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9) Weltherrschaft, der alte Traum

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Die gängige Meinung, dass der Schurke in einem James-Bond-Film nur ein Ziel kennt, die Weltherrschaft, stimmt in den meisten Fällen nicht.

Dr. Julius No in „James Bond 007 jagt Dr. No“ (1962) versucht lediglich, die Raketenstarts von Cape Canaveral zu stören. Er arbeitet für Gofta316 und sinnt auf persönliche Rache, weil er als Wissenschaftler verkannt wurde; ein Schicksal, das er mit John Gardners Romanfigur Dr. Anton Muric aus „Countdown für die Ewigkeit“ (1981) teilt. Der will einen Super-Atom-Reaktor bauen, hat aber keine Genehmigung bekommen. James Bond verkennt auch Nos Pläne und wirft bei einem Gespräch ein: „Weltherrschaft, der alte Traum.“

Dieselbe Organisation, der No angehörte, will sich in „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) für den Tod Nos rächen und James Bond aus dem Weg schaffen, womit auch dem Ansehen des Secret Service empfindlicher Schaden zugefügt werden soll. Eine Dechiffriermaschine vom Typ Lektor soll nebenbei einen satten Gewinn in die Spectre-Kasse spülen. Von Weltherrschaft keine Rede.

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Goldfinger steigt aus dem Helikopter - Schnappschuss am Set

Sogar Auric Goldfinger ist nur am Profit interessiert. Er will eine Wertsteigerung seines Goldes erreichen, indem er die Goldvorräte in Fort Knox atomar verseucht.

In Ian Flemings Roman ist das Ziel ein gewaltiger Diebstahl, der zwar nicht plausibel erscheint, wie später im Film von 007 erklärt wird, aber auch hier geht es lediglich um persönliche Bereicherung.

Reichtum ist für die Mächtigen der Unterwelt aus dem Bond-Universum ein Ansporn: Blofeld (Anthony Dawson317) lässt in „Feuerball“ (1965) von Emilio Largo Atombomben stehlen, um von den USA und Großbritannien ein Lösegeld in Höhe von einer Million Pfund in lupenreinen Diamanten zu erpressen.

Auch in „Man lebt nur zweimal“ (1967) hat Ernst Stavro Blofeld nur das Ziel, reicher zu werden. Der Versuch, einen Dritten Weltkrieg zwischen den USA und Russland auszulösen, ist Blofelds Auftrag, für den er 100.000.000 $ in Goldbarren erhalten soll.318 Die Auftraggeber bleiben im Hintergrund. Es handelt sich um eine nicht genannte Organisation aus dem asiatischen Raum.

Blofelds (Telly Savalas319) Belange in „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969) erscheinen noch absurder: Er will sich als Graf de Bleuchamp ins Privatleben zurückziehen, seinen Adelstitel anerkannt bekommen und Immunität genießen. So hat also der Schurke schlechthin (Blofeld kommt als Figur [genannt] in bisher fünf Filmen vor) einen Plan, der wegen seiner Belanglosigkeit beinahe lächerlich erscheint.

In „Diamantenfieber“ (1971) ist die Motivation des Gangsters wieder materieller Natur: Mit einem Riesenlaser, der im Weltall stationiert ist, sollen die Weltmächte erpresst werden. Wer am meisten zahlt, bekommt die beste Rüstung. Mr. Big alias Dr. Kananga will in „Leben und sterben lassen“ (1973) sein Heroin auf den Markt bringen, um die Preise für das Rauschgift in die Höhe zu treiben, wenn sich die Anzahl der Süchtigen in den USA verdoppelt hat. Scaramanga, der Mann mit dem goldenen Colt, verfolgt (zumindest am Ende des Films) zwei Ziele: Zum einen will er James Bond, den besten Geheimagenten des Secret Service, töten und zum anderen möchte er durch sein Solex (einen Energieumwandler), das er von Hai Fat „geerbt“ hat, satte Profite mit seinem Sonnenkraftwerk erzielen.

Der erste Schurke, der zumindest ein wenig an die Weltherrschaft denkt, ist Karl Stromberg (Curd Jürgens320) in „Der Spion, der mich liebte“ (1977). Er will die „schmutzigen“ Städte, New York und Moskau mit Atomraketen zerstören, damit die Menschen eine Chance zum Neuanfang haben. Sein weiteres Ziel ist es, eine Welt unter der Wasseroberfläche zu schaffen. 7/10 des Planeten, die Welt der Meere, wären dann sein Reich.

Christopher Wood, der Stromberg schuf, schrieb das Drehbuch für „Moonraker - streng geheim“ (1979), in dem seine Figur Hugo Drax versucht, die Menschheit von seiner Raumstation aus mit Gift zu vernichten. Wenn auf der Erde dann kein menschliches Leben mehr existiert (Tiere und Pflanzen sind gegen Drax' Gift immun), würde er seine im Weltraum gezüchtete Superrasse aus schönen und starken Menschen zur Erde zurückkehren und sie in seinem Sinne neu bevölkern lassen. Hugo Drax aus Ian Flemings Roman „Moonraker“ (1954) war von seinen teuflischen Plänen her etwas bescheidener: Er wollte lediglich eine Rakete auf London abfeuern, weil er die Engländer hasste.

Alle weiteren Schurken haben banalere Ziele:

Aris Kristatos in „In tödlicher Mission“ (1981) will den automatischen Angriffskoordinator (ATAC) aus einem Schiffswrack bergen und an die Russen verkaufen. Dies ist der einzige Film, in dem James Bond tatsächlich auch gegen Russland bzw. russische Agenten kämpft - in allen anderen Filmen stellen sich autarke Personen oder fremde Organisationen gegen ihn, und auch wenn es immer fälschlicherweise heißt, der britische Agent kämpfe häufig gegen die Sowjets, mag das auf Ian Flemings Romane zutreffen, nicht aber auf die Filme.

Der Prinz im Exil, Kamal Khan (Louis Jourdan321) arbeitet in „Octopussy“ (1983) mit General Orlow (Steven Berkoff322) zusammen, der die Machtübernahme im Westen plant. Khan jedoch will nur an einem riesigen Juwelenschmuggel verdienen.

Max Zorin ist ein Industrieller in der Mikrochipbranche und will in „Im Angesicht des Todes“ (1985) Silicon Valley durch eine riesige Flutwelle vernichten, um mit seinen Produkten den Computerchipmarkt zu beherrschen. In „Der Hauch des Todes“ (1987) veruntreuen Georgi Koskov (Jeroen Krabbé323) und Brad Whitaker (Joe Don Baker324) KGB-Gelder und sind außerdem an einem riesigen Opiumschmuggel beteiligt.

Rauschgift ist nach „Leben und sterben lassen“ (1973) auch das Hauptthema in „Lizenz zum Töten“ (1989). Franz Sanchez (Robert Davi325) verdient damit sein Geld und möchte seinen Markt erweitern. „Weltherrschaft“ ist der falsche Ausdruck für seine geschäftlichen Bestrebungen als Drogenbaron.

Die Figur Alec Trevelyan, deren Wurzeln auch in Ian Flemings Romanfigur Hugo Drax zu finden sind (Drax und Trevelyan geben sich beide als Engländer aus und sind gegen England. Sie haben vernarbte Gesichtshälften und werden lange Zeit für tot gehalten, bevor sie in Aktion treten), bricht per Computer in die Bank von England ein und transferiert sich elektronisch viel Geld.326 Mit der GoldenEye-Explosion, die einen elektromagnetischen Impuls über London auslösen soll, möchte er alle Spuren verwischen. Sein Ziel ist Reichtum.

Medienmogul Elliot Carver (Jonathan Pryce327), der Hauptschurke in „Der Morgen stirbt nie“ (1997), arbeitet daran, einen dritten Weltkrieg zwischen Großbritannien und China zu provozieren, was ihm die Exklusiv-Senderechte einbrächte.

Elektra King (Sophie Marceau328) benutzt in „Die Welt ist nicht genug“ (1999) den Terroristen Renard alias Victor Zokas, um den Bosporus nuklear zu verseuchen und die Welt von ihrer Ölpipeline abhängig zu machen.329

Gustav Graves, durch eine Genmanipulation aus Colonel Moon330 entstanden, möchte mit seinem Weltraumlaser „Ikarus“ das Minenfeld zwischen Nord- und Südkorea räumen, um seinen Truppen den Weg freizumachen. Durch den Zusammenschluss von Japan, China und dem Vereinigten Korea käme dann eine neue Supermacht zustande.

Le Chiffre (Mads Mikkelsen331), Bonds Hauptgegner in „Casino Royale“ (2006), will nur sein Leben retten, da er auf der Abschussliste von Verbrechern, deren Gelder er veruntreut hat, steht. Damit ist er ein kleiner Fisch. Da aber „Casino Royale“ (2006) und „Ein Quantum Trost“ (2008) unmittelbar aufeinander aufbauen, steckt wesentlich mehr dahinter: Dominic Greene und die Verbrecherorganisation „Quantum“.

Dominic Greene geht es in „Ein Quantum Trost“ (2008) um das wertvollste Lebensmittel auf Erden: Er möchte so viel Trinkwasser wie möglich kontrollieren, was er schafft, indem er General Medrano332 erpresst.333

Raoul Silva will sich als fallengelassener Agent an „M“ rächen. Er arbeitet bereits seit Jahren auf eigene Rechnung, sucht sich seine eigenen Geheimoperationen und lässt sich vom Meistbietenden für seine Verbrechen bezahlen. Nur ein Schurke strebt also tatsächlich die Weltherrschaft an: Hugo Drax. Karl Stromberg ist nur an der Unterwasserweltherrschaft interessiert. Da aber gerade diese beiden Filme in Deutschland besonders erfolgreich waren („Der Spion, der mich liebte“ (1977) war mit 7,6 Millionen Zuschauern in Deutschland der erfolgreichste Bond-Film, „Moonraker - streng geheim“ (1979) liegt mit 4,2 Millionen immerhin jetzt noch auf Platz 9), hat sich das Bild des Schurken, der nach Weltherrschaft strebt, fälschlicherweise in den Köpfen der Zuschauer und bei der Presse eingeprägt, und das bis heute.

Das Streben nach Macht, egal auf welchem Gebiet, weist auf die Neurose der Schurken hin, deren gestörte Vergangenheit bzw. Kindheit der Grund dieser Erkrankung ist. Ansatzweise wird in den Filmen darauf eingegangen, mehr jedoch in den Romanen.

Sigmund Freud334 schrieb: „Maßhalten, sich bescheiden, resignieren lernt es (das Kind) erst durch die Kultur der Erziehung. Bekanntlich neigt der Neurotiker zur Maßlosigkeit und Unmäßigkeit.“

James Bonds Gegner streben also nur selten die Weltherrschaft an, doch sie verraten 007 ihren Plan.

Wenn ein Verbrecher schließlich seine Pläne erläutert oder seine Beweggründe für ein bestimmtes Handeln rechtfertigt, erzählt er nicht nur, sondern er schmückt aus, schwärmt und gerät fast in einen Zustand der Trance. Die Reden erinnern an die Ausführungen Adolf Hitlers335. (Siehe Kapitel 25) Während James Bond Intelligenz, Stärke, Mut etc. in einer Person vereint, sind die meisten James-Bond-Widersacher nur mit einzelnen Fähigkeiten ausgestattet. Um jedoch Bond ebenbürtig zu erscheinen und zu einer echten Bedrohung zu werden, treten Schurken in den seltensten Fällen allein in Erscheinung (vgl. „James Bond XXL“).

Die folgende Einteilung in physisch starke Gegner Bonds, die meist in der Überzahl auftreten und psychisch starke Schurken, die meist Kopf einer Operation sind oder die Fäden ziehen, unterstreicht diese Theorie der Aufteilung der Eigenschaften.

In „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963) und „In tödlicher Mission“ (1981) wird deutlich, wie eine Verschiebung der Figur in den einzelnen Kategorien erfolgen kann, wenn eine Figur hinzukommt oder den Filmtod stirbt.336

Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Schurkentypen kann auch durch ungleiche Anzahl der Charaktere in einer Kategorie erzeugt werden, wie z.B. in „Lizenz zum Töten“ (1989). Die Figur des Franz Sanchez bedarf mehrerer Handlanger, um das Gleichgewicht zwischen „Körper und Geist“ des Bösen zu erzeugen.

James Bond für Besserwisser

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