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LILLY
Salzburg
ОглавлениеWer Salzburg besuchte, kam schon rein optisch nicht an der Festung Hohensalzburg und dem Mönchsberg vorbei. Direkt an dessen steil abfallender Klippe prangte das Museum der Moderne, ein verglaster Marmorblock, in dessen Fassade ein Computerprogramm Noten aus Mozarts Don Giovanni eingestanzt hatte. Vor dem Museum – mit spektakulärem Blick über die Stadt – gab es einen beliebten Szenetreff, das M32.
Ich setzte mich an einen der luftigen Tische und genoss die Aussicht.
Noch hatte ich nichts von Ferdl gehört. Nur zu gern hätte ich gewusst, ob seine tschechischen Quellen bereits Erfolg gehabt hatten. Er selbst war in Wien geblieben und machte andere Jobs, während ich hier in Salzburg fröhlich das Mikro schwang. Vielleicht würde ich ihn nachher anrufen. Zugegeben, ich war ungeduldig – und immer noch reichlich beunruhigt.
Doch jetzt gab es anderes zu tun. Gleich würde ich die heurige Buhlschaft treffen, die die Rolle das erste Mal gab und von den Kollegen aus der Kultur dafür hymnisch gelobt wurde. Ich war ein wenig zu früh, also googelte ich den gestrigen Abend, die ersten Kritiken und die bereits online gestellten Fotos.
Und da war er wieder! Der Fotograf eines Szeneportals hatte Mr. Grey abgelichtet. Er lächelte freundlich in die Kamera. Erstmals kam ich in den ungehinderten Genuss seiner strahlend grauen Augen, die perfekt zum akkurat geschnittenen grauen Haar und dem Dreitagebart passten. Ob er bei all der Pracht nachgeholfen hatte? Sie schien mir einfach zu makellos. Seine schlanke Gestalt steckte in einem sichtlich teuren Smoking. Wer bist du bloß, fragte ich mich einmal mehr.
Ich blickte hoch. Und auf geschätzt zwei Meter Distanz in genau dieselben grauen Augen wie auf dem Foto. Für einen Moment war ich völlig neben der Spur.
»Matej! Da bist du ja!«, hörte ich eine rauchige Stimme, ehe die Frau dazu erschien. Nein, eher ein Vamp, wie ich irgendwo gelesen hatte.
Der Mann, der mich soeben desinteressiert gemustert hatte, fuhr herum und bekam einen Kuss auf die Wange. Dann wandte sich dieser weibliche Tornado mir zu. »Sie sind Frau Speltz, nicht wahr? Ich kenne Sie noch von Georg, Gott hab ihn selig. Was für eine Tragödie! Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen!«
Ich wurde an ihre Brust gezogen und sah mit einem Mal rot. Was weniger an meinem Missfallen lag als an der Haarpracht, wilden tizianfarbenen Locken, die ihr vom Kopf abstanden und weit über die Schultern fielen.
Mr. Grey beäugte uns amüsiert und mit verschränkten Armen. Als ich wieder in Freiheit war, wurden wir einander vorgestellt. »Frau Speltz, das ist mein Freund Matej. Wir sind nachher zum Essen verabredet, aber er ist etwas zu früh. Es stört Sie doch nicht, wenn er bei dem Interview anwesend ist, nicht wahr? Wie lange werden wir denn brauchen?«
Wenn es nach mir geht, lange, dachte ich mit einem Seitenblick auf Matej. Meinte sie mein Freund oder einfach nur ein Freund?
»Es freut mich auch, Sie kennenzulernen«, versuchte ich Ordnung in die nächsten Minuten zu bringen. »Eine halbe Stunde müssten Sie uns schon geben!«
In diesem Augenblick kam mein Kamerateam. Ich deutete auf die beiden. »Wenn wir gleich loslegen, sobald alles aufgebaut ist.«
»Matej, es macht dir doch nichts aus, nicht wahr?«
Er schüttelte den Kopf.
Ich musste es wissen.
»Es wäre natürlich schön, wenn wir Ihrem … äh … Lebensgefährten auch ein paar Fragen stellen dürften.«
Ich erntete ein tiefes Lachen. »Matej, mein Lieber, wenn wir nicht aufpassen, landen wir bald verheiratet in der Presse! Nein, nein, Werteste, das lassen wir mal schön. Er bleibt bitte außen vor. Halten wir uns doch einfach an das, was Sie mir haben zukommen lassen.«
Diese Buhlschaft war in der Tat sehr amüsant. Schnell taute sie auf und beantwortete mir am Ende auch die privateren Fragen, die nie von ihrer Agentin abgesegnet worden waren. Alle, bis auf eine: Als wir den Dreh im Kasten hatten, wusste ich immer noch nicht, ob sie und Mr. Grey ein Paar waren.
So war ich keinen Schritt weiter, als ich mich auf dem Weg zum Lift tief im Inneren des Mönchsberges machte, der mich hinunter in die Stadt bringen würde.