Читать книгу Dämonentreue - Dagny Kraas - Страница 4
2. Kapitel – Neue Heimat
ОглавлениеCridan war nervös, als sie sich dem Haus näherten – nicht nur, weil ihm die erste Begegnung mit Skatarhaks Familie bevorstand, sondern auch, weil er noch nie in einem richtigen Haus gewesen war und keine Ahnung hatte, was dort drinnen auf ihn warten mochte. Die Mauern aus Feldsteinen mit dem niedrigen Dach erschienen ihm beinahe wie ein lebendiges Wesen, das sich in den Schatten der hohen Felswand duckte, dunkle Fenster als Augen, die ihn anstarrten.
Ein T'han T'hau kam über den Hof auf sie zu. Skatarhak sprang aus dem Sattel und drückte ihm die Zügel seines Pferdes in die Hand.
»Komm«, sagte er aufmunternd in Cridans Richtung. »Es wird dir schon niemand den Kopf abreißen.«
Gehorsam rutschte Cridan aus dem Sattel. Sein Rücken und sein Hintern schmerzten, seine Beine waren steif vom langen Reiten, und er fühlte sich müde und zerschlagen. Dennoch gab er nicht ein Wort der Klage von sich, sondern hob seine Sachen vom Pferderücken und folgte Skatarhak ins Haus.
Hinter der Eingangstür erstreckte sich ein kurzer, dunkler Gang, der in eine Küche mündete. Hier war es hell und warm. Mehrere T'han T'hau saßen am Tisch und schienen sie zu erwarten, doch nur einer erhob sich und kam ihnen entgegen. Er war deutlich älter als Skatarhak, sein Schuppenkleid begann bereits, den goldenen Glanz zu verlieren, und überall hatte er Narben. Er trug einen breiten Gürtel um die Hüften, in dem an jeder Seite ein Schwert hing, in der Mitte stak ein kurzer Dolch in einer ledernen Scheide, daneben zwei schlanke Messer. Die Griffe der Waffen waren abgewetzt und blank, die Klingen jedoch makellos.
Das musste Maret'kar sein, Skatarhaks ficha'thar.
»Mein König«, sagte er und senkte in einer ehrerbietigen Geste den Kopf. »Wie war deine Reise?«
»Ausgesprochen interessant«, entgegnete Skatarhak lächelnd. »Ich will alle in der Stube sehen. Jetzt. Ich habe jemanden mitgebracht, den ich gerne vorstellen würde. Und ich habe euch etwas anzukündigen.«
Ein abschätzender Blick aus Maret'kars alten, aber nichtsdestotrotz scharfen Augen traf Cridan, doch er sagte kein Wort, sondern wandte sich ab, um Skatarhaks Befehl Folge zu leisten.
Cridan nutzte die Zeit, in der sie warteten, um sich ein wenig umzusehen. In der Küche war ihm vor allem die riesige Feuerstelle mit den zahlreichen Kesseln und Pfannen aufgefallen, und auch hier, in der Wohnstube, war es der offene Kamin, der den Raum beherrschte. Davor standen zwei gemütlich wirkende Sessel, auf dem Boden waren Felle und Teppiche ausgebreitet. An einer Seite des Raumes stand ein schmaler Tisch, der von Papieren und Pergamentbögen bedeckt war, davor ein einfacher Stuhl. Ob Skatarhak hier arbeitete?
Bevor er dazu kam, den T'han T'hau danach zu fragen, ging die Tür auf.
Als erstes huschten zwei Mädchen in den Raum.
Cridan hielt unwillkürlich die Luft an: Die beiden T'han T'hau waren nicht viel jünger als er, und sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Kein Zweifel, das waren Skatarhaks Zwillingstöchter. Ihr Schuppenkleid hatte dieselbe Farbe, ein tiefes Gold mit einem feinen bläulichen Schimmer, und sie waren unglaublich hübsch. Eine von beiden sah ihn keck, beinahe herausfordernd an, die andere warf ihm nur einen neugierigen Blick zu und senkte dann den Kopf, bevor sie sich neben ihre Schwester auf die Felle vor dem Kamin kauerte.
Ihnen folgte ein T'han T'hau, von dem Cridan annahm, es war Ratiko'khar. Der Junge war vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Seine Schuppen waren wie reinstes Gold, ohne den geringsten anderen Farbton, ebenso wie seine Augen, die Cridan mindestens ebenso aufgeregt musterten wie umgekehrt. Er ließ sich neben seinen beiden Schwestern nieder und sah erwartungsvoll zu Skatarhak und Cridan auf.
Als nächstes betraten zwei Frauen den Raum. Eine von ihnen war schon älter, und ihre Gesichtszüge ähnelten denen Skatarhaks sehr.
Das musste seine Mutter sein, von der er ihm erzählt hatte. Der König hatte gesagt, dass sie die Erziehung der Kinder übernommen hatte – und so würde sie wohl auch diejenige sein, die sich um ihn kümmern würde. Neugierig prägte er sich das Gesicht der alten T'han T'hau aufmerksam ein. Sie wirkte freundlich und gütig, aber am Grunde ihrer goldenen Augen schimmerte harte Entschlossenheit.
Die andere Frau war unverkennbar die Mutter der beiden Mädchen, und so auch von Ratiko'khar. Wo die Zwillinge hübsch waren, zeigte sie die ausgereiften Reize einer erwachsenen T'han T'hau, und Cridan dachte, dass er noch nie in seinem Leben eine Frau gesehen hatte, die so schön war wie sie.
Zwei weitere T'han T'hau kamen in die Stube. Sie waren groß und von breitschultriger Statur, ihre Gesichter strahlten Selbstsicherheit und innere Stärke aus, und beide hatten die Rechte auf dem Schwertknauf liegen. Cridan meinte sich zu erinnern, einen von ihnen bereits auf dem Hof, den anderen, mit der auffälligen Schuppung auf der rechten Wange, in der Küche am Tisch gesehen zu haben. Sie lehnten sich an die Wand des Raumes und musterten ihn schweigend.
Als letzter betrat Maret'kar den Raum. Er schloss die Tür hinter sich, dann bezog er davor Aufstellung. Er hatte die Beine leicht gespreizt, die Arme vor der Brust verschränkt und den Kopf stolz erhoben. Es war ein imposantes Bild, fand Cridan, und es ließ den alten Krieger noch beeindruckender wirken.
Skatarhak machte eine ärgerliche Geste auf seinen ficha'thar. »Götter, Maret'kar, setz dich. Wir sind unter uns. Ich habe euch etwas zu sagen.«
Schweigend gehorchte Maret'kar und ließ sich einen Schritt neben den Kindern auf die Felle am Boden sinken. Er wirkte gelassen, doch als Cridan genauer hinsah, bemerkte er die Anspannung in seinen Muskeln und die unruhigen Bewegungen seiner Augen.
Skatarhak ging zum einzigen Fenster des Raumes hinüber, drehte sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Sims. Das Licht hinter ihm ließ seine Konturen scharf hervortreten, sein Gesicht jedoch blieb im Schatten.
»Dieser junge Mann«, begann er ohne weitere Einleitung und deutete auf Cridan, »wird ab sofort unser Leben teilen. Sein Name ist Cridan, und ich erwarte, dass jeder hier ihn behandelt, als sei er mein Fleisch und Blut. Ich habe ihn als meinen Ziehsohn angenommen, und als solchen wird ihn jeder von euch ansehen. Khal'atra, seine Erziehung wird dir ebenso zufallen wie die der anderen drei. Und Maret'kar, du wirst ihn in allen Belangen unterrichten, die für einen ficha'thar wichtig sind.«
Der alte T'han T'hau zuckte zusammen. Für einen winzigen Augenblick huschte ein Ausdruck von Zorn – und Angst? – über sein Gesicht, dann hatte er sich wieder in der Gewalt.
»Wie du befiehlst, mein König.«
Khal'atra, die alte T'han T'hau, legte den Kopf schief und betrachtete Cridan eine Weile schweigend, dann winkte sie ihm. »Komm her, mein Junge!«
Sie fasste nach seiner Hand, strich mit ihren faltigen Fingern über seine Knöchel und seinen Unterarm und musterte schließlich sein Gesicht gründlich.
»Sei uns willkommen, junger Cridan«, sagte sie dann. »Skatarhak hat Recht daran getan, dich aufzunehmen, das kann ich sehen. So will ich denn auch mein Bestes geben, dich in seinem Sinne zu behandeln. Folgst du den Regeln, die in diesem Hause gelten, so wirst du ein ebenso angenehmes Leben haben wie deine Gefährten.« Sie wies auf die drei anderen Kinder.
Cridan senkte zustimmend den Kopf, wobei er aus dem Augenwinkel verstohlen Maret'kar beobachtete. Der ficha'thar hatte die Hände scheinbar locker im Schoß liegen, doch sie waren zu Fäusten geballt.
»Nun«, sagte Skatarhaks Frau plötzlich, »die wichtigste Regel in diesem Haus lautet, dass stets das Wohl der Gemeinschaft an erster Stelle steht. Jeder von uns hat seinen Platz und seine Aufgabe zu erfüllen. Wir alle haben eine Verantwortung, die wir tragen, und ich wünsche, dass du diese Verantwortung ebenso übernimmst, wie Ratiko'khar, Inth Silia und Marud'shat es tun. Je stärker ein Mann ist, um so mehr Verantwortung trägt er für die Schwächeren um sich herum.«
Khal'atra lachte leise. »Mach dir keine Sorgen, Ruhara. Cridan wird sich seiner Verantwortung nicht entziehen – nicht wahr?« Sie sah Cridan an.
Dieser erwiderte ihren Blick.
»Niemals«, antwortete er entschieden. »Ich habe zu Hause gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Ich werde sie auch weiterhin tragen.«
Khal'atra strich ihm mit der Hand über den Kopf. »Das weiß ich, mein Junge. Nun setz dich zu den anderen und schau, dass du sie kennenlernst. Ratiko'khar wird dir das Haus zeigen, und Inth Silia wird dir mit Marud'shat dein Zimmer anweisen. Du wirst eine eigene Kammer erhalten. Niemand wird sie ohne deine Zustimmung betreten, aber es wird auch niemand außer dir Ordnung darin halten. Und ich erwarte Ordnung, junger Mann, verstehen wir uns in dem Punkt?«
Cridan konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Diese Einstellung kenne ich bereits von meiner Mutter«, entgegnete er. Khal'atra lachte und entließ ihn mit einem knappen Winken ihrer Hand.
Inth Silia, Marud'shat und Ratiko'khar waren genauso begierig darauf, etwas von ihm zu erfahren, wie er neugierig darauf war, sie kennenzulernen. Insbesondere Ratiko'khar, den seine Geschwister Tiko nannten, löcherte ihn geradezu mit Fragen, bis seine älteren Schwestern ihm befahlen, den Mund zu halten.
Cridan hatte die beiden Mädchen genau gemustert und bei näherem Hinsehen festgestellt, dass sie sich doch nicht so ähnlich sahen, wie er zu Anfang angenommen hatte: Inth Silia war eindeutig die Hübschere der beiden, aber Marud'shat hatte die lebendigeren Augen. Die Augen Inth Silias waren gleich denen ihres Vaters, wie aus gegossenem Gold, während in Marud'shats Iris kleine Funken wirbelten und einen geheimen Tanz aufzuführen schienen. Unter ihrem rechten Auge hatte sie eine winzige Narbe, und der Mundwinkel auf dieser Seite stand eine Winzigkeit höher als der linke, was ihr den Anschein eines stetigen kleinen Lächelns verlieh. Inth Silia hatte hingegen ein absolut makelloses Gesicht, symmetrisch und wunderschön.
»Skatarhak hat noch nie jemanden hier aufgenommen«, bemerkte Marud'shat und musterte Cridan aufmerksam. »Du musst etwas Besonderes sein. Komm, wir zeigen dir dein Zimmer und den Rest des Hauses.«
Sie stand als erste auf, doch es war Inth Silia, die Cridan an der Hand fasste und ihn hinter sich her zog. Und aus irgend einem Grund freute er sich darüber.
Er schlief schlecht in dieser Nacht. Er war immer noch aufgeregt und nervös, und das gemeinsame Abendessen hatte ihm nicht viel von seiner Spannung genommen. Ruhara und Skatarhak hatten sich bald zurückgezogen, und auch wenn sich Tiko viel Mühe gegeben hatte, ihn in die Gespräche mit einzubeziehen, war Cridan doch schweigsam und vorsichtig geblieben.
Zu seinem Bedauern hatte Inth Silia weiter kein größeres Interesse gezeigt. Sie hatte sich verhalten, als wäre nichts Besonderes geschehen. Marud'shat war hingegen nicht sonderlich schüchtern gewesen, hatte sich aber meist darauf beschränkt, ihm neugierige Blicke zuzuwerfen.
Sie frühstückten zu viert, die Kinder mit Khal'atra. Anschließend räumten sie gemeinsam den Tisch ab, und während Tiko, Inth Silia und Marud'shat nach draußen eilten, bat die alte T'han T'hau Cridan, sie auf einem Spaziergang zu begleiten.
Sie verließen das Haus durch eine Tür auf der Rückseite. Hier erhob sich nur wenige Schritte entfernt ein steiler Abhang, der zunächst mit zähem Gras bewachsen, weiter oben jedoch nur noch von Steinbrocken übersät war.
Khal'atra ging voran, und Cridan erkannte erstaunt, dass sie eine ziemlich gute Kondition haben musste: Bis sie die Felsbrocken erreichten, keuchte er bereits, die alte T'han T'hau hingegen atmete kaum schneller.
»Setz dich«, lud sie ihn ein. »Ich will dir ein bisschen mehr über uns erzählen und auch über das, was auf dich zu kommt.«
Er ließ sich gehorsam neben ihr nieder und wartete gespannt darauf, dass sie weiterredete.
»Ich habe gestern Abend noch mit Skatarhak gesprochen«, begann sie nach einer Weile, »und ich verstehe die Gründe, weshalb er dich auswählte. Du bist nun sein Ziehsohn, und damit bist du ebenso sehr mein Enkel wie jedes seiner Kinder. Doch hat er für dich große Pläne, Cridan, ebenso große wie für Tiko, und das bedeutet, du musst sehr viel lernen. Ich werde dich die Sprache der Menschen lehren, einige Sprachen des Kontinents, werde dich lehren, wie man liest und schreibt, sofern du das noch nicht kannst, werde dich Benimm in Gesellschaften lehren, wie man mit ranghohen Gesprächspartnern umgeht, wie man Karten liest und anfertigt, wie man sich anhand der Sterne orientiert, und vieles, vieles mehr. Du wirst all das einmal brauchen. Maret'kar wird ebenfalls einen Teil deiner Ausbildung übernehmen. Er wird dich kämpfen lehren, mit dem Schwert, dem Dolch und jeder anderen Waffe, die du dir vorstellen kannst. Auch mit dem, was die Natur dir mitgab.« Sie berührte sein Schuppenkleid am Unterarm mit der flachen Hand.
»Er wird dir darüber hinaus unsere Gesetze beibringen, was es bedeutet, sie zu brechen, und wie ein solches Vergehen zu ahnden ist. Und auch Skatarhak selbst wird dein Lehrer sein. Wenn er hier ist, wird er Teile deines Unterrichts übernehmen. Du musst lernen, wie er denkt; warum er tut, was er tut. Wer er ist. Du wirst sein ficha'thar sein, und daher ist es wichtig, dass du ihn besser kennst als er sich selbst. Ich kann dir manches erzählen und erklären, aber du musst es selbst erfahren und sehen, musst ihn erleben. Es wird nicht immer einfach sein, Cridan, doch es lohnt sich. Skatarhak ist ehrgeizig und hart, aber auch gerecht.«
Er nickte langsam.
»Das weiß ich. Und ich will gerne alles lernen, was ich brauche. Es ist mein fester Wille und Entschluss, ihm ein guter ficha'thar zu sein. Wenn ihr alle die Mühe auf euch nehmt, mich zu unterrichten, wird es mir eine Freude sein, von euch zu lernen, was immer ich kann. Aber was ist mit Ruhara?«
»Ruhara?« Khal'atra lachte leise. »Was soll mit ihr sein? Sie ist Skatarhaks Gefährtin und eine der besten T'han T'hau, die es gibt. Wir können nur hoffen, dass ihre Kinder nach ihr kommen.«
»Wird sie mich auch unterrichten?« fragte Cridan.
»Nein. Ruhara trägt Skatarhaks Kinder aus, weil er sie ihr schenkt, aber sie ist niemand, der sich an den Herd stellt oder sich mit Erziehung herumschlägt. Sie ist eine Kriegerin, und du wirst sie vermutlich nicht einmal häufig hier sehen. Sie liebt den Kampf und die Herausforderung viel zu sehr, um sesshaft zu werden. Nein, für euch Kinder bin ich Großmutter und Mutter zugleich, so lange ihr mich braucht. Ruhara wollte nie Mutter sein. Das ist meine Aufgabe.«
Sie legte eine Hand auf seine und sah ihn an.
»Ich habe eine Bitte an dich, Cridan. Tiko ist von dir sehr angetan. Er ist noch jung, und er neigt dazu, sein Herz schnell zu verschenken und sich bedingungslos in Freundschaft zu ergeben. Er ist ein guter Junge, und er wird eines Tages Skatarhaks Erbe sein. Er hat dich als Freund auserwählt, und ich würde mich freuen, wenn du diese Freundschaft erwiderst. Was immer du aber auch tust: Enttäusche ihn nicht.«
Cridan rutschte unruhig hin und her, wich ihrem Blick jedoch nicht aus.
»Ich will niemanden enttäuschen«, antwortete er. »Aber ich kenne ihn doch erst seit ein paar Stunden. Wie kann ich entscheiden, ob ich sein Freund sein will?«
Khal'atra lächelte. »Wer, wenn nicht ein T'han T'hau wie du, kann das entscheiden?«
Er schwieg. Dann musste er ebenfalls lächeln.
»Du hast Recht, Khal'atra. Und ich will dir deine Bitte gerne erfüllen. Ich werde Tikos Freund sein. Und ich werde ihn nicht enttäuschen. Ihn nicht, Skatarhak nicht, und auch dich nicht. Das verspreche ich.«
Die alte T'han T'hau neigte zustimmend und beinahe ein wenig dankbar den Kopf, dann erhob sie sich und begann den Abstieg zurück zum Haus.
»Dann lass uns keine Zeit mehr verlieren«, schlug sie vor. »Kannst du lesen?«
»Ein paar Buchstaben«, gab er achselzuckend zu. »Aber auch die nicht besonders gut.«
Khal'atra drehte sich nicht einmal zu ihm um. »Nun, in ein paar Wochen wirst du es können.«
Cridan war diesbezüglich etwas skeptisch, aber sie sollte Recht behalten: Jeden Tag nach dem Frühstück quälte sie ihn stundenlang mit Schriften, Texten und Schreibübungen, bis er schließlich keine Mühe mehr hatte, die verschnörkelten Dokumente, die sie ihm vorlegte, zu entziffern. Erst dann widmeten sie sich anderen Dingen.
Der Nachmittag gehörte Maret'kar und seinem Unterricht – und das war etwas völlig anderes. Wo Khal'atra gütig und geduldig war, war der alte T'han T'hau reizbar und schwer zufrieden zu stellen. Cridan gab stets sein Bestes, schuftete, kämpfte und lernte wie ein Besessener, doch für Maret'kar schien es nie genug.
Cridan versuchte, sich einzureden, dass es über die Zeit schon besser werden würde, doch das wurde es nicht – er gewöhnte sich nur daran.
Wenn Skatarhak da war, was leider recht selten vorkam, waren Cridans Tage deutlich entspannter. Dann verbrachte er die meiste Zeit mit ihm in den Bergen, jagte, fischte und lernte den Herrscher über alle T'han T'hau immer besser kennen.
Skatarhak war nicht immer einfach: Als einziger Erbe von Thrindau'kho war er schon als zukünftiger König der T'han T'hau aufgewachsen und kannte seine Privilegien von klein an. Er erwartete Gefolgschaft und Treue, bedingungslosen Gehorsam und Ergebenheit, und wenn er das nicht bekam, konnte er entsetzlich wütend werden. Doch es gab auch Momente, in denen sie einander wie ebenbürtige Freunde behandelten, und je länger und besser sie sich kannten, umso häufiger wurden diese Zeiten.
Cridan begriff allmählich, was es wirklich bedeutete, Skatarhaks ficha'thar zu sein. Er war nicht nur sein Vollstrecker, sondern auch sein einziger wirklicher Freund und der einzige, dessen Meinung der König tatsächlich gelten ließ. Skatarhak akzeptierte es, wenn Cridan einen anderen Standpunkt vertrat als er selbst, und als Cridan ihm in einem unbedachten Augenblick das erste Mal widersprach, sah er ihn scharf an, lachte dann aber nur.
Von diesem Tag an wusste Cridan, dass Skatarhak ihn wirklich als seinen ficha'thar wollte. Sie waren auf einem gemeinsamen Weg, auf dem sie mehr sein würden als König und Untergebener – doch er hütete sich, dies jemals in der Gegenwart anderer auszunutzen. Davon abgesehen, dass Skatarhak eine solche Tat vermutlich sofort mit aller Gnadenlosigkeit und Härte bestraft hätte, war Cridan ihm in ehrlicher Freundschaft und Treue ergeben und hätte sich lieber die rechte Hand abhacken lassen, als ihm in den Rücken zu fallen.
Skatarhak war sein König, sein Ziehvater und sein Freund – und Cridan respektierte ihn aus tiefstem Herzen.
Er hatte sich rasch in Skatarhaks Familie eingelebt, fühlte für Tiko nicht nur wie für einen Freund, sondern vielmehr wie für einen Bruder. Marud'shat und er waren nach anfänglicher Scheu eine vorsichtige Freundschaft eingegangen, und Inth Silia bewunderte er nach wie vor. Khal'atra war ihm wie eine Mutter.
Ruhara war meist mit den Kriegern unterwegs, und auch die beiden anderen T'han T'hau, die Cridan hier kennengelernt hatte, Cer'thrat und Rothmar, hielten sich kaum auf dem Hof auf. Sie begleiteten Skatarhak, auch wenn Maret'kar zu Hause blieb, und da das zunehmend häufiger geschah, waren sie nur selten daheim. Allerdings verstand Cridan sich mit ihnen deutlich besser als mit Maret'kar – sie sahen in ihm keinen Rivalen, sondern einen jüngeren Kameraden, dem sie mit wohlwollendem Erwarten gegenüber traten. Vor allem mit Cer'thrat verstand er sich gut.
Der ältere Rothmar mit der eigenartigen Schuppung auf der rechten Wange – fünf Strahlen, die von einem Kreis auszugehen schienen – war ernster, häufig auch mürrisch und missmutig, ließ aber seine schlechte Laune nie an anderen aus.
Die einzigen, die Cridan von Zeit zu Zeit vermisste, waren sein Vater, seine Mutter und auch sein Bruder. Anthro'kar kam jedoch alle paar Monate zu Besuch, um seinen Sohn zu sehen, und er brachte immer entweder Guthrag oder Kakey mit.
Alles in allem hätte sich Cridan kein besseres Leben erträumen können.