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Etwas ist faul in der Kirche
ОглавлениеDas Versagen von prominenten christlichen Führern könnte uns zu der Annahme verleiten, dass echte geistliche Veränderung im Sinne Jesu für normale Menschen unmöglich ist. Wie ist es möglich, dass ein Mann oder eine Frau jahrelang Christus dienen kann und dann einen extremen moralischen Fehltritt begeht?
Vor kurzem erfuhr ich, dass ein prominenter christlicher Leiter „ausrastete“, unkontrolliert wütend wurde, als jemand die Qualität seiner Arbeit in Frage stellte. Das ist peinlich, doch das Verhalten wird akzeptiert und in diesem Fall war es nicht der Leiter, der die Schelte einstecken musste, sondern derjenige, der seine Arbeit in Frage gestellt hatte. Was sagt uns das über die geistliche Haltung dieses Leiters? Haben wir etwas vergessen? Oder ist das wirklich alles, was wir zustande bringen? Die gleiche Frage stellt sich, wenn Menschen in anderen Bereichen, etwa Politik, Wirtschaft, Unterhaltung oder Erziehung, ebensolche charakterlichen Schwächen zeigen und sich zugleich als Christen bezeichnen. Natürlich ist es unangenehm, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Aber man darf ihnen nicht ausweichen.
In einem anderen Fall war ein Pastor wütend über etwas, das während des Gottesdienstes passiert war. Sofort nach dem Gottesdienst nahm er sich die verantwortliche Person vor und verabreichte ihr eine gnadenlose Standpauke. Und dabei war sein Kragenmikrofon noch angeschaltet! Seine Zornesrede wurde in das gesamte Gemeindezentrum übertragen – in alle Räume bis auf den Parkplatz. Kurz darauf wechselte er in eine andere Gemeinde. Doch wie steht es um die geistliche Haltung dieses Pastors? Wenn er auch die Stelle gewechselt hat – ist er am neuen Platz nicht immer noch der alte?
Das Traurige, wenn Führungsfiguren versagen, liegt nicht nur in dem, was sie tun, sondern darin, was für ein Herz, was für ein Leben, was für eine Person dabei zu Tage treten. Traurig ist es zu sehen, was für Menschen sie waren, wie ihr Innenleben wohl ausgesehen hat und auch was sie gelitten haben, bevor der Skandal passierte. Was für Menschen waren sie und wie hat ihre Beziehung zu Gott in Wirklichkeit ausgesehen?
Man kann sich darauf verlassen, dass es unter bekennenden Christen Eitelkeit, Egoismus, Feindseligkeit, Angst, Gleichgültigkeit und offene Bosheit gibt. Das Gegenteil darf man in einer normalen christlichen Gruppe nicht unbedingt erwarten oder gar voraussetzen. Die Wenigen, die echte Lauterkeit, Demut und Selbstlosigkeit zeigen, die frei sind von Wutanfällen, Depressionen und Ähnlichem, fallen auf wie bunte Hunde. Sie stellen ein ständiges Hindernis in Gruppenprozessen dar und werden von solchen Prozessen persönlich in Mitleidenschaft gezogen, denn sie leben nicht nach den gleichen Maßstäben wie die anderen. Viele Christen haben nie enge Gemeinschaft erlebt, wo nicht in Wirklichkeit das korrumpierte menschliche Herz die Oberhand gehabt hätte. Sie haben nie Gemeinschaft erlebt, in der sie davon ausgehen konnten, dass alle das tun würden, was alle für richtig hielten. Viele Menschen in unserer Kultur haben auf Grund ihrer Erfahrungen der Kirche den Rücken zugekehrt, nicht wenige von ihnen im Namen Gottes und der Wahrheit.