet. Er stellte in vieler Hinsicht ein Gegenbild zu Lenné dar: Ausschließlich für seine Sache eingenommen und politisch engagiert, war er von dem Wunsch durchdrungen, der Gesellschaft nützlich zu sein, und ging jeder Ehrung und Repräsentationspflicht aus dem Wege, wenn es nur irgend möglich war.
Er lehnte auch Essenseinladungen bei ihm wohlgesonnenen Ministern ab, weil ihn dies von seiner Arbeit fernhielt.
In einem Referat für den elften Band des von Abbé Rozier 1781 begonnenen Cours d’agriculture legte Thouin 1805 seine Grundsätze dar. Hiernach ist Gegenstand der Landwirtschaft die Erde, die Wissenschaft |51|ihr Mittel und das Produkt ihr Ergebnis und Ziel. Weidewirtschaft und Ackerbau sind die Haupttätigkeiten der Landwirtschaft und damit die Grundlagen des öffentlichen Wohls. Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften flossen in Thouins Praxis ein. Den Gartenbau betrachtete er als einen Zweig des Ackerbaus. Gartenbau und Landwirtschaft fielen für ihn in dieselbe Kategorie, für die er den Oberbegriff culture wählte. Ihm zufolge gab es neun Klassen von Kultivateuren: Ackerbauern, Weinbauern, Förster, Baumschuler, Baumpfleger, Blumengärtner, Ziergärtner und Botanische Gärtner. Gartenkünstler kamen in seinem System nicht vor. Im Grunde verachtete er die Gartenkunst, welchen Stils auch immer, als la coquetterie de l’agriculture. Über Landschaftsgärten sagt er:
André Thouin, Stich nach Julien Boilly, 1825 (Le Bon Jardinier 1825)
|52|„Die Gestaltung derartiger Gärten, ebenso ihre Kultur, besteht darin, alle Kunst aufzuwenden, um die Kunst zu verbergen. Sobald die Hand des Architekten oder Gärtners erkennbar wird, hört die Illusion auf und der Charme ist zerstört. Anstelle Edens in seiner ganzen Unabhängigkeit (dans tout l’abandon) hat man nur eine kleine und manirierte Natur …“8
Urkunden über Peters Pariser Aufenthalt sind bisher nicht bekannt. Sein älterer Bruder Philipp Joseph, der Kaufmann werden wollte, lebte als Offizier der Nationalgarde schon seit Jahren in der Stadt, so dass er vertraute Gesellschaft vorfand. Auch Thouin gehörte von 1789 bis 1818 der Nationalgarde an. Außerdem traf Peter im Jardin des Plantes den späteren bayerischen Oberhofgärtner Carl Effner (1792–1870).9 Es ist zu vermuten, dass bei dieser Gelegenheit Peters späterer Aufenthalt in München vorbereitet wurde. Die Verbindung zu Effner blieb noch lange bestehen. Auf seinen weiteren Gesellenreisen besuchte Effner Lenné in Potsdam und schickte 1851 auch seinen gleichnamigen Sohn dorthin. Lenné wurde, nachdem Effner 1852 Oberhofgärtner geworden war, in Planungen in Bayern einbezogen.
Am ausführlichsten gibt Karl Koch nach mündlichen Angaben Lennés über den Parisaufenthalt Auskunft:
„Sein Streben nach weiterer Ausbildung führte ihn bereits im Jahre 1811 nach Paris, wo er unter Desfontaines als Garten-Gehülfe im botanischen Garten daselbst eintrat. Er besuchte fleissig die botanischen Kollegien und machte die Bekanntschaft der damals in Paris lebenden botanisch-gärtnerischen Notabilitäten, besonders Thouin’s. Versailles zog ihn ungemein an, denn hier war ja der Styl des geistreichen Gartenkünstlers le Nôtre noch in seiner Reinheit vorhanden, während sonst sich meist nur unbedeutende Nachahmungen vorfanden. Noch lieber verweilte er in dem nahen Trianon, wo der Gründer des natürlichen Systems lange Jahre segensreich gewirkt hatte. Wir erinnern uns noch der Stunden, in denen er uns selbst Mittheilungen machte und mit Begeisterung von den noch vorhandenen Bäumen, welche Jussieu selbst gepflanzt hatte, sprach.“10
Lenné selbst schrieb 1858: „In Paris beschäftigten Lenné neben Botanik, die reichen ihm gebotenen Hilfsmittel benutzend, die Naturwissenschaften im weiteren Sinne und machte er hier außerdem einen cursus der Architectur unter Durand.“ In der Illustrirten Zeitung heißt |53|es noch prononcierter: „Außerdem machte er unter Durand einen vollständigen Kursus der Architektur durch, ein Umstand, der später von außerordentlichem Einfluß für ihn und seine Werke wurde.“ Koch formulierte vorsichtiger: „Lenné hatte außerdem das Glück, dem bekannten Baumeister Durand persönlich bekannt zu werden. Eifrig befleissigte er sich unter ihm architektonischer Studien.“
Jean-Nicolas-Louis Durand (1760–1834) war seit 1794 Professor für Architektur an der École polytechnique. Napoleon hatte dieser Schule ein militärisches Statut gegeben und sie in ein Internat umgewandelt. Wer aufgenommen werden wollte, musste eine lateinische Prüfung ablegen und Schulgeld entrichten. Es kam zwar vor, dass reisende Gartengesellen auch einmal in Hochschulvorlesungen hineinschauten. Wie aber Peter Zutritt zur École polytechnique erhalten haben könnte, ist unklar. Dass Durand Peter „die Gesellschaftsutopien der Revolutions-Architekten und der ihnen folgenden Landschaftsplaner“ vermittelte, wie Heinz Schönemann 1984 meinte, ist kaum anzunehmen. Ebensowenig kann man der Suggestion von Hinz folgen, nach der Peter unter Durands „Anleitung arbeiten durfte“, mithin mit ihm Projekte durchführte.
Lenné hat später – anders als beispielsweise Sckell – niemals Gebäude gezeichnet. Als ihn Gartendirektor Schulze im Jahr 1817 mit der Zeichnung eines Orangenhauses beauftragte, entschuldigte er sich mit der Bemerkung, dass er „so lange nichts mehr in dieser Art gemacht habe, und ich auch nie so viel Zeit auf die Erlernung einer Kunst verwenden konnte, welche bey meiner Carriere immer der meinigen untergeordnet bleiben musste.“ Allenfalls bei seinen Stadtplanungen könnte er sich an Durand erinnert haben. Doch das war 30 Jahre später.
Von einer Beschäftigung mit der zeitgenössischen Gartenkunst in Frankreich schreiben Lenné und Koch kein Wort. Wichmann übergeht den Parisaufenthalt in Lennés Lebensbeschreibung ganz, da dessen Erwähnung unter Kaiser Wilhelm I. vermutlich nicht opportun war. Auch stand bei André Thouin Gartenkunst nicht auf dem Lehrplan. Zuerst Schönemann brachte anhand von Planvergleichen die These auf, dass der Gartenkünstler Jean Gabriel Thouin (1754–1829), der jüngste Bruder Andrés, Lenné beeinflusst habe.
|54|Über Gabriel Thouins Leben ist nur wenig bekannt. Schon vor 1789 war er als Gartenentwerfer tätig, trat dann wie sein Bruder in die Nationalgarde ein und wurde 1812 Inspecteur des Champs-Élysées, des Avenues des Invalides, du Champs de Mars.11 Er wohnte 1820 in der Rue du Jardin du Roi no. 8, in der Nähe zum Garten und zu seinem Bruder, doch nicht in dessen Haus. Zwar könnten Entwürfe zu seinem 1819/20 erschienenen Werk Plans raisonnés de toutes les espèces de jardins schon existiert haben, immerhin beruft er sich darin auf „eine Praxis von mehr als 40 Jahren“.12 Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass er, der kein Lehramt bekleidete, dem jungen Gehilfen davon erzählt oder die Vorarbeiten dazu gezeigt haben sollte.
Das Verhältnis der Brüder André und Gabriel Thouin scheint kein ungetrübtes gewesen zu sein. Besonders Marie Madeleine, Gabriels Frau, betrachtete André als Gegner. In einer merkwürdig gestelzten Art widmete Gabriel 1819 sein Buch seinem Bruder. Man möchte diese Widmung eher als einen Versöhnungsversuch im Alter denn als ein Zeugnis brüderlicher Liebe und Eintracht werten. André lehnte ja die nutzlose Gartenkunst als ein Attribut des Ancien Régime ab und umso mehr die 1815 erfolgte Wiederherstellung der Bourbonenherrschaft. Gabriels Buch mit seinen keineswegs innovativen Ideen und der Erwähnung zahlreicher vorrevolutionärer Adelsgärten kann sogar als Anbiederung an die Reaktion gesehen werden, in deren Folge er 1816 Inspecteur principal des erzbischöflichen Gartens geworden war. Eine wegweisende Bedeutung wurde seinem Planwerk schon 1888 von dem Gartenschriftsteller Hermann Jäger abgesprochen. Er schreibt, es sei
„ein wunderliches Buch, in welchem nur die Grundpläne gut sind. Er gibt darin Ansichten von Gärten, die eher in ein Märchenbuch gehören. Da kommen Parks vor, in welchen Städte enthalten sind, andere mit 3–4 Burgruinen auf Kegelbergen, kurz alles enthaltend, was eine fessellose Phantasie nur erdenken kann. Er brachte die Gärten noch mehr in ein System als seine Vorgänger und schuf wahrhaft verzwickte Abteilungen mit eingeschachtelten Unterordnungen, im Ganzen fünfundzwanzig Arten von Gärten. Für jede Bodenverschiedenheit hatte er einen besonderen Garten. Da nach Thouin kein kritischer |55|Gartenschriftsteller in Frankreich aufgetreten ist, so haben seine Nachfolger in der Gartenlitteratur diese lächerliche Zerstückelung einer und derselben Sache aufgenommen und weitergetragen, ohne selbst daran zu glauben.“13
Lenné zeichnete weder Idealpläne nicht existenter Anlagen wie Thouin, noch schätzte er „die Spielerei, welche man in den ästhetischen Anlagen zu treiben pflegt, dass man, auf geringem Raum, ein Universum aller Zeiten und Zonen zu schaffen sucht“.14 In Potsdam erzählte Lenné Karoline Schulze später, er hätte in Paris „die damals neue Landschaftsgartenzeichenkunst erlernt“. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass er schon bei seinem Vater Zeichnen und Entwerfen im landschaftlichen Stil gelernt hatte. Und selbst wenn Gabriel Thouin Peter Lenné tatsächlich Einblick in sein Atelier gewährt und ihn zu Zeichenarbeiten herangezogen hätte, dürfte es sich nur um die Vertiefung bereits vorhandener Fertigkeiten gehandelt haben.
Einen urkundlichen Beweis, dass Peter in Paris überhaupt mit Gabriel Thouin verkehrte, gibt es bislang nicht. Außerdem scheint Lenné von Thouins Buch gar keine Kenntnis erlangt zu haben. Denn auf eine Anfrage des Vereins zur Beförderung der Landesverschönerung aus Wittenberg, welche Kupferwerke er als Muster für die Gartengestaltung empfehle, erwiderte er 1828, dass es solche weder in Deutschland noch in England oder Frankreich gebe. Thouins Plans raisonnés waren auch im Berliner Gartenbauverein nicht vorhanden.
Thouin war nicht der einzige Gartenkünstler der Zeit, der als Vorbild für Lenné in Frage kommt. Karoline Schulze verwies zu Recht auf das Tafelwerk von Johann Ludwig Mansa (1798), das neben denen von George Isham Parkyns (1795) und George Louis Le Rouge (1774–81) das erste war, anhand dessen landschaftliches Entwerfen konkret geübt werden konnte.
Zweifellos empfing Peter in Paris wichtige Anregungen auf mehreren Gebieten seines Berufs. Sie zu konkretisieren, fällt jedoch aufgrund der spärlichen Quellen schwer.