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3.2 Dynamiken zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen

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Neben den hauptamtlichen Mitarbeitenden sind es vor allem Ehrenamtliche, die in den Kirchengemeinden arbeiten und die in der Regel in der Mehrzahl sind. Pastorale Arbeit ist ohne Ehrenamtliche nur möglich, wo es um Aufgaben geht, die von einer oder sehr wenigen Personen erledigt werden können, was für das Gros der derzeitigen Gemeindearbeit nicht zutrifft. Besonders die Gemeindeleitung liegt in den Händen von Ehrenamtlichen, in deren Leitungsgruppe (genannt Kirchengemeinderat, Presbyterium, Ältestenkreis, Pfarrgemeinderat o.ä.) der*die Pfarrer*in wie alle anderen nur eine Stimme hat, in katholischen Gemeinden hat der leitende Geistliche zusätzlich noch ein Vetorecht.

Die Veranstaltung von gottesdienstlichen Feiern, deren Vorbereitung und Durchführung, die Seelsorge, die Jugend- und Erwachsenenarbeit (offene Jugendarbeit, Gruppenarbeit, Freizeiten, Bildungsangebote etc.) und alle Angebote und Veranstaltungen der Vereinskirche (Gruppen und Kreise in Frauenarbeit, Männerarbeit, Senior*innenarbeit etc.) sind durchgängig auf das Engagement der Ehrenamtlichen angewiesen.

Von daher sind die Zusammenarbeit der Haupt- und Ehrenamtlichen, die Kommunikation untereinander, die wechselseitigen Abhängigkeiten, die gegenseitige Wert- oder Nichtwertschätzung und das Konfliktmanagement zwischen den Haupt- und Ehrenamtlichen Dauerthemen der Supervision in den pastoralen Arbeitsfeldern. Gemeindearbeit ist in allererster Linie Beziehungsarbeit und hierbei steht die Beziehung der Hauptamtlichen zu den sich ehrenamtlich Engagierenden im Vordergrund.

Die Frage, ob sich die Supervision für Ehrenamtliche von der Supervision für Hauptamtliche tatsächlich unterscheidet, ist nicht abschließend geklärt, allerdings haben in den letzten Jahren Veröffentlichungen zur Supervision für das Ehrenamt zugenommen. Auf der einen Seite beschreiben sie, dass professionell dort nicht anders gearbeitet wird als mit Hauptberuflichen, auf der anderen Seite nennen sie bestimmte Dynamiken oder Spannungsfelder, die so nur für das Ehrenamt gelten (DGSv, 2011). Es finden sich auch Veröffentlichungen, die eine besondere Form der Supervision als besonders geeignet für bestimmte Ehrenamtlichen-Gruppen beschreiben (z. B. Seibert, 2017). Schreyögg weist darauf hin, dass die Supervision Ehrenamtlicher am Anfang des 20. Jahrhunderts der Ort der Entstehung supervisorischer Arbeit war. Die Supervision Ehrenamtlicher ist also nicht nachträglich hinzugekommen, nachdem sie bei den Professionals etabliert war, sondern genau umgekehrt. Im sozialen Dienstleistungsbereich sollten ursprünglich »ehrenamtliche Mitarbeiterinnen (…) durch Supervision auf ihren Einsatz bei Menschen, die Unterstützung brauchten, vorbereitet werden« (Schreyögg, 2010, S. 391). Leitende Ehrenamtliche können inzwischen in vielen Kirchen supervisorische Beratung mit finanzieller Unterstützung der Kirche in Anspruch nehmen.

In der pastoralen Arbeit entstehen spezielle Dynamiken zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen, die häufige Themen der Supervision der Hauptamtlichen sind:

• Die Spannung zwischen den Bedürfnissen der Organisation und den Ideen und Begabungen der Ehrenamtlichen: Ein Kirchenältester hatte sich z. B. vielleicht wählen lassen, um neue Projekte im Gemeindeleben zu initiieren und den Gemeindeaufbau zu fördern, er muss sich aber stattdessen dauernd mit Bausachen beschäftigen und wird regelmäßig zum Kirchendienst eingeteilt, weil die Gemeinde keine*n Kirchendiener*in mehr finanzieren kann.

• Die Spannung zwischen traditionell der Kirche als Institution verpflichteten und gebundenen Haupt- und Ehrenamtlichen mit ihrer Vorstellung von Langfristigkeit, Treue und persönlicher Bindung und den »neuen Ehrenamtlichen«, denjenigen, die projektorientiert, vom Thema kurzfristig angesprochen eine Zeitlang mitarbeiten wollen: Hier gibt es verschiedene Vorstellungen und oft Konflikte sowohl zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen als auch innerhalb der beiden Gruppen.

• Die Spannung zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation: Da die Bezahlung als extrinsische Motivation wegfällt, erwarten Ehrenamtliche nicht nur zu Recht Wertschätzung und Gestaltungsmacht als extrinsische Motivation, sondern mitunter auch eine hohe persönliche Bindung an die wenigen hauptamtlichen Personen, die diese nicht immer leisten wollen oder können und die oft gleichzeitig davon ausgehen, dass die intrinsische Motivation des Glaubens für die ehrenamtliche Mitarbeit in der Kirche doch ausreichen müsste.

• Spannungen zwischen professionellen und eher familiären, gemeinschaftsorientierten Arbeitsweisen: Hauptamtliche sind verpflichtet, sich an formale Strukturen zu halten und wollen, dass die Ehrenamtlichen das auch tun. Ehrenamtliche fühlen sich dazu jedoch nicht immer verpflichtet, vor allem dann nicht, wenn diese Auswirkung auf ihr lokales Ansehen am Wohnort haben könnten. So hat z. B. immer das gesamte Leitungsgremium der Gemeinde die Vorgesetztenfunktion für Angestellte der Kirchengemeinde, unbequeme Dinge wie Arbeitgeberpflichten scheinen aber im Konfliktfall doch häufig Sache der Hauptamtlichen zu sein, bspw. Arbeitsaufsicht, Abmahnungen oder gar Kündigungen. Schreyögg weist darauf hin, dass die Bereitschaft, sich in die formalen Strukturen zu integrieren, stark davon abhängt, wieviel Befriedigung die ehrenamtliche Betätigung garantiert (Schreyögg, 2010, S. 144).

• Spannungen aufgrund verschiedener kommunikativer Bedürfnisse: Während Hauptamtliche oft nicht gerne zwischen Tür und Angel angesprochen werden, wenn es um organisatorische oder verwaltungsrelevante Dinge geht, sind Ehrenamtliche oft froh, dass sie mal eben zwischendurch ihre Informationen loswerden oder einholen können, wenn sie den Hauptamtlichen zufällig begegnen (»Wenn ich Sie gerade sehe…«). Es ist aber nicht immer möglich, die Regelkommunikation wie z. B. Dienstbesprechungen außerhalb der beruflichen Arbeitszeiten der Ehrenamtlichen zu legen.

• Spannungen durch die wechselseitigen Abhängigkeiten: Ehrenamtliche sind angewiesen auf Unterstützung ihrer Arbeit durch Zugang zu Informationen, Räumen, Material und auf Geld zur Deckung der laufenden Kosten ihrer Arbeit. Hauptamtliche sind für die Arbeit in der Gemeinde angewiesen auf das Mittun von Ehrenamtlichen, weil in der Gemeinde sonst nicht mehr stattfindet als eine einzelne hauptamtliche Person vorhalten kann, bei gleichzeitig hoch idealisierten Erwartungen der Kirchenmitglieder. Sie sind also auf die kontinuierliche Mitarbeit vieler Ehrenamtlicher, auf deren Kreativität, auf ihre Verlässlichkeit und vor allem auf ihre Loyalität angewiesen. Nicht immer werden die wechselseitigen Erwartungen erfüllt.

• Spannungen in Folge von Idealisierungen: Idealisierungen führen häufig zu enttäuschten Erwartungen und auf diese Weise zu Konflikten, da die geistlichen Berufe und die gesamte Kirche als Arbeitgeberin Projektionsflächen bieten, sowohl für Sehnsüchte als auch für Abwehr in ihren verschiedenen Formen: z. B. Erwartungen an spezielle Formen der Lebensführung im Pfarrhaus oder daran, dass eine christliche Gemeinde als Arbeitgeberin darauf verzichtet, Leistungsanforderungen an ihre Angestellten zu richten.

• Spannungen in Leitungsgremien: Diese sind in den protestantischen Kirchen oft paritätisch besetzt (z. B. Synoden), dort gibt es nicht selten Machtkämpfe zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen.

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