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7. Die Befreiung der Kinder

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Die Erkundung der Umgebung nahm viel Zeit in Anspruch, da sie sicherstellen mussten, dass die Spinnen sie nicht entdeckten. Das sollten sie erst, wenn es einen Plan gab. Elizas Vater wirkte besorgt und ängstlich, doch auch er sah ein, dass es den Kindern nicht half, wenn die Spinnen sie vorzeitig entdeckten. Die Angst, dass die Spinnen genau jetzt daran gehen könnten, die Kinder zu ihrer Mahlzeit zu machen, verfolgte ihn jedoch. Jack war mit Manaba zurückgeblieben, um die Spinnen zu beobachten, sie konnten allerdings nur wenig Aktivität ausmachen, die Spinnen steckten in ihren Höhlen und rührten sich kaum vom Fleck. Yáhzí und ihre Wölfe halfen, indem sie den Umkreis des Lagers absuchten und mögliche Orte für Yas sichtbar machten.

Erst gegen Abend hatten sie einen kleinen Teilerfolg. Sie entdeckten eine Baumgruppe, die weit genug von anderen Bäumen entfernt war, um bei einem Feuer nicht den gesamten Wald in Gefahr zu bringen. Immer vorausgesetzt, es blieb windstill, doch da waren Jayla und Yas sicher, das Wetter würde sich nicht ändern. Rechts und links der Baumgruppe waren hohe, steile Felsen, dort konnten sicher auch die Spinnen nicht vorbei. Also sollten sie hinter den Bäumen tatsächlich in Sicherheit sein, sobald diese brannten. Viel Spielraum war nicht, sie konnten nur hoffen, dass die Spinnen diesen Zwischenraum bei einem Feuer in den Bäumen nicht mehr nutzen konnten. Die Windrichtung durfte sich auch nicht ändern, da sie sonst im Rauch nicht atmen könnten, aber Jayla war sicher, dass dies nicht passieren würde.

„Es ist sehr weit weg vom Lager der Spinnen.“, gab Gaagi zu bedenken. Er verfluchte innerlich die Tatsache, dass die Drachen damals die Waffen der Soldaten direkt nach dem Kampf vernichtet hatten, diese wären hier sicher hilfreich gewesen. Doch nun hatten sie sie nicht zur Verfügung und mussten ohne Feuerwaffen klar kommen. „Der Vorteil ist, dass diejenigen, die die Kinder befreien, genug Zeit haben, um mit ihnen auch wieder zu verschwinden. Der Nachteil ist, dass wir eine lange Strecke sehr schnell zurücklegen müssen, ohne von den Spinnen erwischt zu werden. Also werden nur die schnellsten Läufer gehen, um die Spinnen weg zu locken. Alle Anderen warten hier und entzünden das Feuer. Wir müssen vorher sichergehen, dass das Feuer auch wirklich brennt, sobald unsere Leute eine gewisse Grenze überschreiten. Nicht auszudenken, wenn eine der Spinnen auf unsere Seite kommt.“

Die Männer nickten und machten sich daran, eine kleine Schneise zu ziehen. Yas, Jayla und einige der Männer machten sich daran, möglichst trockenes Holz und Moos zu sammeln, damit das Feuer schnell in Gang kam. Sie waren nicht sicher, ob es schnell genug gehen würde, aber sie mussten es versuchen, um der Kinder willen. Die Wölfe übernahmen die Wache, sie patrouillierten zwischen dem Lager der Spinnen und der Baumgruppe und brachten immer neue Bilder von den Spinnen, doch die schienen sich nicht von der Stelle zu rühren. Langsam wurde Gaagi nervös deswegen, es wirkte zu ruhig, als wäre es eine Falle. Dennoch mussten sie nun so schnell wie möglich handeln, um die Kinder zu retten.

Trotz der Kälte – es war sogar zu kalt für neuen Schnee – schwitzten die Männer, weil sie so schwer schufteten, um an ihr Ziel zu gelangen. Dennoch machte keiner eine Pause, außer um kurz zu trinken. Kurz vor Sonnenuntergang waren sie fertig, zumindest soweit, dass sie bereit waren, es zu versuchen. Yas bestand darauf, mit zu den Kindern zu gehen, sie war ihnen noch am nächsten vom Alter her und könnte außerdem kleinere Verletzungen heilen. Außerdem kam natürlich Elizas Vater, der Kellan hieß, mit. Acron war Halbwaise, seine Mutter im Dorf geblieben, aber Kellan machte sich auch um ihn Gedanken, immerhin war er der Cousin seines verstorbenen Vaters. T'iis, Jack und zwei Männer aus dem Dorf begleiteten sie. Sie mussten schnell sein und am besten waren sie weit weg, wenn die Spinnen zurückkamen. Manaba, Bidziil und K'ai waren gute Kämpfer, sie würden gemeinsam mit Gaagi die Spinnen bekämpfen.

„Manaba, du kümmerst dich gemeinsam mit Cameron um das Feuer.“, entschied der Häuptling, der beinahe automatisch auch hier das Kommando annahm, obwohl mehr Menschen aus Jacks Dorf mit ihnen unterwegs waren. Dennoch akzeptierten sie alle die Führung des Diné, der bereits eine Menge Erfahrung hatte, trotz seines verhältnismäßig jungen Alters. Auch Manaba nickte nur knapp und schnappte sich Feuerstein und Zunder, ging an eine der Schneisen, in denen sie das trockene Moos angehäuft hatten. Cameron ging an eine andere Schneise, ebenso zwei weitere Männer.

„Bidziil, K'ai, ihr kommt mit mir, ihr seid schnelle Läufer. Jayla ebenso. Jack, du musst entscheiden, welche deiner Männer schnell und ausdauernd genug sind. Wir sollten nicht zu viele sein, um uns nicht aus den Augen zu verlieren, aber wenn wir zu wenige sind, werden nicht alle Spinnen Jagd auf uns machen.“, bestimmte Gaagi. „Wir suchen unterwegs Steine, um sie auf die Spinnen zu wer f en, außerdem brauchen wir hier noch einige Bogenschützen, die die Spinnen zumindest ein wenig in Bedrängnis bringen können. Wir haben zwar nicht gerade viel Hoffnung, sie wirklich zu verletzen oder auszuschalten, aber das wird uns nicht davon abhalten, sie zu beschießen. Nutzt das Feuer, setzt die Pfeile in Brand.“

Die Männer nickten und nahmen Stellung, während Jack noch bestimmte, wer mit Gaagi gehen sollte. Yas, Kellan und T'iis standen bereits an der Seite und warteten auf Jack und die beiden anderen Männer, die sie begleiten würden. Jeder von ihnen hatte ein Messer, mit dem sie die Kinder aus dem Netz schneiden konnten. Nur wenige Minuten später waren sie unterwegs. Yas lief leichtfüßig voran, geführt von Yáhzí, die sie begleitete. Die anderen Wölfe standen rund um Gaagi und würden offensichtlich die Gruppe begleiten, die die Spinnen weglocken sollte.

„Viel Glück!“, wünschten sie einander, bevor sie sich kurz vor dem Lager der Spinnen trennten. Yas nahm Stellung auf einem der Bäume ganz knapp am Rand des Lagers, sie würde den Männern ein Zeichen geben, wenn es losgehen konnte. Sie beobachtete, wie ihr Vater durchs Unterholz schlich und immer wieder innehielt. Wahrscheinlich nahm er da Steine mit. Auch die anderen Männer konnte sie sehen, Jayla hingegen war aus ihrem Versteck nicht zu sehen. Die Elfe verschmolz mit den Bäumen und Büschen.

Inzwischen war es schon dämmrig, sie hatten nicht mehr besonders viel Zeit, da die Menschen bald nicht mehr gut genug sehen konnten, um durch den Wald zu rennen. Und doch konnten sie nicht warten, wie die Zwölfjährige entsetzt feststellte, denn eine der Spinnen näherte sich den kleinen Paketen im großen Netz in der Mitte der Lichtung. Die Lichtung war vielleicht 150 Schritte im Durchmesser, und das Netz schwebte etwa drei bis fünf Fuß über dem Boden. Es war in mehreren Bäumen rund um die Lichtung verankert und hing in der Mitte ziemlich durch. Die Spinnfäden waren etwa so dick wie einer von Yas‘ Fingern.

‚Eigentlich erstaunlich‘, dachte das Mädchen, ‚dass so etwas Zartes eine so riesige Spinne tragen kann.‘ Doch lange konnte sie darüber nicht nachdenken, denn soeben traf der erste Stein eine der Spinnen, genau die, die sich am Netz zu schaffen machte. Mit einem Zischen fuhr sie herum und ihre Augen suchten den Gegner. Ihre Klauen klackten gegeneinander, was unheimlich in der plötzlichen Stille klang. Weitere Steine flogen und trafen nacheinander alle Spinnen, lockten sie ins Freie. Glücklicherweise, es wäre kritisch geworden, wenn sie in die Höhlen gekrochen wären. Doch auf die Idee schienen sie nicht zu kommen.

Mit einem Mal wimmelte es auf der Lichtung. Zehn Spinnen und deren Beine krabbelten über den Schnee und versuchten, die Angreifer ausfindig zu machen. Gaagis Gruppe hatte sich etwa um die Hälfte der Lichtung verteilt und sie feuerten nun eine regelrechte Salve an Steinen auf die Spinnen. Das Fauchen der riesigen Achtbeiner verstärkte sich, und mit einem Mal – beinahe wie abgesprochen – bewegten sie sich auf ihre Angreifer zu, klackten warnend mit ihren Greifwerkzeugen.

„Rückzug!“, erscholl Gaagis Stimme, und Yas konnte sehen, wie die Männer in Richtung der Baumgruppe losliefen, zunächst noch etwas langsamer, um die Spinnen zu ermutigen, die Verfolgung aufzunehmen, doch sobald sie dessen sicher waren, deutlich schneller.

Sobald die letzte Spinne außer Sichtweite war, gab Yas das Zeichen und sprang vom Baum aus direkt auf eines der Halteseile. Sie schnitt es mit einiger Mühe ab, klammerte sich dabei daran fest, sodass sie wie an einer Liane in die Mitte der Lichtung schwingen konnte. Rasch hangelte sie sich nach oben und saß nun auf dem Faden, der nahe an der Mitte und direkt neben einem der Kinder verlief. Mit ihrem Messer schnitt sie das Bündel erst einmal aus dem Netz frei. Die Spinnenfäden waren zäh, selbst mit dem guten Messer ihres Vaters nicht leicht zu durchtrennen. T'iis machte gerade das Gleiche bei dem zweiten Bündel. Ein drittes Bündel, das deutlich größer als eines der Kinder war, wurde von Jack aus dem Netz befreit.

„Okay, wir haben sie!“ Jack wirkte mehr als erleichtert, aber dennoch angespannt, da sie nicht wussten, wie viel Zeit sie hatten, bevor die Spinnen zurückkamen. „Bringen wir sie aus unmittelbarer Sichtweite, bevor wir sie auspacken.“

Yas nickte und sie folgten Jack, wobei zwei Männer das größere Bündel und je einer die kleineren trugen. Sie gingen nur wenige hundert Yards, dann machten sie Halt und befreiten die Gefangenen. Eliza und Acron waren blass und schienen zu schlafen, daher legte Yas ihnen nacheinander die Hand auf die Stirn und den Brustkorb, bis sie wieder tiefer atmeten und die Augen aufschlugen. Kellan schlang die Arme um beide Kinder, drückte sie fest an sich. Ihm liefen einige Tränen der Erleichterung über die Wange. Im dritten Bündel entdeckten sie den Grund, warum die Wölfe hier waren, denn ein junger Wolf, ganz in weiß, kam zum Vorschein. Yas nahm sich auch Zeit für ihn und schnell war er wieder auf seinen Beinen. Oder besser sie, denn Yas erkannte schnell, dass es sich um eine junge Wölfin handelte. Sie streichelte beruhigend über das schneeweiße Fell und Yáhzí leckte über den Kopf des Tieres.

„Du bist wunderschön, kleine Wölfin.“, murmelte Yas leise. „Was hältst du davon, wenn ich dich Akemi, die Schöne, nenne?“ Ein kurzes Wiffen und die Zunge, die über ihre Nase strich, brachten das Mädchen zum Lachen, und sie nahm es als Zustimmung. Plötzlich änderte sich die Stimmung schlagartig, Yas, Akemi und Yáhzí spannten sich an.

„Verschwindet mit den Kindern, die Spinnen kommen zurück!“, warnte die Halbelfe. „Sie sind bereits auf unserer Fährte! Eilt euch!“

Jack, Kellan und die beiden anderen Männer aus dem Dorf griffen nach den Kindern und rannten los. Yas, T'iis und die beiden Wölfe wandten sich in die andere Richtung, entschlossen, die Spinnen aufzuhalten. Tatsächlich dauerte es nicht einmal eine Minute, bis die erste Spinne auftauchte. Auf einem Hügel zeigten sich zuerst die Vorderbeine einer Spinne, die immer größer wurden, und schließlich schob sich der massige Leib über die Kante. Sie wurde flankiert von zwei weiteren Spinnen, die ein wenig hinter ihr auftauchten.

Hastig blickten die beiden Zweibeiner herum, aber es schienen nur die drei Spinnen zu sein, nicht mehr. Trotzdem mehr als genug für sie, waren sich Yas und T'iis sehr bewusst. Sie zogen ihre Messer und stellten sich nebeneinander, entschlossen, nicht nachzugeben. Knurrend standen die beiden Wölfe rechts und links von ihnen, das Fell aufgestellt und die Lefzen zurückgezogen, die Ohren angelegt und die Rute drohend lang nach hinten gestreckt, mit gesträubtem Fell.

Langsam näherten sich die Spinnen und sie wirkten nicht im Geringsten eingeschüchtert. Entschlossen richteten sich Yas und T'iis auf, die Messer in Angriffsstellung. Sie würden hier durchhalten, um diejenigen zu schützen, die sich auf sie verließen. Sicher waren Gaagi und einige der Diné auf dem Weg zu ihnen, sobald sie erkannten, dass nicht alle Spinnen in die Falle gingen. Doch bis dahin mussten sie aushalten.

Verzweifelt versuchte Yas, die Wurzeln der Bäume um sie herum zu beeinflussen, um die Spinnen zu Fall zu bringen oder aufzuhalten, doch es war wirkungslos, sie war einfach zu jung dafür. T'iis holte seinen Bogen vom Rücken und schoss Pfeil um Pfeil, versuchte dabei, die Augen der Spinnen zu treffen. Zwar landete er mehrere Treffer, aber die Spinnen wurden deshalb nicht langsamer. Als sie zu nahe waren, um den Bogen noch einsetzen zu können, schwang er ihn zurück auf seinen Rücken, zog das Messer aus dem Gürtel.

Yas verteidigte sich bereits gegen eine der Spinnen, während die Wölfe mit ihren scharfen Zähnen eine weitere Spinne an zwei gegenüberliegenden Beinen gepackt hatten und nun daran zerrten. Die Zwölfjährige schaffte es, eines der Beine am Gelenk abzutrennen, doch die Spinne ließ sich davon nicht beeindrucken, sondern versuchte, Yas mit ihren Greifwerkzeugen zu packen. Mit dem Messer stach das Mädchen immer weiter auf die Spinne ein, glitt jedoch an der gepanzerten Haut ab und musste aufpassen, sich dabei nicht versehentlich selbst zu verletzen. Die Spinne schaffte es, ihr eine kleinere Verletzung am Arm zuzufügen, doch Yas ließ ihr Messer nicht los, stach weiter zu.

T'iis hingegen hatte es geschafft, die Spinne zu blenden, indem er ihr in die Augen stach. Dabei war er allerdings einen Moment unaufmerksam gewesen, sodass die Spinne ihn zu Fall brachte. Hastig rollte er sich herum und stieß mit dem Messer nach oben, da er sich daran erinnerte, dass der Bauch weniger geschützt war. Doch die Spinne ließ das natürlich nicht einfach so geschehen und versuchte, ihn mit den Greifwerkzeugen vor ihrem Maul zu erwischen.

Immer wieder musste T'iis sich auf die andere Seite rollen und kam dabei ziemlich außer Atem, obwohl er eigentlich recht fit war. Doch mit einem Mal bot sich ihm die Gelegenheit. Unten am Bauch der Spinne erkannte er, dass in der Mitte des Leibes eine Art Naht zwischen zwei Platten verlief. Er sprang auf, ignorierte den brennenden Schmerz in seiner Wade, wo sich eine der Klauen der Spinne hinein grub, und steckte das Messer bis zum Heft in den schmalen Spalt. Mit Gewalt zog er es bis zum Hinterleib der Spinne. Eine ekelerregende Mischung aus Körperflüssigkeiten quoll aus dem Schnitt und T'iis musste die Luft anhalten, um den Gestank nicht einzuatmen, sonst würde er möglicherweise bewusstlos. Einen Moment stand die Spinne vollkommen still, dann durchlief ein Zittern den riesigen Leib und sie brach zusammen.

T'iis blickte sich nach den Wölfen und Yas um, erkannte, dass das Mädchen in Gefahr war. Hastig schüttelte er den Kopf, um die Benommenheit loszuwerden, und sprang ihr zu Hilfe. Die beiden Wölfe schienen die Spinne tatsächlich zu Boden ringen zu können und waren für den Moment in der besseren Position. Yas hingegen war in die Defensive gedrängt worden. Der Diné täuschte einen Angriff an und rollte sich in dem Moment, als die Spinne zurückschlagen wollte, unter ihren Körper. Den kurzen Moment der Verwirrung nutzte er, um sein Messer genau wie bei der ersten Spinne in den Spalt zwischen den beiden Platten zu stoßen und den gesamten Leib aufzuschneiden.

Diesmal hatte er vorher tief Luft geholt und hielt sofort den Atem an, als das Messer in das Gewebe eindrang. Am hinteren Ende angekommen zog er das Messer zurück und sprang zwischen zwei Beine n zur Seite, um nicht von dem riesigen Körper zermalmt zu werden. Als die Spinne zusammenbrach, erlaubte auch er sich, auf den Boden zu sinken. Akemi und Yáhzí kamen zu ihm, die dritte Spinne schien geflohen zu sein.

„T'iis? Bist du verletzt?“, hörte er Yas‘ Stimme aus weiter Ferne. Eine Antwort schaffte er nicht mehr.

Yas war erschrocken, als T'iis zusammenbrach und nicht mehr reagierte. Schnell sah sie die blutgetränkte Kleidung an seinem Bein und riss das Leder beiseite. Die Wunde war tief, aber scheinbar nicht vergiftet. Sie setzte sich neben den Mann, legte ihre Hand auf die Wade und begann, leise zu singen in der Sprache der Elfen. Man konnte zusehen, wie die Wunde heilte. Den Blutverlust konnte sie aber auch nicht ausgleichen. Ihre eigenen kleinen Verletzungen waren bereits fast verheilt, sie hatte nicht viel geblutet.

Da die beiden Wölfe wachsam neben ihr standen, konzentrierte sie sich vollkommen auf den Mann, der für sie zur erweiterten Familie zählte, so wie alle Diné. Als die Wunde am Bein endlich geschlossen war, schloss sie müde die Augen, wehrte sich aber gegen den Schlaf. Sie musste wach bleiben, konnte den Wölfen die Wache nicht alleine überlassen. Sie griff nach dem Bogen von T'iis und lehnte sich an einen Baum, sang leise zu ihm, in der Hoffnung, dass sie es schaffte, Kontakt zu Jayla zu bekommen. Doch noch immer hatte sie den Dreh nicht raus, es klappte einfach nicht.

Gaagis Gruppe hingegen war schnell zu der Baumgruppe gerannt, als sie sicher waren, dass die Spinnen ihnen folgten. Bis dahin hatte auch alles wie geplant funktioniert. Doch das Feuer hielt die Spinnen kaum zurück. Sie merkten nicht, wie drei der Achtbeiner zurück zu ihrem Lager huschten, da sie zu beschäftigt mit den restlichen neun Spinnen waren. Feuerpfeile trafen, richteten aber bis auf wenige Ausnahmen nichts an. Nur drei der Pfeile bohrten sich in die Spinnenaugen und führten dazu, dass die Spinnen aufgebracht zischten. Manaba hatte getroffen und wagte sich im Schutz des Gebüsches näher an eine heran. Er kämpfte gut mit dem Beil, dafür musste er aber näher hin. Doch die Spinne sah ihn im Licht des Feuers mehr als deutlich und setzte ihr Klauen-bewährtes Vorderbein gegen ihn ein.

Manaba landete mehrere Treffer an den Beinen, allerdings keine entscheidenden, bis er selbst getroffen wurde. Schmerzerfüllt krümmte er sich zusammen und rollte sich unter den Busch, um wenigstens außer Sicht zu gelangen. Die Klaue hatte ihn am Rücken getroffen und er spürte, dass er blutete.

Auch die anderen Männer und Jayla kämpften gegen die Ungeheuer, konnten jedoch keinen Vorteil erzielen, im Gegenteil, nach und nach wurden sie zurückgedrängt. Das Feuer beeinträchtigte die Spinnen überhaupt nicht und ging langsam aus, als es keine neue Nahrung bekam. Das hatten eigentlich einige der Männer sicherstellen sollen, doch sie brauchten jede Hand, um den Kampf nicht direkt zu verlieren. Hilflos musste Gaagi beobachten, wie eine der Spinnen Manaba einwickelte, nachdem sie ihn aus dem Busch gezogen hatte. Offensichtlich war er verletzt, doch darauf konnte der Häuptling gerade nicht achten.

„Zielt auf die weiche Stelle neben den Beißwerkzeugen!“, schrie in dem Moment K'ai, der tatsächlich eine der Spinnen in arge Bedrängnis gebracht hatte. Mit neuem Elan zielten Bidziil und Cameron mit den Bogen auf die Spinnen. Gaagi war zu nah an einem der Tiere und konnte nicht nach seinem Bogen greifen, doch sein Messer stieß in die gleiche Richtung.

Manaba fiel aus etwa drei Fuß Höhe auf den Boden und schrie auf, als die Spinne, die ihn gerade einwickelte, von einem Pfeil getroffen wurde. Dennoch blieb die Spinne stehen, gab nicht auf. Langsam aber sicher kreisten die Spinnen ihre Opfer ein, fiel Gaagi auf. Sie handelten zu intelligent für Tiere. Egal wie groß sie waren, es waren nur Spinnen. Selbst die alten Elfen hatten nie etwas Derartiges berichtet, er hatte den Rat der Ältesten danach gefragt, kurz nachdem sie sich hier niedergelassen hatten. Immerhin lebten sie nahe am Wald der Spinnen. Aber hier zeigte sich ein Verhalten, das auf Intelligenz schließen ließ. Da steckte offenbar mehr dahinter, doch darüber konnte der Häuptling gerade nicht weiter nachdenken, ihr aller Leben war in Gefahr und das war nun dringender.

„Lasst nicht zu, dass sie uns einkreisen!“, warnte er seine Mitstreiter. Aggressiv stach er auf das Ungeheuer vor sich ein und schaffte es, eines der Augen zu treffen. Die Reaktion der Spinne bestand darin, mit den Vorderbeinen nach ihm zu treten, die ihn mitten im Brustkorb trafen und mehrere Fuß nach hinten schleuderten. Benommen blieb er einen Moment liegen, weil ihm die Luft wegblieb. Als er sich wieder aufraffte, hatten die Spinnen sie eingekesselt und drangen immer weiter vor. Es waren noch immer acht Spinnen auf den Beinen und erst in diesem Moment realisierte Gaagi, dass drei Spinnen fehlten, denn nur eine lag besiegt auf dem Boden, wenn sie auch noch am Leben war, denn sie zuckte.

„Yas!“, hauchte er entsetzt. Die drei Spinnen waren sicher hinter ihr und ihrer ursprünglichen Beute her. Sie hatten verloren, wie es schien, das Klacken der Beißwerkzeuge wurde immer lauter und schien Vorfreude auszustrahlen. Gaagi blickte um sich, sein Messer war ihm aus der Hand gefallen, als er nach hinten flog, und lag nun außerhalb seiner Reichweite hinter einer Spinne. Sich umsehend erkannte er, dass nur Bidziil noch bewaffnet war, aber für den Bogen war er zu nahe dran. Er konnte ihn nicht mehr einsetzen. Ergeben schloss der Häuptling die Augen und dachte an Elif, Alemie und das ungeborene Baby.

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