Читать книгу Shadow House - Dan Poblocki - Страница 8
Оглавление
Eine der Produzentinnen platzte in den sonnigen Raum, in dem Dash und Dylan Wright darauf warteten, dass ihnen jemand sagte, was sie zu tun hatten. »In fünfzehn Minuten bitte unten sein«, sagte die quirlige Brünette, an deren Namen sich keiner der beiden Jungen erinnerte. »Nur eine kurze Besprechung, okay?«
Um gegen die Langeweile des letzten Drehtags anzukämpfen, testeten die beiden verschiedene Spiele-Apps auf ihren Handys.
Seit dem zarten Alter von fünf Jahren arbeiteten die Wright-Zwillinge als Schauspieler, weshalb sie es gewohnt waren, dass Tag für Tag alle möglichen Leute in ihr Leben und ihre Garderobe kamen und wieder gingen.
»Unten?«, fragte Dylan grinsend. »Weshalb? Geht’s um die nächste Szene?« Die Produzentin zog eine Augenbraue hoch und sah weiterhin nur Dash an, als wenn nur seine Antwort zählen würde.
Dylan wedelte mit der Hand, um sie auf sich aufmerksam zu machen. »Hey, hallo! Bin ich unsichtbar oder was?«
»Wir freuen uns darauf«, sagte Dash entschuldigend. »Danke.«
Die Produzentin blinzelte etwas irritiert und zog sich schnell wieder zurück, als könne sie es kaum erwarten, von den beiden Jungs wegzukommen.
Dash warf seinem Bruder einen verärgerten Blick zu. »Bin ich unsichtbar oder was?«, wiederholte er wütend.
Dylan runzelte die Stirn. »Was hätte ich denn sonst sagen sollen? Sie hat mich komplett ignoriert.«
Dash seufzte. »Ich nehme an, dass alle hier am Set deine Dummheiten satthaben«, erwiderte er schulterzuckend.
»Das sind keine Dummheiten«, protestierte Dylan. »Sondern kleine Streiche!«
»Streiche enden normalerweise nicht damit, dass den Leuten hinterher Geld fehlt. Wer andere beklaut, muss damit rechnen, dass er nicht sehr beliebt ist.«
»Ich habe ihnen weniger Geld abgeknöpft, als du vielleicht denkst.« Dylan verschränkte die Arme vor der Brust und schob das Kinn vor. »Aber wen juckt’s? Nur noch heute, dann sind sie mich los. Ich kann es kaum erwarten, von hier wegzukommen.«
Die Zwillinge ähnelten einander wie ein Ei dem anderen. Beide hatten die gleiche dunkle Haut, das gleiche schiefe Grinsen mit den reizenden Grübchen, die gleichen glänzenden schwarzen Augen und kurzen Locken.
Sie spielten in der bekannten Sitcom Dad – voll verpeilt mit, seit sie fünf Jahre alt gewesen waren. In dieser Fernsehserie ging es um eine große Familie, deren Vater als Privatdetektiv arbeitete, dabei aber von einem Fettnäpfchen ins nächste stolperte. Sieben Jahre lang hatten sie sich die Rolle des jüngsten Bruders geteilt, ein süßer Kerl, der lispelte und Scooter hieß, aber oft lispelnd Sscootss gerufen wurde – ein total bescheuerter Gag, der den Zwillingen fürchterlich auf die Nerven ging. Am schlimmsten war es, wenn manche Leute sie auch im richtigen Leben so nannten.
Vor Kurzem hatten die Drehbuchautoren beschlossen, Scooters Rolle zu streichen und ihn auf ein Internat nach Frankreich zu schicken. Heute war der letzte Drehtag der Zwillinge.
Im ersten Moment war es ein Riesenschock für Dash und Dylan gewesen. Besonders Dash war so untröstlich gewesen, dass seine Eltern gedroht hatten, ihn ins Krankenhaus einliefern zu lassen, wenn er sich nicht wieder beruhigte. Er erzählte keinem, dass er ein schlechtes Gewissen hatte, weil er sich nicht stärker bemüht hatte, Dylan von seinen Dummheiten abzuhalten … seinen »Streichen«. Vielleicht hätte er ja doch etwas tun können, um weiterhin in dieser Fernsehserie mitspielen zu können.
Dylan war sich sicher, dass sie bestimmt bald ein neues, besseres Angebot bekommen würden. Aber das half auch nichts.
Neuerdings litt Dash unter schweren Panikattacken. In den letzten Wochen hatte er scheußlich lebensechte Albträume gehabt, die sich allesamt um Dylan drehten. In diesen Träumen befand sich Dylan immer in einer gefährlichen Situation, aus der nur Dash allein ihn retten konnte. Danach wachte Dash jedes Mal schweißgebadet auf, sprang aus dem Bett und rannte durch den Flur zu Dylans Zimmer, um nach seinem Bruder zu sehen. Normalerweise stellte er dann fest, dass der friedlich und leise schnarchend in seinem Bett lag und nicht ahnte, welche Sorgen Dash sich um ihn gemacht hatte.
Doch dann, vor zwei Nächten, hatte Dash ein leeres Bett vorgefunden – und eine zerknüllte Bettdecke. Entsetzt war er in die Nacht hinausgelaufen und so lange durch unbekannte Gassen und leere Seitenstraßen gerannt, bis er sich schließlich auf einer eingezäunten Großbaustelle wiederfand, fast fünf Kilometer von seinem Elternhaus entfernt. Dort war Dash über das riesige, mit tiefen Löchern übersäte Gelände gestolpert und hatte nach seinem Bruder gerufen, voller Panik, dass er dessen zerschmetterten Körper unter einem Schutthaufen oder in einen Müllcontainer eingeklemmt finden würde. Doch dann war sein Vater gekommen, zusammen mit der Polizei, und hatte ihm versichert, dass Dylan gesund und munter zu Hause war.
Später, als Dash Dylan tatsächlich schlafend in seinem Bett vorfand, fiel ihm vor Erleichterung ein Stein vom Herzen. Er konnte es kaum glauben. Er war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass Dylan irgendwo da draußen in Gefahr war und gerettet werden musste.
Danach hatten die Jungs bis spät in die Nacht in Dylans Zimmer gesessen, und Dash hatte ihm geschildert, was er durchgemacht hatte. Darauf hatte Dylan gewitzelt, dass Dash sich zusammenreißen müsse, sonst würden ihre Eltern ihn am Ende tatsächlich auf Nimmerwiedersehen in ein Internat nach Frankreich schicken.
Nachdem Dash sich wieder beruhigt hatte, bot Dylan ihm an, in seinem Zimmer zu bleiben und bei ihm zu übernachten. Als Dylan aufstand, um das Licht auszuschalten, fiel Dashs Blick auf die nackten Füße seines Bruders.
Nur Sekunden danach ging das Licht aus, und Dash lag im Dunklen und traute sich nicht, seinem Bruder zu sagen, dass er ihn gerade in einem fremden Bett gesehen hatte, mit schwarzen und blutigen Fußsohlen.
»Hey«, sagte Dylan, der in einer anderen Ecke des sonnendurchfluteten Raums saß. »Hast du schon gesehen? Wir haben gerade eine Mail bekommen.«
Dash schüttelte den Kopf. Seit die braunhaarige Frau hereingekommen war und sie nach unten zitiert hatte, war er in ein Spiel auf seinem Handy vertieft gewesen.
»Dann guck nach!«, drängte sein Zwillingsbruder. »Klingt echt interessant!«
Dash öffnete seinen E-Mail-Account und entdeckte die neue Mail. Der Absender lautete: Larkspur Productions GmbH. Und im Betreff stand: DRINGEND – NEUES PROJEKTANGEBOT.
Dashs Magen zog sich zusammen.
Hallo Dylan und Dash!
Alles klar? Ich hoffe, Euch Jungs geht es gut. Wir sind echt froh zu hören, dass Ihr trotz der Probleme mit Dad – voll verpeilt weiter im Filmbusiness bleiben wollt. Wir planen nämlich gerade ein ziemlich cooles neues Projekt, und als große Scooter-Fans war uns sofort klar, dass wir damit bei Euch anklopfen müssen. Das Drehbuch liegt bereits vor, und wir wüssten gerne, was Ihr davon haltet. Es eilt ein bisschen, deswegen wäre es toll, wenn Ihr uns schnellstmöglich Rückmeldung geben könntet.
Wie wir gelesen haben, seid Ihr beide Fans von Horrorfilmen. Was haltet Ihr von folgendem Setting: ein Spukhaus, jede Menge kranker Bösewichte und ein Plot mit überraschenden Wendungen, auf die Ihr im Leben nicht kommen würdet! Wir finden, dass Ihr zwei die perfekte Besetzung wärt, weil die Helden des Films Zwillingsbrüder sind.
Wenn Ihr mehr wissen wollt, sagt Bescheid, dann schicken wir Euch das Drehbuch.
Mit besten Grüßen
Del Larkspur
Geschäftsführer der Larkspur Productions GmbH
»Seltsam«, meinte Dylan. »Findest du nicht?«
Dash zuckte zusammen. Er hatte nicht gemerkt, dass sein Bruder zu ihm gekommen war und nun neben ihm auf dem Fußboden kniete. »Wieso seltsam?«
»Na ja, ich meine, diesmal würden wir jeder eine eigene Figur spielen. Bisher haben wir uns die Rolle immer geteilt.«
»Hast du gedacht, das würde für den Rest unseres Lebens so bleiben?«
»Nein, aber … du weißt doch, deine Version von Scooter hat den Produzenten irgendwie immer besser gefallen als meine.«
»Ach was, das ist doch Quatsch.« Dash versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, obwohl er wusste, dass sein Bruder recht hatte. Er glaubte auch, dass das einer der Gründe war, warum Dylan am Set so oft Ärger gemacht hatte. »Bei dieser Serie hier gab es keinen Unterschied zwischen uns. Nie.«
Dylan verdrehte die Augen. »Und … sagen wir zu?«
Dash schwieg eine Weile. Er musste an seine schrecklichen Träume denken. »Ich weiß nicht, ob ich Lust habe, in einem Horrorfilm mitzuspielen.«
Genau in diesem Moment piepsten ihre Handys. Eine weitere E-Mail war eingegangen, wieder von der Larkspur Productions GmbH. Mit großen Augen schauten sich die beiden Jungen an, ehe sie die Nachricht öffneten.
Dash las sie laut vor. »Keine Bange, das Skript ist nicht zu gruselig.« Er warf seinem Bruder einen Blick zu, bevor er sich im Zimmer umsah. War hier irgendwo eine versteckte Kamera? Schließlich schnaubte er und fragte: »Meinst du, wir werden belauscht?«
»Na klar, sicher«, antwortete Dylan. »Diese Leute tun echt alles, um uns zu kriegen. Mann, Dash, das ist dem Typen vermutlich nachträglich eingefallen. Sei nicht so ein Weichei.«
»Du bist ein Weichei!« Dann jedoch musste Dash grinsen. »Fühlt sich gut an, ein neues Jobangebot zu haben.«
Dylan schlug seinem Bruder aufs Knie. »Wir werden Filmstars!« »Okay, und wer schreibt zurück?«, fragte Dash. »Du oder ich?«