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Justin hat ein neues Zuhause

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Am Morgen wurde Justin durch lautes Pochen an der Ladentür geweckt. Während er in seine Kleider fuhr und die Sperrkette zu lösen begann, ließ sich eine Stimme vernehmen:

"Öffne die Tür, ein bisschen schnell!"

"Sofort, Herr", antwortete Justin und schloss an der Tür.

"Ich vermute, du bist der neue Lehrling, nicht wahr?" sagte die Stimme durchs Schlüsselloch.

"Jawohl"

"Wie alt?"

"Zehn Jahre."

"Dann setzt es Keile, wenn ich erst drin bin. Pass bloß auf, du Armenhäusler!" Dann hörte man pfeifen. Justin schob zitternd die Riegel zurück und machte die Tür auf. Ein paar Augenblicke sah Justin die Straße rauf und runter, im Glauben, der Unbekannte sei einige Schritte weitergegangen. Er sah aber niemand als einen dicken Bengel, der auf einem Stein vor dem Hause saß und ein Butterbrot verschlang. Da Justin sonst niemand in der Nähe sah, sagte er zu ihm: "Verzeihung, haben Sie geklopft?"

"Jawohl", antwortete der Bengel.

"Wünschen Sie einen Sarg?" fragte Justin harmlos.

Der Bengel schnitt ein grimmiges Gesicht und schrie ihn an, es werde nicht lange dauern, bis er selbst einen brauchte, wenn er sich derartige Witze mit seinem Vorgesetzten erlaube.

"Du weißt wohl nicht, wer ich bin, Armenhäusler?" fuhr der Bengel fort und kam näher.

"Allerdings nicht!".

"Ich bin Herr Maxwell Clayton, und du bist mein Untergebener", sagte der Bengel. "Mach die Fensterladen auf, Faultier!" Mit diesen Worten entgegnete Herr Clayton unserm Justin einen Tritt und ging mit gewichtiger Miene in den Laden.

Bald nachdem Justin die Fensterladen aufgemacht hatte, kamen Herr und Frau Strowbarry herunter. Clayton und Justin gingen nun die steile Treppe zur Küche hinab, um zu frühstücken. Giltine, die Köchin, legte Maxwell die besten Bissen vor, während Justin mit dem Abfall vorliebnehmen musste. Maxwell war zwar der Zögling einer Armenschule, aber keine Waise. Seine Mutter war eine Waschfrau, und sein Vater ein abgedankter, immer betrunkener Soldat. Sie wohnten in der Nachbarschaft. Die Ladenschwengel schimpften Maxwell "Lederhose" , "Armenschüler" und dergleichen, und er steckte es schweigend ein. Nun warf ihm der Zufall eine namenlose Waise in den Weg, und an dieser nahm er nun mit Wucherzinsen Rache. Justin war schon drei Wochen im Hause des Leichenbestatters, als eines Morgens Herr Braun in die Werkstätte trat und aus seiner großen ledernen Brieftasche ein Blatt Papier herausnahm, das er Herrn Strowbarry aushändigte.

"Aha", sagte letzterer, "wohl eine Bestellung auf einen Sarg, nicht wahr?"

"Zuerst auf einen Sarg und dann auf ein Begräbnis", erwiderte Herr Braun, sich verabschiedend.

"Nun", meinte Herr Strowbarry und nahm den Hut, "je eher dieses Geschäft erledigt wird, desto besser ist es. Maxwell, du bleibst in der Werkstatt, und du, Justin, setzt die Mütze auf und kommst mit mir."

Sie zogen los und waren bald vor dem Haus, wo man ihrer Dienste bedurfte. Es stand in einer schmutzigen, armseligen Gasse. Sie stiegen die Treppe hinauf und machten an einer offenen Tür halt, die weder Klingel noch Klopfer hatte. Herr Strowbarry pochte. mit dem Finger an. Ein junges Mädchen von vierzehn Jahren öffnete. Sie waren am richtigen Orte. In einem kleinen, der Tür gegenüberliegenden Alkoven lag unter einer Decke die Leiche. Der Leichenbestatter zog ein Band aus der Tasche, kniete an der Seite der Toten, eines jungen Mädchens, nieder und nahm Maß. Dann eilte er, Justin hinter sich herziehend, rasch hinaus. Am nächsten Tage kehrten Justin und sein Meister wieder nach diesem Ort des Jammers zurück, wo sie bereits Herrn Braun mit vier Männern aus dem Armenhaus trafen, die Trägerdienste leisten sollten. Der rohe Sarg wurde zugeschraubt und auf die Straße gebracht.

"Ihr müsst rasch machen", flüsterte Strowbarry der Mutter der Toten zu.

"Wir haben uns etwas verspätet, und es wäre unschicklich, den Geistlichen warten zu lassen. Los, Leute, - und so schnell wie ihr könnt."

Man hätte übrigens nicht nötig gehabt, sich so zu beeilen, denn als sie den Kirchhof erreichten, war noch kein Geistlicher zu sehen. Der Küster, der in der Sakristei saß, meinte, es könne wohl noch eine Stunde dauern, bis der Prediger käme. Man setzte den Sarg am Rande des Grabes nieder. Zerlumpte Jungen, die dieses Schauspiel nach dem Friedhof gelockt hatte, spielten herum und machten sich das Vergnügen, über den Sarg hin und her zu springen. Strowbarry und Braun saßen in der Sakristei beim Küster und lasen die Zeitung. Endlich, nach einer guten Stunde, sah man Herrn Braun, Strowbarry und den Küster zum Grab eilen, und gleich darauf erschien der Geistliche. Herr Braun prügelte, um den Anstand zu wahren, ein paar Jungen durch. Der Prediger las aus dem Gebetbuch so viel als sich in fünf Minuten zusammenfassen ließ. Drauf gab er dem Küster seinen Talar und eilte fort.

"Nun, Bill", sagte der Leichenbestatter zum Totengräber,

"wirf das Grab zu."

Nachher wurde der Kirchhof geschlossen, und Strowbarry fragte auf dem Heimweg Justin, wie es ihm gefallen hätte. Mit einigem Zögern sagte dieser, nicht sehr gut.

"Ach, mit der Zeit wirst du dich schon dran gewöhnen", meinte der Meister. "Wenn man es gewöhnt ist, macht es

einem gar nichts mehr, Junge."

Justin machte sich so seine Gedanken, ob Herr Strowbarry lange gebraucht habe, sich an etwas der Art zu gewöhnen. Er hielt es aber für besser, seine Frage für sich zu behalten.

Das wundersame Leben des Justin Hoppa

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