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BITTERE ERKENNTNIS

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Schweißgebadet schreckte Aaron aus dem Schlaf. Er warf seine Decke zurück, setzte sich auf und schnappte nach Luft. Sein Puls raste und in seinem Magen breitete sich ein flaues Gefühl aus. Was war das nur für ein furchtbarer Traum gewesen?

Er starrte an die Decke und versuchte sich zu beruhigen. Nichts davon war real gewesen!

Als er sich das ein paar Mal gesagt hatte, spürte er, wie sein Herzschlag sich nach und nach normalisierte. Er atmete tief durch: Einmal, ein zweites Mal. Langsam kehrten seine Erinnerungen zurück und sofort wurde ihm wieder übel. Er hatte sie verraten – sie alle. Er, Aaron, hatte sie an Kratos verraten.

Natürlich nicht bewusst oder mit Absicht – eher leichtsinnig und unbedacht. Aber er hatte es getan. Er hatte Meister Omir, dessen Tod Aaron schmerzlich bedauerte, diesen letzten Brief in das Buch geschrieben. Es war eine Art Abschied gewesen, in dem die Hoffnung geschlummert hatte, dass Meister Omir die Worte doch noch würde lesen können. In diesem Brief hatte er davon berichtet, dass der Plan von ihnen und den Königen darin bestand, Kratos zuvor zu kommen und mit einem Heer nach Gorgon zu reisen. Allein diese Information konnte schon ihre gesamte Mission gefährden. Aber das war noch nicht alles gewesen. Er hatte darüber hinaus in dem Brief erwähnt, dass Kyra Kratos´ Tochter war und das Meister Omir sie getötet hatte. Aarons Puls beschleunigte sich wieder. Er spürte wie sein Herz panisch in seiner Brust hämmerte. So stark, als würde es gleich hervorbrechen wollen. Aaron schnappte nach Luft. Seine Kehle schnürte sich zusammen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Hatte er wirklich gehofft, dass Meister Omir antworten würde? Obwohl er tot war? Warum hatte er nicht einen Moment darüber nachgedacht, dass das Gegenstück des Buches in andere Hände gefallen sein könnte? Wie dumm er doch gewesen war! Und nun? Nun war dadurch vielleicht alles verloren! Aaron nahm erneut das Buch von seiner Nachtkommode und legte es sich auf den Schoß. Er schlug die Seite auf, auf der noch vor kurzem dieses eine Wort gestanden hatte: Rache! Er schluckte schwer. Die gähnende Leere der Seite kam ihm in diesem Moment genauso bedrohlich vor wie das Wort selbst.

Dieses Buch war nun eine Verbindung zu Kratos. Jetzt, wo dieser vermutlich das Gegenstück dazu in den Händen hielt. Aaron schlug es abrupt wieder zu und verstaute es hektisch in einer Schublade, als könnte es sehen oder als würde es Ohren haben. Er atmete noch einmal tief durch und stand dann auf. Er musste all das wieder gerade rücken. Wenn sie jetzt gegen Kratos verlieren würden, wäre das alles sonst seine Schuld. Nein! Das durfte einfach nicht passieren. Aaron straffte die Schultern, lief durch das Zimmer und öffnete – immer noch im Schlafanzug – die Tür zum Gemeinschaftsraum. Dort saßen Jules und Moe zusammen am Esstisch und flüsterten miteinander. Summer schien noch zu schlafen. Kein Wunder, dachte Aaron, als er aus dem Fenster nach draußen blickte. Der Elfenwald war immer noch in tiefste Dunkelheit gehüllt.

Moe entdeckte Aaron und nickte Jules kurz zu. Diese drehte sich zu Aaron um. Ein besorgter Ausdruck lag in ihren müden Augen.

»Ich habe sie ins Bett getragen, nachdem sie auf dem Tisch eingeschlafen war«, antwortete Moe. Seine Zuneigung zu Summer lag sanft in seinen Worten. Dennoch merkte Aaron auch Moe an, dass er angespannt wirkte.

Aaron nickte, ging zu einem Regal und nahm sich einen aus Harz gegossenen Becher heraus. Er füllt ihn mit Wasser. Sein Nacken kribbelte. Er spürte, dass Jules und Moe ihn beobachteten. Was sie wohl von ihm denken mussten? Schließlich hatte er sie alle in große Gefahr gebracht. Und auch wenn Jules ihn vorgestern Abend, nachdem Aaron ihnen von dem Brief und der Antwort „Rache“ berichtet hatte, beruhigen wollte und meinte, dass das alles vielleicht gar nicht von Kratos stamme und sich jemand vielleicht nur einen dummen Scherz erlaubt hatte, sah Aaron ihr an, dass sie selbst nicht davon überzeugt war. Selbst wenn es nicht Kratos gewesen war, der dieses Wort geschrieben und den Brief gelesen hatte, so war es doch in jedem Fall jemand gewesen, der auf Kratos Seite stand und es Aaron nickte, ging zu einem Regal und nahm sich einen aus Harz gegossenen Becher heraus. Er füllt ihn mit Wasser. Sein Nacken kribbelte. Er spürte, dass Jules und Moe ihn beobachteten. Was sie wohl von ihm denken mussten? Schließlich hatte er sie alle in große Gefahr gebracht. Und auch wenn Jules ihn vorgestern Abend, nachdem Aaron ihnen von dem Brief und der Antwort „Rache“ berichtet hatte, beruhigen wollte und meinte, dass das alles vielleicht gar nicht von Kratos stamme und sich jemand vielleicht nur einen dummen Scherz erlaubt hatte, sah Aaron ihr an, dass sie selbst nicht davon überzeugt war. Selbst wenn es nicht Kratos gewesen war, der dieses Wort geschrieben und den Brief gelesen hatte, so war es doch in jedem Fall jemand gewesen, der auf Kratos Seite stand und es ihm vielleicht jetzt bereits verraten hatte. Aaron trank den Becher mit ein paar hastigen Zügen leer und füllte ihn erneut. Er spürte weiterhin Jules und Moes Blicke im Nacken. Und auch wenn er wusste, dass keiner der vier ihm Vorwürfe machte, so fühlte er sich dennoch elend.

Aaron erinnerte sich an das Gespräch mit Istariel vom Vortag. Er war ihm so dankbar gewesen, als er Loén, den jungen, eingebildeten Elfen, für ihre Unterredung hinaus geschickt hatte. Er musste den vier Hütern sofort angesehen haben, dass etwas Ernstes passiert war. Aaron spürte wieder den Klos in seinem Hals, während er sich an Istariels Blick erinnerte. Es war eine Mischung aus Entsetzen, Furcht und Unglaube gewesen.

Aber noch viel mehr hatte Aaron die Enttäuschung getroffen, die aus Istariels folgenden Worten gesprochen hatte. Er hatte mit seiner Unbedachtheit nicht nur ihn enttäuscht, sondern auch die Könige, Nimoron und damit auch seinen verstorbenen Vater, dessen Erbe er hier letztlich angetreten war.

Aaron atmete einmal tief durch, drehte sich um und setzte sich neben Moe an den Tisch, der ihn genau wie Jules aufmerksam beobachtete. Nicht fähig die anderen anzusehen, starrte er in seinen Becher.

»Aaron«, begann Jules langsam, streckte ihre Hand aus und berührte sanft seine Finger. »Das hätte wirklich jedem passieren können!«

»Ist es aber nicht!«, gab Aaron beinahe tonlos zurück, ohne seinen Blick vom Glas zu heben.

»Aaron, du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen. Natürlich ist es ein Rückschlag, aber wir haben schon so viele davon hinnehmen müssen. Und haben sie alle bisher gut überwunden. Jeder von uns hat schließlich schon Fehler gemacht auf dieser Mission und nicht einem von uns wirfst du diese Fehler vor! Also sei doch auch ein wenig gnädiger mit dir selbst!«

Jules Finger fuhren weiterhin sanft über Aarons Handrücken, was ein wohliges Kribbeln in ihm auslöste. Der Druck in seiner Brust gab ein wenig nach. Er wusste, dass Jules recht hatte. Selbstmitleid oder Vorwürfe brachten sie jetzt nicht weiter. Dennoch war er so unglaublich wütend auf sich selbst.

Warum war ihm dieser Fehler unterlaufen? Warum nicht jemand anderem? Da könnte er es wesentlich leichter verzeihen. Aber sich selbst? Nein. Er konnte sich selbst so schlecht verzeihen. Denn wenn er Fehler machte, dann hatten sie stets fatale Folgen. Wie damals beim Unfall seines Vaters. Wäre er doch nur, wie sonst auch, mitgefahren und hätte nicht nur an sich selbst und seinen Erfolg bei den Schwimmmeisterschaften gedacht. Wie hatte er nur so egoistisch sein können? Und das jetzt schon wieder? Ohne an die möglichen Folgen zu denken?

»Statt Trübsal zu blasen, solltest du uns lieber helfen, darüber nachzudenken, wie wir jetzt vorgehen« sagte Moe mit liebevoller Strenge und knuffte Aaron mit dem Ellenbogen in die Seite. »Istariel wird uns bald wieder zu sich rufen lassen, nachdem er mit den Königen gesprochen und sich beraten hat, und ich finde, dann sollten wir uns bereits ein paar Gedanken gemacht haben und ein paar Ideen aufweisen können. Findest du nicht?«

Aaron hob langsam den Kopf und blickte Moe an. Auch er hatte tiefe Ränder unter den Augen. Der Kampf der letzten Wochen hatte Spuren bei jedem von ihnen hinterlassen.

Überhaupt hatte Nimoron sie verändert. Sie alle. Sie Überhaupt hatte Nimoron sie verändert. Sie alle. Sie waren erwachsener geworden, verantwortungsbewusster, mutiger, stärker und selbstbewusster. Sie waren miteinander und aneinander gewachsen. Und es gab Niemanden, der sie in diesem Moment besser kannte, als sie sich untereinander.

Aaron rang sich zu einem gequälten Lächeln durch, bei dem seine Lippen aufeinandergepresst eine gerade Linie bildeten. »Nicht gut, aber ein Anfang!« neckte ihn Moe und zwinkerte ihm aufmunternd zu.

»Also lasst uns die letzten Stunden die Köpfe zusammen stecken und überlegen, was wir tun können!«, warf Jules ein. »Ooooo Käääähhhh!«, vernahmen sie ein Gähnen hinter ihnen. Summer war verschlafen aus ihrem Zimmer gekommen und reckte sich nun ausgiebig. Dann ging sie in die Küche und richtete ein wenig geschältes Obst auf einem Teller an und stellte ihn in die Mitte des Tisches, bevor sie sich setze.

»Wenn ich meinen Schönheitsschlaf schon unterbrechen muss, dann wenigstens nicht mit leerem Magen«, säuselte sie und zwinkerte Moe zu.

Dieser errötete leicht und grinste ein wenig breiter. Voller Tatendrang machten sie sich daran, all ihre Ideen auf Papier zu bringen und sie anschließend nach ihrer Umsetzbarkeit und Sinnigkeit zu diskutieren. Nachdem sie gut zwei Stunden alles durchgesprochen hatten, blieb nicht eine Idee auf ihrem Block übrig, die ihnen weitergeholfen hätte. Enttäuscht legte Jules die Schreibfeder zur Seite.

»Ich fürchte, wir müssen warten, was die Könige uns vorschlagen werden!« gab sie enttäuscht von sich.

»Glaubt ihr denn, dass wir dennoch nach Gorgon reisen werden?« fragte Moe nachdenklich in die Runde. »Ich wäre nicht undankbar, wenn uns das erspart bliebe!« Summer lachte.

»Nicht, dass wir das nicht gewusst hätten.«

»Was soll das denn bitte bedeuten?«, entgegnete Moe empört. »Na ja«, kam Jules Summer beschwichtigend zur Hilfe »Ich glaube, niemand von uns ist scharf darauf, die dunkle Seite Nimorons kennenzulernen.«

»Genau« rief Moe, immer noch ein wenig pikiert »als ob ihr Lust hättet, diesen nach Blut stinkenden Spähern mit ihren Reißzähnen und ihren scharfen Klauen zu begegnen. Schließlich ist das ihre Heimat. Dort wird es Hunderte oder sogar Tausende davon geben. Und alle verstoßenen Anhänger Kratos´ leben dort. Außerdem wer weiß schon, was Kratos noch erschaffen hat, oder was sich dort in den dunklen Bergen und Schluchten noch verbirgt.«

»Du hast recht Moe, das will niemand von uns. Allein schon der Gedanke daran jagt mir einen Schauer über den Rücken!«, stimmte Aaron zu. Plötzlich betrat Loén den Raum. Aaron zuckte zusammen. Er hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass in Elfdorf alle Türen offen standen und die Bewohner durch die Baumstämme einfach und lautlos zu den Kokons hinaufgleiten konnten.

Loén trat an den Tisch und begrüßte sie mit einem knappen Nicken. Aaron traute sich kaum, ihm in die Augen zu schauen. Er hatte keine Ahnung, ob Loén bereits von seinem Fehler wusste. Er wollte sich aber seinen verächtlichen Blick gerne ersparen.

»Istariel möchte mit euch sprechen!« sagte der Elf und tat dabei so, als wäre nichts geschehen.

»Er weiß es nicht!«, fuhr es Aaron durch den Kopf und vorsichtig blickte er vom Tisch auf und Loén direkt in die Augen. Der Elf blickte die Vier nacheinander an und blieb dann mit seinem Blick an Aaron hängen. Seine hellblauen glitzernden Augen musterten ihn aufmerksam.

Dann wandte Loén sich ab, um zu gehen, verharrte nach einigen Schritten jedoch kurz und sah sich dann noch einmal zu ihnen um.

»Istariel meint, ihr sollt euch beeilen. Aber vielleicht duscht ihr euch vorher noch einmal«. Mit einem leicht angewiderten Blick machte der Elf kehrt und verschwand wieder im Baumstamm.

Die Hüter der vier Elemente - Das Land der Schatten

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