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Ein kurzer Überblick über die sechs Aspekte der Person

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Im ganzen weiteren Verlauf wird sich dieses Buch auf die Frage konzentrieren, wie diese Aspekte der menschlichen Person verändert und geistlich so umgestaltet werden können, dass der Mensch Christus ähnlicher wird. Doch zuerst wollen wir jeden einzelnen dieser Aspekte genauer betrachten und klären, wie sie zusammenwirken.

Denken. Denken macht uns Dinge auf unterschiedliche Weise bewusst, z.B. durch Wahrnehmung und Vorstellung. Es befähigt uns dazu, Dinge genauer zu betrachten und ihr Zusammenspiel zu erkennen. Denken macht es unserem Willen oder Geist möglich, sich weit über die Grenzen unserer unmittelbaren Umgebung hinaus zu bewegen. Denken ermöglicht es unserem Bewusstsein, sich durch Nachdenken, wissenschaftliches Überlegen, Vorstellungskraft oder Kunst in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu versetzen. Das Gleiche gelingt uns durch göttliche Offenbarung, die uns zumeist in der Form von Gedanken erreicht.

Gefühl. Durch unser Gefühl werden wir von Dingen, die uns in unseren Gedanken begegnen, angezogen oder abgestoßen. Es umfasst Freude oder Schmerz, Anziehung oder Ablehnung in Bezug auf das, womit wir uns in Gedanken beschäftigen – etwa wie wir zu bestimmten Speisen, Autos, Beziehungen, Haltungen und Hunderten von anderen Dingen stehen. Was wir als „Gleichgültigkeit“ oder „Indifferenz“ bezeichnen, beschreibt nie einen Zustand völliger Gefühllosigkeit, sondern einfach nur ein sehr schwach ausgeprägtes Gefühl, das in der Regel negativ ist. Die Verbindung zwischen Denken und Fühlen ist so eng, dass wir normalerweise davon ausgehen, dass unser Verstand sich aus Gedanken und Gefühlen zusammensetzt. Wenn wir den Verstand auf diese Weise betrachten, dann ist er natürlich ein sehr komplizierter Aspekt des Menschen. Es ist der Verstand, den Satan, der Fürst dieser Welt, unter seine Kontrolle bringen will, und seine großen Errungenschaften sehen wir in manischen Zwangsvorstellungen, Wahnsinn oder Besessenheit.

Wille. Man könnte den Willen auch als den Geist oder das Herz bezeichnen. Im Großen und Ganzen sind sie Teile des gleichen Aspekts des Menschen. Willenskraft und Entscheidungsfähigkeit sind Ausprägungen des Willens, also der Fähigkeit des Menschen, Dinge und Vorgänge in Gang zu setzen, etwas zu tun, was sonst nicht getan werden würde. Freiheit und Kreativität sind im Grunde zwei Aspekte derselben Sache, nämlich der Fähigkeit, Gutes oder Böses zu tun. Sie sind also ein Ausdruck des menschlichen Willens. Diese Fähigkeit hat nur der Einzelne. Freies Handeln bedarf bestimmter Bedingungen, doch die Bedingungen sind nicht die Handlung. Unser Handeln ist das Ergebnis unserer inneren Zustimmung zu den Bedingungen. Diese Reaktion auf unterschiedliche Situationen ist unser einzigartiger Beitrag zur Wirklichkeit. Sie gehört uns; wir sind sie wie nichts anderes sonst.

Ohne die innere Zustimmung gibt es keine Sünde, denn dieses „Ja“ ist einzigartig unser Beitrag. Der Gedanke an Sün- de ist keine Sünde, er ist noch nicht einmal eine Versuchung. Versuchung ist der Gedanke zusammen mit der Tendenz zur Sünde, die sich möglicherweise dadurch äußert, dass man bei dem Gedanken verweilt oder ihn bewusst sucht, ganz gleich, ob man das tut, was man sich in Gedanken vorstellt oder nicht. Sünde liegt erst dann vor, wenn wir innerlich bewusst in die Versuchung einwilligen.

An dieser Stelle ist Klarheit wichtig: Wir verfügen über Willenskraft und die Handlungen, die das Ergebnis dieser Willenskraft sind, formen den Geist in uns. In diesem begrenzten Sinn ist der Geist der innerste Kern unseres nicht-körperlichen Wesens. Nur Gott ist reiner Geist, reiner kreativer Wille und Wesen. Nur er kann wirklich sagen: Ich bin, der ich bin (2. Mo. 3,14). Er ist körperlose, personale Macht. Menschen verfügen nur über ein geringes Maß an personaler Macht in ihrem Zentrum. Doch dieses geringe Maß entscheidet darüber, wer sie sind und zu welcher Art von Person sie werden. Für uns bedeutet dies, dass es in erster Linie der Geist oder Wille ist, den wir in unserer geistlichen Formung erreichen und verändern müssen. In erster Linie muss der menschliche Wille eine Wesensveränderung durch Gott erfahren und so verändert muss er seine Herrschaft über die ganze Persönlichkeit ausweiten.

Folglich ist der Wille oder Geist das Herzstück des Systems Mensch. Aus diesem Grund sind in der biblischen Lehre das Gute und das Böse im Menschen eine Angelegenheit des Herzens. Gott sieht das Herz (Mk. 7,21) und den Geist (Joh. 4,23) an, wenn er sich dem Menschen zuwendet (1. Sam. 16,7; Jes. 66,2), und in ihnen erlaubt er uns, sich ihm zuzuwenden (2. Chr. 15,4; Jer. 29,13; Hebr. 11,6).

Denken, Fühlen und Wollen sind eng miteinander verbunden. Um eine Entscheidung zu treffen, muss man eine Sache oder irgendeinen Begriff vor Augen haben, dem man gefühlsmäßig zu- oder abgeneigt ist. Das ist offensichtlich. Weniger offensichtlich ist Folgendes: Was man denkt und fühlt, das kann und sollte bei einem kompetenten Erwachsenen die Folge einer Entscheidung sein. Wir sollten sehr genau darauf achten, womit sich unser Verstand beschäftigt oder welche Gefühle wir zulassen. Das wird im Allgemeinen verkannt. Wir sprechen von Gefühlen so, als seien sie uns von außen aufgezwungen und als hätten wir keine Möglichkeit, ihnen zu widerstehen. Menschen handeln fast immer aus dem Gefühl heraus. Der Wille ist dabei den Umständen ausgeliefert, die Gefühle hervorrufen. Doch in Wirklichkeit sind wir sehr aktiv daran beteiligt, welche Gefühle wir begrüßen und zulassen und wie wir mit ihnen umgehen. Dass wir bis zu einem gewissen Grad selbst wählen, was wir fühlen, ist entscheidend für die praktische Umsetzung von geistlicher Formung und Veränderung.

Körper. Der Leib ist der Brennpunkt unseres Daseins in der physischen Welt. Wir werden zu den Menschen, die wir sind, als körperliche Wesen. Im Körper findet unser Wille seine wichtigste Kraftquelle. Mit unserem Körper können wir Gott widerstehen, zumindest für eine gewisse Zeit. Dort erreichen uns die Reize der Außenwelt. Dort finden wir andere und werden gefunden.1

Persönliche Beziehungen sind untrennbar mit dem Körper verbunden. Auf der anderen Seite kann man den Körper ohne menschliche Beziehungen nicht verstehen. Der Körper ist in erster Linie sozial. Unser Körper ist stets ein Teil unserer menschlichen Identität. Ich bin und werde zum Beispiel für immer der Sohn von Maymie Joyce Lindesmith und Albert Alexander Willard sein. Mein von Gott gegebener Körper kam durch sie und sie versorgten mich mit den Beziehungen, dem sozialen und geistlichen Umfeld, das mich zu dem gemacht hat, der ich bin.

Wir leben aus unserem Körper. Wir haben bereits festgehalten, dass wir nicht nur aus unserem Willen leben. Unsere freien Entscheidungen, die zu unserem Charakter werden, sind tief in unserem Körper in seinem spezifischen sozialen Umfeld verwurzelt. Dort können sie sich mehr oder weniger automatisch entfalten, ohne dass wir darüber nachdenken müssen. Im Großen und Ganzen ist das eine sehr gute Sache. Stellen Sie sich vor, wie anstrengend es wäre, wenn Sie ständig darüber nachdenken müssten, was Sie tun, und Sie müssten sich bewusst jeden Handgriff überlegen, der nötig ist, um zum Beispiel ein Auto zu fahren. Der Grund dafür, dass wir etwas lernen oder eintrainieren, ist der, dass wir es beherrschen möchten, ohne darüber nachden- ken oder irgendwelche Entscheidungen treffen zu müssen. Der Körper ermöglicht das. Er hat ein Eigenleben.

Diese im Grunde gute Eigenschaft des Körpers, seine Fähigkeit zu einem Eigenleben, ist auch ein großes Problem für die geistliche Entwicklung und daher auch eines ihrer Hauptgebiete. Da er sich die Regeln einer Welt der Falschheit und des Bösen angeeignet hat, reagiert der Körper automatisch falsch, noch bevor wir darüber nachdenken. Das kann dazu führen, dass die wahren Absichten unseres Geistes oder Willens verkümmern, da der Körper ihnen stets zuvorkommt. Nicht ich selbst tue das Böse, sondern die Sünde, die in mir wohnt, sagt Paulus (Röm. 7,17). Denn, selbstsüchtig wie wir sind, wollen wir immer das Gegenteil von dem, was Gottes Geist will. Doch der Geist Gottes duldet unseren Egoismus nicht. Beide kämpfen gegeneinander, so dass ihr nicht ungehindert tun könnt, was ihr wollt (Gal. 5,17).

Doch gleichzeitig kann diese erstaunliche Fähigkeit des Körpers auch bedeuten, dass der Körper bei der Erneuerung unseres Lebens zum Verbündeten werden kann. Eine solche Veränderung im Bereich des Körpers ist, wie wir sehen werden, einer der Hauptangriffspunkte im Prozess der geistlichen Entwicklung. Der Leib an sich ist im biblischen Sinne nicht böse. Er mag von Bösem besetzt sein, doch kann er auch erlöst werden. Geistliche Formung ist ihrem Wesen nach ein körperlicher Vorgang. Sie kann nicht gelingen, solange sie nicht auch den Körper betrifft.

Soziales Umfeld. Das Ich braucht andere. Das ist nicht nur eine moralische Angelegenheit, nicht nur die Frage, wie wir mit anderen umgehen sollen, sondern vielmehr ein grundlegendes menschliches Bedürfnis.2

Der wichtigste „Andere“ für den Menschen ist Gott selbst. Denn alle wurzeln in Gott, ob sie es wollen oder nicht. Unsere Beziehungen zueinander können nicht isoliert von unserer Beziehung zu ihm betrachtet werden. Und unsere Beziehung zu ihm nicht isoliert von unseren Beziehungen zueinander. Sollte nun jemand behaupten: „Ich liebe Gott“, und dabei seinen Bruder hassen, dann ist er ein Lügner, sagt Johannes ohne Umschweife. Denn wie kann man Gott lieben, den wir doch gar nicht sehen, aber den Bruder hassen, der leibhaftig vor uns steht? (1. Joh. 4,20). Wir leben nur dann so, wie wir leben sollten, wenn wir in einer echten Beziehung zu Gott und zu anderen Menschen stehen. So sind auch die beiden größten Gebote zu verstehen, die zu Beginn dieses Kapitels zitiert wurden. Ablehnung ist ein Schwerthieb für unsere Seele. Ablehnung kriecht in unsere Seele und ist ein tödlicher Widersacher bei unseren Bemühungen um geistliche Erneuerung und Veränderung. Die Macht unserer persönlichen Beziehungen macht sie so unschätzbar wichtig für die Entwicklung unseres Geistes und unseres ganzen Lebens, sei es zum Guten oder Schlechten. Und natürlich ist unser Körper das Zentrum dieser Beziehungen.

Das Zusammenleben mit anderen, die soziale Dimension unseres Lebens ist allerdings ebenso untrennbar mit unseren innersten Gedanken, Gefühlen, unseren Entscheidungen und Handlungen verbunden. Sogar unsere Beziehung zu Christus, unserem Retter, Lehrer und Freund, hat ihren Platz in den sozialen Bedingungen unseres Lebens. Es ist wahr, dass es außerhalb der Kirche kein Heil gibt.

Seele. Die Seele ist die persönliche Dimension, die alle anderen Aspekte vereinigt, sodass sie ein einziges ganzes Leben bilden. Aus Sicht der Bibel beschreibt der Begriff Seele den tiefgründigsten Aspekt des Menschen.

Die Seele umfasst den ganzen Menschen; deshalb steht der Begriff „Seele“ häufig auch für „Mensch“. Früher bezeichnete man Menschen als „Seelen“, zum Beispiel „eine Gemeinde von zweitausend Seelen“. Doch die Seele ist natürlich nicht der ganze Mensch. Sie ist vielmehr der tiefste Aspekt der Person in Bezug auf das Funktionieren der Person als Ganzes. Wie der Körper kann auch die Seele ohne bewusste Steuerung funktionieren.

Die Seele ist vergleichbar mit einem Computer, der unbemerkt einen Fertigungsprozess steuert und nur dann bemerkt wird, wenn er nicht mehr richtig funktioniert oder für neue Aufgaben programmiert werden muss. Die Seele kann in beträchtlichem Ausmaß neu programmiert werden und auch das ist ein wichtiger Aspekt bei der geistlichen Formung eines Menschen.

Da die Seele eine derart wesentliche Rolle spielt und in gewisser Weise auch unabhängig von bewussten Prozessen funktioniert, redet die Bibel sie oft in direkter Weise an. Der Psalmist fragt: Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott; denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist (Ps. 42,6; L 84). Der reiche Dummkopf in Lukas 12 sagt zu seiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! (Lk. 12,19; L 84).

Doch bei aller Unabhängigkeit der Seele kann das Führungszentrum des Menschen, das Herz oder der Wille, ihre Ausrichtung mit Gottes Hilfe verändern und sie erneuern. Dies geschieht in erster Linie durch geistliche Übungen und andere Weisen der Gottesbegegnung. Die Seele kann nur intakt gehalten werden und funktionieren, wie sie soll, wenn sie in der Obhut Gottes bleibt.

Verwandle mein Herz

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