Читать книгу Schöner sterben in Wien - Dagmar Hager - Страница 5

PROLOG

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Sie war ein Monster.

Die Haut aufgequollen, übersät mit Quaddeln, entzündet und vernarbt, der Kopf im Verhältnis zum Körper riesig. Die Wangen blähten sich, die Augen tränten ununterbrochen. Da, wo sich einst ihr Hals befunden hatte, rollten sich Fleischwülste. Der Arzt meinte, sie sei für immer entstellt.

Sie hätte sich das billige Silikon vom Schwarzmarkt nicht selbst ins Gesicht injizieren sollen. Und schon gar nicht das viele Speiseöl. Aber sie hatte doch keine Wahl gehabt! Man hatte sich geweigert, ihr noch einmal zu helfen. Sie solle lieber zum Psychiater gehen, anstatt sich erneut unters Messer zu legen. Außerdem sei die Haut bereits maximal ausgedehnt, nahe am Platzen.

Also hatte sie sich selbst behandelt. Es war gar nicht so schwierig gewesen, das Silikon aufzutreiben. Viel mehr Probleme hatte es ihr bereitet, vor dem Spiegel mit der Nadel die richtigen Stellen zu treffen. Und als sie feststellte, dass das Zeug nicht ausreichen würde, füllte sie kurzerhand die noch übrigen Stellen mit Speiseöl auf. Im Internet hatte gestanden, es würde funktionieren.

Hatte es aber nicht. Sofort war ihr Gesicht angeschwollen, die Schmerzen hatten begonnen und waren schlimmer und schlimmer geworden.

Sie wollte doch nur schön sein!

Mit 18 hatte sie ihre Brüste machen lassen und mit Botox und Säurepeelings angefangen. Dazu kamen Fettabsaugungen, Laserbehandlungen, aufgespritzte Lippen. Aber das hatte noch lange nicht gereicht. Sie gierte nach mehr, das änderte sich auch nach den richtig heftigen Operationen nicht. Jetzt allerdings, Jahrzehnte später, hatte sich das Blatt gewendet. Aus dem Spiegel blickte ihr ein aufgedunsener Fleischklumpen entgegen. Unwiderruflich verstümmelt und von allen entsorgt.

Sie ging kaum noch vor die Tür. Die Kinder vom Hof waren unbarmherzig, riefen ihr böse Dinge nach. »Gulaschgesicht! Netzhautpeitsche! Hackfresse!« Außerdem musste sie starke Schmerzmittel schlucken, die sie müde und unaufmerksam machten, weshalb sie zuletzt nach dem Einkaufen den Haufen Kot vor ihrer Tür nicht gesehen hatte und hineingetreten war. Direkt vor den Handykameras einiger grölender 14-Jähriger, die das Video umgehend ins Netz gestellt hatten. Unauslöschlich und viel geklickt.

Heute war sie allerdings nicht nur wegen ihrer hässlichen Fratze und der Beschwerden niedergeschlagen, denn heute hatte sie wieder ihren Termin mit den Schatten aus der Vergangenheit.

Es läutete.

Niemand kam sie je besuchen. Gewiss waren es nur wieder die herzlosen Gören, die eine Fortsetzung ihrer Grausamkeiten für YouTube drehen wollten. Aufseufzend schnitt sie noch mehr Karotten klein.

Erneutes Klingeln.

Sie legte das Messer zur Seite, zögerte, näherte sich der Wohnungstür und lugte, nun doch ein wenig neugierig, durch den Spion.

Erschrak furchtbar.

Brauchte ein paar Sekunden, um sich zu fangen.

Und wusste: Nichts würde mehr so sein wie zuvor.

Schöner sterben in Wien

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