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„Arme-Sünder-Frömmigkeit“
ОглавлениеEs gibt noch einen weiteren Faktor, der Gemeinden davon abhält, sich auf ein geistliches Wachstum und eine persönliche Veränderung zu Christus hin zu konzentrieren. Es ist die weit verbreitete Ansicht, dass das schwache geistliche Leben unter ernsthaften Christen nur natürlich ist. Ja, man könne eigentlich gar nichts anderes erwarten, so traurig das auch sein mag. Nach dieser Auffassung sind die menschliche Natur, das Leben und die Welt im Grunde wertlos. Alle sind gleich schlecht und es sind nur die von Gott gesteuerten Umstände, die uns dazu bringen, uns unterschiedlich zu verhalten. Nach dieser Ansicht sind Heilige und Sünder in ihren Herzen gleich abscheulich.
Das ist die Sichtweise des „Dualismus“ oder auch der „Arme-Sünder-Frömmigkeit“. Sie beruht auf einigen Missverständnissen. Das erste ist die Überzeugung, dass der gottlose Zustand des menschlichen Herzens und Lebens, wie er in der Bibel beschrieben ist, untrennbar mit dem Menschen an sich verbunden ist und deshalb auch unser natürlicher Zustand bleibt, bis wir sterben. Diese Einstellung führt oft dazu, dass der Körper als lasterhaft gesehen wird und Heiligkeit bedeutet, diesen Körper möglichst wenig zu berücksichtigen. Eine genaue Prüfung der biblischen Quellen zeigt aber zum Glück, dass eine solche Sichtweise des Körpers falsch ist.5
Das zweite Missverständnis ist die Angst, dass wir uns eventuell vor Gott doch hochmütig auf unsere Leistung berufen könnten, wenn die „Arme-Sünder-Theorie“ nicht wahr wäre. Sagte nicht der Apostel Paulus, lange nach seiner Bekehrung, er sei der schlimmste von allen gottlosen Menschen (1. Tim. 1,15)? Allerdings ist es nur schwer vorstellbar, dass Paulus zu der Zeit, als er diese Zeilen schrieb, innerlich noch derselbe war, der er war, als er voller Wut und Selbstherrlichkeit Christus in seinem eigenen Volk verfolgte. Dieser Mann hätte nicht die Worte in Philipper 3,7– 14 oder 4,4–9 schreiben können. Er hätte auch nicht sagen können, was er zu den Korinthern sagte: Folgt meinem Beispiel, so wie ich Christus folge (1. Kor. 1,11). Genauso wenig hätte er Timotheus ermahnen können: Widerstehe den Verlockungen und Leidenschaften, die besonders jungen Menschen zu schaffen machen. Setze vielmehr alles daran, dass du vor Gott bestehen kannst, dass dein Glaube fest wird und du in Liebe und Frieden mit allen lebst, die Gott aufrichtig anbeten (2. Tim. 2,22).
Zweifellos war sich der späte Paulus aber darüber im Klaren, dass alles, was er an Veränderung seiner Person durch den Geist Gottes erfahren hatte, auch wieder zerstört werden könnte. In ihm glomm weiterhin ein Funken des Bösen, der sich zu einer Flamme entwickeln könnte, wenn er nicht wachsam wäre oder wenn Gott ihn nicht weiterhin leiten und in jedem Aspekt seines Lebens in dem, was er erreicht hatte, erhalten würde.
Paulus wusste, dass er ein Rennen lief, genauso wie Sie und ich. Dieses Rennen wird erst vorbei sein, wenn wir ganz in die Fülle des Lebens bei Gott eintreten. Das Bild des Athleten hatte große Bedeutung im Reden und Denken des Paulus. Er war sich bewusst, dass man sich geistlich in Form halten und das Rennen gut zu Ende bringen muss. In 1. Korinther 9 legt er deshalb dar, wie er sich verhält, wie er trainiert und wie hart er seinen Körper behandelt, wie er ihn zu seinem Sklaven macht: Denn ich will nicht andere zum Kampf des Glaubens auffordern und selbst untauglich sein oder vorzeitig ausscheiden (9,27).
Im geistlichen Leben kann es sich niemand erlauben, sich auf Lorbeeren auszuruhen. Wer das tut, wird garantiert scheitern. Geistliche Errungenschaften sind wie das Manna, das die Israeliten in der Wüste erhielten. Es hält nur für einen Tag (2. Mo. 16,4; 16,20). Vergangene Errungenschaften sind kein Verdienst, der es uns erlaubt, im eifrigen Streben nach Gott nachzulassen. Paulus wusste das und er wusste auch, dass andere dies nicht erkannten oder es vergaßen und dadurch Schaden nahmen.
Wir verdienen nichts vor Gott, ganz gleich, wie weit wir fortgeschritten sind. Und wir sind stets in Gefahr. Solange wir noch in unserem irdischen Leib zu Hause sind (2. Kor. 5,6), sind wir nur Sünder im Heilungsprozess. Und in dieser Hinsicht, aber auch nur in dieser, bleiben wir so böse wie alle anderen.
Wenn nun aber diese wichtige Wahrheit zu der Behauptung verzerrt wird, dass wir uns nie wirklich ändern können, schon gar nicht im Grunde unseres Herzens, dann wird aus einer befreienden und lebensdienlichen Wahrheit krasse und gefährliche Unwahrheit.