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Verloren sein

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Paulus beschreibt in seinen Briefen „verlorene“ Menschen. Was „verloren sein“ heißt, darüber gab es bereits beträchtliche Verwirrung. Diese Verwirrung rührt daher, dass man versuchte, „Verlorensein“ vom Ergebnis her zu verstehen. Theologisch gesehen ist das Ergebnis die Hölle – eine höchst unangenehme Vorstellung. Allerdings ist der Zustand des Verlorenseins nicht dasselbe wie das Ergebnis, zu dem er führt. Wir sind nicht verloren, weil wir am falschen Ort enden werden. Wir werden vielmehr am falschen Ort enden, weil wir verloren sind. Wenn etwas verloren ist, dann ist es nicht am richtigen Ort. Stellen Sie sich vor, was es bedeutet, wenn Sie die Schlüssel zu Ihrem Haus oder Ihrem Auto verloren haben. Verlorene Schlüssel sind nutzlos für Sie, so sehr Sie sie auch brauchen. Gehenna, wie im Neuen Testament oft der Ort der Verlorenen bezeichnet wird, könnte auch als der kosmische Müllplatz für alles unwiderruflich Verlorene gesehen werden. Wenn wir für Gott verloren sind, dann sind wir nicht dort, wo wir in dieser Welt sein sollten und folglich haben wir keinen Anteil an seinem Leben. Wir sind nicht fähig, dem verdorbenen und todbringenden Wesen dieser Welt zu entfliehen und an Gottes ewigem Wesen und Leben Anteil zu haben (2. Petr. 1,4). Wir sind unser eigener Gott und dieser Gott kann uns nicht helfen.

Wenn wir für Gott verloren sind, sind wir auch für uns selbst verloren. Wir wissen nicht, wo wir sind oder wie wir dahin kommen können, wohin wir wollen. Vielleicht ist es uns bewusst, dass wir verloren sind, vielleicht auch nicht. Viele sind für Gott verloren und wissen es nicht. Sie glauben ernsthaft, dass sie wissen, wo sie sind, wohin sie gehen und wie sie dahin kommen. Tatsächlich aber wissen sie es nicht und erkennen dies oft erst zu spät.

Die Verlorenen im christlichen Sinne sind exakt die, die sich selbst für Gott halten. Sie erkennen nicht, was ihnen am nächsten ist, nämlich sie selbst, und weisen sich eine falsche Identität zu. Sie glauben wirklich daran, dass sie ihr Leben in der Hand haben, obwohl sie sich möglicherweise vor der einen oder anderen Person oder Macht beugen müssen, um es erfolgreich führen zu können. Doch sie halten die Zügel in der Hand und haben kein Vertrauen in den, der wirklich Gott ist.

Ihr Gott ist, wie Paulus an anderer Stelle sagt, ihr Bauch (Phil. 3,19, L 84). Sie sind willige Sklaven ihrer Wünsche und Begierden (Röm. 16,18). „Sie wollen alles, und zwar sofort“, wie ein Lied sagt und das ist ihr bestimmendes Merkmal. Wenn sie es nicht bekommen, werden sie ärgerlich und depressiv und zu einer Gefahr für sich selbst und andere.

Diese Selbst-Vergottung bewirkt eine Umgestaltung der gesamten geistlichen und moralischen Verfassung des Menschen. Sie sieht das gesamte Universum nur in Bezug auf das eigene Ich. Der Stolz, sich selbst grundsätzlich zum Zentrum des Universums zu machen, ist der Dreh- und Angelpunkt der Welt der Verlorenen.

Johannes Calvin sagte: „Sich selbst zu gehorchen ist der sicherste Grund für die Zerstörung des Menschen.“2 Trotzdem erscheint genau dies den meisten als der einzig vernünftige Weg. Calvin hatte ein geschultes Auge für das Detail: „Wir laufen alle so blind der Selbstverliebtheit nach, dass jeder glaubt, gute Gründe dafür zu haben, wenn er sich selbst erhebt und andere verachtet.“3 Jeder ist sich selbst Gott.

Niemand entscheidet aus sich heraus und theoretisch, in die Hölle zu gehen oder sogar zu einem Menschen zu werden, der dorthin gehört. Doch die Konzentration auf sich selbst macht Menschen zu solchen Wesen, für die die Gottesferne der einzig passende Ort ist. Es ist der Ort, den sie auch für sich wählen würden, wenn sie die Wahl hätten, sich stattdessen vor Gott zu demütigen und ihn als den zu akzeptieren, der er ist. Gottes Wille mag grenzenlos flexibel sein oder nicht – der menschliche Wille ist es jedenfalls nicht. Es gibt Grenzen, jenseits derer er sich nicht mehr zurückbiegen kann, nicht mehr umkehren und bereuen kann. Ein Pastor stellte stets jene Frage: „Sie sagen, Sie werden Gott dann akzeptieren, wenn Sie es wollen?“ Und dann fügte er hinzu: „Woher wissen Sie, dass Sie es dann noch können werden, wenn Sie glauben, Sie wollen?“

Der letztendlich verlorene Mensch ist derjenige, der nicht fähig ist, Gott zu wollen, der nicht fähig ist zu wollen, dass Gott der ist, der er ist. Es gibt unzählige solcher Menschen. Der Grund dafür, dass sie Gott nicht finden, ist der, dass sie ihn nicht wollen oder zumindest nicht wollen, dass er Gott ist. Es ist natürlich ein großer Unterschied, ob es mir darum geht, dass Gott Gott ist oder darum, dass Gott mir hilft. Das bestimmende Merkmal der ‚Verlorenen‘ ist, dass sie dermaßen in ihrer Selbstverehrung und Gottesverleugnung gefangen sind, dass sie nicht dazu fähig sind, Gott zu wollen.

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