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Jake

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18. Dezember

Das Terminal im Sea-Tac ist fast leer, als ich durch die Sicherheitskontrolle komme und mich zum Gate begebe.

»Entschuldigen Sie die Verspätung«, murmle ich zum Steward, der das Ticket-Gate besetzt.

»Kein Problem, Sir.« Sein Ton deutet darauf hin, dass es sich sehr wohl um ein Problem handelt. »Aber Sie sind der Letzte, also holen wir Sie an Bord.«

Er führt mich über den geschlossenen Gang zum Flugzeug und zeigt mir die Kabine der ersten Klasse. Als ich meinen Sitzplatz entdecke, halte ich für eine Sekunde inne. Da ist ein Typ am Fensterplatz in meinem Gang. Er hat bereits ein Kissen unter seinen Nacken gestopft und eine der kostenlosen Augenmasken aufgesetzt, die den größten Teil seines Gesichts verdecken. Alles an ihm sagt: Lasst mich bloß in Ruhe. Seine Lippen sind zu einer dünnen Linie zusammengepresst und die Arme vor der Brust verschränkt, als wolle er sich von der Welt abschirmen.

Ich nehme meinen Platz ein und achte darauf, ihn nicht zu stören. Da ich der letzte Passagier bin, der einsteigt, rollen wir im Nu zur Startbahn.

Nach dem Abheben schaue ich mir die Unterhaltungsmöglichkeiten an Bord an, aber nichts erregt meine Aufmerksamkeit. Ich bin kurz davor, Wi-Fi-Guthaben zu kaufen, um zu schauen, was meine erste Mahlzeit in Honolulu sein könnte, als sich der Typ neben mir rührt. Er reißt sich die Augenmaske mit einer heftigen Bewegung vom Gesicht und wirft sie auf den Boden. Ich erwarte irgendeine Art von Ausraster, aber er stöhnt nur und schüttelt den Kopf. Er beugt sich nach unten, um nach der Augenmaske zu greifen, und in diesem Moment erhasche ich einen Blick auf sein Gesicht. Verdammt, der Typ ist hübsch. Asiatisch, mit ausdrucksstarken, dunklen Augen und einem kräftigen, eckigen Kiefer, der breite Kussmundlippen umrahmt. Lippen, die an meine Haut gepresst toll aussehen würden. Im Moment sind die Mundwinkel heruntergezogen, aber ich frage mich, wie er wohl aussieht, wenn er lächelt.

»Warten Sie«, sage ich, denn die Maske ist mehr in meiner als in seiner Reichweite gelandet. Ich lege sie auf das Getränketablett, das zwischen unseren Sitzen steht.

»Danke«, murmelt er. Dann grummelt er etwas, das wie »Scheiß drauf« klingt. Er streckt sich und drückt einen Knopf, um einen Flugbegleiter zu rufen.

»Wie kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragt der Steward.

»Ich brauche ein Glas Wein. Oder vielleicht einen Whiskey.« Direkt und auf den Punkt gebracht. Das gefällt mir.

»Nervöser Flieger?«, frage ich. Ich versuche wirklich nicht, zu flirten, aber vielleicht funktioniert es ja am Ende.

Er dreht sich zu mir um, ein Funke Gereiztheit liegt in seinen Augen. »Was? Nein.« Er zuckt zusammen. »Umpf. Tut mir leid. Nein, eigentlich tut es mir nicht leid. Ich dachte nur, ich könnte den Vorteil der ersten Klasse nutzen, solange ich noch kann.«

»Solange Sie noch können?«

Er schüttelt den Kopf und seufzt langgezogen. »Ich wurde auf die First Class umgebucht, weil …« Er wird unterbrochen, als der Flugbegleiter mit seinem Drink zurückkommt.

»Kann ich einen Gin Tonic bekommen?«, frage ich, bevor der Flugbegleiter geht. Wenn mein Nachbar trinkt, kann ich ihm ja auch Gesellschaft leisten, oder? Ich schaue zu dem heißen, mürrischen Kerl rüber. Er hat schon den ganzen Whiskey getrunken. »Wow. Großer Whiskeyfan, hm?«

Er zuckt wieder zusammen.

»Nein. Großer Fan davon, sich zu betrinken und zu vergessen, dass es den heutigen Tag je gegeben hat.«

»So schlimm?«

Ein Muskel zuckt an seinem Kiefer, er schließt die Augen und schluckt. Im Profil sieht er noch hübscher aus.

»Ich wollte mit meiner Freundin in den Urlaub fahren. Mit der, die mich heute Morgen auf dem Weg zum Flughafen abserviert hat.«

»Diesem Flughafen? Der, von dem wir gerade abgeflogen sind?«

»Ja, von diesem. Wir waren etwa zwanzig Minuten davon entfernt, als sie mir sagte, sie wolle die Sache beenden.«

»Wow.« Ich habe keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll. »Trennungen sind scheiße.« Nicht, dass ich viel über sie wüsste. Ich hatte in der Highschool etwa zwei Wochen lang eine Freundin, bevor mir klar wurde, dass Mädchen wirklich nicht mein Ding sind. Seitdem hat keine meiner Affären lange genug gedauert, um einen Beziehungsstatus zu erreichen. »Warst du lange mit ihr zusammen?«

Er zieht eine Grimasse angesichts seines leeren Glases. Der grüblerische Blick steht ihm gut. »Sechs Jahre.«

»Oh Gott.«

Zu meiner Überraschung gluckst er und lächelt. Das Lächeln erreicht seine Augen nicht, aber es ist trotzdem schön, es zu sehen. Ich hatte recht damit, dass ihm ein solches gut stehen würde. Ich nicke dem Flugbegleiter dankend zu, als er mit meinem Drink zurückkommt, und signalisiere ihm, dass er bei meinem Nachbarn nachschenken soll, denn er kann es so was von brauchen.

»Wir haben uns während des Jurastudiums kennengelernt und sind seitdem zusammen. Wir arbeiten in der gleichen Kanzlei.«

Ich ziehe eine Grimasse. »Also musst du zur Arbeit gehen und deine Ex sitzt quasi nebenan?«

Sein zweiter Drink kommt und er nimmt einen großen Schluck davon. »Das ist noch nicht einmal das Schlimmste.«

Okay, das will ich jetzt wissen. »Was ist das Schlimmste?«

Er stellt seinen Drink auf das Tablett und fährt sich mit der Hand durchs Haar. »Ich habe diese Reise gebucht, um ihr einen Antrag zu machen. Meine ganze Familie liebt sie und weiß, dass ich ihr den Antrag auf Hawaii machen wollte.«

»Scheiße.«

»Ja. Scheiße.«

Ich hebe mein Glas und halte es hoch. Das scharfe Klirren seines Glases an meinem bringt mich zum Lächeln. »Okay, wir machen das. Das Trinken wird helfen, alles zu vergessen. Lass den Whiskey fließen, okay?«

»Lass ihn fließen.«

»Übrigens, ich bin Jake. Ich denke, du solltest meinen Namen kennen, wenn wir uns zusammen betrinken.«

»Ich war noch nie betrunken.«

Okay, wie ist das überhaupt möglich? Ich dachte, jeder hätte sich mindestens einmal besoffen, bis er fünfundzwanzig ist, und dieser Kerl sieht ein bisschen älter aus. Älter, aber immer noch süß. »Nun, gute Neuigkeiten, oder schlechte, ich weiß nicht: Du erlebst das wahrscheinlich sehr, sehr bald.«

»Gut. Und ich heiße Bennett.«

***

Irgendwie, ich weiß nicht wie, trinken Bennett und ich so lange, bis der Flugbegleiter uns den Nachschub verweigert und mit einem eher gezwungenen Lächeln auf den Lippen unsere letzten verbliebenen Gläser einsammelt. Er macht sich wahrscheinlich Sorgen, dass einer von uns oder wir beide die erste Klasse mit unserer Kotze fluten. Da könnte er recht haben.

»Ich glaube, ich bin betrunken«, sagt Bennett und kneift sich in den Nasenrücken. Seit etwa einer Stunde erzählt er mir Einzelheiten über seine Beziehung zu seiner Ex Pearl. Er hat sich viel in die Nase gezwickt. Ich bin überrascht, dass sie noch nicht rot ist. Ich möchte ihm wirklich die Hand reichen, ihm tröstend über den Nasenrücken reiben und mich bei ihm für all den Mist entschuldigen. Aber okay, zurück zu dem, was er sagt.

»Richtig. Betrunken.« Ich denke, das zeigt sich schon daran, dass wir keinen Alkohol mehr trinken dürfen. »Wie fühlt sich das an? Denkst du, du stehst drauf?«

Er zuckt kaum wahrnehmbar mit den Schultern. »Hätte ich nicht gedacht, aber eigentlich ist es schön. Ich fühle mich … warm. Und als könnte ich jemanden küssen.« Beim letzten Teil senkt er seine Stimme.

Ein Grinsen huscht über mein Gesicht, als ich mich über die Konsole lehne, die unsere Sitze trennt, um mit ihm zu sprechen. »Ja, Alkohol macht manche Leute geil. Und das ist ausgezeichnet, denn es ist genau das, was du jetzt brauchst, mein Freund.«

»Geil sein?« Er sieht irgendwie skeptisch aus.

»Ich kann nicht glauben, dass ich dir das Konzept der Ablenkung erklären muss, aber da du ein Einhorn bist, das sich bis heute noch nie betrunken hat, lasse ich es durchgehen. Was du brauchst, ist, sich zu betrinken, was wir bereits getan haben. Gute Arbeit. Nächster Schritt? Vergiss die Frau, die dich nicht zu schätzen wusste, geh aus und küsse jemanden.«

Seine Augenbrauen ziehen sich einen Moment lang hinreißend zusammen. »Was, jetzt sofort? Du bist der Einzige hier.«

Ich breche in ein kurzes Lachen aus und widerstehe dem Drang, mir an die Brust zu fassen, aber ich bin kurz davor. Er ist so verdammt süß. Ich weiß, wir sind beide betrunken, und das ist wahrscheinlich der Grund, warum er so süß ist, aber ich lasse mich nicht davon abhalten, das Ganze weiterzutreiben. »Was, du hast auch noch nie einen Mann geküsst?«

Er schüttelt den Kopf und blickt auf das leere Getränketablett zwischen uns. Meine Augen folgen den seinen, gefangen vom Anblick seiner Hand, die die Armlehne ergreift und sich einmal anspannt, bevor sie wieder locker lässt. »Nein, nie.«

Als ich wieder nach oben schaue, hat er sein Gesicht abgewandt, die Masse der baumwollartigen Wolken verdunkelt das Blau im Fenster. »Wolltest du das je?«

Seine Augen springen zurück zu meinem Gesicht, geweitet und erschrocken. »Hä?«

Ich neige meinen Kopf leicht zur Seite und blinzle durch meine Wimpern, was immer funktioniert, wenn ich flirte. »Ich hab gefragt, ob du schon mal einen Typen küssen wolltest.«

Er starrt mich fast eine ganze Minute lang an, sein Adamsapfel hüpft auf und ab, während er schluckt. Ich beginne mich zu fragen, ob der Alkohol vielleicht noch mehr in sein Hirn gelangt ist, als ich dachte, und er kein Wort von mir verstanden hat. Aber schließlich antwortet er, und es ist nicht das, was ich aus seinem Mund erwartet habe.

»Das schon, ja.«

»Ja?«, frage ich langsam. Ich will ihn nicht erschrecken. Ich möchte wirklich, wirklich, dass er mir das bestätigt.

Nach einer weiteren sehr langen Minute fährt er fort. »Damals im Grundstudium hat mein Mitbewohner einen Typen in unser Zimmer geschmuggelt, als er dachte, ich würde schlafen. Zuerst hab ich geglaubt, es seien er und eine Freundin, und ich wollte mich räuspern oder mich im Bett aufsetzen, damit sie wissen, dass ich da bin. Aber dann haben sie beide Geräusche gemacht und ich wusste, dass es ein Mann war.«

Okay, was davon halluziniert mein berauschtes Hirn gerade zusammen? Denn, verdammt, es ist, als würde er Zeilen aus dem Drehbuch jener Phantasie vorlesen, die mein Kopf konstruiert hat, seit ich sein schlafmaskenfreies Gesicht gesehen habe.

»Und du dachtest: ›Mensch, ich würde gerne herausfinden, wie es sich anfühlt, einen Kerl zu küssen‹?«

Er räuspert sich. »So etwas in der Art. Ja.« Er errötet und es ist klar, dass Küssen damals nicht das war, was er wirklich hat ausprobieren wollen.

»Das ist heiß«, murmele ich. Ich rutsche auf meinen Sitz hin und her und versuche, zu verbergen, dass es mich anmacht, über das Küssen zu reden. »Also, wirst du es tun? Denn ich bin mehr als bereit, mich für das Team zu opfern und dir zu zeigen, wie es sich anfühlt.« Es ist nur Küssen, verdammt. Aber allein das würde Spaß machen. Allein nur dieser Mund!

Er leckt sich verdammt noch mal über die Lippen und lehnt sich rüber, die Handfläche flach auf die Konsole zwischen uns gedrückt. »Ich …«, beginnt er.

Ich ahme seine Bewegungen nach, bis unsere Gesichter nur noch ein paar Zentimeter voneinander entfernt sind. Ich kann es kaum erwarten, ihn zu schmecken.

Nur ein Flirt zur Weihnachtszeit

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