Читать книгу SIE FINDEN DICH. - Dankmar H. Isleib - Страница 9

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VI

Jutta und Masimba warteten auf Jojowa. Er kam nicht zum verabredeten Zeitpunkt in die kleine Bar, in der Masimba arbeitete.

»Chef, Jojowa ist doch immer zuverlässig, oder? Er hat vorgestern den zweiten Teil seines Honorars von Jutta erhalten und ist seitdem verschwunden. Das ist mir nicht geheuer ...«

»Stimmt. Jojowa ist der zuverlässigste Mann, den ich in Kapstadt kenne. Ich habe noch eine andere Nummer von ihm und werde ihn gleich mal anrufen«, sagte der Barbesitzer, ein freundlicher Engländer, den es vor vielen Jahren nach Kapstadt verschlagen hatte, als sich seine damalige Frau von ihm trennte und er einfach nur Abstand gewinnen wollte.

Masimba hielt die Hand Juttas. In einer Mischung aus Annäherung an die schöne Deutsche und Mitgefühl. Er konnte beobachten, wie sie von Stunde zu Stunde unruhiger wurde.

Er wusste so gut wie gar nichts über die Malerin.

»Jutta. Bitte rede mit mir. Dich bedrückt doch sehr viel mehr. Es ist nicht nur die Suche nach deinem Freund, oder?«

Der sensible Shona, genauer Zezuru, ein Stamm aus der Mitte Zimbabwes, ahnte, dass hinter der Suche etwas ganz Anderes steckte.

Jutta war dankbar, dass Masimba fragte. Sie war in den letzten Tagen, speziell ab dem Moment, wo sie dem unangenehmen Mann in New York gesagt hatte, dass sie Franco definitiv nicht bespitzeln und ausliefern würde, damit das Ungeheuer ihn umbringen könne und sie mit, völlig verunsichert und hilflos. Allein in der Fremde. Gejagt, Liebeskummer und Monstern ausgesetzt, die jeder andere normale Mensch ebenfalls fürchten würde. Ihr Bruder, ihre Schwester! Würde der Verrückte aus New York seine Drohungen wahrmachen und die beiden auch umbringen lassen? Sie beantwortete sich die Frage mit JA, denn ihre Eltern hatte er ohne Skrupel killen lassen.

»Masimba. Ich bin in großer Not. Wenn ich dir die ganze Geschichte erzähle, stehst du auch auf deren Todesliste. Ich habe es mit einer Macht zu tun, die so mächtig ist, wie du es dir nicht vorstellen kannst und wie ich es mir auch nie hätte träumen lassen, dass es Ungeheuer wie diese auf der Welt gibt. Ich möchte dich nicht in die Gefahr bringen, in der ich seit vielen, vielen Wochen selbst bin. Deshalb: Lass es ruhen. Es ist lieb von dir, dass du dir Gedanken um mich machst ...«

»Nein. Ich möchte alles wissen. Du hast doch gemerkt, dass ich gewaltig auf dich stehe. Ich weiß ja, dass du nur Franco im Kopf hast. Es gibt wohl wenig Chancen, dich von ihm abzubringen. Sieh mich als deinen Freund. Glaub mir, jeder Mensch braucht im Leben einen echten Freund. Einen Menschen, dem man alles anvertrauen kann. Ich möchte ein solcher Freund für dich sein! Denn du hast niemanden. Das sehe ich dir an, Jutta.«

Und wieder nahm er ihre Hände, küsste sie zart und liebevoll – und schon war die Gefahr einer erneuten Sintflut sehr nahe. Jutta konnte nicht mehr an sich halten. Ihre Energie war aufgebraucht, seit Jojowa ihr gesagt hatte, dass er Franco gefunden hat. Sie wollte zur Ruhe kommen, wusste aber nicht, wie sie es anstellen sollte. In ihrem Kopf war Chaos ausgebrochen. Seit sie Joplin verlassen durfte. Immer nur auf der Flucht und zugleich auf der Suche. Zu viel für eine junge, sensible Künstlerin, die eigentlich am liebsten an ihrer Staffelei stand und in ihrer Traumwelt lebte.

»Ich habe da eine Idee, Jutta. Meine Tante Neyila ist Schamanin. Ich glaube, es wäre gut, wenn du sie triffst. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie dir helfen kann, dich von deinen auf dir lastenden Flüchen zu befreien. Ich weiß, ihr Europäer meint, dass das alles Blödsinn sei. Aber glaube mir: Es gibt weit mehr in Südafrika als dumme ‚Neger‘, Birnen, Äpfel und fantastische Pflaumen, Weizen und Mais, Platin, Gold und Diamanten ...«

»Das weiß ich doch, Masimba. Doch wenn ich dich in meine Probleme mit reinziehe, dann bist du schon jetzt so gut wie tot. Aber dein Angebot, deine Tante zu treffen, nehme ich gerne an. Sie wird dir bestätigen, wie schwer es mit mir werden kann.«

Jutta saß da wie ein Häufchen Elend und weinte bitterlich.

»Klar, ich habe verstanden. Meine Tante wohnt weit weg. Ich habe nur ein Fahrrad. Wenn du uns einen Leihwagen mieten kannst, fahren wir zu ihr. Das ist, so denke ich, die beste Idee. Sie wird uns auch sagen können, was mit Jojowa los ist.«

»Wann wollen wir los?«

»Gleich.«

In der Sekunde kam der Besitzer der Bar. Auch er machte kein fröhliches Gesicht:

»Ich kann Jojowa nicht erreichen. Es ist mir ein Rätsel. Der ist zuverlässig, wie man es nur den Deutschen nachsagt«, sagte er zu Jutta gewandt und reichte ihr ein blitzsauberes Leinentuch, wie es die Barkeeper benutzen, wenn sie die Trinkgefäße noch einmal nachpolieren, bevor sie ihre Kreationen mixen und in ein Cocktailglas schütten, um es dann ihren Kunden zu kredenzen, die oft ihren Virus ´Sorge´ vernichten wollen. Es war binnen Sekunden gefüllt von salzigen Tränen.

»Boss, gib mir bitte frei. Ich muss sofort mit Jutta eine wichtige Reise antreten. Bin morgen Nachmittag wieder zurück. Wenn sich Jojowa meldet, sag ihm, dass wir uns um drei Uhr hier treffen, ja?«

»Haut ab. Wenn ihr noch was braucht, sagt es ruhig.«

»Ja, wir brauchen ein Auto.«

»Nehmt meinen Jeep«, sagte er und warf Masimba den Schlüssel zu. »Du weißt, er steht hinten. Ist vollgetankt, wenn euch das hilft ...«

»Raue Schale, weicher Kern. Er ist eine Seele von Mensch«, warf Masimba im Gehen Jutta zu.

Er war happy helfen zu können.

Jemand hat uns vermutlich einen Spitzel geschickt. Er heißt Jojowa Bakate und war lange Jahre Offizier im südafrikanischen Geheimdienst. Wir haben ihn in England ausgebildet«, begann Sam Gilmore ohne jede Vorwarnung das Gespräch, als er zum Haupthaus kam und sah, dass Alberto, Winnfried und Jonathan auf der Terrasse schon auf ihn warteten.

»Ich hoffe nur, dass es nicht ein weiterer verdeckter Angriff der gleichen Leute ist, die uns die Drohnen schickten. Dann wissen wir zwar, wer er wirklich ist, aber noch immer nicht, wer dahintersteckt!«, befürchtete Franco.

»Wo hast du ihn, Alberto? Ist es nicht vielleicht besser, du führst ihn uns vor, damit wir uns alle einen Eindruck von dem Mann verschaffen können?«

»Du denkst, das ist clever, Franco? Dann kennt er uns alle. Wir hätten keine andere Wahl, als ihn zu töten, wenn der Feind dahintersteckt, den wir vermuten. Aber wir sind keine Mörder«, erwiderte der Angesprochene.

»Lasst mal. Ich denke, Franco liegt richtig. Fünf clevere Gehirne gegen eines. Das ist für den Mann eine faire Chance sich zu verteidigen, oder?«, erhob der Jüngste, Winnfried, das Wort.

Und alle waren einverstanden.

Alberto: »Sam, bitte bring uns den Mann, den du festgesetzt hast. Wir wollen ihn kennenlernen.«

»Geht in Ordnung. Wenn ihr meint. Die Gefahr, dass er uns verrät, bleibt.«

»Ein Risiko, das wir eingehen sollten.«

Wieder Winnfried. Das erwachsene Kind.

Fünf Minuten später kamen Sam Gilmore und zwei seiner Sicherheitsleute mit dem kleinen, alten, ausgemergelten, aber doch drahtigen Mann. Das Tribunal begutachtete ihn. Stumm. Eine bedrohliche Situation mit der Jojowa Bakate nicht viel anfangen konnte. Einen Mix von Menschen wie diesen hatte er nicht erwartet.

Und wieder begann der neue Leader des Teams, Winnfried von Löske, in feinstem Oxford-Englisch seine Fragen an den Knautschkopf richtend:

»Wer sind Sie? Was wollen Sie hier? Sie sehen nicht wie ein Verbrecher aus. Ich darf Sie bitten, uns die Wahrheit zu sagen. Es zählt nur die Wahrheit und ich werde es spüren, wenn Sie mich und meine Freunde belügen.«

Über das Gesicht von Jojowa huschte ein kaum erkennbares Lächeln. Dass ausgerechnet er, der Älteste in der ungleichen Runde, Fragen von einem Kind gestellt bekommt, während da ein hoher Ex-Geheimdienstmann seiner Königin sitzt, ein Geistesschaffender, ein weiterer Ex-Geheimdienstler und ein Genie, das kam ihm merkwürdig vor.

»Ich weiß nicht, wer Sie sind, junger Mann, oder darf ich „du“ zu dir sagen? Meine Geschichte habe ich schon Sam Gilmore erzählt. Er bot mir vorgestern das „du“ an. Aber ich wiederhole mich gerne.«

»Ich bitte darum«, sagte Winnfried mit einer einladenden Handbewegung, ohne auf das „du“ weiter einzugehen.

»Sie heißt Jutta, ist eine bildhübsche junge Deutsche, groß und intelligent mit sehr warmherzigen Augen, die mich beauftragte, einen Franco Mignello für sie zu finden. Sie scheint sehr verliebt in ihn zu sein. Und wenn ich in die Runde blicke, dann sind Sie gemeint, junger Mann!«

Jojowa sagte es ganz ruhig, ganz locker und zeigte dabei auf Franco. Er trug noch immer Handschellen und Fußketten. Ein Farbiger, gefangen im eigenen Land. Jojowa erinnerte sich an die Zeit der Apartheid. Ihm war keine Verhörtechnik fremd. Und während er das sagte, setzte er sich völlig relaxt auf den letzten freien Korbstuhl auf der Terrasse.

Franco wurde wieder einmal rot, ohne dass es jemand wahrnehmen konnte. Sommersprossen, Haarwust und Haut bildeten farblich eine Einheit. Aber noch hielt er sich zurück. Wollte erst mal verfolgen, wie Winnfried sein freundliches Gespräch mit dem Gefangenen aufbaute. Es trafen sich nur kurz seine Augen mit denen Albertos. Sie wussten, dass der Mann die Wahrheit sagte. Sie wussten jedoch nicht, was dahintersteckte. Auftrag von wem? Wirklich von Jutta?

»Nehmen wir an, Sie sagen die Wahrheit, Herr Bakate. Wie und durch wen haben Sie uns gefunden? Wir stehen nicht im Telefonbuch, wenn Sie wissen, was ich meine! Sie haben uns gezielt gesucht. Wenn ich mich nicht täusche, sind Sie im Geheimdienst tätig gewesen, sind entweder schon längst pensioniert oder aber rausgeflogen. Suchen Sie sich das Beste für sich raus.«

Lässige Verhörtechnik, die man einem Dreizehnjährigen so nicht zutrauen würde. Vertrauen aufbauen, hinterhältig nachfragen ...

»Einer der Musiker, in deren Band Sie auch spielen, Franco Mignello, hat Sie auf einem Bild erkannt, das besagte Jutta, deren Nachnamen ich nicht kenne, und ein Kellner – der in Kapstadt Kunst studiert und die Skizze der jungen Dame von Ihnen, Franco, anhand Ihrer außergewöhnlichen Augen vervollständigt hatte – gemacht haben. Damit ist er auf Suche gegangen. Hat mit seinen Studienkollegen die Clubs in Kapstadt abgeklappert. Der Gitarrist, der hier mit Ihnen probt, hat sich verraten. Er spielte in einem Club Songs von Jimi Hendrix. Nein, er hat nichts gesagt. Aber der Kellner, er heißt Masimba Mamango, hat ein sensibles Gefühl für Menschen. Er war sich sicher, dass der Gitarrist Sie auf dem ihm gezeigten Bild erkannt hatte, Mr. Mignello. Der Rest war für mich einfach. Beobachten, abwarten, wohin der nächste Tag den Gitarristen führt.«

Fünf Augenpaare blickten gebannt auf das verlebte Gesicht des kleinen Mannes.

»Am Montagmorgen hatte er es sehr eilig und fuhr von seiner Wohnung mit mehreren Gitarren im Gepäck auf direktem Weg hierher. Dann haben Sie mich, Sam, als Küchenhilfe angeheuert. Am gleichen Tag noch brachte ich Snacks zur Bandprobe. Da habe ich dann den Mann wiedererkannt, den besagte Jutta suchte. Das ist die ganze Story. Glauben Sie es oder auch nicht.«

Jojowa lehnte sich zurück und wartete nun seinerseits ab, was passieren würde.

»Bis zu diesem Punkt mag Ihre Geschichte stimmen, Mister Bakate. Nur: Warum sind Sie noch einmal zurückgekommen? Ihr Auftrag war doch erfüllt? Ich gehe davon aus, dass Sie Ihrer Auftraggeberin, einer gewissen Jutta, wenn es sie denn gibt, das mitgeteilt haben und auch, wo sie Franco Mignello finden kann, oder irre ich mich?«

Der junge Winnfried von Löske schien wirklich zum Boss geboren zu sein. Er kombinierte logisch, er stellte – höflich – die richtigen Fragen. Alberto und Sam Gilmore waren verblüfft, Jonathan mehr als erstaunt und Franco völlig neben der Kappe:

Jutta. Was macht Jutta in Kapstadt? Woher wusste sie, dass wir uns hier aufhalten? Wer hat sie geschickt? Oder ist es wirklich nur die Liebe? Das kann nicht sein. Ich traue ihr viel zu, aber das ist unmöglich. Sie konnte uns nicht finden! Wir haben doch kaum Spuren hinterlassen. Es ist schon für Profis schwierig, uns zu finden! Ja, dass uns ‚die‘ gefunden haben, damit musste ich rechnen. ‚Die‘ haben die Macht auf der Erde und Geld ohne Ende. Aber Jutta? Das kann nur eine Finte sein. Aber woher weiß der Mann, den wir hier gefangen halten, von Jutta? Mysteriös. Vorsicht ist geboten!

»Sam, bringen Sie bitte den Mann von hier fort. Wir müssen einiges besprechen. Danke!«

Franco wollte mit seinen Vertrauten ungestört reden. Sam nahm den Hasenzahn-Knautschkopf und ging mit ihm wieder zum Verwaltungsgebäude des Weingutes. Winnfried rief den Ex-Geheimdienstler hinterher:

»Sam, nehmen Sie dem Mann die Fesseln ab. Er wird nicht fliehen. Behandeln Sie ihn gut!«

Das Vertrauen des Kindes in den Alten ging ihm gegen den Strich. Er würde sich nicht daran halten.

»Liebe Freunde. Der alte Mann hat Recht: Ich kenne eine Jutta. Es ist definitiv die Person, die dieser Jojowa mit wenigen Worten sehr genau beschrieben hat. Sie muss in Kapstadt sein, kein Zweifel. Die Sache ist mir ein Rätsel. Ich lernte sie vor geraumer Zeit kennen, als ich dringend von Deutschland aus in die USA fliegen musste. Ich musste noch am gleichen Tag fliegen und versprach der Frau im Reisebüro – Jutta Spengler – eine Prämie, wenn sie es schaffen würde, mich innerhalb von einer Stunde noch irgendwo auf einen Flug nach Miami zu buchen. Sie schaffte es. Womit ich nicht gerechnet hatte: Sie flog gleich mit mir zusammen nach Miami, dem Ziel meiner Reise. Und sie entpuppte sich als außergewöhnlich schöne, interessante Person. Ja, ich verliebte mich ein wenig in sie und war hin und hergerissen von ihrem Charme, ihrer Lebendigkeit, ihrer Natürlichkeit. Ich wollte Stella nicht enttäuschen. Jutta drängte sich mir auf. In einer Art und Weise, dass es jeden von uns – bis auf dich, Winnfried – umgehauen hätte. Ohne Hintergedanken. Aus reiner Liebe zu mir. Dafür kann ich mich verbürgen. Aber da ich mit meinem Herzen bereits lange an Stella vergeben war, trennten wir uns nach ihrem Kurztrip nach Miami. Ich habe sie seitdem nicht wiedergesehen.«

»Hältst du es denn für möglich, dass sie dich verfolgt hat, bis nach Kapstadt? Von der überstürzten Reise von Dresden über Marbella nach Jonkershoek wusste niemand etwas oder habe ich etwas versäumt, Franco?«, fragte Alberto, der sein über Jahre sorgfältig aufgebautes Rückzugsgebiet endgültig und unabänderlich in Gefahr sah. Er wollte ein zweites Marbella verhindern. Es ging ihm nicht ums Geld aber um seine Freiheit, seine Freunde. Denn dieser zusammengewürfelte Haufen kluger Chaoten gefiel ihm sehr. Und sie hatten eine große Aufgabe zu bewältigen. Da passte eine Jutta Spengler nicht in den Plan, schon gar kein Störenfried wie der Ex-Agent Jojowa Bakate.

»Ich stehe selbst vor einem Rätsel, das ich noch nicht lösen kann!«

»Warum lassen wir diese Jutta nicht mit Hilfe des alten Mannes zu uns kommen. Dann wissen wir, was da läuft«, schaltete sich Winnfried ein.

»Ja, das halte ich für den einzig vernünftigen Ansatz«, mischte sich nun zum ersten Mal auch der ruhige Jonathan ein. »Setzt allerdings voraus, dass wir uns nach allen Richtungen hin absichern. Das wird nicht einfach. Wenn der alte Mann, wie ihn Winnfried bezeichnet, ein ehrlicher Mensch ist, dann haben wir keinen neuen Angriff von der Seite, wo wir unsere Gegner vermuten, zu befürchten. Lasst mich mit Sam einen Plan entwerfen. Kümmert ihr euch um unsere Hauptaufgabe. Die steht über allem. Wir kommen aus dem Fach. Wir werden einen Weg finden.«

In der Sekunde kam auch Sam Gilmore wieder zurück.

»Ich habe den Alten unter Bewachung zurückgelassen, so wie du es wolltest, Winnfried.«

Ein Wunder war geschehen. Der alte Fuchs akzeptierte ebenfalls den exzentrischen Headbanger, der fast sein Enkel sein könnte.

»Sam, wir müssen reden.«

Jonathan zog sich mit Sam Gilmore zurück.

Franco saß, wieder in sich gekehrt, stumm da. War nicht ansprechbar. Die Situation überforderte ihn. Zwei Frauen, die er auf seine Weise liebte. Der Weltstar, der ihn akzeptiert hatte, trotz seiner optischen Mängel. Stella, die er seit Jahren angebetet hatte und die ihn inzwischen so intensiv liebte, dass es sein Herz beflügelte, weil er die Gunst der Schönheit nicht fassen konnte. Und dann die Bohnenstange, von der er die körperliche Liebe hatte kennenlernen dürfen. Eine absolute Traumfrau. Ebenfalls wunderschön, wenn auch zwei Kilometer größer als er. Intelligent. Warmherzig, künstlerisch begabt, wie wenige Frauen in ihrem Alter.

Zwei Ausnahmeerscheinungen mit riesigen Herzen schlugen für ihn, den missratenen Italiener.

Zerrissen.

Ja, Franco war total zerrissen. Es war gut, dass ihn Winnfried aus seiner Melancholie holte:

»Franco. Wir müssen Zane entlassen. So gut wie er an der Gitarre ist – er ist gleichzeitig, wie wir gesehen haben, ein großes Risiko für uns. Wer einen derart folgenschweren Fehler macht, dem ist ein zweiter zuzutrauen. Alle Musiker, die für Stella arbeiten und dafür fürstlich bezahlt werden, haben sich an die Regeln zu halten. Die habt ihr ganz klar festgehalten. Er kann das nicht. Sonst wären wir nicht in der jetzigen Situation. Einer wie er gefährdet uns alle. Wir haben anderes zu tun und können uns mit solch einem Kinderkram nicht aufhalten!«

Aus dem Mund eines pubertierenden Kindes klang das komisch und hart. Aber Franco wusste, dass Winnfried Recht hatte.

»Es stimmt, Winnfried, auch wenn ich ihn nur ungern gehen lasse. Er ist ein fantastischer Musiker. Verrückt, aber sensationell. Ich muss sehen, wie ich es Stella erklären kann. Ich möchte sie ungern belügen, ich könnte aber sagen, dass er krank geworden ist. Ab morgen ist Stella wieder mit dabei. In den letzten Tagen hatten wir nur Bandproben«, zog Franco das Resümee, war von seinem eigenen Problem mit den zwei tollen Frauen abgelenkt und hatte jetzt eine sehr unangenehme Aufgabe. Die wollte er sofort umsetzen, stand auf und ging zu der blauen Halle ...

Joe Wood hatte einen glänzenden Einfall. Er ärgerte sich, dass er nicht gleich darauf gekommen war, als ihn Weisenfeld anrief.

Natürlich. Das ist doch logisch ...

Wood rief sich ein Taxi und ließ sich zum Polizeipräsidium fahren.

»Bitte holen Sie mir den Chef des Drogendezernats!«, herrschte Wood im arroganten Ton den Polizeibeamten an der Desk an und hielt dem verdutzt guckenden Sergeant seinen Dienstausweis der DEA unter die Nase, den der sich ewig lang genau ansah.

»Sofort, Special Agent Wood!«

Drei Minuten später saß Wood im Büro des stellvertretenden Chefs der Abteilung Rauschgift.

»Wir haben da ein Problem und ich würde gerne die Hilfe der südafrikanischen Polizei in Anspruch nehmen. Vor ein paar Tagen ist hier in Kapstadt eine Deutsche angekommen. Ihr Name ist Jutta Spengler. Sie hatte zwanzig Kilogramm Kokain im Gepäck, das Ihre Kollegen bei der Einreise übersehen haben müssen. Lassen Sie uns nicht ins Detail gehen. Bitte finden Sie heraus, in welchem Hotel sie abgestiegen ist. Den Rest übernehmen wir, aber natürlich nur mit freundlicher Genehmigung Ihrer Dienststelle. Die Frau ist US-Staatsbürgerin, vermutlich mit einem gefälschten Pass unterwegs. Wir sind schon seit zwei Jahren hinter ihr her. Können Sie das für mich arrangieren?«

»Wir sind Ihnen bei der Suche nach der Frau gerne behilflich. Es ist uns eine Ehre die DEA unterstützen zu dürfen. Allerdings müssen wir das Kokain beschlagnahmen, das verstehen Sie doch, Special Agent Wood?«

»Selbstverständlich. Daran soll unsere Zusammenarbeit nicht scheitern.«

»Fein. Wie kann ich Sie erreichen?«

Wood gab dem Officer seine Visitenkarte mit der aktuellen Handynummer.

»Bitte beeilen Sie sich, nicht, dass die Frau die Stadt wieder verlässt, bevor wir zugreifen konnten. Sie können mich rund um die Uhr erreichen. Die DEA schläft nie! Vielen Dank!«

20 Kilogramm Kokain. Wood ahnte, dass es nicht in der Asservatenkammer landen würde, wenn ... Das war ihm egal, denn es gab kein Rauschgift.

Ausgetrickst.

Er brauchte nur Jutta Spengler.

Sam Gilmore und Jonathan Burger hatten ihren Plan ausgearbeitet. Sie durften keine Zeit verlieren. Jonathan würde Jojowa nach Kapstadt begleiten. Der sollte keinen Schritt mehr ohne ihn machen können. Jonathan würde der Schatten des Detektivs sein. Jojowa hatte den Auftrag, Jutta im Hotel zu besuchen und sie mit nach IN VINO VERITAS zu bringen.

Das war der Plan.

Jutta schützen und zugleich Jojowa vor falschen Schritten bewahren, sollte er denn welche geplant haben. Jonathan lehnte es ab, sich selbst von Sams Leuten beschützen zu lassen. Er wollte so unauffällig wie möglich agieren. Allerdings hatten sie einige Sicherheiten für ihn eingebaut, von denen nur sie, Jonathan und Sam, wussten.

Als Jonathan und Jojowa in Kapstadt ankamen, fuhren sie zunächst in das Hotel, in dem Jutta abgestiegen war. Dort mussten sie leider erfahren, dass Misses Spengler überraschend ausgecheckt hatte. Das verstand Jojowa gar nicht. Er fuhr mit Jonathan sofort weiter zu der Bar seines britischen Freundes ...

»Bitte sag mir, wo ich die Deutsche finden kann. Hast du eine Ahnung?«, überfuhr Jojowa den Barbesitzer. »Es ist lebenswichtig, sonst würde ich dich nicht bitten.«

»Kein Problem. Die junge Deutsche ist mit Masimba und meinem Jeep unterwegs zu einer Tante von Masimba, einer Schamanin.«

»Und weißt du, wo die zu Hause ist?«

»Nein. Nicht genau. Nur das Dorf hat mir Masimba genannt. Es liegt circa 200 Kilometer von Kapstadt. Östlich. Bei Swellendam, wenn du schon mal da warst. Das Nest heißt Hermitage. Mehr kann ich dir leider nicht sagen. Sie wollten aber morgen Abend zurück sein. Vielleicht wartest du lieber ...?«

»Danke, nein, warten kann ich nicht. Es ist sehr dringend. Ich werde sie schon finden. Kennst mich ja.«

Jojowa war happy. Jonathan war happy, dass Jojowa die Wahrheit gesagt hatte – er mochte den alten Graukopf. Sie tankten den schwarzen Jeep noch einmal voll und fuhren sofort los nach Swellendam.

Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich. Das ist ein südafrikanisches Sprichwort, schöne weiße Frau vom Norden der Erde.«

Das waren die ersten Worte, die die Schamanin an Jutta richtete.

Auf der Fahrt nach Swellendam, einer lieblichen Kleinstadt mit rund 18.000 Einwohnern, sprudelte es aus Jutta nur so heraus. Ja, sie brauchte dringend einen Menschen, einen Freund, dem sie ihr Leid anvertrauen konnte. Sie war sich zugleich bewusst, dass sie den liebenswerten Rastaman in Gefahr bringen würde.

Wie schnell sie von ihren Befürchtungen eingeholt wurde, ahnte sie zu diesem Zeitpunkt nicht ...

Masimba war erschüttert.

Was Jutta ihm in der nächsten Stunde erzählte, ging weit über seine Vorstellungen hinaus, was Menschen an Bösem planen und durchsetzen können. Umso mehr war er sich sicher, dass seine Tante Neyila Jutta Kraft geben würde und die teuflischen Angriffe auf ihre Seele abwehren könne.

»Du bist vom Teufel besessen. Er hat dich in seinen Bann gezogen. Aber du bist zugleich eine unglaublich starke Frau und hast dich schon selbst von ihm lösen können, zumindest teilweise«, fuhr die Schamanin fort.

Jutta hatte nach dem Eintreffen in dem kleinen Dorf am Rande von Swellendam, Hermitage, noch kein Wort zu der Schamanin gesprochen und auch Masimba hatte seiner Tante nur gesagt, dass seine Freundin Hilfe brauche.

»Der Teufel lebt weit weg. In einer großen Stadt in Amerika. Er ist gefährlicher als die meisten Menschen, die mir im Geiste begegnet sind. Es gibt kein größeres Ungeheuer in Menschengestalt als ihn. Er nennt sich Rechtsanwalt und dient noch größeren Herren. Es sind die, die unsere Erde zerstören. Und er wird es heute noch versuchen. Du bist in großer Gefahr, schöne weiße Frau. Er hat sehr böse, ihm hörige Menschen an seiner Seite. Ich sehe dich und ihn. Bitte pass gut auf dich auf, schöne weiße Frau.«

Die Schamanin, die Jutta auf einem Hocker gegenübersaß und sie nur anschaute, ihre Hände dabei um ihren Körper kreisen ließ, ohne Jutta zu berühren, fuhr fort:

»Im geläuterten Zustand entspricht das Herz des Wissenden dem Astralleib, der die Fähigkeit besitzt, in den Himmel aufzusteigen. Um diesen geläuterten Zustand zu erreichen, muss das Herz zuerst einmal zerbrochen werden und möchte davonlaufen, weil es unbewusst leidet. Es muss leider erst zu einer Ruine werden. Es werden die außergöttlichen Einflüsse darin zerstört. Erst danach wird das Herz wieder schlagen können und ist befreit vom Schmutz des Teufels. Mädchen, du bist wieder rein!«

Masimba verfolgte das Zeremoniell mit großem Erstaunen. Er hatte seiner Tante bei einem seelischen Reinigungsprozess noch nie beigewohnt. Er war fasziniert davon, was in Jutta physisch und psychisch vorging. Als guter Beobachter bemerkte er die Veränderungen. Sie waren derart deutlich, dass ihm schlagartig klar wurde, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als er auf der Schule gelernt hatte. Jutta richtete sich auf, sie begann zu strahlen. Es war ein Strahlen, das aus ihrem Inneren kam und das ganze Dorf im Abendlicht erhellte.

So etwas hatte Masimba noch nie erlebt.

Zur gleichen Zeit, als Jutta mit Masimba zu ihrer Tour zur Schamanin aufbrach, erreichte Wood der Anruf des Officers, den er gebeten hatte, ihm das Hotel von Jutta Spengler zu finden.

»Die Drogendealerin wohnt im >Table Bay Hotel<, Victoria & Alfred Waterfront. Rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen. Ich stehe gerne weiterhin zu Ihrer Verfügung, Special Agent Wood!«

»Danke, Officer. Sie haben mir sehr geholfen!«

Joe Wood war schon so gut wie auf dem Weg zu dem Hotel. Er hatte es nicht geschafft, in der Zwischenzeit gute, zuverlässige Leute zu finden, die ihn bei seiner Mission unterstützen konnten. Also hatte er aufgerüstet. Sein Leihwagen glich einem Waffenlager. Waffen jeder Art konnte man locker in den Townships kaufen. Wood war zu allem entschlossen. Er wollte dem Rat der 13 beweisen, dass er zu Größerem fähig ist.

Ich muss das Risiko eingehen. Auf mich warten höhere Aufgaben in New York, sprach sich der eiskalte DEA-Agent selbst Mut zu.

Im Hotel angekommen, ging er mit forschem Schritt zur Rezeption. Zückte wieder seinen DEA-Ausweis, der in Südafrika eigentlich gar nichts bedeutet, und forderte die Dame in barschem Ton auf:

»Gefahr in Verzug. In welchem Zimmer wohnt der Gast aus Deutschland, Jutta Spengler!?«

Eingeschüchtert suchte die Rezeptionistin auf ihrem Bildschirm nach Frau Spengler.

»Zimmer 772. Aber sie hat vorhin ausgecheckt. Äh, ich will sagen, Sie kommen zu spät, Sir.«

»Hat sie eine Nachricht hinterlassen? Wissen Sie, wo ich sie finden kann? Ist sie zum Flughafen gefahren?«

»Nein Sir. Sie wurde von zwei Männern abgeholt. Einen davon kenne ich. Er ist Privatdetektiv und hat schon manchmal für unser Haus gearbeitet.«

»Gut. Sein Name, Adresse? Schnell bitte!«

Die Rezeptionistin kramte in einer Schublade und wurde fündig.

»Ich mache Ihnen eine Kopie seiner Visitenkarte, ja?«

Zwei Minuten später saß Wood wieder in seinem Leihwagen, programmierte das Navigationsgerät mit der Adresse des Privatermittlers und raste quer durch Kapstadt. Er kam vierzig Minuten später zu einer Bruchbude von Haus. Das ehemals blanke Messingschild sagte ihm, dass er richtig war. Er klingelte. Keine Reaktion. Wood trat kurzerhand die Tür ein. Eine Heckler & Koch Mark 23 in seiner Rechten. Im Büro des Mannes, der auf den Namen Jojowa Bakate hörte, lagen auf dem Schreibtisch gefühlte einhundert Zettel. Systematisch graste Wood den Tisch ab. Hier: „Jutta u. Masimba.“ Schlecht leserliche Handschrift. Und eine Telefonnummer. Auf der Rückseite des Kärtchens das Bild eines gut aussehenden, jungen Afrikaners mit einer riesig langen Rastamähne. Daneben stand in sorgfältig gemalter Schrift: Kunststudent und Maler.

»Officer, können Sie mir noch einmal helfen? Die Gesuchte ist nicht mehr im Hotel. Aber ich habe eine Handynummer. Bitte orten Sie, so schnell es geht, wo das Smartphone eingewählt ist und rufen mich auf dieser Nummer zurück. Danke. Ist sehr freundlich von Ihnen meine Mission zu unterstützen!«

Südafrika.

Arm und reich.

Reich an Kontrolle und Überwachung.

Arm die meisten Südafrikaner ...

Sieben Minuten später kam der Rückruf:

»Das Handy ist zur Zeit in Swellendam eingeloggt. Finden Sie den Ort?«

»Ich finde jeden Ort! Danke nochmals!«

Wood hatte das Gespräch schon unterbrochen, bevor der dienstbeflissene Officer der Polizeizentrale in Kapstadt noch etwas sagen konnte.

Wieder programmierte er sein Navi und raste erneut quer durch die Stadt. Richtung Osten; eine Fahrt von circa zwei, drei Stunden lag vor ihm.

Mit nur einer guten halben Stunde Differenz – ohne dass sie voneinander wussten – kamen Jojowa und Jonathan, wie auch Wood in Swellendam an. Der Vorteil lag auf Seiten von Jojowa. Er wusste, wo er Jutta und Masimba finden konnte. Sie fuhren auf direktem Weg die drei Kilometer nördlich nach Hermitage. Dort fragte Jojowa die erste Frau, die ihm über den Weg lief, nach einer Schamanin. Bekam die Antwort: »Wir haben nur eine, Neyila. Wir lieben sie. Sie wohnt dort in dem gelben Haus.«

Schon war das ungleiche Team bei dem gelben Haus. Kein Licht. Niemand da. Jojowa ging um das Haus. Im Garten kein Mensch. Er klopfte an der Tür des benachbarten Hauses.

»Ich suche Neyila. Kannst du mir helfen?«

»Sie ist vorhin mit einer weißen großen Frau und einem sehr jungen Rastaman in die Stadt gefahren. Wenn sie in der Stadt ist, geht sie immer ins >Paradise Organic<. Ein kleines Restaurant an der Hauptstraße.«

»Danke!«

Zwölf Minuten später hatten Jonathan und Jojowa das auch bei Touristen angesagte vegetarische Restaurant gefunden.

Jutta schrie laut auf, als sie den kleinen, zerknautschten alten Mann auf sich zukommen sah. Sie sprang vom Tisch auf, stürzte sich förmlich auf Jojowa und drückte ihn, als sei er der Heilsbringer.

Zufall oder nicht: Zur gleichen Zeit fuhr ganz langsam ein Waffenlager an ihnen vorbei. Wood auf der Suche nach der Frau, die er töten sollte. Er sah aus dem Augenwinkel das ungleiche Paar. Stoppte abrupt, fuhr dann langsam weiter und hielt keine zwanzig Meter von dem Lokal entfernt an. Er griff sich seine SIG Sauer, die neben ihm auf dem Beifahrersitz lag, entsicherte sie, schaltete den Rückwärtsgang ein und rollte ganz ruhig und langsam die paar Meter zurück.

Das muss sie sein. Keine andere weiße Frau verirrt sich um diese Zeit hierher. Weisenfeld, ich habe deine Beschreibung der Person verstanden!

Jutta Spengler, ich habe dich!

Und schon schoss er aus der 15-schüssigen 9mm SIG auf die am Tisch sitzenden Personen. Der erste Schuss traf nicht. Die fünf Personen am Tisch sprangen auf. Tumult in dem voll besetzten Lokal. Drinnen und draußen. Schreie und Flucht. Masimba umklammerte beschützend Jutta. In der Sekunde wurde er schon von einer Kugel getroffen. Er sank mit Jutta zu Boden. Jonathan erwiderte inzwischen das Feuer in das Dunkel hinein – die Straße war nicht beleuchtet –, Jojowa warf sich über die Schamanin und drückte sie zu Boden. Keine zehn Sekunden dauerte das grausame Schauspiel. Der das Feuer eröffnende Schütze raste mit seinem Wagen davon. Jonathan schoss noch sein Magazin leer, aber alles ging viel zu schnell.

Masimba: Tot.

Jojowa: Schwer verletzt.

Jutta: Eine Kugel in der Schulter.

Neyila: Sie hatte einen Schutzengel.

Jonathan: Verzweifelt, dass er die Schießerei nicht verhindern konnte.

Das kleine Städtchen war in Aufruhr. Ein Gemetzel wie dieses hatte es in Swellendam noch nicht gegeben. Masimba war direkt ins Herz getroffen worden. Er war ohne Chance geblieben. Er hatte der Frau, die er zu lieben glaubte, als Schutzschild gedient. Mit Erfolg, den er mit seinem eigenen, jungen Leben bezahlen musste. Der brave, alte Jojowa hatte der Schamanin das Leben gerettet. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Lungendurchschuss. Zu hoher Blutverlust. Jutta war in einen Schockzustand gefallen. Ihre Verletzung war – Gott sei es gedankt – harmloser als erwartet. Eine Fleischwunde. Dank der Schamanin Neyila musste sie nach der Entfernung der Kugel nicht einmal im Hospital bleiben.

Neyila wusste, wie man Wunden behandelt. In dem kleinen Krankenhaus kannte man sie und vertraute ihren Fähigkeiten.

Jonathan bewahrte zwar kühlen Kopf und die Übersicht, aber auch er tat sich schwer, das Ereignis des späten Abends einfach abzuschütteln. Er bat die Schamanin ihn und Jutta zu begleiten. Mit Jutta hatte er kaum ein Wort wechseln können. Der brutal erschossene Detektiv und er waren ja gerade erst vor nicht mal zwei, drei Minuten mit ihr und dem inzwischen toten jungen Mann in dem Lokal zusammengetroffen, als der Schusswechsel auch schon losging.

Jonathan hoffte nicht, dass der Angreifer es noch einmal versuchen würde. Er musste an den Angriff auf Stella in Frankfurt denken, als sie mit ihrem nächtlichen Lover nach dem Besuch im Sternelokal auf dem Weg zum Hotel waren. Wieder hatte er einen gepanzerten Wagen, wieder eine bildschöne junge Frau, die – verletzt – schweigsam und tapfer im Fond des Autos saß und dazu eine Schamanin, die sich um die Gesuchte kümmerte. Durch den Rückspiegel beobachtete er, wie sich die etwa sechzigjährige Heilerin um Jutta Spengler kümmerte. Sie sprach auf sie ein, ihre Hände kreisten um die Wunde, ohne sie zu berühren, und zusehends entspannte sich Jutta. Sie lächelte still in sich hinein, schien auch keine Schmerzen zu haben und als sie auf dem Highway 60 in nordwestlicher Richtung auf dem noch weiten Weg nach IN VINO VERITAS waren, war Jutta bereits friedlich eingeschlafen. Jonathan war relativ zufrieden, auch wenn es zwei Tote gegeben hatte. Zumindest hatte er Jutta retten können und seinen wichtigsten Auftrag erfüllt.

SIE FINDEN DICH.

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