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5. Kapitel – Der Fall des ficha'thar
ОглавлениеCridan staunte nicht schlecht, als sie die Siedlung erreichten, die ihr erster längerer Halt auf dieser Reise sein sollte. Er hatte etwas erwartet wie die Siedlungen, in denen sie die letzten Nächte geschlafen hatten, aber dies hier war eine richtige kleine Stadt. Überall waren T'han T'hau: große und kleine, alte und junge, Kinder, Männer und Frauen, die ihrer Arbeit oder anderen Beschäftigungen nachgingen. Er sah Schmiedefeuer, Schneidereien, Töpfer, etliche Viehhändler, Warenverkäufer, Stände mit Fleisch, Obst und Fisch und noch vieles mehr.
Neugierig sah er sich um.
»Beeindruckend, nicht wahr?« bemerkte Skatarhak lächelnd.
Cridan nickte. »Ja, das ist es. Warum lebst du nicht hier? Hier gibt es doch alles, was man sich vorstellen kann!«
Skatarhaks Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen.
»Da hast du Recht, Junge, hier gibt es wahrlich alles. Aber auch nur unter dem wachsamen Auge Mithrats und seiner Männer. Was hier passiert, ist ein offenes Buch für den Herrscher Gantuighs. Nein, da bevorzuge ich die Abgeschiedenheit meiner heimlichen Bleibe in den Bergen. Wobei ich offiziell hier ein Haus bewohne. Aber ich bin so viel unterwegs… Niemand könnte genau sagen, wo ich wann bin. Das ist der Vorteil.«
Cridan schwieg nachdenklich. Er wusste, dass Gantuighs Herrscher Mithrat die T'han T'hau als seine stärkste Heeresmacht gründlich überwachen ließ – es war Bestandteil seines Unterrichts gewesen, auch die politische Lage seiner Heimat zu erlernen und zu verstehen. Dennoch hatte er bisher nur Gruppen gekannt, die außerhalb dieser Überwachung lebten. Jetzt sah er zum ersten Mal eine der großen Siedlungen, und es war ihm nur schwer begreiflich, wieso man einen solchen Vorteil, wie sie ihn hier hatten, nicht öfter nutzen sollte. Soweit er von Khal'atra, Maret'kar und Skatarhak erfahren hatte, oblagen ihnen keine zusätzlichen Steuern oder Pflichten, abgesehen von den Geburtenregistern, die sie führen mussten. Aber das, fand Cridan, war ein geringer Preis für die Annehmlichkeiten, die eine solche Stadt bot. In den Bergen ein Paar neue Stiefel zu bekommen, das war eine Angelegenheit von Wochen oder Monaten, wenn man sie nicht selbst aus dem Leder einer Bergziege anfertigen wollte, und wer einen Kessel oder eine anständige Pfanne besaß, konnte sich glücklich schätzen. Teure Tücher oder gar Schmuckstücke aus Gold und Silber, wie er sie hier an vielen T'han T'hau sah, waren Güter, die sie in seiner Heimat nicht besessen, ja, an die sie nicht einmal gedacht hatten.
Das Stadthaus, in dem Skatarhak wohnte, war riesig, und als sie in seinem Innenhof aus dem Sattel rutschten, eilten mehrere junge T'han T'hau herbei, um ihnen Pferde und Gepäck abzunehmen.
»Nun«, sagte Skatarhak und machte eine einladende Geste, »lasst uns die Behaglichkeit dieser Behausung genießen, wenn wir schon einmal hier sind. Cer'thrat, rufe ein paar Diener und sieh zu, dass sie uns etwas zu essen und zu trinken in die Halle bringen, bevor die ersten Bittsteller da sind. Ach ja, und lass die Zimmer für euch alle herrichten. Rothmar, du holst die Listen. Maret'kar, Cridan, ihr kommt schon mal mit mir.«
Cridan folgte ihm gehorsam.
Das Innere des Hauses beeindruckte ihn sogar noch mehr: Weitläufige Räume schlossen sich an breite Korridore an, und überall waren großzügige Fenster, die das Licht hereinließen. Staunend sah er sich um und versuchte, die vielen Eindrücke, die auf ihn einstürmten, zu sortieren. In der Halle, die sie schließlich betraten, hatte man in das Fenster an der Stirnseite farbige Glasflächen eingelassen, die bunte Muster auf den hellen Steinfußboden malten. Am Ende des Saals stand ein hoher Stuhl, dessen hölzerne Armlehnen mit kostbaren Schnitzereien verziert waren. Skatarhak steuerte direkt darauf zu und nahm Platz.
Maret'kar legte Cridan eine Hand auf die Schulter und schob ihn zu den Tischen, die am Rand des großen Raumes standen. Dort drückte er ihn auf eine Bank.
»Ich werde später an Skatarhaks Seite stehen«, sagte er schroff und setzte sich neben ihn. »Du wirst hinter mir bleiben, ganz gleich, was geschieht. Du wirst nicht vortreten, du wirst nichts sagen, du wirst dich nicht bewegen, du wirst nicht einmal laut atmen, verstanden?«
Cridan nickte etwas verwirrt. »Selbstverständlich. Was wird denn passieren?«
Maret'kar zuckte die Achseln.
»Die Bittsteller kommen. Recht wird gesprochen. Nicht mehr. Ein alltägliches Geschäft, aber häufig genug alles andere als alltäglich. Und deshalb rate ich dir, dich an das zu halten, was ich dir sagte.«
Sie aßen hastig von dem, was ihnen die Diener brachten, dann nahm Maret'kar in seiner üblichen Haltung neben Skatarhak Aufstellung: die Beine gespreizt, die Arme vor der Brust verschränkt und den Kopf erhoben. Cridan stellte sich schräg hinter ihn, so dass er an ihm vorbei in die Halle sehen konnte. Cer'thrat und Rothmar standen rechts und links der Eingangstür. Nach und nach sammelten sich auch alle anderen, die in Skatarhaks Anwesen hier in der Stadt lebten, und schließlich gab Skatarhak den beiden T'han T'hau neben der Tür einen Wink.
Rothmar öffnete die Tür. Davor warteten, so schien es Cridan, unendlich viele T'han T'hau, die nach vorne drängten, sobald Rothmar aus dem Weg getreten war.
»Einer nach dem anderen«, fuhr er sie an, »oder ihr könnt gleich wieder gehen!«
Ein wenig widerstrebend formierten sich die Wartenden in eine lange Schlange, die sich Skatarhaks Sitz näherte. Als die ersten etwa zehn Schritte vor ihm waren, hob Skatarhak die Hand, und die T'han T'hau blieben stehen.
»Genug«, sagte Skatarhak leise, aber sehr bestimmt. »Das reicht. Wer ist der erste?«
»Das wäre ich, mein König«, erwiderte der vorderste T'han T'hau in der Reihe, machte einen Schritt vor und ging auf die Knie.
»Dein Name«, fragte Skatarhak, »und dein Anliegen?«
»Ich bin Thildan«, antwortete der Mann. »Und ich habe eine Bitte an dich. Meine Gefährtin trägt ein Kind. Ich bitte dich, sie in deiner Gruppe aufzunehmen, bis sie niedergekommen ist, und sie und das Kind dann in eine geeignete Familie zu geben.«
Skatarhak neigte sich ein wenig nach vorne. »Wird es ein starkes Kind sein?«
Thildan nickte. »Sehr stark, mein König. Wenn du dich selbst davon überzeugen willst… Ich habe sie mitgebracht.«
»Sie soll vortreten«, befahl Skatarhak.
Eine T'han T'hau löste sich aus den hinteren Reihen und kam zu ihnen. Ihr gewölbter Bauch ließ keinen Zweifel daran, dass sie ein Kind trug. Skatarhak stand auf und winkte sie heran. Gehorsam trat sie zu ihm. Er neigte sich vor, und Cridan hörte, wie er tief die Luft einsog. Dann nickte er langsam.
»Ich werde deiner Bitte nachkommen. Sie soll bis nach der Anhörung warten. Wir werden einen Platz für sie und euer Kind finden.«
Der T'han T'hau verneigte sich dankbar, dann verließ er gemeinsam mit seiner Gefährtin die Halle. Der nächste in der Reihe rückte vor.
»Mein König«, sagte er ehrerbietig und deutete eine Verbeugung an, »ich bitte um Hilfe. Meine Gefährtin und ich sind für Mithrat das ganze Jahr unterwegs gewesen und haben die Ernte nicht einbringen können. Wir brauchen Unterstützung, sonst werden wir den Winter nicht überleben.«
Skatarhak stützte den Kopf in die Hände. »Ihr und wer noch seid gegangen, um Mithrats Wünsche zu erfüllen?«
»Nur wir«, entgegnete der T'han T'hau ruhig. »Es ist uns gelungen, ihn mit wenig Einsatz zufriedenzustellen.«
»Dann ist es Aufgabe der Gemeinschaft, euch im Gegenzug zu helfen«, bestimmte Skatarhak. »Jede Familie wird euch für drei Tage Vorräte geben und eine Arbeitskraft für einen Tag. Damit solltet ihr genug haben.«
»Ich danke«, lächelte der T'han T'hau und zog sich zurück. »Das ist eine weise Entscheidung.«
Cridan war ein wenig überrascht, mit welchen Anliegen die T'han T'hau zu ihrem König kamen. Etliche baten ihn darum, ihre schwangeren Gefährtinnen oder ihre neugeborenen Kinder aufzunehmen, andere wiederum trugen ihm ihre eigenen Töchter oder sogar Frauen als Bettgefährtin für die Zeit seines Aufenthaltes an, wieder andere berichteten über Unglück in ihrer Familie, schlechte Ernten oder andere Missgeschicke, unter deren Folgen sie litten und Hilfe bedurften. Skatarhak entschied stets so, dass die Gemeinschaft sich untereinander helfen sollte; Frauen und Kinder nahm er ausnahmslos an und befahl, dass sie bis zum Ende der Anhörung warten sollten, bevor er endgültig entscheiden würde, was mit ihnen geschah.
Als diese Fälle alle geklärt waren, wurde eine Pause eingelegt, in der sie etwas essen und trinken konnten. Cridan brannten tausende Fragen unter den Nägeln, aber Maret'kar bedeutete ihm mit einer raschen Geste zu schweigen.
Diener räumten den Tisch ab, Skatarhak nahm wieder auf seinem Stuhl Platz, Maret'kar und Cridan neben ihm, dann rief Cer'thrat diejenigen herein, die um Rechtsprechung baten.
Die ersten beiden T'han T'hau traten vor, und einer von ihnen eilte sofort auf Skatarhak zu.
»Es ist unerhört, mein König«, begann er, »mein Nachbar beschuldigt mich des Diebstahls an seiner Kuh! Ich…«
Skatarhak hob die Hand und unterbrach seinen Redeschwall.
»Immer mit der Ruhe«, brummte er, winkte dem anderen T'han T'hau und machte eine auffordernde Geste mit der Hand. »Berichte, was vorgefallen ist.«
»Gerne, mein König«, nickte der Mann und verneigte sich ehrfürchtig. »Die Weide meiner Rinder liegt nahe an seiner. Ich weiß genau, dass ich ein Dutzend Kühe auf die Weide getrieben habe, und er lediglich sieben Kühe grasen hatte. Als ich mein Vieh nach Hause holen wollte, hatte ich nur noch elf Kühe, er aber acht. Dennoch behauptet er, es seien alles seine Kühe.«
»Ich habe nichts weiter getan als die Kühe nach Hause geholt, die auf meiner Weide standen«, widersprach der T'han T'hau, der als erster gesprochen hatte. »Ich habe nicht gestohlen, und schon gar keine Kuh!«
Skatarhak lehnte sich zurück und warf Maret'kar einen Blick zu. Der ficha'thar hob kaum merklich die Schultern.
»Ich meine, er lügt«, murmelte er halblaut.
»Ich auch«, gab Skatarhak ebenso leise zurück. »Aber ich will ihn überführen, nicht entlarven. Cridan, was würdest du tun?«
Cridan sah ihn überrascht an. »Ich?«
Skatarhak nickte. »Wie würdest du diesen Fall lösen?«
Cridan dachte scharf nach, dann kam ihm eine Idee. »Eine Kuh ist wertvoll, nicht wahr?«
Der König neigte zustimmend den Kopf. »In der Tat, ja, eine Kuh ist wertvoll.«
»Dann wird ihr Besitzer sie kennen«, fuhr Cridan fort. »Er wird wissen, welche Kuh ihm fehlt, und sie beschreiben können. Befragt die beiden, und dann entscheidet, wem die Kuh gehört.«
Skatarhak hob anerkennend die Brauen. »Das ist ein ungewöhnlicher, aber kluger Einfall«, murmelte er, lächelte und wandte sich wieder an die beiden T'han T'hau.
»Nun denn, wenn du also meinst, die Beschuldigung sei zu Unrecht erfolgt, dann beschreibe mir deine acht Kühe, die auf dieser Weide gestanden haben.«
»Beschreiben?« Der T'han T'hau lachte auf. »Braun-weiße, wie sonst, alle acht. Die eine mehr, die andere weniger. Aber alle braun-weiß, wie aus einer Familie.«
Skatarhak nickte, scheinbar nachdenklich, und sah dann den zweiten T'han T'hau an. »Wie sah die Kuh aus, die dir gestohlen wurde?«
»Das ist einfach zu beantworten«, entgegnete der T'han T'hau mit einem Lächeln. »Ihr Name ist Bilta, und sie ist in der Tat eine Braun-Weiße, aber mit auffälliger Färbung und auffälligem Haar. Die Stirnlocke ist nach links gekräuselt statt nach rechts wie bei den meisten unserer Kühe, und darunter hat sie einen halbmondförmigen weißen Fleck, der nach unten über die gesamte Breite der Nase ausläuft. Alle vier Beine sind weiß bis auf das rechte Hinterbein, an dem ein brauner Fleck ist, der ausschaut, als habe man sie auf der Hinterbacke mit Bratensoße bekleckert, die dann am Bein herabgelaufen ist. Ihr Rücken ist ganz braun, kein weißer Fleck kreuzt die Mittellinie. Ihre Halsfärbung ist rechts…«
»Das genügt«, unterbrach Skatarhak ihn mit einer knappen Handbewegung. »Ich denke, wir alle würden die Kuh wiedererkennen, falls sie uns über den Weg laufen sollte.«
Er sah den ersten T'han T'hau scharf an.
»Willst du noch etwas hinzufügen?«
Der Mann war sichtlich nervös.
»Mein König… Jetzt, wo er es so genau sagt… Ich meine, es kann vielleicht sein, dass ich mich getäuscht habe… Dass ich mich verzählt habe.«
»Getäuscht? Verzählt?« wiederholte Skatarhak langsam. »Ich rate dir, bei der Wahrheit zu bleiben. Hast du die Kuh gestohlen?«
»Ich… Nein«, begehrte der T'han T'hau auf, »ich habe sie nicht gestohlen. Nur… vielleicht mitgenommen, als sie unter meinen Kühen stand?«
»Er lügt«, sagten der zweite T'han T'hau, Maret'kar und auch Cridan wie aus einem Mund.
Skatarhak nickte. »In der Tat. Er lügt. Die Kuh soll ihrem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden. Und was den Dieb angeht… Er ist nicht nur ein Dieb, sondern auch ein Lügner. Er hat es gewagt, seinen König anzulügen, selbst als die Wahrheit schon offen vor ihm lag und er nur noch hätte zugreifen müssen.«
Er atmete scharf aus.
»Du«, er winkte dem zweiten T'han T'hau, »kannst gehen. Hol dir dein Vieh zurück. Einer meiner Männer wird dich begleiten.«
Der Mann nickte dankbar. Rothmar trat vor, wartete, bis er sich zu ihm umgedreht hatte, und ging dann mit ihm davon.
Skatarhak machte eine ungeduldige Geste. »Maret'kar, walte deines Amtes. Diebstahl und Lüge sind zu bestrafen.«
Der ficha'thar nickte, löste sich aus seiner starren Haltung und ging auf den Mann zu. Vom anderen Ende der Halle kam Cer'thrat zu ihnen. Er packte die Arme des verurteilten T'han T'hau und zog sie auf seinen Rücken.
»Nein!« schrie dieser auf. »Nicht doch! Ich wollte nicht…«
Maret'kar legte ihm die Hand um die Kehle und schnürte ihm mit kräftigem Druck die Luft ab.
»Halt's Maul«, sagte er grob. »Wenn du schon nicht wie ein Mann die Wahrheit sagen kannst, dann nimm wenigstens deine Strafe hin wie einer!«
Er winkte Cridan zu sich. »Komm her, Junge. Von hier hast du den besten Blick.«
Cridan gehorchte sofort, und während Maret'kar den röchelnden T'han T'hau losließ, stellte er sich neben ihn. Cer'thrat trat dem Verurteilten in die Kniekehle. Ächzend brach dieser zu Boden.
Maret'kar zog den Dolch aus seinem Gürtel.
»Sperr dein Maul auf«, befahl er.
Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Reihen der weiteren T'han T'hau, als der Angesprochene Ober- und Unterkiefer aufeinander presste, offensichtlich fest entschlossen, sich dem Befehl zu widersetzen.
Maret'kar knurrte unwillig, nahm den Dolch zwischen die Zähne und packte mit beiden Händen zu.
Cridan biss sich unwillkürlich auf die Unterlippe. Maret'kar war alles andere als schwach, aber er war auch alt. Der T'han T'hau, den er bestrafen sollte, war ein Mann im besten Alter, muskulös und stark, und der Kraft, mit der er sich zur Wehr setzte, konnte Maret'kar nicht mehr genug entgegensetzen. Cridan sah, mit welcher verzweifelten Anstrengung er versuchte, den Mund des Mannes zu öffnen, und zugleich wusste er, dass er es nicht schaffen würde – und was das für Maret'kar bedeutete:
Er würde sein Gesicht verlieren… und vielleicht noch mehr als das.
»Unwürdiger Strolch«, stieß er so plötzlich hervor, dass alle einschließlich Maret'kars zusammenzuckten, »du bist einer Bestrafung durch die Hand von Skatarhaks ficha'thar doch gar nicht würdig! Ein Mann wie er wird sich mit dem Blut eines Feiglings nicht die Finger besudeln!«
Er drängte Maret'kar kurzerhand zur Seite, packte mit der Linken den Unterkiefer des Mannes und schob die Rechte in seine Wangentasche. Er stieß rücksichtslos bis zum Gelenk vor, drängte seine Finger hinter den letzten Zähnen zwischen die Kiefer und stemmte sie auf. Der T'han T'hau keuchte vor Schmerz, doch Cridan ignorierte es und griff beherzt mit links zu, die scharfen Zähne, die sich nur Millimeter von seinen Fingern entfernt befanden, vermeidend. Er zog seine Rechte erst zurück, als er die Zunge des Mannes sicher gepackt und herausgezogen hatte.
»Gut so, Junge«, brummte Maret'kar und drückte ihm den Dolch in die Hand. »Mach weiter.«
Cridan dachte nicht mehr nach. Er spürte die Blicke aller auf sich ruhen, wusste, dass Skatarhak ihn scharf beobachtete – und führte das aus, was Maret'kar ihn als Bestrafung für Lüge gelehrt hatte.
Ein gurgelnder Schrei entrang sich der Kehle des T'han T'hau. Cer'thrat stieß ihn grob nach vorne. Hustend und würgend spuckte der Mann Blut auf den Fußboden.
Cridan ließ die abgeschnittene Zunge neben ihn auf die Fliesen fallen, wischte die Klinge am Wams des T'han T'hau ab und trat einen halben Schritt zurück. Sein Herz hämmerte in seiner Brust.
Was hatte er getan?
Mühsam zwang er sich zur Ruhe und wandte sich an den ficha'thar.
»Verzeih mir«, sagte er und reichte die schmale Waffe mit demütig gesenktem Kopf an Maret'kar zurück, »aber ich konnte nicht mit ansehen, wie du dich mit einem solchen Weichling abgibst. Das ist deiner nicht würdig.«
Der alte T'han T'hau nickte wortlos, dann warf er einen Blick über die Schulter zu Skatarhak. Dieser beantwortete die stumme Frage mit einer knappen Geste seiner Hand und den Worten:
»Die Rechte. Als zusätzliche Strafe für seine Feigheit.«
Cer'thrat bedeutete Cridan, die rechte Hand des Mannes zu packen und sie nach vorne zu ziehen. Das schrille Pfeifen von Maret'kars Klinge heulte durch die Halle, und einen Herzschlag später gesellte sich eine abgetrennte Faust zu der Zunge.
Cer'thrat ließ den stöhnenden T'han T'hau los, richtete sich auf und ging zu seinem Platz an der Tür, als wäre nichts gewesen. Maret'kar schob die blutbesudelte Waffe wieder in den Gürtel, legte Cridan eine Hand auf die Schulter und trat mit ihm zurück an Skatarhaks Seite.
Zwei Diener eilten zu dem am Boden Knienden und schleiften ihn aus der Halle, während ein dritter Hand und Zunge einsammelte und notdürftig das Blut vom Boden wischte.
Skatarhak wartete, bis der Platz vor seinem Stuhl wieder halbwegs sauber war, dann schnippte er auffordernd mit den Fingern: »Wer ist der Nächste?«
Cridan verfolgte alle Fälle mit noch größerer Aufmerksamkeit als zuvor. Es half ihm, seine Gefühle und Gedanken zu kontrollieren, und es verriet ihm viel über seinen König.
Skatarhaks Urteile waren von gnadenloser Härte, aber niemals ungerecht. Er schien nicht gewillt, Milde walten zu lassen – und wenn Cridan sich die Männer und Frauen ansah, die vor ihn traten, dann war das vermutlich auch seine Absicht. Die T'han T'hau waren ein zähes, unnachgiebiges Volk, jeder einzelne stolz bis zum Starrsinn. Es brauchte einen starken, unerbittlichen König, um sie zu beherrschen, und mehr als einmal mussten die Diener an diesem Tag den Fußboden von Blut reinigen.
Als der letzte Fall entschieden war und sich die Halle allmählich leerte, stand Skatarhak auf und reckte sich.
»So«, sagte er gutgelaunt, »jetzt will ich mir doch einmal ansehen, welche Frauen auf mich warten. Rothmar, Cer'thrat, kümmert ihr euch darum, wohin die Schwangeren und Kinder gehen? Teilt sie einfach auf. Ach ja, und Maret'kar – auf ein Wort.«
Der ficha'thar trat zu seinem König und dieser sprach leise mit ihm. Maret'kar nickte schweigend.
Skatarhak lächelte, legte ihm eine Hand auf die Schulter und ging dann aus der Halle. Rothmar, Cer'thrat, Maret'kar und Cridan blieben zurück.
Der ficha'thar öffnete den Waffengürtel um seine Hüften und reichte ihn mitsamt der beiden Schwerter, dem Dolch und den Messern darin an Cridan. »Säubern und Scharten auswetzen«, befahl er knapp.
Cridan neigte stumm den Kopf und wollte sich zum Gehen wenden, als Cer'thrat ihn noch einmal zurückhielt: »He, Cridan?«
Als er stehenblieb und ihn fragend ansah, nickte der T'han T'hau ihm zu: »Saubere und schnelle Arbeit, Junge. Du wirst einmal ein guter ficha'thar sein.«
»Danke«, murmelte Cridan, dann eilte er aus der Halle. Er glaubte, Maret'kars Blick wie ein scharfes Messer in seinem Nacken zu spüren.
Selbst wenn niemand sonst es mitbekommen haben mochte – Cer'thrat hatte Maret'kars Schwäche gesehen, ebenso wie Skatarhak es gemerkt haben musste. Die Tage des alten ficha'thar waren gezählt, und niemand wusste das besser als er selbst.
Skatarhak ließ sich in den nächsten Stunden nicht mehr blicken. Als Cridan beim Abendessen nach ihm fragte, lachte Cer'thrat laut auf.
»Der ist beschäftigt, Junge. Wenn ich mich nicht grob verzählt habe, waren es mehr als zwei Dutzend Frauen, die auf ihn gewartet haben. Das braucht seine Zeit.«
Er grinste. »Und Skatarhak wird sich diese Zeit gerne nehmen. Wir können uns glücklich schätzen, wenn er morgen früh wieder für uns ansprechbar ist. Aber keine Sorge, er ist wählerisch. Eine Frau muss für ihn bereit sein oder sehr schön, damit er sie in sein Bett nimmt. Es bleiben immer genug für uns. Als ficha'thar des Königs hast du, was das angeht, fast ebenso viele Privilegien wie der König selbst. Wenn du Lust hast, geh nach vorne und such dir eine aus. Du bist jung und dazu noch ein hübscher Kerl, für dich wird sich mit Sicherheit eine interessieren. Tu dir nur selbst einen Gefallen und nimm nicht eine, die zur Empfängnis bereit ist. Die gehören Skatarhak. Es ist eine Ehre für jede Familie, ein Kind von königlichem Blut aufzuziehen, und Skatarhak ist nur zu bereit, jedem, der will, diese Ehre zukommen zu lassen. Manchmal«, er lachte, »auch Familien, die nicht ausdrücklich diesen Wunsch äußern.«
Cridan runzelte die Stirn. »Und woher soll ich wissen, welche Frauen das sind?«
Cer'thrats Grinsen wurde noch breiter. Er klopfte sich an die Nase. »Das riecht man, mein Junge, das riecht man. Ist dir das noch nie aufgefallen?«
Cridan hob etwas verunsichert die Schultern.
»Bei Marud'shat und Inth Silia habe ich nichts bemerkt, und Ruhara… Sie ist Skatarhaks Gefährtin. Und Khal'atra ist zu alt.«
»Stimmt«, bemerkte Cer'thrat lachend. »Na gut. Du würdest es wahrscheinlich von ganz alleine merken, aber ich komme lieber mit, bevor ich Skatarhak erklären muss, warum sein Ziehsohn ungefragt seine Äcker pflügt.«
Einen Moment lang war Cridan versucht, seiner Aufforderung nachzukommen, doch dann dachte er an Inth Silia und schüttelte den Kopf.
»Danke. Das ist freundlich von dir, aber ich muss ablehnen.«
»Ablehnen?« Cer'thrat sah ihn überrascht an. »Weshalb? Du willst mir doch wohl nicht erzählen, dass du dir nichts aus Frauen machst! Oder ist es wegen Skatarhaks Tochter?«
Cridan zögerte kurz, bevor er nickte.
Cer'thrat kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum, dann beugte er sich näher zu ihm.
»Du bist wirklich noch jung, Cridan, und wie mir scheint, bist du diesen Dingen noch nicht häufig begegnet. Und dass Maret'kar dir davon erzählt hat, bezweifle ich. Also hör zu: Wir T'han T'hau halten nicht viel davon, unser Bett nur mit einem einzigen zu teilen. Als Gefährten oder Gefährtin, ja, da erwählen wir uns nur einen oder eine, aber unser Bett teilen wir, mit wem es uns beliebt. Da sind die Frauen nicht anders als wir Männer. Wir suchen uns für unseren Samen die stärkste Frau, und sie suchen sich für ihren Schoß den stärksten Mann, den sie finden können. Das ist so, und das ist mit ein Grund dafür, warum unser Volk so mächtig ist. Ich will dir nichts verheimlichen, es gibt T'han T'hau, die einander die Treue in jeder Beziehung halten, aber das ist sehr selten. Inth Silia ist Skatarhaks Tochter. Wenn sie nur einen Funken von ihm geerbt hat, wird sie sich nicht in Enthaltsamkeit üben, während sie auf dich wartet. Und selbst wenn sie das tun sollte, wird sie von dir nicht dasselbe erwarten. Sie ist eine T'han T'hau, und sie wird wissen, wie wir sind. Sie hat eine kluge Mutter und eine noch klügere Großmutter. Du bringst dich selbst nur um eine Menge Spaß und Erfahrung, wenn du dich deiner Natur und deiner Lust versagst. Letztlich«, er zuckte die Achseln, »ist es deine Entscheidung, aber ich rate dir, dich nicht für Inth Silia aufzuheben. Im Zweifel wartet dann nämlich nur eine Enttäuschung auf dich.«
Cridan schwieg einen Moment. Er dachte an Inth Silia und an ihre Worte. Sie hatte ihm auf den Kopf zu gesagt, dass er nicht der erste Mann in ihrem Bett gewesen war. Sie hatte mit Guthrag geschlafen – mit ihm auf jeden Fall. Er hatte nicht nachgefragt, ob er der einzige andere gewesen war, aber irgendwie hatte er das auch nicht angenommen. Warum scheute er sich davor, das gleiche Recht in Anspruch zu nehmen?
Die Antwort war einfach, und er gab sie sich noch im selben Atemzug: weil er sie liebte.
Und doch hatte Cer'thrat Recht. Inth Silia würde vielleicht auf ihn warten, aber ihr Bett würde mit Sicherheit nicht kalt bleiben.
»Die meisten Frauen wissen Erfahrung im Bett auch durchaus zu schätzen«, bemerkte Cer'thrat beinahe beiläufig und mit einem Seitenblick auf ihn. »Mehr jedenfalls als einen blutigen Anfänger. Das mag ja ganz nett sein, aber nichts geht über einen Mann, der weiß, wie man eine Frau zu behandeln hat, um ihr höchste Lust zu verschaffen.«
»Ich nehme an, du hast Recht«, murmelte Cridan. »Wahrscheinlich mit allem, was du sagst.«
Cer'thrat lachte. »Wahrscheinlich? Na los, gib dir einen Ruck! Jetzt habe ich so viel darüber geredet, jetzt habe ich auch Lust, mich unter den Frauen umzusehen. Komm schon! Du kannst es dir ja immer noch anders überlegen, wenn du wirklich nicht willst. Aber alleine zur Feier des Tages hättest du es verdient – deine erste Vollstreckung!«
Cridan hob unbehaglich die Schultern. Doch je länger er darüber nachdachte, desto mehr glaubte er Cer'thrats Worten.
»Na gut, ich komme mit«, stimmte er zu. »Aber ich habe mich noch nicht entschieden.«
»Musst du auch nicht«, feixte Cer'thrat. »Bleibt mehr Auswahl für mich.«
Er legte ihm eine Hand auf die Schulter und schob ihn vor sich her.
Sie durchquerten die Halle und betraten einen kleinen Nebenraum, in dem etliche T'han T'hau warteten. Es waren ausnahmslos Frauen. Sie saßen in kleinen Grüppchen zusammen, redeten und lachten, doch als die beiden hereinkamen, verstummten die Gespräche, und alle Köpfe wandten sich ihnen zu.
Cridan musste ein Keuchen unterdrücken. Die Luft im Raum war warm und stickig, aber das war es nicht, was ihn nach Luft schnappen ließ. Vielmehr war es der Geruch, der von den Frauen ausging: Heiß und verlockend war er, entfachte auf der Stelle ein Feuer in seinem Unterleib.
Cer'thrat trat ohne Scheu mitten zwischen die T'han T'hau, und Cridan zog er kurzerhand mit sich. Neugierige Blicke folgten ihnen.
»He«, sagte eine der Frauen plötzlich, »schaut mal! Das ist doch der hübsche Kerl, der Friggat die Zunge abgeschnitten hat!« Sie stand auf, legte den Kopf auf die Seite und sah ihn aufmerksam an. »Du hast mich beeindruckt. Wie heißt du?«
»Cridan«, antwortete er zögernd.
Sie grinste. »Warum so schüchtern? Als du das Messer in der Hand hattest, warst du doch auch nicht zurückhaltend. Du würdest mir gut gefallen. In den engeren Kreis komme ich bei Skatarhak sowieso nicht, fürchte ich. Er nimmt heute nur die, die überaus bereit sind, und da ist bei mir noch Zeit. Ich wollte nur ein wenig Spaß.«
Sie trat nahe an ihn heran, musterte ihn unverhohlen von oben bis unten und sah ihm dann in die Augen.
»Oh ja«, murmelte sie. »Du würdest mir wirklich gefallen.«
Cridan erwiderte ihren Blick. Sie war nicht besonders hübsch, aber ihm gefiel das Funkeln in ihren goldenen Augen und das Lächeln, das immer noch ihre Mundwinkel umspielte. Und sie roch ansprechend. Nicht ganz so erregend wie viele der anderen, aber immer noch ausgesprochen angenehm.
Cer'thrat gab ihm einen auffordernden Knuff in die Rippen, und Cridan nickte. Mit einem kleinen, zufriedenen Lachen hakte sich die T'han T'hau bei ihm ein.
Sie hieß Miloka, erfuhr er später, und sie machte es ihm so leicht, dass er rasch seine anfängliche Unsicherheit überwand. Sie war etliche Jahre älter als er, doch sie gab ihm nicht das Gefühl, ein Junge zu sein, ganz im Gegenteil: Sie nahm ihn ernst. In dieser einen Nacht mit ihr lernte er mehr, als er jemals geglaubt hätte – über Frauen, aber vor allem über sich selbst.
Im ersten Licht des Morgens erhob sie sich aus seinen Armen und kleidete sich wieder an.
»Ich danke für diese Nacht, ficha'thar«, sagte sie leise, der Blick aus ihren goldenen Augen freundlich und ernst zugleich. »Wenn wir uns eines Tages wiedersehen sollten, würde ich mich über eine erneute Geste deiner Aufmerksamkeit freuen. Du bist ein erstaunlicher Mann, Cridan, stark, mutig und so vieles mehr. Ich bin überzeugt, dass du es noch weit bringen wirst. Bleib dir selbst treu, so wie du es heute Nacht warst. Die T'han T'hau, die dich einst als Gefährten gewinnen kann, darf sich glücklich schätzen. Leb wohl.«
Sie lächelte ihm noch einmal zu, dann wandte sie sich zum Gehen.
Cridan sah ihr nach, dann gähnte er herzhaft, rollte sich herum und vergrub das Gesicht noch einmal in den Kissen, bevor er die Beine aus dem Bett schwang.
Das Frühstück war in der großen Halle angerichtet worden. Zu seinem Erstaunen saß Skatarhak nicht auf seinem Thron am Kopfende des Tisches, sondern hatte sich zwischen Maret'kar und Cer'thrat gesetzt und langte mit großem Appetit zu.
Er sah auf, als Cridan an den Tisch trat. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
»Hattest du eine angenehme Nacht?«
Cridan grinste zurück. »Ich kann nur für dich hoffen, dass deine Nacht annähernd so angenehm war wie die meine«, gab er zurück.
»Ha!« Skatarhak brach in schallendes Gelächter aus. »Hör sich einer den Knaben an! Da steckt er das erste Mal seinen Schwanz in eine richtige Frau und meint schon, er kann große Töne spucken!«
Schlagartig wurde er wieder ernst.
»Aber du hast es dir verdient. Ohne dich hätte mein ficha'thar gestern keinen besonders guten Tag gehabt. Und deshalb wirst du von nun an die eine oder andere Bestrafung direkt selbst ausführen. Ich überlasse Maret'kar die Entscheidung, welche Bestrafungen das sein werden. Lass dir aber gesagt sein, dass er nur auf einen Fehler von dir wartet.«
Cridan verkniff sich ein Lächeln. »Das ist nichts Neues«, bemerkte er, setzte sich auf die Bank und griff nach dem Brot, Maret'kars Blick wohlweislich ignorierend. »Mich würde mehr interessieren, wie es weitergeht.«
Skatarhak wiegte den Kopf.
»Wir werden heute Mittag weiter reiten. Hier haben wir alles erledigt, was zu erledigen war, und ich muss sagen, ich bin mit dem gestrigen Tag sehr zufrieden. Auch mit dir, Cridan. Du hast deine Sache gut gemacht.«
Cer'thrat lachte und schob sich einen großen Bissen Pökelfleisch in den Mund.
»Ich muss sagen, du beeindruckst mich immer wieder«, sagte er kauend zu seinem König. »Niemand hätte gedacht, dass der aufgeschossene Junge von damals zu so etwas«, er deutete mit seinem Messer auf Cridan, »heranwachsen würde. Niemand – außer dir. Woher wusstest du es?«
Skatarhaks Blick wanderte zu Cridan und ruhte für eine lange Weile auf ihm. Cridan fühlte sich unbehaglich. Es war ihm nicht Recht, dass sie über ihn sprachen, als wäre er nicht einmal anwesend.
»Es ist in seinen Augen«, antwortete der König schließlich leise. »Ich habe es erkannt, als ich ihn das erste Mal ansah. Was immer auch noch in ihm stecken mag, seine Größe, seine Kraft, seine Klugheit, sein makelloses Aussehen… Es ist nur eine nette Dreingabe. Sieh ihm in die Augen, Cer'thrat, und du wirst verstehen. Selbst Maret'kar hat es begriffen.«
Der alte T'han T'hau schnaubte verächtlich, warf sein Messer auf den Tisch und stand so ruckartig auf, dass er beinahe seinen Becher umgeworfen hätte. »Mit Verlaub, mein König, ich gehe packen!«
Mit einem wütenden Blick auf Cridan wandte er sich um und stapfte aus der Halle.
Rothmar, der neben Cridan saß, seufzte halblaut. »Dein ficha'thar verträgt es nicht besonders gut, dass du einen anderen ebenso sehr schätzt wie ihn, was?«
Erneut traf Cridan ein langer Blick aus Skatarhaks goldenen Augen.
»Ich schätze ihn nicht ebenso sehr wie Maret'kar«, sagte er endlich und wechselte das Thema: »Esst in Ruhe zu Ende, und dann lasst uns aufbrechen. Mich hat die Reiselust gepackt!«
Sie sahen ihm hinterher, als er die Halle verließ, dann tauschten sie Blicke.
»Wenn ich dir einen Rat geben darf, Junge«, brummte Rothmar und klopfte Cridan auf die Schulter, »halte heute ein wenig Abstand zu Maret'kar.«
Cer'thrat nickte in schweigender Zustimmung.
Cridan zuckte die Achseln. »Ich habe keine Angst vor ihm.«
Rothmar schnitt eine Grimasse. »Darum geht es nicht. Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben. Du stehst unter Skatarhaks Schutz, und niemand wäre so dumm, dir etwas antun zu wollen. Aber mach es Maret'kar nicht noch schwerer. Er ist ein guter Mann.«
»Das weiß ich«, entgegnete Cridan. »Ich weiß es! Was meinst du, warum ich gestern verhindern wollte, dass er sein Gesicht verliert?«
Rothmar warf Cer'thrat einen raschen Blick zu, und dieser lächelte.
»Das hast du auch gut gemacht. Es hat sein Ansehen vor allen Anwesenden gerettet, außer vor denen, die ihn kennen. Und dazu zählen vor allen Dingen er selbst und Skatarhak. Verstehst du, Maret'kar ist sein ficha'thar, und er hat sich ihm mehr verschrieben als jeder andere von uns. Er war immer derjenige, der Skatarhak am nächsten stand, und wie Rothmar schon sagt: Er ist ein guter Mann, und er hat ein gutes Ende verdient. Behalte das einfach im Hinterkopf. Es wird der Tag kommen, an dem du dich an meine Worte erinnern wirst.«