Читать книгу Die Herren von Telkor - Die Trollhöhle - Daniel Sigmanek - Страница 6

Die verrückten Kobolde

Оглавление

„Aufstehen!“ Das Geschrei und der vorangegangene Knall waren so laut, dass Tado und Spiffi regelrecht aus den Betten geschleudert wurden.

Regan hatte die Tür aufgeschlagen und ihnen dieses eine Wort an die Köpfe geklatscht.

„Der König erwartet euch!“ Und damit verschwand der Goblin auch schon wieder, und ließ die verdutzten Gefährten zurück.

Diese standen jedoch betont langsam auf und befanden sich erst nach einer geschlagenen Stunde vor der Tür zum Thronsaal.

„Bist du sicher, dass es richtig war, diesen Kaher von Furufara so lange warten zu lassen?“, fragte Spiffi.

„Ja“, antwortete der Angesprochene. „Vielleicht denkt er dann mal daran, seine Untergebenen anzuweisen, uns etwas freundlicher zu behandeln.“

Sie wollten gerade anklopfen, als die Tür aufschwang und den Blick auf einen leicht gereizten, auf und ab gehenden König preisgab.

Als dieser die beiden erblickte, verfinsterte sich seine Miene.

„Vor einer Stunde hatte ich Regan losgeschickt und ihr seid erst jetzt hier?!“

„Guten Morgen“, sagte Tado betont freundlich.

„Was ist an dem gut? Die Trolle...“

„Wie ich sehe, habt ihr schon mit dem Thron angefangen“, unterbrach ihn Spiffi und deutete auf ein halbes Dutzend Goblins, die an einem großen Gesteinsklumpen herumwerkelten. Regan stand daneben und betrachtete das Treiben interessiert.

Kaher war mittlerweile vor Wut rot angelaufen, was durch seine grüne Hautfarbe braun wirkte.

„Hört mir gefälligst zu! Einige Trolle haben unsere einzige Trinkwasserquelle genommen! Sie haben einen ihrer Kameraden zurückgelassen, um sie zu bewachen.“

„Und was haben wir damit zu tun?“, fragte Tado vorsichtig.

Der Goblinkönig musste kurz Luft holen.

„Ihr werdet zusammen mit mir und Regan dorthin gehen und die Quelle zurückerobern!“

„Ich wüsste nicht, wieso wir das tun sollten“, meinte Spiffi.

„Als Dank für unsere Gastfreundschaft. Ansonsten wärt ihr nämlich jetzt tot.“

Langsam begriff Tado, warum Kaher am Vortag so sehr gegen ihre Weiterreise gewesen war: Er wollte, dass sie ihm nun einen Gefallen taten.

„Gibt es denn nur einen Weg zu eurem Wasser?“, fragte er nachdenklich.

„Ja“, meinte Kaher.

Das war Tado eigentlich schon bewusst gewesen, bevor er die Frage gestellt hatte. Sie würden also nicht um eine Konfrontation herum kommen. „Und wir werden noch heute aufbrechen“, sagte Regan, der mittlerweile nicht mehr den Thronbau verfolgte, sondern sich zu ihnen gesellt hatte. „Warum gehen denn nur wir Vier los?“, fragte Spiffi.

„Damit der Feind keinen Verdacht schöpft. Wenn ich nämlich noch mehr Mitglieder meines Volkes dorthin schicken würde, sähe dies ziemlich verdächtig aus. So wird man uns für ganz normale Wanderer halten“, erwiderte der Goblinkönig.

„Außerdem“, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, „ist es nur ein einzelner Troll. Ein gezielter Schuss auf den Kopf und wir sollten ihn los sein.“

Tado und Spiffi schwiegen.

In voller Montur schritt Kaher nun zur Tür, Regan und seine Gäste schlossen ihm sich etwas verdutzt an.

Sie verließen ohne Umschweife den Palast und die Stadt und befanden sich wieder im Tunnel, dessen Verlauf sie folgten.

Nach einigen Minuten kam der Ausgang in Sicht. Tado und Spiffi hatten ihre Rucksäcke mitgenommen, als sie zum König gegangen waren. Nun stellten sie fest, dass auch Regan einen trug.

„Woher hast du den?“, fragte ihn Spiffi.

„Ein reisender Händler hatte mal einige davon als Geschenk zurückgelassen“, antwortete dieser daraufhin.

‚Schon wieder dieser Händler!’, dachte Tado bei sich.

Die Vier sahen sich um.

Vor ihnen erstreckte sich ein mehr oder weniger ebenmäßiges Plateau, auf dessen rechten Rand der Goblinkönig nun zuschritt. Dahinter erhoben sich riesige Felswände. Der Trupp steuerte einen Spalt an, durch den man sich geradeso hindurchzwängen konnte. Das veranlasste Tado dazu, zu überlegen, wie wohl ein Troll dort hindurchgepasst hat. Es musste wohl ein sehr dünner sein.

Als hätte Kaher seine Gedanken gelesen, sagte er plötzlich: „Bei dem Erdbeben vor ein paar Tagen haben sich die Wände aufeinander zu bewegt. Wir werden wohl demnächst die Öffnung vergrößern müssen.“

Tado schenkte den Worten nicht viel Glauben, sein Dorf lag zwar ziemlich abseits, aber von einem derart starken Beben, dass solch riesige Felsen bewegt, hätte sogar er zweifelsohne gehört. Und außerdem, hatte der König nicht vorhin gesagt, dass die Trolle erst seit heute morgen die Quelle besetzten? Demnach hätte auch das Beben erst heute sein können...

„Wie weit ist es noch bis zu eurer Quelle?“, fragte Spiffi ungeduldig.

„Da vorne ist der Eingang zu einer kleinen Höhle, in der sich eine Treppe befindet, die hinauf zu der Quelle führt“, erwiderte Regan.

Tados Aufregung stieg. Die Vier näherten sich dem schmalen Eingang. Sie mussten hintereinander gehen, da der Gang recht schmal war. Schließlich erreichte Kaher, der voran ging, die Felsöffnung und marschierte hindurch. Ihm folgten die anderen, wobei Regan als letzter die Höhle betrat, die unerwartet hell war.

Auf der Treppe, von der er gesprochen hatte, saß der Troll und schien zu schlafen. Tado sah sich um, entdeckte jedoch keine Vorräte, stattdessen lagen überall Knochen herum und abgemagert schien das graue Ungetüm auch nicht zu sein.

Spiffi legte einen Pfeil auf die Sehne seines Bogens und schoss. Jedoch übermannte ihn mal wieder die Aufregung und das Geschoss prallte nur gegen den kalten Stein. Dies allerdings weckte den Troll. Langsam erhob er sich.

„Spiffi, schieß ihm in den Kopf!“, rief Kaher.

„Geht nicht“, antwortete der Angesprochene. „Meine Pfeile sind alle verbraucht!“

Der Goblinkönig murmelte irgendeine Verwünschung. Der Troll stand mittlerweile und starrte die Vier an. So verharrten sie alle. Nach einigen Sekunden erwachte das grauhäutige Ungetüm vollends und griff nach einem Felsbrocken, der sich neben ihm auf dem Boden befand und warf damit nach Regan. Dieser wich jedoch mit fast spielerischer Leichtigkeit aus und schwang seinen Morgenstern.

Tado war sich absolut sicher, dass der Goblin dieses sperrige Gerät bis eben noch nicht bei sich gehabt hatte. Zudem staunte er darüber, mit welcher Leichtigkeit er diese riesige Waffe zu bedienen vermochte, als die schwarze Stahlkugel auf den Bauch ihres Gegners krachte.

Allerdings spürte der Troll dies wohl kaum, da er einen weiteren Stein in die Hand nahm. Seine Haut musste steinhart sein. Erneut warf er sein Geschoss, diesmal in die Richtung von Tado, der jedoch, wenn auch nur mit Mühe und Not und nicht annährend so geschmeidig wie sein grünhäutiger Weggefährte, ausweichen konnte.

Kaher flüsterte einige Momente etwas vor sich hin, und hielt kurz darauf einen faustgroßen Feuerball in der Hand, den er dem Troll gegen seinen Kopf warf. Das Ungetüm heulte auf, doch anscheinend schien die Attacke ihn zu noch größerer Zerstörungswut anzutreiben, denn er stürmte auf die Vier zu und bekam Spiffis Arm zu fassen. Er schleuderte ihn wie Müll einfach hinter sich. Der Geworfene blieb jedoch weitgehend unversehrt. Das graue Wesen hatte inzwischen Tado seine Axt aus der Hand geschlagen (die auch prompt in zwei Teile zerbrach) und wollte ihm gerade den Todesstoß geben, als er unter einem Schmerzensschrei hintenüber kippte. Eine Eisenspitze ragte aus seiner Kehle. Spiffi hatte den vorhin danebengeschossenen Pfeil gefunden und dem Troll damit den Hals durchbohrt.

Der Aufprall des Körpers hatte jedoch eine Erschütterung zur Folge, die den Eingang zur kleinen Höhle einstürzen ließ.

„Nein!“, rief der Goblinkönig, als er machtlos mit ansehen musste, wie ihr Rückweg von tonnenschweren Felsbrocken versperrt wurde.

„Vielleicht gibt es oberhalb der Treppe eine Möglichkeit, von hier wegzukommen“, meinte Tado.

„Nein“, sagte nun auch Regan. „Oben ist nur die Quelle, aus der ein Fluss entspringt.“

„Lasst uns trotzdem hinaufgehen“, schlug Spiffi vor. Es war ein recht unnötiger Einwand, wenn man bedachte, dass ihnen ohnehin nur dieser eine Weg offenstand.

Die Vier gingen die Treppe hinauf, die so alt und zerschunden war, dass man Mühe hatte, überhaupt eine Stufe zu erkennen - von denen sie auch nicht viele besaß, denn nach drei oder vier Metern standen sie schon wieder im Freien, allerdings umgeben von riesigen Felswänden. Und einer dunklen, fast quadratischen Öffnung darin.

Diese sahen sie jedoch vorerst nicht. Ihr Blick richtete sich nämlich auf einen Krater vor ihnen, dessen Durchmesser gute zwanzig Meter betrug. Bis zur Hälfte war er mit Wasser bedeckt, das durch einen niedrigen Tunnel aus diesem Tal hinaus floss.

„Das ist die Quelle des Lebens“, sagte Kaher plötzlich. „Sie heilt alle Wunden und vertreibt Müdigkeit und Hunger. Endlich gehört sie wieder meinem Volk. Leider verliert das Wasser seine magische Kraft, wenn es den Krater verlässt, deshalb kann man es nur in besonderen Gefäßen aufbewahren.“

Tado war von dem Anblick der himmelblauen Pfütze (denn mehr war es eigentlich nicht) weniger beeindruckt als die beiden Goblins, denn er sah keine Möglichkeit, wie er zurück zu deren Stadt, und damit auch zurück zu seinem ursprünglichen Weg, kommen sollte. Der Tunnel, durch den der von der Quelle abzweigende Fluss die umliegenden Felswände untergrub und wahrscheinlich aus dem Gebirge floss, maß gerade einmal drei Fuß - zu niedrig.

Fieberhaft sah sich Tado nach einem Ausgang um. Da entdeckte er die quadratische Öffnung in der Felswand zur Rechten. Hoffnung breitete sich in ihm aus, als er die anderen darauf aufmerksam machte.

Die Vier sahen hinein. Vor ihnen lag ein dunkler, verlassen aussehender Gang.

„Sieht doch ganz viel versprechend aus“, meinte Spiffi.

Kaher holte aus der Höhle des Trolls eine Fackel und zündete sie an.

Der Boden war uneben und rau. Das flackernde Licht der Fackel spendete kaum Helligkeit. In der Luft hing ein Modergeruch. Jede Bewegung schien ein Echo zu verursachen.

„Hahahallo!“, rief plötzlich eine Stimme. Tado fuhr erschrocken zusammen und Spiffi stieß einen halblauten Schrei aus. Die Vier drehten sich mit einem Ruck um - und blickten auf eine merkwürdige, kleine Gestalt mit langen, schmalen Ohren, faustgroßen Augen und Armen, die beinahe so lang wie die Kreatur groß waren. Das Geschöpf hockte auf dem Boden und maß nicht mehr als einen Meter.

„Wer seid ihr?“, fragte es. „Und was ist das für ein helles Ding?“ Das Geschöpf deutete auf die Fackel.

„Fackel“, brachte Tado hervor. „Eine Fackel.“ Mehr konnte er nicht sagen, der Schreck saß noch zu tief.

„Dann werft die Fackel weg, sie verdirbt die Augen!“, jammerte es.

Tado machte ein verdutztes Gesicht. Ohne das wenige Licht der Fackel würde hier stockfinstere Nacht herrschen.

„Wir können sie nicht wegwerfen“, meldete sich nun Kaher zu Wort. „Ansonsten können wir nichts sehen.“

Die kleine Gestalt maß ihn mit einem Blick, als überlege er, ob er schon einmal solche Wesen gesehen hat. Nach einigen Sekunden des Schweigens sagte sie endlich: „Ich wusste doch, dass mit euch etwas nicht stimmt. Ihr habt komische Augen!“

Tado runzelte die Stirn: „Wer bist du eigentlich?“

Das Wesen sah ihn mit seinen großen Augen an, die Pupillen kaum noch sichtbar: „Ich heiße Allo, vom Volk der verrückten Kobolde.“

Die Vier waren sichtlich verwirrt.

„Wieso denn verrückt?“, fragte Regan, während er den Kobold mit einem merkwürdigen Blick musterte.

„Wir haben uns den Namen selbst gegeben, ohne zu wissen, was er eigentlich bedeutet.“

‚Das sieht ihm ähnlich’, dachte Tado. Laut sagte er: „Ich würde gerne wissen, wo wir uns befinden.“

Der Kobold machte ein erstauntes Gesicht, offenbar verwirrte ihn der Themenwechsel. Er brauchte nämlich eine Viertelminute, um zu antworten: „Natürlich im Reich der verrückten Kobolde.“

Seine Worte klangen, als verstünde er überhaupt nicht, warum Tado diese Frage gestellt hatte.

„Er meint, wo genau“, sagte Spiffi schnell.

„Im Mauergebirge“, erwiderte Allo, immer noch verwirrt. Die Vier Gefährten verdrehten innerlich die Augen.

„Was ist das hier?“, fragte Kaher in leicht genervtem Ton.

„Du musst nicht gleich böse werden“, meinte der Kobold, der selbst den leisesten Unterton des Goblinkönigs richtig zu deuten schien. „Das hier ist ein unterirdischer Gang.“

Auf des Augenrollen der Vier fügte er hastig (wobei er sich fast verhedderte) hinzu: „Es schließt sich ein Labyrinth an.“

Tado blinzelte. Egal, in was für einer Situation er und die anderen sich befanden, sie wurde immer schlimmer.

„Lass mich raten: Du kennst den Ausweg nicht“, meinte er seufzend.

„Doch“, erwiderte der Angesprochene, woraufhin ein Funken Hoffnung in den Vieren aufglomm. „Wenn ihr ungefähr zehn Schritte weitergeht - und mich dabei nicht umlauft - kommt ihr zu einer Öffnung im Felsen. Aber ich würde mich vorsehen, dahinter haust ein Troll.“

Die Vier mussten sich sehr zusammenreißen, um nicht die Beherrschung zu verlieren.

„Von dort kamen wir“, sagte Spiffi, der sich nur schwer unter Kontrolle hatte.

„Dann geht wieder zurück“, meinte Allo unbeeindruckt.

„Das geht nicht“, erwiderte Kaher. „Der Troll ist zwar tot, hat aber den Höhleneingang einstürzen lassen.“

„Der Troll ist tot?“, fragte der Kobold und ignorierte die Bemerkung über den zerstörten Eingang. Seine Miene hellte sich deutlich auf.

„Ja, aber...“, Tado wurde von einigen Jubelschreien unterbrochen, die Allo rief, während er einige merkwürdige Bewegungen vollführte. Es dauerte einige Zeit, bis er sich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte.

Natürlich dachte er auch jetzt nur an den Tod vom Troll: „Ihr müsst wissen, er hat uns gedroht, dass er uns auffrisst, wenn wir ihm nicht ständig etwas zu essen besorgen. Leider wurde er von den Würmern, die hier unten leben, nicht satt und wir mussten uns tief ins Labyrinth vorwagen, um ein paar der Kreaturen dort zu erlegen. Aber das hat nun endlich ein Ende.“

Tado brachte ihn wieder auf den Boden der Tatschen zurück: „Ja, und die, denen ihr diesen überaus glücklichen und durch kaum etwas zu übertreffenden Vorfall zu verdanken habt, sitzen jetzt hier fest und würden gerne wieder herauskommen, daher bestand unser Anliegen darin, dass wir wissen wollten, ob du zufällig den Ausgang des Labyrinths kennst.“

Allo war sichtlich verwirrt über diesen recht komplexen Satz, der ihm eben ihm Eiltempo heruntergebetet wurde, und musste ziemlich lange überlegen, bis er seine Gedanken zu einer Antwort geordnet hatte: „Natürlich kenne ich den Weg, aber vorher möchte ich euch zu mir nach Hause einladen.“

Da die Vier keine andere Möglichkeit sahen, von ihrem momentanen Aufenthaltsort wegzukommen, kamen sie der Einladung nach. Erst jetzt bemerkten sie die vielen Türen auf beiden Seiten des Gangs, in denen vermutlich die Behausungen der Kobolde lagen.

„Ich wohne gleich dort drüben“, sagte Allo und deutete auf eine Tür, auf dessen Oberfläche die Worte „Allo“ und „Eins“ eingemeißelt waren. „Falls ihr euch wundert, warum ihr hier keine anderen Kobolde seht“, fuhr er fort, „so kann ich euch sagen, dass es wegen des Trolls ist. Kaum einer traut sich mehr aus seinem Haus, höchstens, um etwas Essbares zu suchen.“

Während sie auf die Tür zuschritten, ließ sich Tado etwas zurückfallen, sodass er neben Kaher ging.

„Um noch mal auf den Troll zurückzukommen“, sagte er leise zu dem Goblinkönig. „Es ist schon eine Weile her, dass er die Quelle besetzt hält, nicht wahr? Der Weg, durch den wir in seine Höhle gelangten, war viel zu schmal, als dass sich ein Troll, der mehr als doppelt so breit wie zwei von uns zusammen ist, hindurchzwängen könnte.“

„Ich sagte doch, dass ein schweres Beben vor einigen Tagen eine Verkleinerung des Pfades bewirkt hat“, erwiderte Kaher.

„Sagtet ihr nicht, die Trolle hätten die Quelle heute Morgen eingenommen?“, fragte Tado ungehalten, da ihn der König anscheinend für sehr dumm hielt. „Insofern müsste das Beben heute Morgen stattgefunden haben, allerdings hätten wir es spüren müssen, wo wir doch in unmittelbarer Nähe nächtigten.“

„Du hast Recht“, gestand Kaher. „Er besetzt sie schon seit einem halben Jahr, und es ist auch nicht unsere einzige Trinkwasserquelle. Aber du musst verstehen, dass Goblins, und ich schließe mich damit nicht aus, eine Art Gier nach besonderen Dingen haben. Und diese Quelle ist nun mal einmalig. Also warteten wir, bis ein paar Wanderer vorbei kamen und beschlossen, uns ihre Hilfe zu erzwingen.“

Das hatte Tado vermutet. Er nahm es dem Goblin aber nicht besonders übel, schließlich war niemand verletzt worden.

Inzwischen hatten sie die Tür erreicht. Allo drückte die Klinke hinunter. Das massive Holz schwang quietschend nach innen auf und offenbarte den Blick in einen sehr langen Raum (der in der Breite aber höchstens sechs Fuß maß), an dessen Ende sich eine weitere Tür befand. Natürlich herrschte auch dort fast vollkommene Finsternis, nur das wenige Licht der Fackel ließ Umrisse einer spärlichen Einrichtung erkennen. Etwa in der Mitte des in den Fels gehauenen Zimmers stand ein schmaler, sehr niedriger Tisch an der linken Wand, jedoch fehlte von Stühlen jede Spur. Ein paar Regale waren auf Bauchhöhe darüber angebracht, in denen sich Küchenutensilien und allerlei Gebrauchsgegenstände befanden. Über die gesamte Länge des Raumes bedeckten Matten den Boden.

„Das ist mein Haus“, sagte Allo mit leicht hörbarem Stolz. „Es ist nichts Besonderes (was der Betonung seiner vorigen Worte gründlich widersprach), enthält aber alles, was man zum Leben so braucht. Ich kann schnell für uns den Tisch decken. Ihr habt doch Hunger, oder?“

Als sie dies bejahten, lief er eilends zu den Regalen über dem Tisch, fuchtelte dann eine Zeitlang mit irgendetwas, das man nicht richtig erkennen konnte, herum, und verschwand dann einige Minuten hinter der Tür am Ende des Raumes.

Um dann mit einem Berg von Essen zurückzukommen. Besonders lecker sahen die Sachen nicht aus, aber Tado, Spiffi und die beiden Goblins ließen sich nichts anmerken. Ersterer stellte mit leichter Verwunderung fest, dass Allo, als er wieder zu ihnen kam, eine schwarze Binde in der Hand trug. Auf eine entsprechende Frage antwortete er nur mit einem: „Du wirst es sehen.“, band sie sich schließlich um die Augen und betätigte einen Hebel, den Tado noch gar nicht gesehen hatte, woraufhin plötzlich eine lange Bahn aus Holz aufflammte, die an der steinernen Decke befestigt war, und den Raum taghell erleuchtete.

„Weil ihr die Dunkelheit nicht ertragen könnt“, meinte Allo nur. Als er ihre erstaunten Blick registrierte, fügte er schnell hinzu: „Aber fragt mich nicht, wie das funktioniert. Das zu erklären, dafür würde ich zu lange brauchen.“

Das glaubte Tado ihm aufs Wort. Als sie sich schließlich einfach auf den Boden setzten, da es ja keine Stühle gab (Tado musste sich ein Lachen verkneifen, da sein Gastgeber mit der schwarzen Augenbinde, durch die er aber trotzdem normal sehen zu können schien, einfach lächerlich aussah), und er misstrauisch und neugierig die Speisen betrachtete, fragte der Kobold etwas, das ihm schon lange auf der Zunge brannte: „Dann erzählt mal, wer ihr seid, wo ihr herkommt und was euch hierher verschlagen hat.“

Während sie aßen, beantworteten die Vier ausgiebig alles, was er wissen wollte. Schließlich stellte Spiffi, nachdem sie mit den Schilderungen ihrer Herkunft geendet hatten, eine Frage, die er danach schwer bereute. Nämlich, was das für Leckereien waren, die sie da zu sich nahmen und die so vorzüglich schmeckten.

Des Kobolds Antwort lautete ungefähr wie folgt: „Also das, was du da gerade in der Hand hältst, und das wie ein kleiner Apfel aussieht, ist ein Höhlenkäfer, natürlich selbst gefangen und in Honig gebacken, und das dort drüben“, sagte er und deutete auf eine der Schüsseln, in der etwa einen Fuß lange, gekrümmte, haarige Spieße lagen, „sind die Beine einiger dunkler Labyrinthspinnen. Selbstverständlich gut durchgekocht.“

Tado blieb sein gerade zu sich genommener Höhlenkäfer, selbst gefangen und in Honig gebacken, nahezu im Hals stecken, und da sein Versuch, ihn wieder hoch zu würgen, kläglich scheiterte, schluckte er ihn angewidert hinunter. So lecker sie auch waren, allein das Wissen, dass es sich dabei um Käfer handelte, ließ ihm den Appetit vergehen. Auch die anderen verzichteten darauf, noch weitere der Köstlichkeiten zu probieren, was auch gar nicht mehr richtig möglich war, denn außer einigen Spinnenbeinen und glibberig aussehenden Schwämmen war nichts mehr übrig.

„Hat gut geschmeckt“, sagte Kaher mit einem aufgesetzten Lächeln, wobei das ja noch nicht einmal gelogen war. Jedenfalls schien Allo zufrieden zu sein.

„Wenn ihr wollt, könnt ihr hier übernachten“, meinte er schließlich. Es war später Nachmittag. Natürlich mussten seine Gäste dieser Aufforderung nachkommen, denn Allo wollte nicht mehr aufbrechen und sie zum Ausgang des Labyrinths führen und alleine konnten sie schließlich nicht weiter. Bei den Kobolden herumzufragen, ob noch jemand den Weg kenne, trauten sie sich nicht, einerseits, um Allo nicht zu kränken, andererseits, weil sie befürchteten, die Kobolde könnten sie als Feinde betrachten und angreifen.

Als Regan Allo sagte, dass er Durst habe und die anderen sich ihm anschlossen, verschwand das kleine Geschöpf erneut hinter der Tür am Ende des Raumes, kam aber kurz darauf mit fünf bauchigen Flaschen zurück und verteilte vier davon.

Tado öffnete seine vorsichtig und roch an der Flüssigkeit, um sofort das Gesicht zu verziehen.

„Was ist denn das für eine Brühe?“, fragte er mit einer leichten Spur von Entsetzen in der Stimme.

Allo schien etwas enttäuscht: „Das ist Zyoklopterus. Ja, es riecht etwas eigenartig, dafür schmeckt es umso besser.“

„Und wonach soll diese Zyklopensoße schmecken?“, fragte Spiffi misstrauisch, während er die Flasche leicht bewegte, sodass die Flüssigkeit darin hin und her schwappte.

„Nach allem, was du willst. Es ist ein Wunschgetränk. Du musst dir vorstellen, was du haben möchtest und du bekommst es.“

Tado betrachtete das Gebräu neugierig. Dann hielt er die Luft an und trank einen kleinen Schluck. Zu seinem großen Erstaunen funktionierte es. Nun probierten auch die anderen. Spiffi war so begeistert, dass er schon nach dem Rezept fragte. Der Kobold hielt es jedoch geheim. Aber er gab jedem von ihnen drei Flaschen mit, die neben den Essvorräten geradeso in die Rucksäcke passten.

Zyoklopterus hatte fast kein Gewicht (ein Liter wog ungefähr so viel wie eine Tomate) und die Flaschen waren auch aus sehr leichtem Material.

Schließlich legten sich alle schlafen. Natürlich hintereinander und auf dem Boden, da der Raum ja nicht viel in der Breite maß. Die Matten boten zwar keine sehr bequeme Unterlage, aber immer noch besser, als im Freien zu übernachten.

Es dauerte nicht lange und Tado versank in Träumen...

...oder besser gesagt, in Alpträumen.

Er fand sich in einer öden und eisigen Gegend wieder, stand mitten in einem Feld aus Schnee. So weit er sehen konnte (dies war wahrlich nicht weit), entdeckte er keinen Unterschlupf. Der beißenden Kälte und dem Schneegewirr schutzlos ausgeliefert, ging er ein paar Schritte. Dann hörte er das Geheul von Wölfen. Er wollte weitergehen, doch er konnte nicht. Gelähmt stand er da, starrte dem näher kommenden Rudel der Tiere entgegen, riesige Biester waren es, mit fingerlangen Zähnen. Vor ihm stach plötzlich etwas Dünnes aus dem Schnee, welches sich als Bein entpuppte, dem sieben weitere und schließlich ein vier Fuß langer Körper folgten, aus dem ihm acht Augen mordlustig entgegenstarrten. Doch bevor die riesigen Wölfe oder die gigantische Spinne ihm etwas anhaben konnten, wurde er plötzlich in die Luft gerissen und meilenweit weggeschleudert. Als er wieder hochkam, stand er einer dunklen Gestalt gegenüber, die ihn um fast einen Meter überragte. Ein Troll? Nein. Sie trug einen schwarzen Umhang und starrte ihn hasserfüllt, mit einem eisigen Blick, unter dem wahrscheinlich selbst die Sonne eingefroren wäre, an. Ein Schwert aus Eis hielt sie in der Hand und holte zum entscheidenden Schlag aus, da...

...erwachte Tado urplötzlich aus seinem Traum.

Die Herren von Telkor - Die Trollhöhle

Подняться наверх