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Kapitel 15

Der Putsch

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Der „Trommler“ legte auch am 8. November 1923 im vollbesetzten Bürgerbräukeller einen Auftritt hin, der etwas Clowneskes und zugleich Wildwestmäßiges an sich hatte. Aus der rechten Regierungsmannschaft sprach von Kahr – Interimsherrscher in Bayern mit diktatorischen Vollmachten - bis Hitler mit seinen Mannen 30 Minuten später den Redner rüde unterbrach, auf einen Stuhl stieg und mit seiner Walther Pistole in die Decke feuerte. Der scharfe Knall sorgte dafür, dass der Schütze sich der Aufmerksamkeit der Anwesenden sicher sein konnte. Mit seiner charakteristisch heiser bellenden Stimmte warnte er davor, dass das Versammlungslokal von der SA umstellt sei und erstickte so jeglichen möglichen Widerstand bereits im Keim. Er verkündete am Schluss seiner Ansprache düster: „Die „nationale Revolution“ ist ausgebrochen.“ Hitler war endlich mit den richtigen, sprich einflussreichen Leuten in Kontakt gekommen. Diese unterstützten ihn wirkungsvoll. Dazu gehörte auch einer der Helden von Tannenberg, Erich Ludendorff. Der General a.D. und Strippenzieher des Kapp–Putsches vom März 1920 war aus der Versenkung wieder aufgetaucht und veredelte mit seiner Anwesenheit die Putschistengruppe. „Proklamation an das deutsche Volk! Die Regierung der Novemberverbrecher in Berlin ist heute für abgesetzt erklärt worden. Eine provisorische deutsche Nationalregierung ist gebildet worden, diese besteht aus General Ludendorff, Adolf Hitler, General von Lossow, Oberst von Seißer.“53


Die Proklamation der Putschisten von 1923

Die Münchner Putschisten planten nun den Zusammenschluss der in Bayern stehenden Reichswehrverbände mit den antidemokratischen Wehrverbänden, von denen es im Lande immer noch zahlreiche gab. Geduldet von einer rechtsgerichteten Regierung, die am liebsten sofort der verhassten Weimarer Republik den Todesstoß versetzt hätte, war die bayrische Landeshauptstadt ein Dorado verschiedenster Wehrsportgruppen. Sie konnten völlig unbehelligt von der Obrigkeit bis an die Zähne bewaffnet durch München marschieren und wurden von oberster Stelle protegiert. Nach der Entmachtung der amtierenden Regierung sollte es weiter nach Berlin gehen, um dieses, wie man sich ausdrückte, „Judennest auszuräuchern“. Doch noch in der Nacht trat die entscheidende Wendung ein, als der damalige Machthaber Bayerns, der Generalstaatskommissar Gustav Ritter von Kahr, seine nur halbherzig gegebene Zusage widerrief, sich am Putsch zu beteiligen. Hitler war fassungslos, als er von Kahr im Rundfunk mit den Worten vernahm, dass die „mit vorgehaltener Pistole abgepressten Erklärungen“ null und nichtig seien. Von Kahr erklärte die NSDAP für aufgelöst. Dennoch setzte sich das Trüppchen, angeführt von Ludendorff, Hitler und Göring, am Mittag darauf in Richtung Feldherrnhalle in Marsch. Inzwischen hatte der Kommandant der Landespolizei die Weisung erhalten, das Gebiet um den Odeonsplatz großräumig abzuriegeln. Unter dem Beifall tausender Schaulustiger näherte sich die Truppe und schmetterte „Die Wacht am Rhein“.

Sie durchbrach die Absperrkette. Es ist bis heute nicht klar, wer zuerst die Nerven verloren hat, die Putschisten oder die mit Maschinengewehren bewaffnete Polizei. Das Feuergefecht dauerte nur eine Minute, forderte aber zahlreiche Opfer, darunter 18 Tote. Zu den Verletzten zählte Göring, der sich eine tiefe Fleischwunde an der Hüfte zugezogen hatte. Die jüdischen Eigentümer des Hauses, in dessen Hof er zurückgetrieben worden war, brachten ihn in Sicherheit, was ihm die Flucht nach Österreich ermöglichte. Hitler kugelte sich durch einen Sturz zu Boden den Arm aus und ließ sich darauf von einem Sanitätsauto der SA abtransportieren. Ludendorff blieb unverletzt und marschierte in aufrechter Haltung weiter, als gälte es noch einmal die Festung Lüttich zur Übergabe zu zwingen. Nach ihrer Verhaftung wurden die Putschisten in die Festung Landsberg verbracht, wo sie auf ihren Prozess wegen Hochverrats warteten. Hitler verklärte dieses Ereignis in einer seiner späteren Reden, die er 1939 im Bürgerbräukeller in München hielt: „Aus dieser ganzen Not ist unsere Bewegung entstanden, und sie hat daher auch schwere Entschlüsse fassen müssen vom ersten Tage an. Und einer dieser Entschlüsse war der Entschluss zur Revolte vom 8./9. November 1923. Dieser Entschluss ist damals scheinbar misslungen, allein, aus den Opfern ist doch erst recht die Rettung Deutschlands gekommen.“54

Am Morgen des 26. Februar 1924 begann der Hochverratsprozess gegen die zehn Putschisten, unter ihnen die Hauptangeklagten Adolf Hitler und Erich Ludendorff. Die Presse hatte Vertreter aus dem In– und Ausland gesandt. Insgesamt wurden 368 Zeugen geladen. Die Landespolizei hatte zwei Bataillone geschickt und den Ort des Verfahrens, die Zentrale Infanterieschule in München, weiträumig mit Stacheldraht und hölzernen Barrieren abgesichert.

Der Richter, der den Vorsitz im Prozess gegen Adolf Hitler führte, war der Rechtskonservative Georg Neithardt. General a.D. Ludendorff hatte man nicht in Haft genommen. An den Verhandlungstagen ließ er sich in einer Luxuskarosse vorfahren. Auf Grund seiner Verdienste im Ersten Weltkrieg wurde er freigesprochen. Sein für Adolf Hitler lediglich mit der Mindeststrafe bedachtes Urteil begründete Richter Neithardt am 1. April 1924 mit folgenden Worten: „Auch das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, daß die Angeklagten bei ihrem Tun von rein vaterländischem Geiste und dem edelsten selbstlosen Willen geleitet waren. Alle Angeklagten, die in die Verhältnisse genauen Einblick hatten – und die übrigen ließen sich von den Mitangeklagten als ihren Führern und völkischen Vertrauensmännern leiten –, glaubten nach bestem Wissen und Gewissen, daß sie zur Rettung des Vaterlandes handeln müßten und daß sie dasselbe täten, was kurz zuvor noch die Absicht der leitenden bayerischen Männer gewesen war. Das rechtfertigte ihr Vorhaben nicht, aber es gab den Schlüssel zum Verständnis ihres Tuns. Seit Monaten, ja Jahren waren sie darauf eingestellt, daß der Hochverrat von 1918 durch eine befreiende Tat wieder wettgemacht werden müßte.“55

Das Urteil erging an „Hitler, Adolf, geboren am 20. April 1889 in Braunau (Oberösterreich), Schriftsteller in München, seit 14. November 1923 in dieser Sache in Untersuchungshaft; wegen des Verbrechens des Hochverrats (wird der Angeklagte zu) fünf Jahren Festungshaft sowie einer Geldstrafe von zweihundert Goldmark, ersatzweise zu je weiteren zwanzig Tagen Festungshaft“ (verurteilt).

In seiner Gefängniszelle in Landsberg am Lech hatte er nun genug freie Zeit, seine künftige Taktik zu überdenken. Jede freie Minute widmete er seinem Opus, einem mehrbändigen Werk, das er „Mein Kampf“ nannte.

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