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Der Joker: Fantasie trifft Waldatmosphäre
Оглавление»Fantasie haben heißt nicht, sich etwas auszudenken, es heißt, sich aus den Dingen etwas zu machen.«
– Thomas Mann, Schriftsteller, 1875 bis 195517
Ich habe bereits mehrmals anklingen lassen, dass wir uns vor einem tiefgreifenden Wandel des Menschenbildes in der Medizin befinden. Die psychosomatische Medizin hat längst die Beweise erbracht, dass es keine Trennung zwischen Körper und Psyche gibt. Der Mensch ist eine psycho-somatische Einheit, ein Geist-Körper-Wesen, also ein hoch komplexes Gewebe aus mentalen und stofflichen Aspekten. Beides hängt eng miteinander zusammen. Krankheit und Gesundheit lassen sich nur dann verstehen, wenn wir uns Psyche und Körper als Eins vorstellt. Auch das Bild von den zwei Seiten einer Medaille ist daher nicht zutreffend. Wenn Ärzte von »psychosomatischen Beschwerden« sprechen, dann meinen sie keineswegs solche Beschwerden, die ein Patient sich nur einbildet. Psychosomatische Beschwerden sind real vorhanden und können zum Beispiel als Entzündungsprozesse oder allergische Reaktionen sogar messbar werden. Ihre Ursachen liegen jedoch im Psychischen und gehen oft bis in die Kindheit zurück. Das lässt sich nur verstehen, wenn wir jede gedachte Trennung zwischen Körper und Psyche, die in unseren Köpfen noch vorhanden sein mag, vollständig aufgeben.
Bereits gegen Ende der 1970er-Jahre machte ein Fall weltweite Schlagzeilen, der von der Immunologin und Psychotherapeutin Patricia Norris veröffentlicht wurde. Norris arbeitete an einer Klinik der US-amerikanischen Menninger Foundation in Kansas. Sie betreute einen neunjährigen Patienten, der an einem aggressiven Gehirntumor erkrankt war. Die Ärzte konnten den Tumor nicht operieren. In wöchentlichen Sitzungen brachte Norris dem schwerkranken Jungen Entspannungsübungen und Imaginationstechniken bei. Der Patient stellte sich in einem meditativen Zustand mithilfe seiner Fantasie vor, wie ein intergalaktisches Kampfraumschiff in seinem Körper unterwegs war, das über Laser und Torpedos verfügte. Die Laserstrahlen und die Torpedos symbolisierten die weißen Blutkörperchen des Immunsystems. Bewaffnet wie in Star Trek focht dieses Raumschiff einen gnadenlosen Kampf gegen feindliche Raumschiffe, die es unter heftigen Beschuss nahm. Die gegnerischen Schiffe stellten die Krebszellen dar. Der junge Patient ließ sein imaginäres Raumschiff regelmäßig gegen den Krebs anrücken, also auch außerhalb der wöchentlichen Sitzungen bei Patricia Norris. Eines Tages konnte das gute Raumschiff keine gegnerischen Raumschiffe mehr finden, was der Junge seiner Therapeutin mitteilte. Patricia Norris veranlasste daraufhin eine Computertomographie des Gehirns. Der Tumor war vollständig verschwunden, obwohl die Ärzte keinerlei medizinische Behandlungen mehr durchgeführt hatten und der Junge als unheilbar galt.
Einen ähnlichen Fall aus den USA beschrieben der Kinderarzt Daniel Kohen aus Minnesota und die Kinderärztin Karen Olness aus Ohio. Beide sind als Professoren an Universitäten tätig. Sie berichteten im Jahr 1996 von einem elfjährigen Mädchen, das am gesamten Körper an Nesselausschlägen litt. Die roten Quaddeln traten vor allem in bestimmten Stresssituationen auf. Durch einen imaginären Joystick gelang es dem Mädchen, die allergische Hautreaktion abzuschalten, wann immer sie auftrat.
Da es sich um Einzelfälle handelte und die Ärzte und Therapeuten keine begleitenden Studien durchführten, können aus diesen Berichten natürlich keine sicheren Rückschlüsse darauf gezogen werden, ob das Mädchen und der Junge ihre spontanen Heilungen wirklich durch ihre Fantasie bewirkt hatten. Jedoch riefen die faszinierenden Vorfälle andere Wissenschaftler auf den Plan, die herausfinden wollten, wie viel Macht unsere Vorstellungskraft auf unseren Körper ausübt. Können wir uns durch unsere Fantasie gesund halten oder sogar Krankheiten heilen? Was manche vielleicht als Humbug abtun würden, entpuppte sich in wissenschaftlichen Experimenten als plausibel.
Möglicherweise fragen Sie sich jetzt, was Fantasie und imaginäre Killer-Raumschiffe, die bis an die Zähne bewaffnet sind, mit den immunsystem-stärkenden Wirkungen der Waldluft zu tun haben. Bevor wir zu diesem Zusammenhang kommen, lassen Sie mich Ihnen noch über ein paar hochinteressante wissenschaftliche Erkenntnisse berichten. Es geht um die Wirkung der Fantasie auf unser Immunsystem, auch das ist Psychosomatik.
In Experimenten konnten zwei australische Wissenschaftler beweisen, dass meditative Fantasiereisen die Dauer von Erkältungserkrankungen und grippalen Infekten verkürzen18. Zu diesem Zweck leiteten die australische Medizinerin Barbara Hewson-Bower und der Universitätsprofessor Peter Drummond von der australischen Murdoch Universität ihre Versuchsteilnehmer an, sich bildhaft vorzustellen, wie ihr Immunsystem gegen die Bakterien und Viren anrückte. Das fantasiereiche Aufpeppen der körpereigenen Abwehrkräfte klappte. Die Patienten, die sich selbst durch ihre Fantasie behandelten, wurden im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Fantasieübungen signifikant schneller gesund.
Noch beeindruckender fiel eine Serie von Studien aus, die zwischen 1992 und 2007 im Rainbow Kinderspital in Cleveland, Ohio, stattfanden. Ein Team von Ärzten und Wissenschaftlern führte gemeinsam mit High-School-Schülern und College-Studenten, die als Versuchspersonen mitmachten, Experimente durch, in denen sie nur durch die Kraft der Fantasie das Immunsystem beeinflussen wollten. Das Forscherteam hatte es auf die Neutrophilen abgesehen. Das sind die »Erste-Hilfe-Zellen« unseres Immunsystems, die bei Angriffen als Sofortmaßnahmen Entzündungsreaktionen auslösen. Sie können, wann immer sie gebraucht werden, extrem schnell aus der Blutbahn ins Körpergewebe eindringen, um gegen Krankheitserreger anzurücken. Man kann sie sich so wie Spiderman vorstellen: Um schnell und am richtigen Ort aus der Blutbahn zu klettern, müssen sich die Neutrophilen mit etwas Klebrigem festhalten und herausziehen. Sonst würde sie der Blutstrom mitreißen und sie würden ihr Ziel verpassen. Das wäre für Erste-Hilfe-Zellen äußerst unvorteilhaft. Daher verfügen sie über sogenannte Adhäsions-Substanzen, also über klebrige Stoffe. In den Experimenten in Cleveland wurden die Versuchspersonen gebeten, sich in ihrer Fantasie vorzustellen, wie ihre Neutrophilen immer klebriger werden, um bessere Arbeit leisten zu können. Dazu konnten die Teilnehmer jedes beliebige Kopf-Kino ablaufen lassen. Ein Student stellte sich seine Neutrophilen zum Beispiel als Tennisbälle vor, aus denen Honig quoll, der sie ganz klebrig machte. Diese Fantasieübungen wurden über zwei Wochen durchgeführt. Danach wurden Blut- und Speichelproben der Teilnehmer untersucht und siehe da: Die Haftungsfähigkeit der Neutrophilen hatte sich tatsächlich erhöht19. So konnten sie ihrer Aufgabe als flinke Erste-Hilfe-Zellen besser nachkommen.
Dass unsere Psyche mit unserem Immunsystem verwoben ist und dieses beeinflussen kann, ist längst wissenschaftlich belegt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich auch unsere Fantasie auf das Immunsystem auswirkt. Dass der Aufenthalt im Wald die Anzahl und Aktivität der natürlichen Killerzellen erhöht, haben wir schon ausführlich beleuchtet. Wieso sollte es also nicht gelingen, anstatt der Klebrigkeit der Neutrophilen mithilfe der Fantasie auch die Effekte auf die Killerzellen zu verstärken? Waldluft und Fantasie könnten auf diese Weise einander verstärken, innere Bilder und Natur gemeinsam zu einem noch stärkeren Doping für unser Immunsystem werden.
Wenn wir versuchen, mithilfe unserer Fantasie Einfluss auf unseren Körper oder unsere Psyche zu nehmen, handelt es sich um Selbst-Suggestion. Der französisch-schweizerische Psychoanalytiker Charles Baudouin, der von 1893 bis 1963 lebte, sagte: »Suggestion ist die unterbewusste Verwirklichung einer Idee«20. Bei unserer geplanten Selbst-Suggestion mittels der geheimnisvollen Kräfte unserer Fantasie lautet die Idee: »noch mehr Killerzellen«. Die Frage ist nur: Welches Symbol für Killerzellen wählen wir am besten aus, um diese Idee durch Suggestion umzusetzen? Ihrer Fantasie sind bei diesem Experiment keine Grenzen gesetzt! Finden Sie Ihren persönlichen Code, den nur Sie selbst verstehen und entschlüsseln können. In der folgenden Übung habe ich Fantasiebilder eingesetzt, die mir als Beispiele eingefallen sind. Fühlen Sie sich jedoch frei, sie durch Ihre eigenen inneren Bilder und Symbole zu ersetzen.
Übung: Die geheimnisvolle Kraft der Fantasie im Wald aktivieren
Ankommen
Spazieren Sie zuerst eine Weile durch den Wald und versuchen Sie, die Hektik des Alltags hinter sich zu lassen. Schalten Sie ein wenig ab und lassen Sie die Waldatmosphäre auf sich wirken: Die knorrigen Wurzeln, die raue Borke der Bäume, das weiche Moos am Boden. Vielleicht sehen Sie hie und da einen buschigen Farn, der aus einem modrigen Baumstamm wächst. Nehmen Sie die Gerüche des Waldes bewusst auf. Seien Sie sich der Anwesenheit von Wildtieren gewahr, auch wenn Sie diese gerade nicht sehen. Der Wald ist erfüllt von Leben. Über, sowie unter der Erde. Die Hüte, die Sie von den Pilzen an der Oberfläche sehen, sind nur deren Fruchtkörper. Das eigentliche Lebewesen »Pilz« ist ein wunderschönes, vielfach verzweigtes, ständig aktives und wachsendes Geflecht, das unter Ihren Füßen das Erdreich durchzieht. Dabei kann sich ein einziges Pilzwesen über hunderte Meter erstrecken und überall rund um Sie seine Hüte aus dem Boden recken. Pilze leben häufig in Symbiose mit den Wurzeln der Bäume und anderer Pflanzen. Sie wachsen in die Wurzeln hinein und tauschen Nährstoffe mit diesen aus. Der Baum hat die Fähigkeit, aus dem Sonnenlicht Kohlenhydrate zu gewinnen, von denen er dem Pilz etwas abgibt. Im Gegenzug reicht der Pilz dem Baum Wasser und Nährstoffe aus dem Boden dar, die er mit seinem weit verzweigten unterirdischen Geflecht besonders gut aufnehmen kann. Dadurch vernetzen Pilze praktisch alle Bäume des Waldes und auch andere Pflanzen untereinander. Sie machen ganze Landstriche aus Wäldern zu miteinander verbundenen, hoch komplexen Lebensräumen. Und in dieses lebende Gewebe tauchen Sie nun ein. Sie verschmelzen mit ihm. Denken Sie beim Spazieren auch an die unzähligen Substanzen, die all die Bewohner des Waldes an die Luft abgeben. Stellen Sie sich dabei Ihr Immunsystem als ebenso komplexes, kommunikationsfähiges System vor, das längst mit dem Wald und seinen Substanzen interagiert und kommuniziert. Sie können zum Beispiel im Gedanken zu sich selbst sagen: »Ich bin ein Teil des Waldes«. Oder Sie stellen sich das Immunsystem als eine Art organische Antenne vor, die aus Ihnen heraus ragt.
Wenn Sie die Hektik des Alltags hinter sich gelassen und sich auf diese Weise auf den Wald eingelassen haben, suchen Sie sich einen Platz, an dem Sie sich wohlfühlen. Das kann ein Baumstamm oder ein Baumstumpf sein, ein Felsen, ein Stein oder ein trockenes Kissen aus Moos. Natürlich können Sie sich auch auf eine Bank setzen. Wenn Sie bei Ihrer Fantasieübung von anderen Spaziergängern nicht gesehen werden wollen, suchen Sie sich einfach einen Ort abseits der Wege. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass wir uns besser entspannen können, wenn wir von unserem Versteck aus zwar den Überblick haben, von rundherum jedoch nicht gesehen werden können.
Entspannung
Machen Sie es sich an dem Platz, den Sie ausgewählt haben, bequem. Nehmen Sie eine angenehme Sitzposition ein, in der Sie verweilen möchten. Sie können natürlich auch liegen oder sich an einen Baum lehnen. Achten Sie aber jedenfalls darauf, eine offene Haltung einzunehmen. Sie sollen das Gefühl haben, dem Wald gegenüber geöffnet zu sein. Das erreichen Sie zum Beispiel, indem Sie Ihre Hände in den Schoß legen und die Handflächen nach oben drehen. Sie können auch Ihre Arme leicht öffnen.
Schließen Sie Ihre Augen und konzentrieren Sie sich für eine Weile auf Ihren Atem. Fühlen Sie einfach, wie Ihr Atem beim Einatmen in Sie einströmt und beim Ausatmen wieder aus Ihnen ausströmt. Atmen Sie entspannt und gleichmäßig. Bleiben Sie dabei ganz bei diesem Gefühl: Einatmen und Ausatmen. Nehmen Sie wahr, wie die Luft durch Ihre Nase strömt und wie sich Bauch und Brustkorb heben und senken. Dadurch wird Ihre Aufmerksamkeit auf ganz natürliche Art und Weise auf Ihren Körper gelenkt. Sie entspannen sich. Die Konzentration auf das Ein- und Ausatmen wird auch an psychosomatischen Kliniken angewendet, um die Patienten in einen Zustand der Entspannung zu führen und die Körperaufmerksamkeit zu fördern. Die Technik stammt aus der körperorientierten Psychotherapie21. Sie wirkt sehr effizient.
Öffnung und Aufnahme
Wenn Sie sich entspannt fühlen, folgt die erste Visualisierung: Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, wie die Anti-Krebs-Terpene aus der Waldluft beim Einatmen in Sie einströmen. Beobachten Sie zunächst, welche Bilder in Ihrer Fantasie dazu entstehen. Ich stelle mir meistens silbergrüne Nebelschwaden vor, die von den Baumkronen und den Sträuchern auf mich zuschweben. Beim Einatmen nehme ich wahr, wie dieser heilsame Nebel schneller wird, so, als würde er von mir angesaugt werden. Dann strömt er über die Nase in meine Lungen ein. Beim Ausatmen wird der silbergrüne Nebel ringsum etwas langsamer und wartet auf meinen nächsten Atemzug. Er sammelt sich rund um mich wie ein geheimnisvoller Schleier, aus dem ich tiefe Atemzüge nehme und der dem Luftstrom in meinen Körper folgt.
Ich sehe vor meinem geistigen Auge, wie der Nebel meine Lungen ausfüllt, in die Blutbahn übertritt und durch meinen gesamten Körper pulsiert. Er lässt mich mit dem Wald verschmelzen, verbindet mich mit den Bäumen und Sträuchern, den Pilzen und Kräutern, ähnlich wie das unterirdische Geflecht der Pilze die Wurzeln umfasst und alle Bäume miteinander vernetzt. Der heilsame Nebel sammelt sich immer dichter rund um mich und strömt schließlich auch über meine geöffneten Handflächen in mich ein. Er umfasst meinen gesamten Körper. »Ich bin ein Teil des Waldes«.
Wie auch immer Sie sich die gesunden Substanzen in der Waldluft vorstellen: Lassen Sie sich auf diese Fantasiebilder ein, nehmen Sie die Bildsprache Ihrer Seele ernst. Dass die Fantasie tatsächlich auf unsere Körperfunktionen wirken kann, wissen wir aus den oben zitierten wissenschaftlichen Studien. Ziel der Übung ist es, sich zu öffnen und körperlich aufnahmefähiger für die heilsamen Substanzen aus der Waldluft zu sein.
Mit dem Immunsystem kommunizieren
Nun folgt das Herzstück der Übung: Finden Sie ein Fantasiebild, das Ihre natürlichen Killerzellen symbolisiert, die durch die Anti-Krebs-Terpene in der Waldluft verstärkt werden. Ich stelle mir manchmal kleine, stachelige Morgensterne aus Stahl vor, die wie winzige Waffen durch mein Blut jagen, mir aber nichts anhaben. Der Blutstrom transportiert sie durch meinen Körper. Ich nehme wahr, wie sie mehr werden. Aus einem werden zwei, aus zwei werden vier, aus vieren werden acht und so weiter. Ich sehe den Vorgang vor meinem geistigen Auge immer schneller ablaufen: Aus zehntausend werden zwanzigtausend, vierzigtausend … Ich nehme wahr, wie die winzigen metallenen Morgensterne aus meinem Rückenmark herausquellen, wie aus einer riesigen, stampfenden Killerzellenfabrik. Sie werden in die Blutbahn aufgenommen.
Während die Anti-Krebs-Terpene aus der Waldluft mit Ihrem Immunsystem kommunizieren, senden nun auch Sie selbst codierte Symbolbotschaften an Ihr Immunsystem. Und sowohl die Botschaft von außen, aus der Waldluft, als auch die innere Botschaft ihrer Fantasie sind gleichgeschaltet: »Mehr natürliche Killerzellen!«
Schließlich können Sie sich auch noch vorstellen, wie die Killerzellen, die jetzt in Ihrer Fantasie regelrecht in Ihnen wuseln, noch aktiver werden und Krankheitserreger attackieren. Der Fantasie sind bei der Visualisierung dieses Vorganges keine Grenzen gesetzt. Um beim Beispiel der stählernen Morgensterne zu bleiben: Ich stelle mir häufig vor, wie diese immer schneller und schneller zu rotieren beginnen und dabei Bakterien und Viren regelrecht »wegfräsen«.22
Diese Fantasieübung lässt sich noch adaptieren und ausweiten. Wie berichtet, bewirkt die Aufnahme der Waldluft auch, dass unser Körper mehr Anti-Krebs-Proteine produziert. Mit etwas Kreativität ließe sich dieser Vorgang durch innere Bilder ebenso gut visualisieren. Denken Sie dabei daran: Diese Proteine assistieren den Immunzellen beim Kampf gegen Eindringlinge und entartende Körperzellen, die ein Tumorrisiko bergen. Sie sitzen in kleinen Geschossen, mit denen sie an ihr Ziel befördert werden. Dort dringen sie in die gefährlichen Zellen ein und zwingen diese zum Selbstmord oder vergiften sie. Dieses Szenario, das sich tagtäglich im menschlichen Körper abspielt, bietet mannigfaltige Möglichkeiten, in die bildhafte Sprache der Fantasie übersetzt zu werden.
Die Kraft der Fantasie wird übrigens auch in der Psychotherapie schon lange erfolgreich genutzt. Die Vertreter der sogenannten Tiefenpsychologie, zu der auch Sigmund Freuds Psychoanalyse gezählt wird, gehen davon aus, dass in uns Menschen unbewusste Kräfte wirken. Freud selbst war bekannt dafür, dass er die Fantasievorstellungen und auch die Träume der Menschen als Sprache des »Unterbewusstseins« verstand und zu entschlüsseln versuchte. Noch heute kommt dieser bildhaften Sprache eine große Bedeutung in der Psychoanalyse und in allen anderen tiefenpsychologischen Schulen zu. Unbewusste Anteile unserer Psyche kommunizieren also in Form von Fantasiebildern und Träumen mit uns. Das können auch Tagträume sein, die in uns auftauchen, ohne dass wir schlafen. Manche Therapeuten schicken ihre Patienten auf Fantasiereisen und lassen sie dann auf Papier malen, was sie gesehen haben. Die Gemälde werden durch die Patienten selbst, unter Beisein der Therapeuten, analysiert. Die Therapeuten gehen davon aus, dass sich unbewusste Inhalte der Psyche während der Fantasiereise manifestiert haben, sodass sie der Patient in den Malereien wiederfinden kann. Das Ganze lässt sich aber auch anders herum denken: Wir können die Sprache der Fantasie nutzen, um unserem »Unterbewusstsein« Botschaften zu schicken und dadurch unsere Psyche zu beeinflussen. Eine spezielle Richtung der Tiefenpsychologie baut sogar hauptsächlich auf dieser Idee auf. Es ist die Katathym-imaginative Psychotherapie. Ihre Vertreter versuchen nicht nur, unbewusste Vorgänge durch Fantasieübungen als Bilder und Symbole sichtbar zu machen. Umgekehrt versuchen sie auch, das psychische Erleben und Verhalten des Menschen, ja sogar den Körper, durch Fantasieübungen zu beeinflussen. Ein sehr bekanntes Symbol, das unser Gehirn versteht, ist der Radiergummi. Manche Therapeuten setzen den Fantasie-Radiergummi ein, um zum Beispiel wiederkehrende Zwangsgedanken oder Schuldgefühle »auszuradieren«. So bietet die Fantasie mit ihrer Bildsprache ein unterstützendes Medium, um die menschliche Psyche zu heilen.
Es sind aber nicht nur wir selbst, die mit unserem »Unterbewusstsein« interagieren können. Auch die Pflanzen und sogar ganze Landstriche können das. Im nächsten Abschnitt erfahren Sie, wie Pflanzen und Landschaften mit Ihren unbewussten Gehirnanteilen kommunizieren und wie Sie diese geheimnisvolle Verbindung nutzen können, um sich psychisch wohler zu fühlen, Stress abzubauen und »da draußen« Unterstützung in schwierigen Lebenslagen zu finden.