Читать книгу Big Brother 5.0 - Cornelia Nolte - Страница 9
6
Оглавление„Der Typ ist ein offenes Buch. Wir haben Glück, dass er so sorglos mit seinen Daten umgeht. Das macht es uns deutlich einfacher.“ Grinsend überbrachte der Student Karsten die frohe Botschaft. „Sogar sein Facebook-Profil ist komplett öffentlich“, ergänzte er mit einem Kopfschütteln.
„Irgendetwas, das uns weiterhilft?“ fragte Karsten so beiläufig wie möglich. Keinesfalls wollte er sich seine Anspannung anmerken lassen.
„Interessant ist, dass er vor zwei Jahren in einen schweren Unfall verwickelt war. Hat es nur knapp geschafft. War damals ein Riesen-Thema in den Medien. Ein paar Artikel dazu habe ich Ihnen ausgedruckt.“
„Gute Arbeit, danke.“ Karsten nahm die Papiere entgegen, die ihm der Student reichte, und entließ ihn mit einem Kopfnicken. Nachdem letzterer die Tür von Karstens Büro hinter sich geschlossen hatte, fuhr Karsten kerzengerade in seinem Stuhl hoch und stürzte sich auf den Bericht.
Was die Zeitungsartikel anging, hatte der Student nicht übertrieben; der Unfall geisterte über Monate immer wieder durch die Presse, weil er auch die Gerichte beschäftigte und politische Konsequenzen einleitete, namentlich eine Änderung des Verkehrsrechts. Die Verantwortung für autonom fahrende Fahrzeuge wurde in diesem Zuge neu geregelt und die Schuldfrage zugunsten der Technik auf diejenigen verlagert, die sich nach einer neuen Definition „verkehrsgefährdend“ verhielten. Für Karstens Zwecke bedeutender waren allerdings die Randnotizen zum Verlauf der Genesung des Radfahrers, der den Unfall ausgelöst hatte. Modernster Medizin verdankte dieser, dass sein Hirn ohne Schäden gerettet werden konnte und nun eine Metallplatte seinen Schädel zusammenhielt. Ferner fand Karsten in dem Bericht ein paar Eckdaten zu Steffen Hartwigs Leben, die ihn aber nur mäßig interessierten und die er deshalb nur rasch überflog.
Eine halbe Stunde später lehnte Karsten sich zurück. Er hatte seine innere Ruhe wiedergefunden, denn die Neuigkeiten waren gut und schlecht zugleich. Erleichtert war er auf jeden Fall darüber, dass man seiner Erfindung nichts anlasten konnte; sie funktionierte einwandfrei und damit war er aus dem Schneider.
Schlecht war andererseits, dass es nun einen Präzedenzfall gab, der allen vor Augen führte, wie einfach es war, sich den Sensoren zu entziehen. Zwar war es sicher nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kam, sich gegen die Messung zu wehren, aber der Ernstfall bereits vor dem Roll-Out war nicht eingeplant gewesen. Alles war darauf ausgelegt, mit einer sauberen Markteinführung die Resistenzen möglichst niedrig zu halten.
Außerdem, und das war ebenfalls extrem schlecht, hatten sie jetzt quasi ein unkalkulierbares Radikal freigesetzt, das es einzufangen galt. Denn wie konnten sie schon wissen, was dieser Soziologe als nächstes anstellte? Der Produktlaunch durfte auf keinen Fall gefährdet werden!
Er musste mit seinem Chef das weitere Vorgehen diskutieren und wählte die Durchwahl -112. Schon lange hatte er damit aufgehört, über diesen Umstand zu schmunzeln. Der oberste Chef ist nun einmal die Feuerwehr eines Unternehmens.