Читать книгу Kristallschädel - Dankmar H. Isleib - Страница 11

VII

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»DER Tote heißt Achim Mäzler. Junggeselle. Stammt aus einem Nest bei Ingolstadt und betreibt dort eine Muckibude. Besser: betrieb. Bis gestern. Er hatte eine zerfledderte Visitenkarte bei sich, die du übersehen haben musst – oder hattest du keine Zeit, ihn zu filzen –?, und die uns zu ihm führte. Die wiederum war von einem Banker aus dem gleichen Ort. Arnim von Radebusch. Er leitet dort die einzig ansässige Bank. Also habe ich gleich mal ein wenig recherchiert und über den Banker den Namen des Toten gefunden. Die scheinen sich besser zu kennen und vielleicht sogar Freunde gewesen zu sein. Der von Radebusch hielt sich zurück, wie es sich für einen ordentlichen Banker gehört. Dieser Mäzler war vorbestraft. Allerdings liegt das schon über zwanzig Jahre zurück. Da hat er mal mit Kumpels, die er nicht verraten hat und die die Dorfpolizei damals nicht identifizieren konnte, einen Schuster beklaut, der alte Pokale sammelte. Danach war Ruhe im Karton. Den wertlosen Pokal hatte er zurückgegeben, bekam sechs Monate auf Bewährung und seitdem wurde er nicht wieder auffällig. Auffällig ist allerdings, dass der mit seiner Muckibude extrem gut verdient zu haben scheint. Ihm gehören im Ort und in den umliegenden Nestern etliche Immobilien. Elf, die ich auf die Schnelle recherchieren konnte. Wie man doch mit Muskeln reich werden kann! Na, der Schwarzenegger hat es ja auch geschafft …«

Mit diesem Redeschwall begrüßte mich Vadim Langholtz am späten Vormittag des nächsten Tages. Gerade war ich mit meiner Anna und dem noch immer ziemlich dämlich aus der Wäsche schauenden Fanny beim noch späteren Frühstück in der ›Eierwiese‹. Das Wetter war okay und wir eigentlich gut drauf, wenn da nicht Fanny gewesen wäre. Ob der nun ein schlechtes Gewissen hatte, weil er den Blonden, von dem ich nun wusste, wie er heißt, Achim Mäzler, 50, ins Jenseits befördert hatte oder ob es an seinem Liebeskummer lag, konnte ich nicht sagen. Lola lockte anscheinend nicht mehr so sehr …

»Danke. Wie geht’s nun weiter? Führt ihr eine Mordermittlung durch? Hat der Typ Angehörige? Was machen wir mit Fanny?«

»Vier Fragen auf einmal. Komm mal runter, Richter! Der Mäzler wird eh nicht wieder lebendig, Fanny kann ich schlecht verhaften und eine Familie hat der Tote nicht. Der Fall ist so gut wie abgeschlossen. Allerdings werde ich heute noch mal selbst in das Nest fahren, könnte ja sein, dass etwas übersehen wurde, denn auch du willst ja wissen, warum der Mann bei deiner Klientin einbrechen wollte. Willst du mitkommen?«

»Könnte nicht schaden. Schon für die Doberman sollte ich der Sache nachgehen. Der Tote war definitiv nicht der Einbrecher der Nacht. Der hatte lange Haare, zu einem Pferdeschwanz gebunden, und eine Tätowierung am rechten Unterarm, wenn Frau Doberman sich nicht geirrt hat.«

»Beides fanden wir bei Mäzler nicht. Der ist kurzhaarig, blond und ohne Tattoo auf dem Unterarm, dafür an Stellen, die du nicht wissen willst, Doktor! Allerdings war auch er reinstes Anabolikum. Mit Sicherheit verfütterte er in seinem Gym kein Hundefutter an die Muskelprotze der Gemeinde. Und dann war da noch das Ereignis von vor zwanzig Jahren, das du vorhin erwähntest. Vielleicht gibt es die Rockertruppe noch immer?«

»Das würde mich zum Beispiel interessieren. Aus Sicht von Hermine alle um die zwei Meter, jung und sportlich, tätowiert und wild, eben die typischen Harleyfahrer. Dazu könnte auch der Mäzler gehört haben, vorausgesetzt, wir reden von der gleichen Gruppe. Und was war mit dem Langhaarigen, nur wenige Stunden vorher? Den muss ich auf jeden Fall finden. Sag mal, habt ihr bei dem Toten eine Harley Davidson entdecken können?«

«Nee, keine Ahnung. Dazu habe ich meine Leute noch nicht befragt. Wir wollten zuerst nur mal die Identität des Mannes klären.«

»Ich habe da so eine Idee. Hermine Doberman erzählte mir gestern, dass sie vor rund zwanzig Jahren recht freundlichen Besuch von einer Rockerclique gehabt hätte. Ist sie identisch mit der, von der du erzähltest? Sechs Typen, die bei ihr aufkreuzten und Devotionalien aus dem Dritten Reich anboten, kamen mit einer angeblich fast leeren Kiste, deren Inhalt die Doberman dennoch kennt, komisch, und den ich für sie suchen soll. Einen ‚Kristallschädel‘. Ihr geklaut. Wenn du weißt, was das ist. Sicher hast du noch nichts davon gehört. Menschliche Totenköpfe aus Glas, Kunstwerke vergangener Epochen, die sehr alt und sehr wertvoll sein sollen. Den ihr gehörenden zu finden, soll mein Job sein. Mysteriös und ziemlich schräg, so wie die Alte auch, aber da scheint was dran zu sein, denn Frau Doberman sollte man nicht unterschätzen. Ihr Vermögen dürfte sich mindestens auf einem dreistelligen Millionenbetrag bewegen. Blöd ist die definitiv nicht! Alle Bilder, die du in ihrer Rumpelkammer von Haus gesehen hast, sind echte Gemälde großer Meister der Malerei. Was spricht dagegen, dass Mäzler einer derer war, die schon vor zwanzig Jahren mit dabei waren und dass der andere, der letzte Nacht ebenfalls versuchte, bei der Frau einzubrechen, auch zu der Meute gehört? Dilettantisch, aber immerhin. Wenn es so ist, dann würde doch einiges dafür sprechen, dass es die Clique von damals noch gibt und dass die Mitglieder vielleicht alle aus dem gleichen Nest kommen? Und dass sie vermutlich noch immer etwas suchen, was der Millionärin gehört und verschollen zu sein scheint? Es würde dann auch ein Ereignis geben, von dem wir nichts wissen, was aber dazu geführt hat, dass nun nach rund zwanzig Jahren plötzlich mehrere Leute versuchen, auf ihre Weise wieder Kontakt mit der Alten zu suchen, um sie um etwas zu erleichtern, das sie nicht mehr zu haben scheint. Der Kristallschädel soll immens wertvoll sein. Im Zusammenhang mit weiteren zwölf. Du weißt, Mystik, das Dritte Reich und spinnerte Milliardäre.«

»Hast recht, Doktor! Das geht mich nichts an, interessiert mich auch nicht wirklich. Ich bin für Morde in München zuständig und den aktuellen habe ich aufgeklärt. Fanny war der Täter. Du hast alle relevanten Informationen und kannst deinem Hobby nachgehen, Fälle zu bearbeiten, die meist katastrophal enden, wenn ich meinem Vorgänger im Amt Glauben schenken darf …«

»Okay, okay! Wann willst du losfahren?«

»Wenn du dein ‚Frühstück‘ beendet hast. Komm zu mir in die Ettstraße, wir fahren mit meiner Dienstkarre.«

»Nein, ich möchte unabhängig sein. Gib mir die Adresse. Wir treffen uns vor Ort … wo, bitte?«

»15 Uhr vor der Bank in Münchsmünster an der Donau, kurz vor Ingolstadt. Die Bank kannst du in dem Nest nicht verfehlen.«

Und schon ging der Ärger los! Anna hatte natürlich mitbekommen, dass ich wieder meiner Lieblingsbeschäftigung frönen wollte. Sie hatte sich auf einen schönen Tag mit mir gefreut. Nun war ihr das labbrige Müsli quasi im Halse steckengeblieben. Und Fanny, die beleidigte Kampfleberwurst, schaute mich zweifelnd an. Ganz anders als sonst, wo er es kaum erwarten konnte, an meiner Seite Verbrecher zu jagen. Schon beim letzten Job mit dem Jacob Folgmann war er in weiten Teilen abgemeldet gewesen. Er war in den Fall Folgmann nicht richtig eingebunden gewesen und langweilte sich überwiegend. Das alles schien ihm nicht zu passen. Er fühlte sich schon wieder halbwegs übergangen oder täuschte ich mich und er wollte wirklich nur schnellstmöglich wieder zu Hermine? Ich hatte sie noch gar nicht angerufen und wollte das nachholen, bevor ich richtig Ärger mit meiner geliebten Frau bekam. Aber auch das bekam Anna in den falschen Hals.

»Gib doch zu, du hoffst, dass die Junge wieder da ist. Die Alte ist dir doch ganz egal. So, wie du die Junge beschrieben hast, passt sie doch genau in dein Beuteschema!«

Eifersucht. Meine Anna! Was war ich auch so blöd, ihr zu erzählen, was ich gestern in Solln erlebt hatte und dass es mir vorkam, als ob Ines die Alte um einen Kunstschatz erleichtern wollte. Sollte ich meiner eigenen, geliebten Frau gegenüber – die nun selber wirklich in jeder Hinsicht, nicht nur optisch, eine ausgemachte Granate ist und auf die ich mehr als stolz bin – Geheimnisse haben und mich nicht mehr mit ihr besprechen sollen, wenn eine andere, noch dazu – da hatte meine Anna ja nicht unrecht – attraktive junge Frau im Spiel ist? Ich hatte Ehe als was anderes verstanden. Offenheit, Vertrauen. Zu zweit eins sein. Miteinander verschmelzen.

Bevor ich mich weiter aufregen konnte, klingelte mein Handy: »Kommen Sie sofort zu mir Daniel sofort!« Das Maschinengewehr auf Dauerfeuer!

»Der Klee ist weg einfach weg geklaut wenn Sie’s nicht waren kann das nur die Schlampe gewesen sein sie wissen schon wen ich meine wie sie das nur gemacht hat ich habe gar nichts bemerkt sie sind schuld weil sie einfach abgehauen sind sie Vollpfosten ich sollte sie gleich feuern bevor sie richtig angefangen haben und vielleicht noch mehr Unheil anrichten als es eh dieses verdammte Miststück so jung und schon so versaut macht beklaut ihre eigene Großmutter wer soll es denn sonst gewesen sein es kam gestern wenigstens das na Gott sei Dank kein Einbrecher mehr und niemand war in meinem Haus denn ich habe keine Putze also fahren sie erst zu ihr und dann kommen sie mit dem Bild zu mir verstanden die wohnt in der Pfälzergasse neun machen sie schon sie lahmarschiger Trottel ich will mein Bild zurückhaben …«

Liebenswerte Person!

Ich hatte es geahnt. Ines. Ihre Stimme, ihre unsichere Art im Haus ihrer Großmutter. So hatte ich gleich noch einen zweiten Auftrag. Und wieder waren Bilder mit im Spiel, wie bei meinem letzten Auftrag.

Vermutlich war der Klee diesmal allerdings echt.

Es lohnt sich nicht, reich zu sein. Oder hatte ich in meinem Leben irgendetwas verpasst? Gibt es doch einen Sarg mit Anhänger?

»Anna, wir können später streiten. Fanny, raff dich auf, wir müssen los!«

Damit ließ ich auch meine Süße stehen, Fanny war endlich wieder ganz der Alte, raste zum Jaguar, er schien es eilig zu haben …

Kristallschädel

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