Читать книгу Das Gaza Projekt - Cyrill Delvin - Страница 14
Die Hitzewelle
ОглавлениеEine außergewöhnliche Hitzewelle hielt Südeuropa seit Wochen im Griff. Die zahlreichen Mandelbäume auf Trois-Ruisselets drohten zu verdorren. Charles nahm keine Kenntnis davon.
»Das musst du sehen – «, rief ihm Ted von der Verandatüre aus zu, » – schnell, Šarīf hat im Gazastreifen gewonnen.«
Charles erhob sich vom Gartentisch, wo er in Dokumente vertieft war, und eilte in das Kartenzimmer. Im Fernsehen wurde live aus Gaza berichtet.
»… unglaublich, Massen von Anhängern der neuen palästinensischen Brüderpartei, der gemäßigten Fatḥ und des liberalen Ḥamās-Flügels haben sich auf dem Platz vor dem Regierungsgebäude versammelt und jubeln Nadim Šarīf zu. Umringt von bewaffneten Sicherheitsleuten steht er auf der Rednerbühne. Die Stadt gleicht einem grün-gelben Flaggenmeer, Freudenschüsse sind überall zu hören.
Zusammen mit der Fatḥ und unterstützt von den liberalen Kräften der Autonomiebehörde in Gaza hat Šarīf mit seiner Brüderpartei im ersten Wahlgang 55,6 Prozent der Wählerstimmen im Gazastreifen gewonnen. Obwohl von Israel, den USA und der EU ständig unter Druck gesetzt, vermochte sich der moderate Flügel der ehemaligen Muslimbrüder zu halten – aber die vor fünf Jahren von Šarīf ins Leben gerufene Brüderpartei kam nicht vorwärts. Und jetzt das, wie aus heiterem Himmel scheint Šarīf die Spaltung der Ḥamās und Fatḥ überwunden zu haben. Wie ist das möglich?«
»Nun«, meinte der zugeschaltete Nahost-Experte, »ein wesentlicher Faktor für den Machtverlust der Ḥamās ist die Blockadepolitik Israels, welche es geschafft hat, den Gazastreifen zu isolieren und damit zu beruhigen. Palästinensische Anschläge und entsprechende Eingriffe der Israeli haben in den letzten zwei, drei Jahren massiv abgenommen. Die Politik der Mauer scheint trotz internationaler Proteste aufzugehen. Dazu kommt, dass sich die Versorgung und damit die humanitäre Lage im Gazastreifen seit der Lockerung des israelischen Embargos für den Handel über das Meer im gleichen Zeitraum enorm verbessert hat – die Machtbasis der radikalen Ḥamās-Kämpfer und anderer gewalttätiger Gruppierungen ist dadurch merklich geschwächt worden. Zudem hat sich der regierende Teil der Ḥamās auf Druck vor allem der USA gemäßigt.
Das umgekehrte Bild zeigt sich dafür im Westjordanland. Dort ist die Fatḥ mit über zwanzig Prozent im Minus der große Verlierer. Selbst der Zuwachs der Brüderpartei auf 14,7 Prozent vermochte den Machtverlust der moderaten gegenüber den radikalen Kräften nicht komplett zu kompensieren. Die beiden Parteien bilden zusammen zwar immer noch die Mehrheit im Autonomierat, in der Tat sind aber die islamistischen Kräfte mit der Ḥamās an der Spitze die Wahlsieger im Westjordanland.
Das heißt, dass trotz des überraschenden Siegs der Brüderpartei im Gazastreifen das Kräftegleichgewicht zwischen Brüderpartei inklusive Fatḥ und Ḥamās im gesamten palästinensischen Autonomiegebiet labiler geworden ist. Die nahe Zukunft wird darüber entscheiden, ob ein geeinigtes Palästina an Macht und Einfluss gewinnen kann und so die Verhandlungen mit Israel wieder in Fahrt kommen. Oder ob nicht umgekehrt eine faktische Trennung von Gaza und Westjordanland die Krise verschärfen wird. Seit der letzten internationalen Friedenskonferenz von Malta vor neun Jahren …«
»Mmmh«, brummte Charles und stellte den Fernseher leiser, »in der Tat eine Überraschung.«
»Bist du nicht zufrieden?«, fragte Ted.
»Wir haben es erhofft – und befürchtet. Es wird sich bald zeigen, wer in Palästina wirklich das Sagen hat. Ich hoffe für Nadim, dass er der Mann ist, er hätte es verdient.«
»Sir, ein Anruf von Madame Lédoux«, kündigte der Privatsekretär an.
»Stell sie bitte durch. Und, Brad, ich muss anschließend mit Staatssekretärin Whiteford sprechen, von meinem Arbeitszimmer aus.«
»Sehr wohl, Sir!«
Ted wollte den Raum hinter Brad verlassen, aber Charles winkte ihn zurück.
»Bleib bitte hier, es gibt noch ein paar Sachen zu besprechen.«
Ted nickte und Charles stellte den Lautsprecher ein.
»Hast du das gehört«, sprudelte Françoise los, »Nadim hat es geschafft.«
»Ja, wir haben es eben gesehen.«
»Mir fällt ein Stein vom Herzen. Jetzt steht uns nichts mehr im Weg, wir können ungehindert mit dem Bau der Pilotanlagen in Gaza beginnen.«
»Gemach, gemach, wir wollen nichts überstürzen.«
»Wie meinst du das?«
»Ich glaube, es ist besser, wir warten damit bis zum Herbst zu.«
»Wieso? Wir können gleich nächste Woche loslegen, wir sind bereit.«
»Das ist nicht der Punkt, Françoise, daran zweifle ich auch nicht.«
»Woran denn?«
»Ich möchte sicher sein, dass die Wahl von allen Seiten akzeptiert ist und sich die ersten Wogen geglättet haben. Wir brauchen Ruhe im Gazastreifen, aber auch in Israel und dem Westjordanland. Ich will die Gründe der Machtverschiebungen genau verstehen, und dazu brauche ich Zeit und mehr Informationen.«
»O.K.«, erwiderte Françoise mit abklingender Aufregung, »unser ›Phoenix‹ fliegt uns ja nicht so schnell davon – der Osmose-Experte, den uns Cheng hier in Melbourne vermittelt hat, ist übrigens der Hammer! Wir haben den Wirkungsgrad nochmals um fünf Prozent gesteigert. Er geht nächsten Monat nach Zypern, um auf der Asteroid weiter an den biochemischen Komponenten zu arbeiten.«
»Das sind gute Nachrichten! Ich muss jetzt Schluss machen, Françoise, Doris ruft jeden Augenblick an.«
Die Verbindung war bereits unterbrochen, als Charles ein ungewöhnliches Geräusch in der Leitung zu vernehmen meinte. Ein kaum wahrnehmbares Pfeifen.
»Was ist?«, fragte Ted den skeptischen dreinblickenden Charles.
»Nichts. Es wird wohl an der Satellitenverbindung liegen.«
»Was? Was soll daran liegen?«
»Ein komischer Halleffekt.«
»Ein Lauschangriff?«
»Kaum. Dann hätte es wohl eher geklickt, aber es klang mehr nach einem akustischen Kurzschluss.«
»Mmmh, ich überprüfe den Codec unten und spreche mit Tariq!«
»Ja, tu das, für alle Fälle. Ach, und Ted, bereitet uns die Verschiebung des Baubeginns in Gaza um zwei Monate Schwierigkeiten?«
»Nein, wir können das Material problemlos in Polis zurückhalten.«
»Sehr gut!«
»Aber was hast du vorhin gemeint, zweifelst du an der Richtigkeit der Wahl Nadims?«
»Ich weiß nicht, fünf Jahre lang gar nichts und dann plötzlich das – «
»Wahl-Manipulation?«
»Nicht auszuschließen, dass die Israeli die Hand im Spiel haben … ich werde auch mit Liron sprechen. Ich will einfach sicher sein. Das Letzte, was wir brauchen können, wenn wir in Gaza richtig loslegen, ist ein politisches Tohuwabohu.«
Ted kratzte sich am Kopf.
»Wir werden es früh genug erfahren. Treffen wir uns in zwei Stunden im Salon zum Schlummertrunk?«
»O.K.«
Auf dem Weg ins Arbeitszimmer holt sich Charles eine kühle Limonade aus der Küche. Ted ging in den Serverraum im Untergeschoss, um den Status der Nachrichten- und Verschlüsselungselektronik zu überprüfen.
»Hallo Doris, wie geht es dir?«
»Danke gut, Charles, wir haben in einer halben Stunde eine Nahost-Lageanalyse hinsichtlich der Wahl in Palästina. Ich nehme an, du rufst deswegen an?«
»Ja, weißt du mehr über die Hintergründe des überraschenden Wahlausgangs?«
»Nein, laut unserem Nachrichtendienst und der OSZE gab es keine Unregelmäßigkeiten bei der Wahl, keine nennenswerten Zwischenfälle oder Vorkommnisse in den Wahlbüros.«
»Ich mache mir Sorgen um Nadim, er ist jetzt mehr denn je in einer heiklen Position.«
»Ich bin mir dessen bewusst.«
»Es hängt so viel von ihm ab. Wenn ihm jetzt etwas zustößt, wirft das unsere Pläne um Jahre zurück.«
»Hast du mit Eizenburg gesprochen?«
»Nein, aber ich rufe ihn nachher gleich an.«
»Warte noch, um sechs haben wir eine Telefonkonferenz mit ihm. Präsident Davidson möchte das Momentum nutzen und zwischen Israel und Palästina neue Verhandlungen einleiten.«
»Das würde uns in jedem Fall helfen«, sprach Charles mit Erleichterung, »dennoch müssen wir Nadim so gut wie möglich abschirmen, von den eigenen Radikalen wie von radikalen israelischen Kräften.«
»Gemäß meinen Informationen ist es in beiden Lagern ruhig geblieben. Das kann sich natürlich schlagartig ändern. Wir werden den Personenschutz Šarīfs auf jeden Fall in erhöhter Alarmbereitschaft halten.«
»Gut. Wir verschieben den Bau der Pilotanlagen in Gaza um zwei Monate, bis dann ist hoffentlich die weitere politische Entwicklung absehbar. Das Forschungsteam hat übrigens eine weitere Effizienzsteigerung der Versuchsanlage erreicht. Falls wir sie wie erhofft skalieren können, haben wir in Kürze genügend Zeit und Mittel in der Hand, um die nächste Phase von ›Phoenix‹ in Angriff zu nehmen.«
»Du bist ein unverbesserlicher Visionär, Charles …«
»Nein, bloß entschlossen. Israel ist das erste Bollwerk, das fallen – «
Er konnte den Satz nicht vollenden. Die Türe zum Arbeitszimmer wurde mit Wucht aufgestoßen und Ted stürzte herein. Charles drehte sich erschrocken um und ließ den Hörer sinken. Außer Atem vom zurückgelegten Spurt die Treppen hoch hielt Ted stumm zuerst die offene Hand hinter sein Ohr und dann den Zeigefinger auf die geschlossenen Lippen. Der Chef verstand sofort. Langsam hob Charles den Hörer wieder hoch und sprach weiter.
»… Doris, meine Gäste sind soeben eingetroffen, ich muss Schluss machen. Erinnerst du dich noch an unsere gemeinsame Zeit am St. Andrews College?«
»Ja, aber …?«, die amerikanische Staatssekretärin errötete leicht, zum Glück befand sie sich alleine in ihrem Büro im Weißen Haus.
»Immer auf der Hut, nicht erwischt zu werden …«
»Du meinst – «, sie verstand nun ihrerseits.
»Genau, jetzt hat es mich hier in Südfrankreich erwischt.«
»Nun, dann lass dich nicht aufhalten. Wir hören uns.«
Sie legte den Hörer auf und atmete tief durch. Die Gefühle, die sie früher für einander hegten, waren immer noch da. Damals hatten sie sich im Geheimen treffen müssen. Ihre Väter hätten eine offene Beziehung ihrer Sprösslinge niemals gutgeheißen. Beides ehrgeizige Politiker, Whiteford ein traditioneller Republikaner, Reeds ein progressiver Demokrat. Sie bekämpften sich bis aufs Blut. Zum Glück musste ihr Vater nicht mehr miterleben, wie Doris, das schwarze Schaf der Familie, in der demokratischen Partei Karriere machte.
Charles drehte sich fragend zu Ted um: »Was in aller – «
Dieser gab erneut ein Zeichen zum Schweigen und winkte ihm zu folgen. Auf dem Anwesen wimmelte es inzwischen von bewaffneten Sicherheitsbeamten. Zwei von ihnen begleiteten sie in den Garten hinaus.
»Ich habe die Codec-Anlage überprüft, sie ist in Ordnung. Tariq fand jedoch bei der Sensor-Fernanalyse heraus, dass das Haus verwanzt ist. Ich habe stillen Alarm ausgelöst.«
»Verwanzt? Seit wann?«
»Tariq arbeitet in Kalifornien daran und die in Marseille stationierten CIA Abhörspezialisten sind auf dem Weg hierher.«
»Danke Ted.« Nach einer Weile fügte er an: »Du bist zur rechten Zeit gekommen. Ich war gerade dabei, mit Doris über die weiteren Pläne nach der Pilotphase zu plaudern … das muss im Moment nicht jeder wissen.«
»Bringen sie General Markowitz her«, befahl der junge Nachrichtenoffizier dem noch jüngeren Adjutanten vor der Türe, »sofort!«
»Sir, der General ist oben zusammen mit dem Ministerpräsidenten in der Knesset.«
»Sind sie schwerhörig?!«
»Aber – «
»Sofort, ich sage es nicht noch einmal!«, schnaubte der Offizier.
»Jawohl Sir!«, der Adjutant salutierte und verließ den Situationsraum unter dem Parlamentsgebäude, um den militärischen Sonderberater aus der Sitzung zu holen.
»Ich hoffe, sie haben einen guten Grund?«, sagte General Markowitz, nachdem die Glastür zum Besprechungsraum hinter ihm geschlossen wurde.
»In der Tat, General, wir haben neue Informationen im Fall ›Ikarus‹.«
Der grauhaarige General zog die Augenbrauen hoch und setzte sich. Seit er die geheime Taskforce Ikarus zur Beobachtung der IWAC ins Leben gerufen hatte, hatte es keine nennenswerten Ergebnisse gegeben. Die wahren Absichten der Organisation lagen weiterhin im Dunkeln. Für Markowitz war klar, dass diese amerikanische Organisation zu mächtig war, um bloß humanitäre Ziele zu verfolgen. Die wissenschaftlichen Tätigkeiten und politischen Verbindungen waren viel zu breit abgestützt. Hier musste es um mehr gehen. Vielleicht bot die laufende politische Entwicklung in Palästina Gelegenheit, aktiv zu werden?
»Was haben Sie?«
»Wir haben in Marseille ein Gespräch zwischen Reeds und Staatssekretärin Whiteford mitgeschnitten. Hier ist die Abschrift. Offenbar haben sie die Wanzen entdeckt, das Gespräch wurde abrupt unterbrochen. Der letzte Satz vor dem Unterbruch ist interessant. Reeds sagt, dass das Bollwerk Israel als Erstes fallen wird.«
Der General überflog das Papier.
»Sehr gut. Lassen sie mich jetzt alleine.«
Immer diese voreiligen Jungschnaufer, dachte er sich. Die antiisraelische Haltung Reeds’ war altbekannt, der Satz selber besagte rein gar nichts. Fraglich war nur, wer auf das ›Erste‹ folgen würde. Vielleicht war doch der richtige Zeitpunkt gekommen, aktiv zu werden. Die Frage war, wie das mit der Wahl Šarīfs momentan wackelige Palästina noch weiter destabilisiert werden konnte. Politisch war mit Eizenburg nichts zu erreichen.
Ein Weichei von Ministerpräsident. Dazu passt seine Verbindung zur IWAC. Und der amerikanische Präsident glaubt wie schon so viele seiner Vorgänger, in Israel ein Feld für die eigene politische Profilierung gefunden zu haben. Lächerlich. Reeds hat recht, ein Bollwerk muss fallen …
Markowitz zog sein Mobiledevice aus der Tasche und steckte den Verschlüsselungs-Dongle ein: »Rishon, hier ist Kemuel. Ich brauche dich in Jerusalem für eine Sonderoperation für Ikarus! Es ist an der Zeit, operativ tätig zu werden.«
Rishon saß in seinem Büro im Internat in Hodaya und bestätigte die Anweisung.
»Du erhältst morgen das Dossier. Sonst kein Kontakt, keine Unterlagen, keine Verbindung zum Geheimdienst, zur Armee oder zu mir. Diese Operation läuft vollständig verdeckt, du und dein Team werdet alleine und auf eigene Verantwortung hin handeln. Hast du verstanden?«
»Jawohl, Ikarus wird fliegen lernen.«
»Ich verlasse mich auf dich, wie ich mich auf deinen Vater verlassen habe.«
Weisz lehnte sich zurück. Also doch noch der alte Haudegen, wie er leibt und lebt. Als oberster militärischer Sonderberater von Eizenburg war Markowitz in keiner direkten militärischen oder nachrichtendienstlichen Befehlskette integriert. Offiziell galt er als liberaler Vermittler zwischen der Armeeführung und dem Ministerpräsidenten. Weisz wusste von seinem Vater, dass Markowitz in Tat und Wahrheit ein Hardliner war – zumindest früher gewesen war. Der Colonel vermutete, dass er das immer noch war, er glaubte nicht an die biblische Wandlung vom Saulus zum Paulus. Allerdings hatte er seit der Beerdigung seines Vaters vor drei Jahren bis zur Amtseinsetzung des Generals nichts mehr von ihm gehört.
Der Anruf vor zwei Jahren war entsprechend überraschend gekommen: »Rishon, dieses Gespräch ist ein Gespräch unter Freunden und nicht offiziell. Ich brauche dich in meiner Nähe, die Situation in Gaza beunruhigt mich.«
»General Markowitz, ich bin als verdeckter Rekrutierungsoffizier für die Akademie tätig, meine Vorgesetzten – «
»Mach dir darüber keine Sorgen, das werde ich regeln. Du wirst deine Zöglinge nicht aus den Augen verlieren, deine Tarnung ist perfekt. Ich brauche zwei neue Teams, ein ›waches‹ für die Aufklärung und ein ›schlafendes‹ für Einsätze. Es geht um die IWAC – und darum, die dahinter liegenden Ziele und Operationen aufzudecken. Wir wissen einfach zu wenig und Eizenburg wird alles nur Erdenkliche tun, um uns davon abzuhalten, mehr zu erfahren. Deshalb musst du außerhalb operieren. Die Zentrale richten wir an der Akademie in Haifa ein, dort kannst du unbehelligt arbeiten.«
»Wem werde ich rapportieren?«
»Ausschließlich mir!«
Dem Colonel war klar, dass hier etwas nicht stimmte. Der israelische Geheimdienst interessierte sich zweifelsohne auch für die IWAC. Offenbar ungenügend oder zu wenig ergebnisorientiert. Wie immer blieb unklar, wo der wirkliche Feind saß. In den eigenen Ministerien, in ausländischen Regierungen und Organisationen oder, das war dann jeweils das Einfachste, in den Rängen von radikalen Islamisten und Kohorten.
Das einzige, was die ›Wachen‹ und die eingeschleusten Agenten in diesen zwei Jahren herausgefunden hatten, war eine Operation mit dem Decknamen ›Phoenix‹. Mehr nicht. Oder doch? Habe ich etwas übersehen, was dem alten General wichtig ist?
Das Einsatzdossier, welches er anderntags in den Händen hielt, war ganz nach seinem Geschmack: Es schmeckte nach Blut. Weisz zog sein abgegriffenes schwarzes Notizbuch hervor. Hier drin würde er alle Namen finden, die er für den Einsatz benötigte.
»Wir haben in der Kabinettssitzung beschlossen, das Vermittlungsangebot von Präsident Davidson anzunehmen. Der Widerstand der Generäle, Markowitz ausgenommen, war vehement«, berichtete Eizenburg ungerührt.
»Wann und wo wird das erste Treffen stattfinden?«, fragte Charles am anderen Ende der Leitung.
»Am kommenden Montag im Willy Brandt Center in Jerusalem. Šarīf hat sich dazu bereit erklärt unter der Bedingung, dass die Amerikaner für seine Sicherheit sorgen. Er meint wohl noch immer, wir hätten unseren Laden nicht im Griff«, fügte er verächtlich an.
»Er ist dank seines Siegs auf alle Seiten hin exponiert … Ich hoffe, ihr seht trotzdem zum Rechten?«
»Selbstverständlich werden wir für die Sicherheit aller am Treffen Beteiligten besorgt sein!«
»Danke, Liron, sollte sich die Situation nach der Wahl tatsächlich entspannen, wäre das Wasser auf unsere Mühle.«
»Ich werde mit Davidson so weit gehen, wie ich kann.«
In wenigen Tagen also werden wir wissen, ob wir auf die richtigen Pferde gesetzt haben, dachte Charles. Er verbrachte eine unruhige Nacht. Die Hitze verließ die Mauern von Trois-Ruisselets selbst in den frühen Morgenstunden nicht.