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6. Kapitel – Die Strafe für Verrat

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Die nächsten Wochen waren für Cridan ein einziges großes Abenteuer. Sie ritten von Siedlung zu Siedlung, von Stadt zu Stadt. Überall lernte er nicht nur neue T'han T'hau und ihre Art zu leben kennen, sondern erfuhr auch mehr und mehr über die Arbeit eines ficha'thar, wenn er mit dem König reiste. Er war Vertrauter und Berater in einem, übernahm Aufgaben, für die Skatarhak die Lust oder die Zeit fehlte – vor allem aber war er für die Vollstreckung von Skatarhaks Urteilen zuständig.

Dabei hielt Maret'kar sich an Skatarhaks Anweisung und ließ regelmäßig mindestens eine der Strafen von Cridan ausführen. Es war nie die gleiche Bestrafung, und nach dem dritten Mal merkte Cridan, dass Maret'kar ihm zunehmend schwerere Strafen zuwies.

Er beobachtete Cridan dabei sehr genau, überwachte jeden Handgriff, jede einzelne Bewegung, und hinterher rief er ihn zu sich, ging mit ihm alles durch und erklärte ihm, wo er noch Fehler gemacht hatte oder wo er sich verbessern musste. Manches Mal schwieg er einfach nur und nickte knapp, wenn Cridan fragte, ob er es richtig durchgeführt hatte. Ein Lob kam ihm jedoch nie über die Lippen.

Cridan störte sich nicht daran. Er kannte es nicht anders von Maret'kar, und das anerkennende und stolze Lächeln, mit dem Skatarhak ihn danach stets ansah, war für ihn mehr als genug Lob, ließ ihn jede scharfe oder auch verächtliche Kritik von Maret'kar schweigend annehmen, und verlieh ihm auch die Kraft, die oftmals blutigen und von Schreien oder Flüchen der Bestraften begleiteten Vollstreckungen durchzuführen. Nach und nach gewöhnte er sich sogar daran.

Zudem trat Skatarhak ihm immer mindestens eine seiner Bettgefährtinnen ab, die für seinen Geschmack nicht bereit oder nicht schön genug war, und so sammelte Cridan auch hier seine Erfahrungen, gute wie schlechte.

Alles in allem gefiel ihm das Leben, wie er es führte, über die Maßen, und er hätte es ewig weiterführen können.

An einem Abend, als sie eigentlich schon alles für die Weiterreise am nächsten Tag vorbereiteten, flogen plötz­lich die Türen ihrer Herberge auf, und ein T'han T'hau stürzte herein. Draußen regnete es, und von seinen Schuppen lief das Wasser in glänzenden Bächen.

»Wo ist Skatarhak?« keuchte er. »Es ist dringend!«

Alle sahen sich alarmiert an. Skatarhak war mit einer der Frauen verschwunden, das wussten sie.

Schließlich zuckte Maret'kar die Achseln. »Was soll's?« knurrte er. »Hab ihn schon viel zu lange nicht mehr stören müssen.«

Mit diesen Worten ging er los, um den König zu holen.

Der fremde T'han T'hau trat unruhig auf der Stelle, und als Maret'kar nur kurze Zeit später zusammen mit Skatarhak wiederkam, warf er sich auf ein Knie nieder und streckte Skatarhak seine Hände entgegen.

»Verzeih mir, mein König, aber ich konnte sie nicht aufhalten! Falja hat die Listen gestohlen und will damit nach L'hunival! Ich habe versucht, sie festzuhalten oder einzuholen, aber sie hat sich ein Pferd gestohlen und ist…«

»Genug«, unterbrach Skatarhak ihn. »Rothmar, Cer'thrat! Auf die Pferde! Verfolgt sie und bringt sie her! Sofort! Nehmt Cridan mit. Ich will die Verräterin hier sehen. Auf der Stelle!« Die letzten Worte kamen so scharf, dass alle zusammenzuckten.

Die drei T'han T'hau rannten in den Stall. Der Fremde folgte ihnen. In fliegender Hast sattelten sie die Pferde, zerrten sie in den Regen hinaus und schwangen sich auf ihre Rücken.

Der fremde T'han T'hau ritt vorweg. Die Sonne war noch nicht untergegangen, aber durch die dichte Wolkendecke drang trotzdem nur ein spärlicher grauer Schimmer, und der Regen, der weiterhin in Strömen fiel, machte die Sicht noch schlechter.

»Wohin?« rief Rothmar und trieb seinen stämmigen Falben schneller voran.

»Es gibt bloß einen Weg nach L'hunival«, schrie der fremde T'han T'hau zurück. »Sie kann nur über die Straße geritten sein!«

Cridan duckte sich tief über den Hals seines Pferdes. Es war nicht sein eigenes Reittier, sondern das, was ihm als erstes in die Finger gekommen war, und jetzt war er froh darüber. Sein kurzbeiniger Falbe war nicht im mindesten zu vergleichen mit diesem Pferd: Groß und schlank war der Dunkelbraune, und unter seinen mächtigen Galoppsprüngen flog das Pflaster nur so dahin. Er war viel schneller als die anderen und dabei so trittsicher, als ritten sie über eine flache Ebene und nicht über regennasse Steine.

Mit einer Hand wischte er sich die Tropfen aus dem Gesicht, mit der anderen klopfte er dem Pferd aufmunternd den Hals: »Lauf, mein Braver! Lauf schneller!«

Der Braune schnaubte und zuckte kurz mit den Ohren, dann senkte er den Kopf tiefer und verlängerte seine Sprünge noch mehr. Der große Körper streckte sich immer weiter, die gewaltigen Muskeln unter ihm arbeiteten gleichmäßig in ihrem rasenden Takt, der sie schneller und schneller davontrug, die anderen weit hinter sich lassend. Das Pferd schien keine Anstrengung zu spüren. Vielleicht nahm er nicht einmal mehr den Reiter auf seinem Rücken wahr. Alles in dem Tier schien darauf konzentriert, die Hufe sicher zu setzen und so schnell wie möglich voranzukommen.

Das ist Freiheit, ging es Cridan plötzlich durch den Kopf, wahre Freiheit!

Was würde geschehen, wenn er einfach immer weiter ritt, Skatarhak und alles hinter sich ließ, um dieses einzigartige Gefühl, das ihn berauschte, auszukosten und für immer festzuhalten?

Einen Herzschlag später lachte er über seine eigenen Gedanken. War er denn verrückt? Er hatte den besten Platz auf Erden, den man sich wünschen konnte! Für nichts und niemanden auf der Welt würde er das aufs Spiel setzen!

Sie jagten dahin. Längst hatten sie die anderen so weit hinter sich gelassen, dass er sie weder sehen noch hören konnte. Die Dämmerung zog herauf und trübte die ohnehin schlechte Sicht weiter, Regentropfen und die nasse Mähne seines Pferdes peitschten ihm ins Gesicht, der Wind trieb ihm die Tränen in die Augen – und dann sah er sie: Wenige hundert Meter vor ihm ritt jemand in ebenso waghalsigem Galopp wie er, nicht mehr als eine dunkle Gestalt in den Schleiern des Regens. Doch Cridans Pferd war um einiges schneller, holte mit jedem Sprung auf und machte rasch Boden gut.

Als sie bis auf wenige Meter herangekommen waren, drehte sich die T'han T'hau im Sattel des Pferdes vor ihm um. Sie fluchte lauthals und schlug ihrem Pferd die Fersen in die Flanken. Das erschöpfte Tier keilte halbherzig nach hinten aus, wurde aber nicht schneller.

Cridan riss das Schwert aus dem Gürtel.

»Halt an«, schrie er. »Ich kriege dich sowieso!«

Sie warf erneut einen Blick über die Schulter zurück und schien zu begreifen, dass er Recht hatte. Sie brachte ihr Pferd zum Stehen.

Cridan zügelte seinen Braunen neben ihr, die Waffe gezogen, aber nicht erhoben.

»Du hast verloren«, sagte er. »Gib auf.«

»Aufgeben?« Falja lachte schrill. »Wozu sollte ich das tun? Und warum?«

»Weil wir dich ohnehin zurück zu Skatarhak bringen«, erwiderte er.

Falja zog ihr Schwert.

»Du bist ein mutiger Junge«, knurrte sie. »Mutig, aber dumm. Ich werde Skatarhak deinen Kopf schicken, und dann werde ich mit deinem Pferd weiter reiten. Es ist offensichtlich schneller als das meine.«

»Komm und hol es dir!« forderte Cridan sie auf.

Er war mit einem Mal ganz ruhig, nahm alles um ihn herum mit überdeutlicher Klarheit wahr: das kalte Metall der Waffe in seiner Hand, das Rauschen des Regens und das Schnauben der Pferde, das leise Schaben von seinem eigenen Schuppenkleid und das Knirschen des Leders unter seinen Schenkeln. Ihre goldenen Augen, die ihn mit einer Mischung aus Entschlossenheit, Geringschätzung und Neugier anblickten, die tiefblauen Schuppen an ihrem Nasenrücken, der feste Griff, mit dem sie ihre Waffe gepackt hielt. Er roch den Regen, das nasse Pflaster unter ihnen, den Schweiß der Pferde, und über allem lag ihr Geruch, herausfordernd und stark.

Ohne ein weiteres Wort griff sie ihn an. Cridan tauchte unter der pfeifenden Klinge hinweg, riss sein Pferd herum und führte sofort einen Gegenschlag. Sie konnte erst im letzten Moment ausweichen, knurrte unwillig und stach nach ihm.

Cridan drehte sich ein Stück zur Seite, ließ die Waffe ins Leere gehen und schlug direkt oberhalb ihrer Klinge zu – einmal, zweimal. Um seiner raschen Attacke zu entgehen, warf sie sich rückwärts. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und stürzte vom Pferd. Sie drehte sich im Fallen, rollte über die Schulter ab und kam wieder auf die Füße, das Schwert hoch erhoben.

Cridan sprang aus dem Sattel. Er hielt seine Waffe quer vor die Brust und wartete auf ihren Angriff. Seine Geduld wurde auf keine harte Probe gestellt: Falja sprang vor, wirbelte auf ihn zu.

Der junge T'han T'hau zögerte keinen Augenblick. Jetzt zeigte sich, wie gut der Unterricht tatsächlich gewesen war, den er in den letzten Jahren genossen hatte – und wie gut er selbst war.

Blitzschnell war er unter der Klinge, an der sich heulend und jaulend die Luft teilte, hinweg, unterlief sie und rammte der T'han T'hau im Hochkommen die Schulter in den Leib. Falja taumelte. Er wollte nachsetzen, doch mit einem wilden Schwinger trieb sie ihn zurück.

»Du bist gar nicht schlecht, Junge«, keuchte sie.

»Nicht schlecht ist keine passende Beschreibung«, gab Cridan zurück. »Ich bin gut. Zu gut für dich.«

Sie fauchte wütend, riss die Waffe hoch und drang erneut auf ihn ein.

Cridan wehrte ihre Hiebe beinahe mühelos ab, und dann gelang es ihm, einen Treffer auf ihrer Schulter zu landen. Knirschend rutschte seine Klinge über ihren Schuppenpanzer und hinterließ eine tiefe, blutende Furche. Falja wich nicht zurück, sondern kämpfte verbissen weiter, hieb und stach auf ihn ein, ohne ihn treffen oder zurückdrängen zu können: Cridan war zu schnell, hatte für jeden ihrer Angriffe eine passende Parade bereit und fand dennoch die Zeit, seinerseits Gegenangriffe zu führen, die immer öfter ihr Ziel trafen.

Hufschläge näherten sich, und dann verhielten Rothmar, Cer'thrat und der dritte T'han T'hau ihre Pferde bei ihnen.

»Auseinander«, befahl Rothmar. Doch Falja lachte nur und hieb mit verstärktem Ingrimm auf Cridan ein, der sich davon weiterhin nicht beeindrucken ließ.

»Ich sagte, auseinander!« Rothmar machte Anstalten, aus dem Sattel zu rutschen, doch Cer'thrat legte ihm die Hand auf den Unterarm.

»Lass nur«, sagte er. »Lass Cridan es zu Ende bringen. Es macht auf mich nicht den Eindruck, als müssten wir eingreifen oder als bräuchte er unsere Hilfe.«

Rothmar brummte unwillig, doch er blieb sitzen und beobachtete wie Cer'thrat den Kampf.

»Bei allen Göttern«, rief Cridan, während er einem ihrer Hiebe auswich und seinerseits einen Treffer in ihre Rippen landete, unter dessen Wucht ihre Schuppen zersplitterten, »hör auf, Falja! Du hast doch keine Aussicht, diesen Kampf zu gewinnen!«

Falja zog sich ein Stück zurück, hielt inne und sah ihn an.

»Mag sein, dass du Recht hast«, keuchte sie, von der Anstrengung außer Atem. »Aber gerade deshalb werde ich nicht aufhören. Ich habe nichts zu verlieren, weißt du? Ich kann nur gewinnen, wenn ich euch töte und mir die Flucht gelingt. Wenn ich aufhöre zu kämpfen, bin ich tot. Skatarhak wird mich hinrichten lassen, und darauf kann ich dankend verzichten. Dann sterbe ich lieber hier und jetzt. Auch wenn es die Schande bedeuten muss, mich von einem Jungen töten zu lassen, der erst noch darauf wartet, ein Mann zu werden.«

»Cridan«, sagte Cer'thrat warnend, »komm nicht auf dumme Ideen. Skatarhak will sie lebend!«

»Ich hatte nicht vor, sie zu töten«, entgegnete Cridan.

»Du wirst es müssen«, zischte Falja, »oder selbst sterben!« Und mit diesen Worten stürzte sie sich auf ihn.

Sie kämpfte mit dem Mut einer Berglöwin und mit all der Kraft, die ihr die Verzweiflung gab. Cridan ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Sie war ihm unterlegen, das spürte er in jeder Faser seines Körpers, und er würde sie zu Skatarhak zurückbringen, ob sie das nun wollte oder nicht.

Mit einer fast nachlässigen Bewegung seines Schwertes prellte er ihr schließlich die Waffe aus der Hand, trat ihr die Beine unter dem Leib weg und warf sich auf sie. Seine eigene Klinge ließ er fallen, umschlang Falja blitzschnell und presste ihr so die Arme mit seinen eigenen an den Leib.

»Ich werde dich nicht töten, Verräterin«, zischte er in ihr Ohr, während er sie trotz ihres erbitterten Widerstands am Boden hielt. »Ich werde dich zurückbringen zu deinem König! Zu dem, dem du Treue und Gehorsam geschworen und dem gegenüber du diesen Schwur gebrochen hast. Ihm allein steht zu, über dich zu richten. Du kannst dich fügen oder nicht, wie es dir beliebt. Aber ich bringe dich zurück!«

Falja stieß einen Schrei voller Wut und Verzweiflung aus, bäumte sich auf und versuchte, ihm in den Hals zu beißen. Cridan stieß sie grob zurück. Er ließ ihre Arme los, aber nur, um sie an der Schulter zu packen und bäuchlings auf das nasse Pflaster zu werfen. Sie zog die Beine an den Körper, versuchte auf die Füße zu kommen, doch er war sofort über ihr, verdrehte ihr den rechten Arm auf dem Rücken und rammte ihr sein Knie ins Kreuz. Ächzend ging sie wieder zu Boden.

»Steh auf und komm mit«, befahl er.

»Niemals!« fauchte sie. »Ich bin eine T'han T'hau, und ich werde niemals aufgeben!«

»Dann werde ich dich dazu zwingen«, erklärte er trocken, packte fester zu und kugelte ihr den rechten Arm aus, wie Maret'kar es ihm gezeigt hatte. Ihr Schrei war noch nicht verklungen, da hatte er ihr bereits den linken Arm gebrochen.

»Und wenn ich dir jeden einzelnen Knochen im Leib zertrümmern muss«, knurrte er, »und dich hinter meinem Pferd zurück schleife – ich bringe dich zu Skatarhak!«

»Das genügt«, mischte Cer'thrat sich ein. »Hol sie auf die Füße, Junge.«

Cridan gehorchte nur widerwillig. Er wollte das hier allein zu Ende bringen! Er konnte es, und er wollte es. Oh ja, er wollte es! Der Kampf hatte etwas in ihm geweckt, etwas Dunkles und Gieriges, das triumphierend aufgeschrien hatte, als sie am Boden lag. Es hämmerte mit dem Blut in seinem Kopf, und es schrie nach mehr.

Cer'thrat glitt aus dem Sattel, trat zu ihm und musterte ihn über die Schulter der T'han T'hau hinweg. In seinen Augen blitzte Anerkennung und… beinahe so etwas wie Furcht, stellte Cridan erstaunt fest.

Mit einem Steigbügelriemen fesselten sie die T'han T'hau und banden sie im Sattel fest. Rothmar wollte nach den Zügeln des Tieres greifen, doch Cer'thrat schüttelte den Kopf und wies auf Cridan.

»Sie ist seine Gefangene. Er hat sie eingeholt, er hat sie besiegt – er wird sie zurückbringen.«

»Ach«, knurrte Rothmar unwillig und warf Cridan die Zügel zu, »du hast schon genauso einen Narren an ihm gefressen wie Skatarhak. Ich frage mich, was ihr bloß an diesem Burschen findet!«

»Das bleibt meine Sache«, erwiderte Cer'thrat unbeeindruckt. »Aber Tatsache ist nun einmal, dass es ihm zusteht. Oder willst du das in Zweifel stellen?«

Rothmar murmelte eine unverständliche Antwort, schüttelte knapp den Kopf und schwang sich wieder auf sein Pferd. Dann machten sie sich auf den Rückweg.

Skatarhak stand in der Tür des Stallgebäudes und sah ihnen entgegen. Sein Gesicht verriet nichts, als er Cridan beobachtete, der seine Gefangene vom Pferderücken zog und sie zu ihm schob. Er warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu, dann trat er zur Seite und bedeutete ihm, mit der T'han T'hau ins Haus zu kommen. Cridan gehorchte.

Cer'thrat und Rothmar folgten ihm.

»Erzählt«, forderte Skatarhak sie auf, als sie in der großen Stube waren.

»Gibt nicht viel zu erzählen«, erwiderte Cer'thrat und zuckte die Achseln. »Cridan ist geritten, als wäre er im Sattel geboren, hat sie eingeholt, überwältigt und zurückgebracht.«

Über Skatarhaks Gesicht flog ein ebenso ungläubiges wie erfreutes Lächeln. »Cridan hat…«

»Er hat«, bestätigte Cer'thrat und grinste. »Du hättest dabei sein sollen, es hätte dir gefallen.Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, der Junge ist wahrhaftig dein Sohn!«

Skatarhak legte Cridan eine Hand auf den Nacken. Er sagte nichts, aber das war auch nicht nötig: Cridan wusste, was diese Geste bedeuten sollte, und es machte ihn unbeschreiblich stolz.

»Nun zu dir, Falja.« Skatarhaks Stimme war hart geworden. »Warum verrätst du mich und dein Volk?«

»Ich verrate mein Volk nicht«, entgegnete sie. Sie hatte den Kopf gehoben und starrte Skatarhak halb zornig, halb trotzig an. »Meine Treue gilt Gantuigh und allem, was dazu gehört. Ist das bei dir auch so?«

Skatarhak lächelte, aber es war ein kaltes Lächeln. »Falja, du kannst dir nicht mal vorstellen, was ich für Gantuigh alles tun würde.«

»Doch«, sagte sie wütend, »das kann ich. Ich habe gesehen, was du tust, und ich kann mir eine Menge vorstellen. Mithrat ist Gantuighs Herrscher, nicht du, und er ist ein guter Herrscher. Gantuigh geht es gut unter ihm, besser als je zuvor, und damit uns allen. Er duldet uns nicht nur, er fördert uns, er lässt dir freie Hand. Was mehr willst du noch? Warum belügst du ihn, warum versteckst du uns vor ihm und den Menschen? Wir alle sind Gantuighs Kinder!«

Skatarhak hob die Hand, legte sie ihr unters Kinn und sah sie an.

»In manchen Dingen hast du Recht«, antwortete er leise. »Wir alle sind Gantuighs Kinder, aber wir sind nicht gleich. Die T'han T'hau haben nicht die gleichen Rechte wie die Menschen, nicht die gleichen Freiheiten, aber sie haben dennoch ihre Pflichten ihnen gegenüber. Oh, meine ehrliche Treue gilt Gantuigh, Falja, dessen kannst du dir sicher sein, und was ich tue, dient nur diesem einen, dem einzigen Ziel: Gantuigh. Aber es liegt nicht in deinem Ermessen, welche Taten dafür angebracht sind und welche nicht. Du hast mir Treue und Gefolgschaft geschworen als deinem König, so wie ihr alle. Und diesen Schwur hast du gebrochen. Das ist Verrat. Und für Verrat gibt es nur eine Strafe.«

Er machte eine kurze Pause.

»Cridan, geh und hol Maret'kar. Er soll alles vorbereiten. Ich will die Strafe noch heute Abend vollstreckt sehen.«

Cer'thrat kam wortlos zu ihm und übernahm die Gefangene, so dass Cridan dem Befehl nachkommen konnte. Er fand Maret'kar in ihren Schlafräumen, wo er über eine Straßenkarte gebeugt da saß. Er sah auf, als Cridan den Raum betrat.

»Ihr habt sie also gefunden«, sagte er.

Cridan nickte. »Gefunden und zurückgebracht. Du sollst die Vollstreckung der Strafe vorbereiten, sagt Skatarhak. Er will sie noch heute Abend gerichtet sehen.«

Maret'kar starrte einen Moment lang stumm auf den Boden, dann blickte er Cridan an.

»Du hast sie zurückgebracht, nicht wahr?«

Cridan nickte überrascht. »Ja. Woher…«

»Ich sehe es in deinem Gesicht, Junge«, unterbrach Maret'kar ihn und erhob sich. »Gut. Willst du die Vollstreckung durchführen?«

»Ich?« Cridan sah ihn ungläubig an. »Das ist…«

»Eine große Sache, ja.« Erneut ließ Maret'kar ihn nicht ausreden. »Aber du hast gelernt, was dazugehört, weißt, wie es gemacht wird.«

Cridan zögerte einen Moment. Sollte er Maret'kars Angebot annehmen?

Doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Ich danke dir, Maret'kar, aber nein. Verrat ist eine Sache, die nur vom König selbst oder von seinem ficha'thar gerichtet werden kann. Es gebührt sich nicht, dass ich es tue.«

Maret'kar lächelte ganz leicht. »Schreib mir die Worte des Urteils auf, wie ich sie dich gelehrt habe, und sage mir, wie es zu machen ist.«

Cridan trat an den Tisch, nahm die Feder auf, die darauf lag, und schrieb in schwungvollen Lettern das Urteil nieder. Dann wiederholte er, was Maret'kar ihm über die Durchführung dieser Hinrichtung beigebracht hatte.

»So ist es«, nickte der ficha'thar. »Bring mir meine Werkzeuge.«

Gehorsam öffnete Cridan die Satteltaschen und entnahm ihnen die zwei Messer, die für gewöhnlich in Maret'kars Gürtel steckten und nur für die Zeit, in der sie reisten, anders verstaut wurden: Eins war schmal, mit einer kurzen, dünnen und sehr scharfen Klinge, das andere war gebogen, breiter, aber nicht minder scharf. Er betrachtete sie einen Moment, dann reichte er sie Maret'kar.

Der ficha'thar neigte dankbar den Kopf. »Lass uns gehen. Skatarhak wird bereits warten.«

Atemlos vor Erregung folgte Cridan ihm. Er wusste, was jetzt kommen würde, hatte es aber noch nie gesehen. Es war das härteste und grausamste Urteil, das man fällen konnte, und bei dem Gedanken daran, was gleich geschehen würde, durchfuhr ihn eine seltsame Mischung aus Unbehagen und Spannung.

Sie hatten Falja im größten Raum des Hauses an einen senkrecht gestellten Tisch gefesselt, die Arme ausgebreitet und die Beine gespreizt. Sie war nackt, und als Cridan genauer hinsah, konnte er an den Innenseiten ihrer Schenkel feucht glitzernde Spuren erkennen. In der Luft lag der Geruch, den er schon kannte und dem er jedes Mal begegnete, wenn Skatarhak mit einer Frau das Bett geteilt hatte.

Skatarhak musste sie vergewaltigt haben.

Einerseits fand Cridan die Vorstellung abstoßend: Sie war eine Verräterin, der letzte Abschaum unter allen, die Gesetze brachen – sich in eine solche Frau zu ergießen, füllte ihn mit Verachtung und Abscheu. Das war sie nicht wert.

Auf der anderen Seite spürte er eine Ahnung der Macht, die Skatarhak dabei empfinden mochte, in seinen Lenden prickeln.

Maret'kar verneigte sich ehrerbietig vor Skatarhak.

»Mein König«, sagte er leise, »ich stehe zu Diensten.«

Skatarhak neigte kurz den Kopf.

»So spreche ich das Urteil über Falja. Sie ist des Hochverrats und der Befehlsverweigerung für schuldig befunden. Richte sie.«

Maret'kar trat schweigend an Falja heran. Die T'han T'hau war blass im Gesicht, doch in ihren Zügen lag wilde Entschlossenheit. Und Cridan wusste, sie würde nicht schreien, betteln oder um Gnade flehen. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen, und sie trug die Konsequenzen ebenso bewusst wie zuvor ihren Entschluss.

Der ficha'thar schob das gebogene Messer hinter seinen Gürtel, das andere hielt er in seiner Rechten. Dann nahm er vor Falja Aufstellung, sah ihr in die Augen und sagte langsam und deutlich:

»Du bist nach unseren Gesetzen wegen Verrats zum Tode verurteilt. Mit diesem Urteil verlierst du das Recht, eine T'han T'hau zu sein. Du wirst verstoßen aus unserer Mitte und aus dem Leben.«

Während er diese Worte sprach, führte seine rechte Hand kräftige, gleichmäßige Schnitte auf ihrem Rumpf aus. Die scharfe, kurze Klinge hinterließ eine blutige Bahn, wo sie die Schuppen zerteilte und die Haut darunter durchtrennte. Je weiter er nach unten kam, umso feiner wurden die Schuppen, und umso tiefer grub sich das Messer in ihr Fleisch, schrieb das Urteil in blutigen Buchstaben auf ihren Leib.

Falja zitterte am ganzen Körper, aber sie gab nicht einen Laut von sich. Ihr Blick hatte sich in den von Maret'kar gebohrt.

Schließlich trat der ficha'thar einen halben Schritt zurück, legte das kleine Messer zur Seite und zog statt dessen die gebogene Klinge aus seinem Gürtel.

»Da du deinen König verrietst, wird es nur noch einen geben, dem du folgen wirst. Dein Herr heißt fortan Tod.«

Falja starrte ihn weiterhin an – und dann lächelte sie grimmig. »Ich werde mich ihm mit Freuden beugen«, sagte sie.

Maret'kar antwortete nicht, setzte die Klinge über ihrem Brustbein an und zog sie in einer einzigen kraftvollen Bewegung nach unten, zerteilte ihren Brustkorb und führte das Messer dann in einem weiten Bogen über ihren Bauch, kreuzte die tiefen Schnitte der Buchstaben und ließ die Eingeweide hervorquellen.

Cridan atmete langsam aus. Es musste – abgesehen von dem grauenhaften Wissen, dass einem die eigenen Gedärme aus dem Bauch drangen – entsetzlich schmerzvoll sein. Doch Falja schien es nicht zu spüren. Ihre Augen waren starr auf Maret'kar gerichtet, nicht ein Zucken veränderte ihre reglosen Züge, bis Maret'kar das gebogene Messer in die Linke nahm, es in ihren Leib einführte, das Zwerchfell zerteilte und mit der Rechten hineingriff. Da trat ein Ausdruck unendlicher Qual in ihre Augen. Sie verzerrte das Gesicht, blieb jedoch weiterhin stumm, ergab sich ihrem Urteil und dem Tod.

Und dann war es vorbei. Ihr Blick brach, ihr Kopf fiel nach vorn und ihre Gliedmaßen wurden schlaff.

Maret'kar öffnete die Faust, die er um ihr Herz geballt hatte, drehte sich um und ging vor Skatarhak in die Knie.

»Das Urteil ist vollstreckt, mein König.«

Skatarhak nickte.

»Was für eine Schande, eine solche T'han T'hau zu verlieren«, seufzte er leise. »Sie war mutig und tapfer, bis zum Schluss.«

»Fürwahr«, stimmte Maret'kar zu, stemmte sich in die Höhe und griff dankbar nach dem Tuch, das Cer'thrat ihm reichte, um sich daran die Hände abzuwischen. »Aber ein Verrat ist ein Verrat, und um so schlimmer, wenn ihn jemand wie sie begeht.«

»Damit hast du auch wieder Recht«, stimmte Skatarhak zu, lächelte und wedelte ungeduldig mit der Hand. »Nun lasst uns sehen, dass wir alles fertig machen und schlafen gehen. Morgen erwartet uns etwas Besonderes.«

»Etwas Besonderes?« Cridan blickte Skatarhak an. »Was denn?«

Skatarhak grinste und schlug ihm im Vorbeigehen kameradschaftlich auf die Schulter. »Du hast morgen Geburtstag, mein Junge!«

»Du hast Recht!« bemerkte Cridan verblüfft, nachdem er im Kopf rasch das Datum überschlagen hatte. »Das hätte ich vergessen.«

Der T'han T'hau grinste noch ein wenig breiter. »Ich nicht. Noch nicht ein einziges Mal. Ich habe ein gutes Gedächtnis für Geburtstage.«

Das stimmte. In den letzten sechs Jahren war Skatarhak nicht nur an jedem einzelnen Geburtstag von Tiko zu Hause gewesen. Tiko war Skatarhaks Erbe, und so hatte Cridan zunächst angenommen, dass Skatarhak ihm aus diesem Grund mehr Aufmerksamkeit schenkte, als dies bei Inth Silia und Marud'shat der Fall war. Doch auch an Cridan und seinen Geburtstag hatte er stets gedacht. Entweder war er an diesem Tag zu Hause gewesen und hatte ihm morgens sein Geschenk auf den Tisch gelegt, oder er hatte ihm, wenn er später kam, etwas mitgebracht: einen Schleifstein, ein neues Paar Stiefel, gehärtete Stahlkappen für seine Steigbügel, einen neuen Feuerstein oder ähnliche nützliche Dinge, an die man in den Bergen nicht so leicht kam.

Skatarhak schien die unausgesprochene Frage in seinen Augen zu lesen.

»Gib dir keine Mühe«, sagte er, »ich werde nicht ein Sterbenswörtchen verraten. Maret'kar, du räumst die Schweinerei hier auf. Und dann gehst du auch ins Bett.«

Dämonentreue

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