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Löwenthal

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Drei Tage nach dem sensationellen Konzert in Niederschelderhütte-Birken hatte Herr Carl Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit über die Vorzüge der Freiheit zu philosophieren, denn er war zu Gast beim „Schwarzen Kanal des Westens“, beim „Sudel-Ede des Zweiten Deutschen Fernsehens“, beim Lieblingsfeind des Karl-Eduard von Schnitzler. Herr Carl war der Einladung von Gerhard Löwenthal gefolgt und gab ein Interview im ZDF-Magazin. Ohne seine spektakuläre Flucht hätte Herr Carl an diesem Tag das sechzehnte Konzert seines auf achtzehn Abende angelegten Bach-Zyklus im Konzerthaus zu Leipzig gespielt. Aber daran verschwendete er keinen Gedanken. Ein Konzert vor mageren zweitausend Zuhörern war ja nichts gegen dieses Ereignis, welches nun zweifellos Millionen von Menschen an den Fernsehgeräten verfolgen würden. Gerhard Löwenthal wollte den Zuschauern vor allem verdeutlichen, wie die kommunistische Verschwörung des Ostblocks die unterjochten Menschen zum Äußersten treibt und dass eine künstlerische Freiheit unter linksradikaler Flagge unmöglich ist. Wobei Herr Löwenthal tief im Inneren durchaus Zweifel hegte, ob nicht vielleicht Herr Carl als Bugwelle einer bald schon folgenden roten Flut bewusst in die Bundesrepublik eingeschleust worden sein könnte. Für Herrn Carl waren die von Löwenthal angeprangerten bolschewistischen Auswüchse eher zweitrangig. Er hoffte lediglich, dass an diesem Tag sämtliche Veranstalter von Orgelmusiken das ZDF-Magazin anschauen und ihn, Carli, anschließend unverzüglich engagieren würden. Es ist nicht belegt, wie viele potentielle Veranstalter die Sendung gesehen haben. Allerdings steht zweifelsfrei fest, dass Herr Hansgeorg Jesudas aus Osnabrück das Interview mit wachsender Begeisterung verfolgt hat. Noch am selben Abend hat Herr Jesudas einen Brief ans ZDF verfasst, in dem er inständig um die Kontaktdaten zu Herrn Carl bat.

Der unbekannte Herr Carl

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