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3. Kapitel – Glück und Enttäuschung

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Sechs Jahre später

»Was machst du da?«

Inth Silia beugte sich neugierig über Cridans Schulter, um ihm auf die Hände schauen zu können. Sie musste sich ordentlich recken dafür, denn wenn sie auch nicht klein war, so hatte Cridan in den letzten Jahren etliches an Größe und Breite zugelegt. Einem ausgewachsenen T'han T'hau stand er kaum nach, und es sah so aus, als würde er in einigen Jahren die meisten von ihnen überragen.

Er blickte auf, drehte sich halb zu ihr um und schob sie ein wenig zur Seite.

»Üben«, gab er knapp zur Antwort.

Sie hob die Brauen. »Üben, üben, üben – besteht dein Tag auch noch aus anderen Dingen?« neckte sie ihn.

Cridan schnitt eine Grimasse. »Das kannst du ja mal Maret'kar fragen. Er ist der Meinung, ich tue nie genug für seine Unterrichtsstunden.«

Inth Silia nahm ihm die Arbeit aus den Händen und musterte die Schlinge aus feinem Draht, die er gezwirbelt hatte.

»Ich weiß nicht, was Maret'kar hat«, murmelte sie achselzuckend. »Die hier ist so perfekt wie jede andere von dir, die ich gesehen habe. Was will er denn noch?«

»Maret'kar kann mich nicht leiden«, gab Cridan zur Antwort. »Konnte er von Anfang an nicht. Er weiß, was ich in ein paar Jahren sein werde, und deshalb hasst er mich und versucht, mich zu drangsalieren, wo immer er nur kann.«

Inth Silia lächelte, ließ achtlos die Drahtschlinge fallen und setzte sich auf seinen Oberschenkel. Cridan stockte der Atem. Er mochte die junge T'han T'hau, sehr sogar, und es war nicht nur Khal'atra zuliebe, sondern auch ihretwegen, dass er sich seit seiner Ankunft hier so sehr um ihren jüngeren Bruder Ratiko'khar bemüht hatte – Silia vergötterte Tiko geradezu, und je enger dieser mit Cridan befreundet war, umso häufiger kam Cridan dazu, Zeit mit Inth Silia zu verbringen. Sie vertrugen sich gut, ebenso wie er sich mit ihrer Schwester Marud'shat verstand, aber Silia hatte ihm nie mehr als mildes Interesse entgegengebracht, und so hatte auch Cridan seine Gefühle für sie zurückgehalten.

Ihre plötzliche körperliche Nähe machte ihn unruhig, ebenso wie der Blick, den sie ihm schenkte.

»Maret'kar hasst dich nicht. Er hat nur Angst vor dir. Er weiß, dass er dir unterlegen ist. Du hast es ihm ja oft genug bewiesen.«

Cridan schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? Inth Silia hatte Recht. Maret'kar hatte, auf Skatarhaks Befehl hin, einen Teil von Cridans Erziehung und Ausbildung übernommen. Er hatte ihm beigebracht, mit jeder erdenklichen Waffe, auch dem eigenen Körper, zu kämpfen, hatte ihn gelehrt, nach welchen Gesetzen die T'han T'hau lebten, welche Straftaten es gab, welche Konsequenzen und Bestrafungen sie nach sich zogen und wie diese auszuführen waren.

Cridan hatte diese Lehren dankbar angenommen, sich nach Kräften bemüht, dem älteren T'han T'hau und damit indirekt Skatarhak alles Recht zu machen – doch je besser er wurde, um so größer wurde Maret'kars Wut und Hass auf ihn.

Der unbekannte Junge Cridan, den Skatarhak aus den Bergen mitgebracht hatte, zeigte ein außerordentliches Geschick, mit Waffen umzugehen, und mit dem Schwert war er rasch jedem anderen überlegen. Skatarhak hatte schließlich einen weiteren Lehrer für ihn gesucht und mitgebracht, den besten Schwertkämpfer und größten Krieger unter den T'han T'hau, und selbst dieser hatte sich nach zwei Jahren geschlagen gegeben. Es gab nichts mehr, was er Cridan hätte beibringen können oder was dieser nicht schon besser zu tun vermochte.

Darüber hinaus war Cridan klug, und was Maret'kar ihm beibrachte, sog er auf wie ein Schwamm, konnte es bereits nach dem ersten Mal auswendig, zog korrekte Schlussfolgerungen und wies Maret'kar manches Mal auf Unstimmig­keiten hin, die ihm auffielen und die er sich alleine nicht erklären konnte.

»Ich bin nicht hierher gekommen, um ihm irgend etwas streitig zu machen«, sagte er verärgert. »Es war Skatarhak, der mich dazu auserwählte. Ich folge lediglich meinem Treueschwur.«

»Und das soll es besser für ihn machen?« Inth Silia lachte, beugte sich vor und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Ihre Finger strichen über die Schuppen auf seinem Brustkorb, die im letzten Jahr einen satten, grünlich goldenen Ton angenommen hatten. »Sein eigener König, dem er sich so sehr verschrieben hat wie zuvor Thrindau'kho, lässt ihn nur zu deutlich spüren, dass die Zeit gekommen ist, ihn zu ersetzen. Und das soll ihn trösten?«

»Das soll ihn nicht trösten«, brummte Cridan missmutig. »Aber es sollte einen vernünftigen Mann dazu bringen, seinen Platz nicht nur freiwillig zu räumen, sondern auch den Nachfolger dafür so gut wie möglich auszubilden und zu formen, solange er noch die Gelegenheit dazu hat!«

Jetzt lachte sie laut.

»Ach, Cridan, das tut er doch! Und das weißt du ganz genau, sonst würdest du all seine Schikanen nicht mit solcher Gelassenheit ertragen. Die wievielte Schlinge ist das hier?« Sie stupste den Draht mit dem bloßen Fuß an. »Die hundertste? Die tausendste? Sie ist längst perfekt, und dennoch ärgert er dich immer wieder damit.«

Cridan grinste.

»Du hast ja Recht«, gab er zu. »Außerdem – wenn man seine Eifersucht und seinen Jähzorn weglässt, ist er ein anständiger Kerl. Ich kann ihn eigentlich sogar ganz gut leiden.«

Inth Silia schmiegte sich dichter an ihn. »Na also. Vermutlich findet er dich auch gar nicht so unausstehlich, wie er immer tut.«

»Meinst du?« Cridan hob eine Braue, sah auf sie hinab – und war sich auf einmal ihrer Finger sehr bewusst, die über seine Brust strichen. Ihre Wange lehnte warm an seiner Schulter. Ein zarter, köstlicher Duft stieg von ihr auf, kitzelte seine Nase und ließ seine Eingeweide brennen.

»Silia«, begann er zögernd. »Was tust du hier eigentlich?«

Sie blickte ihn mit einer Mischung aus Spott und Herausforderung an. »Du bist doch sonst so klug«, sagte sie leise. Ihre Stimme war rauer als sonst. »Was meinst du, was ich hier tue?«

Cridan spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Götter, sie war so unglaublich schön – schöner noch als ihre Mutter, schöner als alles, was er je in seinem Leben gesehen hatte, und seit sie kein Kind mehr war, hatte er es noch stärker gespürt als zuvor. Sie war mit ihm aufgewachsen, war so vertraut wie eine echte Schwester, und doch… Die Gefühle, die in ihm aufwallten, hatten mit geschwisterlicher Liebe rein gar nichts mehr zu tun.

Mit einem Ruck schob er sie von seinem Bein und stand auf, hielt ihre beiden Hände fest.

»Du gehst zu weit, Silia«, murmelte er. »Wenn du nicht aufhörst, wirst du es nicht mehr kontrollieren können.«

Sie wand sich in seinem Griff, ohne sich wirklich um Befreiung zu bemühen.

»Wer sagt dir denn, dass ich es kontrollieren will?« gab sie zurück. »Sieh mich an: Ich bin kein kleines Mädchen mehr. Und du bist kein kleiner Junge mehr. Du bist ein Mann, bald sogar ein Krieger. Und ich weiß, was ich will. Ich will dich. Wenn du damit ein Problem hast, bitte«, sie zuckte die Achseln, »dann werde ich eben wieder deinen Bruder fragen. Er hatte nicht diese Scheu.«

»Was hat Guthrag damit zu tun?« fragte Cridan stirnrunzelnd. Es war noch nicht lange her, dass sein Vater und Guthrag zu Besuch gekommen waren. Sie hatten einige Tage auf dem Hof verbracht, bevor sie wieder abgereist waren.

Sie lachte glockenhell auf und legte blitzschnell seine Arme um sich. »Was Guthrag damit zu tun hat? Nichts – außer dass er ein Mädchen wie mich zu schätzen weiß.«

Er biss sich auf die Unterlippe. »Du bist… Du hast mit Guthrag…«

»Freilich.« Sie hob die Schultern. »Hin und wieder habe ich das Verlangen nach einem Mann, und er hat bereits Erfahrung. Als ich ihn neulich bei seinem Besuch hier sah… Er ist dir so ähnlich, Cridan, und doch ganz anders. Wenn du mich nicht willst, muss ich mir jemanden suchen, der genauso viel zu bieten hat.«

»Ich habe nicht gesagt, dass ich dich nicht will!«

»Worauf wartest du dann?« Sie sah ihn an. »Ich werde keine Ewigkeit hier stehen, bis du dich endlich entscheidest.«

Ein letztes Mal zögerte er, aber dann schlug er seine Bedenken in den Wind. Sie war hier, sie wollte ihn, und er wollte sie schon so lange, wie er sie kannte, gehörten ihr doch seine ersten und letzten Gedanken am Tag und so viele dazwischen.

»Du wirst keine Ewigkeit warten müssen«, sagte er entschieden, ließ sie los und fasste ihr Gesicht mit beiden Händen. Sie hob das Kinn und sah ihm in die Augen, als er sich über sie beugte und sie küsste.

Das Gefühl ihrer Lippen auf seinen war atemberaubend. Sie roch und schmeckte überwältigend, und als sie sich von ihm löste, sich umdrehte und ihn an der Hand hinter sich her zog, folgte er ihr widerstandslos.

Inth Silia führte ihn weg vom Haus, die steile Geröllwand hinauf und immer weiter nach oben, bis sie schließlich die Findlinge erreichten, die kreuz und quer über den Hang verstreut lagen. Hier ließ sie ihn los, setzte sich auf einen der großen Steine und schürzte auffordernd die Lippen.

»Was ist? Kommst du nun her oder muss ich dich holen?«

Cridan schüttelte langsam den Kopf.

»Nein«, sagte er leise, trat zu ihr und küsste sie erneut, bedeckte ihr Gesicht und ihre Hände mit Küssen. Eine Weile ließ sie es sich gefallen, doch dann rollte sie sich zur Seite, drückte ihn ein Stück zurück und sah ihn mit gerunzelter Stirn an.

»Wie lange willst du so weiter machen? Ich meine, das ist ja ganz nett, aber eigentlich bin ich für etwas anderes zu dir gekommen.«

Für einen Moment war er irritiert, doch dann hob er die Schultern.

»Wie du willst«, murmelte er.

Sie lächelte, richtete sich auf und zog sich mit wenigen Handgriffen die Kleider aus. Der Anblick ihres nackten Körpers in der Sonne und dazu ihr Duft ließen ihn schwindeln. Er spürte, wie hart seine Erregung zwischen seinen Schenkeln war. Als sie seinen Gürtel packte und ihm die Hose über die Knie nach unten schob, hätte er beinahe das Gleichgewicht verloren. Gerade noch rechtzeitig fing er sich.

Sie lachte, legte sich auf den Rücken und zog ihn zwischen ihre gespreizten Beine. Das reichte, um Cridans Denken aussetzen zu lassen: Mit einem kehligen Knurren rammte er sich mit der gesamten ungestümen Kraft seiner Jugend in sie hinein. Es war ein kurzer Akt, und als Cridan wieder zur Besinnung kam, wurde ihm bewusst, dass er sich ziemlich rücksichtslos verhalten hatte.

»Tut mir Leid«, sagte er betreten.

Inth Silia musterte ihn aus ihrer liegenden Position. Sie hatte die rechte Braue hochgezogen und schwieg einen Moment. Dann zuckte sie die Achseln. »Ich bin mir sicher, du bist noch nicht fertig«, bemerkte sie knapp.

Es dauerte einen Moment, bis er die Bedeutung ihrer Worte begriffen hatte, aber dann musste er lächeln. Als er sich jedoch über sie beugen wollte, um sie zu liebkosen, stieß sie ihn beinahe unwillig zurück.

»Oh, bei den Göttern, Cridan, ich dachte, das hättest du verstanden! Ich will vögeln – auf das Drumherum kann ich gerne verzichten!«

Cridan schluckte. Ihm wurde schmerzlich klar, dass er sich getäuscht hatte – nicht er hatte sie benutzt, es war genau umgekehrt. Und im selben Augenblick, in dem er das begriffen hatte, wusste er auch, dass er nichts dagegen tun würde. Er liebte dieses Mädchen, und wenn das der Preis war, um sie zu besitzen, dann würde er ihn zahlen.

»Gib mir einen Moment«, murmelte er, schloss die Augen und rief sich ins Gedächtnis, was es für ein Gefühl gewesen war, sie das erste Mal zu küssen, sie in den Armen zu halten, sich in ihr zu spüren. Gleichzeitig sog er tief die Luft ein, nahm ihren Duft wahr und lauschte auf die Antwort, die all das in ihm hervorrief.

Nur wenig später wand sie sich zuckend und stöhnend unter ihm, bis sich schließlich ihre Lust in einem langgezogenen Keuchen entlud. Alleine der Anblick ihres entrückten Gesichts und die Geräusche ihrer Erregung waren so aufreizend für ihn, dass er sich seinem zweiten Höhepunkt näherte. Doch da setzte sie sich auf, rutschte zurück, so dass er aus ihr hinaus glitt, und lächelte ihn an.

»Geht doch«, sagte sie fast ein wenig spöttisch, angelte nach ihren Kleidern und begann, sich wieder anzuziehen.

Cridan fand keine Worte. Er versuchte mühsam, seinen Atem und seinen Pulsschlag wieder unter Kontrolle zu bringen, während er zusah, wie sie in ihre Kleider stieg. Schließlich wandte sie sich zu ihm um.

»Ich bin dafür, dass wir das noch ein wenig üben«, schlug sie vor. »Aber für dein erstes Mal war es nicht so schlecht, wie ich befürchtet hatte.« Sie lachte, tippte ihm mit der Fingerspitze aufs Kinn und ging davon.

Cridan starrte ihr hinterher. Ein bitterer Geschmack breitete sich auf seiner Zunge aus, gesellte sich zu dem ziehenden Schmerz in seinen Lenden und der plötzlichen Kälte in seinem Inneren.

Langsam ließ er sich auf den Stein sinken und vergrub das Gesicht in den Händen. Ihre Ungerührtheit und die Achtlosigkeit, mit der sie ihn behandelt hatte, waren wie ein Stachel in seiner Seele. Und trotzdem… Wenn er die Augen schloss, sah er sie vor sich, wie sie sich ihm hingab, wie sie genoss, was er in ihr tat.

Im gleichen Maße, wie er begriff, dass er sich in sie verliebt hatte, begriff er auch, dass es das Schlimmste war, was er machen konnte, wenn er sich von ihr benutzen ließ – und dass er doch nichts anderes tun würde.

Dämonentreue

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