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Kapitel 4
ОглавлениеOttawa, 16. Dezember
Laura schlich mit der Tasse Tee, die sie sich soeben zubereitet hatte, vor den kahlen Weihnachtsbaum und überdachte ihre Strategie, diese Nordmanntanne mit System zu schmücken. Ihre Kinder, Hannah und Max, waren zum Glück nicht zugegen, denn diese beiden Rabauken würden die ganze Sache um einiges erschweren. Sie waren mit Luke in der Mall. Sie war froh, denn entweder schmissen sie Kugeln zu Boden, die daraufhin kaputtgingen, oder sie tänzelten um die Kartons und sorgen mit ihrem Gelächter für Unruhe.
Und ebendies benötigte Laura bei einer solchen Arbeit nicht. Sie brauchte Ruhe. Stetige Ruhe. Der Baum musste mit einer gewissen Eleganz behangen werden. Sie erinnerte sich noch ganz genau an voriges Jahr, als Hannah und Max das Lametta in den offenen Kamin schmissen; ergo: Dies ergab ein Chaos, welches sich Laura heute nicht zu wünschen vermag.
Sie stellte die Teetasse auf den Wohnzimmertisch aus Mahagoni, ließ ihren Blick über die vielen Kartons im Wohnzimmer schweifen und machte sich Gedanken, mit was sie nun beginnen würde.
Rote, blaue, gelbe und grüne Kugeln standen zur Verfügung; silbernes Lametta, ein goldener Stern, singende Engeln sowie Schleifen und sogar noch ein wenig von diesem Glitzerstaub.
Sie schielte zur imposanten Stereoanlage, die neben der Bar auf einer externen Kommode stand. Ohne lange zu überlegen stieg sie über die Kartons, schaltete das Gerät an und warf die Weihnachts-CD ein, welche sie vor einigen Jahren gekauft hatte. Urige Weihnachtshits, wie I’m coming home for christmas , Silent night oder auch ihren Lieblingssong Wonderful Dream von Melanie Thornton waren darauf enthalten. Mit einer Freude drückte sie auf Play, und sogleich begannen die Glocken des letzten genannten Liedes zu ertönen … Holidays are coming, holidays are coming, holidays are coming, holidays are coming, und dann setzte Melanie ein: When the world is ever changing, like a candle in the dark … das bereitete Laura Gänsehaut! Sie liebte dieses Lied, sie liebte den Chor und das Orchester. Das Lied erinnerte sie an ihre Jugend in Boston, als sie noch im mächtigen Bau ihrer Eltern Amelia und Thomas wohnte; als sie zu Weihnachten dieses Lied hörten … wie sehr sie über Thorntons Flugzeugabsturz trauerten…
Just glitt Laura eine Träne über ihre Wange; sie vermisste diese Zeit; diese alte, wohlbesonnene und gemütliche Zeit. Jetzt, wo sie in Ottawa wohnte, fast keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern hatte, entstand ein Funke Heimweh in ihr. Sie wusste nicht, woher das kam … es mag wohl das Lied gewesen sein!
Sie kehrte wieder in die reale Welt zurück – ließ die Vergangenheit hinter sich. Jetzt hatte sie zwei Kinder, einen wunderbaren Mann und ein Leben, über das sie nicht klagen konnte … und auch nicht würde.
Laura hüpfte wieder zu ihrem Standpunkt zurück, fasste sich an den Kopf, nippte noch einmal an ihrem Apfeltee und nahm die Lichterkette; begann, sie zu entwirren, während sie der wunderbaren Musik von Melanie Thornton lauschte.
***
Eine halbe Stunde später stand Laura verzweifelt vor dem noch immer ungeschmückten Weihnachtsbaum. An ihrem Pullover klebten Glitzerflocken, und Lametta verfing sich in ihrem Haar.
Schon allein das Entwirren der Lichterketten machte sie wahnsinnig. Sie zertrat einige Glühbirnen, fluchte laut vor sich hin und boykottierte auch ihre geliebte Weihnachts-CD.
Da hörte sie ein Aufschließen; Kindergemurmel und eine tiefe, väterliche Stimme. Anscheinend waren Luke und die Kinder mit den Einkäufen fertig. Und Laura hatte noch nicht mal die Lichterketten aufgehängt.
Die Kinder liefen in das Wohnzimmer, entdeckten ihre Mama, taten so, als wären sie geschockt und ließen demonstrativ die Tüten auf den Boden fallen. Sie wirkten enttäuscht.
»Mama«, begann die kleine Hannah, »Warum hast du nicht auf uns gewartet?«
Laura wandte sich ihren Kindern zu, pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und stand auf, um die Kinder zu trösten.
Die Kinder freuten sich jedes Jahr, den Baum zu schmücken, doch ihre Mama hatte nicht auf sie gewartet. Klar, Laura brauchte dafür Ruhe, und sie war zu langsam, oder Luke zu schnell, um damit fertig zu werden.
»Ach, Schatz, Mensch«, tröstete Laura Hannah, »Du siehst doch, dass noch keine Kugel am Baum hängt, also reg dich ab!« Sie küsste Hannah und Max einmal auf die Stirn und ging Luke entgegen: »Luke, bitte, erlöse mich!« Und da sollte man nicht die Lust an Weihnachten verlieren… »Entwirre diese verdammten Lichterketten für mich«, sie wurde leiser, »Bitte…«
Luke hing seine Jacke an den Ständer, lächelte kurz und spaßte: »Keine Panik auf der Titanic! Warum hast du denn nicht gewartet?«
Laura schmunzelte, wollte nicht zugeben, dass die Kinder nur Unfug trieben und strich mit der Hand über Lukes Brust. »Naja…«
Ohne Laura ausreden zu lassen, und sie war sichtlich froh darüber, ging Luke ins Wohnzimmer, schaltete die Stereoanlage ein und ging zu den Kindern: »Na? Lust, den Baum zu schmücken?«
Wie Kinder ihres Alters reagierten, schrien sie zuerst, ließen sich zu Boden fallen und kramten in den Kartons.
Laura stand am Türrahmen, konnte in ihren Gedanken bereits die ersten Kugeln klirren hören, das Geräusch zersplitterten Glases und das ständige ›Upsiii‹ sagen.
Wieso konnte sie nicht besinnlich an diese Zeit rangehen? Wieso sah sie alles so negativ?
Sie musterte Luke, wie er mit einer Leichtigkeit die Lichterketten entwirrte, die Kinder besänftigte und mit der Musik mitschwankte … immer mit einem Lächeln im Gesicht.
Als sie ihrer Familie zusah, wie sie sich freuten, den Baum schmückten und so glücklich waren, kamen ihr beinahe die Tränen.
Sie riss sich zusammen, hoffte auf eine schöne Weihnacht und ging ihrer fröhlichen Familie helfen.