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Einführung: Ein netter Brief an Eltern: Liebe Eltern, süßes Gift

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Kindliche Erfahrungen entscheiden stark in welche Richtung unsere Seelenströme fließen.

Ich bin der Meinung, dass psychische Verletzung und Körperverletzung nicht immer nur aktive oder bewusste Handlungen sein müssen, damit sie als solche eingestuft werden. Manche Erziehungsstile, wie wir im Laufe dieses Buch lesen werden, sind der Körperverletzung absolut gleichzustellen. Es spielt keine Rolle, ob es bewusst oder unbewusst passieren, ob man es nur gut ge-meint hat oder nicht, ob man es wusste oder nicht, ob man es aus Liebe, Mitgefühl, Fürsorge getan hat oder nicht. Tatsache ist einfach, dass manche Erziehungsstile dazu führen, dass Kinder seelisch und körperlich kaputtgehen, obwohl Eltern das Gegenteil wollten.


Hier ist ein Brief von einer Frau an Eltern. Dieser Brief thematisiert gut, was dieses Buch anspricht:


Wir Kinder, die Energielieferanten unserer Eltern

oder

Unsere Eltern, die unerkannte Macht, die uns am Glücklichsein hindert


Wie unsere Eltern uns krank machen, unsere Lebensenergie absaugen, unser Leid in ihr Glück verwandeln und das selbst, wenn wir weit jenseits der Kinderstube sind.


Langsam schneidet die Glasscherbe, die scharf ist wie eine Rasierklinge, die zarte Haut der jungen Frau. Zentimeter für Zentimeter durchdringt sie das Fleisch ihres Unterarms. Das Blut tropft ihr den Arm herunter. Sie spürt keinen Schmerz. Sie spürt nur Befreiung. Als sie fertig ist, ist sie reif für Nadel und Faden. Doch lieber schmiert sie sich Wundsalbe auf die schwere Verletzung und verbindet sich den Arm selbst. Zu groß ist die Scham. Was zurückbleibt, ist eine hässliche Narbe, die sie mühsam unter ihrer Kleidung versteckt. In Foren im Internet redet sie dann mit anderen Betroffenen über ihre Probleme. Sie schreibt, dass sie nicht weiß, was sie tun soll. Doch einer Sache ist sie sich sicher: Ihre Eltern dürfen davon nichts erfahren. Dass ihre Eltern der Grund für ihre selbstverletzenden Handlungen sind, weiß sie nicht. Sie kann sich nicht daran erinnern, dass sie als Kind niemals emotionale Nähe erfahren hat. Dass sich ihre Eltern nie intensiv mit ihr beschäftigt haben. Dass sich ihr Gehirn und dessen Funktionen daher anders entwickelten als es normalerweise der Fall ist. Sie weiß nicht, dass sie krank ist.

Mit schweren Gliedern und noch schwererem Kopf wacht der 25-jährige in seinem Bett auf. Alles dreht sich, er fühlt sich elend. Mühsam schleppt er sich ins Bad, wo er sich des vor drei Stunden verzehrten Döners entledigt. Bis nur noch Galle kommt und der Hals brennt. Zwei Stunden später wird er mit seinen Eltern im Restaurant sitzen, wo seine Mutter ihn vorwurfsvoll fragen wird, ob er wieder zu viel gesoffen habe. Verschämt, genervt und schuldbewusst wird er weg- schauen. Ein ganz normaler Sonntag. Warum er sich, seit er sechzehn ist, jedes Wochenende die Birne taub säuft, weiß er nicht. Die anderen machen es genauso. Dass er keine Liebe und keine Werte von seinen Eltern mitbekommen hat, die ihn an einem solchem Verhalten hindern würden, ist ihm nicht bewusst.

Das Fingernägelkauen der vierjährigen Tochter tut die Mutter als schlechte Angewohnheit ab, die es zu beseitigen gilt. Denn die verstümmelten Hände sehen hässlich aus und das ständige Knabbern ist eine nervige und unhöfliche Geste. Lachend sagt der Vater zu seinem Nachwuchs, dass sie doch auch Brot essen könne. Es wird bitter schmeckender Nagellack gekauft, das Mädchen wird zurechtgewiesen. Dass die Kleine unter starken inneren Anspannungen leidet und diese Form der Selbstverletzung ihr Weg ist, sich des hohen Drucks zu entledigen, erkennt niemand.

Mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht neckt der Vater seinen Sohn, der noch nicht einmal richtig laufen kann. Alles nur Spaß. Der Kleine kann sich nicht wehren. Hilflos schlägt er um sich. Der Vater provoziert ihn weiter, bis das Kind weint und – in die Arme des Vaters will. Lachend nimmt dieser ihn auf den Schoß und sagt, dass dies das Gute an Kindern sei. Egal, was man tun würde, sie kämen immer wieder zurück. Dass das Kind auch zwanzig Jahre später Gut nicht von Böse unterscheiden werden kann und jede zwischenmenschliche Beziehung von Problemen gezeichnet sein wird, ahnt er nicht. Großmäulig wie er ist, würde er es auch nicht glauben.

Lachend trinkt die Mutter nach dem Essen einen Schluck Wein und zündet sich eine Zigarette an. Und anschließend auf Bitten ihres neunzehnjährigen Sohnes. Sie tut das nicht, weil sie den Kampf aufgegeben hat und akzeptiert hat, dass ihr erwachsener Sohn selbst entscheiden kann, wie er lebt. Diesen Kampf gab es nie. Sie tut das, um ihr eigenes kaputtes Dasein als Normalität zu deklarieren und ihre Last mit ihrem Sohn zu teilen.

Die Vermutung liegt nahe, dass all diese Geschichten aus der Unterschicht sind. Doch weit gefehlt. Studiert, wohlhabend, beruflich erfolgreich, eigene Firma, drei Urlaube im Jahr. Und nicht in der Lage aus einem Säugling einen glücklichen Menschen zu machen.

Die Natur der Eltern-Kind-Beziehung ermöglicht die oben genannten Phänomene. Ein Kind hängt an seinen Eltern, es vergöttert seine Eltern, es kommt immer wieder zu ihnen zurück, egal, was sie ihm angetan haben und schützt sie umso mehr, je schmerzhafter die Erfahrungen waren.

Und was gibt es Schlimmeres für ein Kind, als wenn die eigenen Eltern plötzlich nicht mehr da sind? Wie sollen sie alleine überleben, wenn sie doch nie gelernt haben, ein selbstständiges und unabhängiges Leben zu führen? Daher ist es für die meisten Töchter und Söhne unmöglich, loszulassen und noch unmöglicher, anzuklagen.

Eine Frau, die an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt wird, erstattet Anzeige. Einer Gruppe Jugendlicher, die in der U-Bahn-Station einen Raubüberfall gegangen hat, vergeht schnell das Lachen, sobald die Aufnahmen der Überwachungskamera ausgewertet sind. Selbst verbale und nonverbale Beleidigungen werden hart geahndet. Die dumme Kuh kommt im Jahr 2015 auf 300 Euro, das Arschloch auf 1000 und der an falscher Stelle eingesetzte Mittelfinger kann mit bis zu 4000 Euro vergoldet werden.

Was aber bekommt die Tochter, die sich als Fünfjährige von ihrer Mutter anhören musste, dass sie ein kleines Dummerchen sei und als Neunjährige die geilen Blicke ihres Vaters aushalten musste? Was bekommen die Kinder, die vom Vater Prügel bis zur Bewusstlosigkeit und von der Mutter niemals Schutz bekommen haben?

Und welche Strafe bekommt der Vater, der seinen Sohn als dämlichen Nichtsnutz, Dreckskerl und Arschloch beschimpfte? Welche Strafe bekommt die Mutter, die ihre Tochter einen Schatten nannte und wegschaute, wenn der Vater sie missbrauchte?

Nichts passiert. Sie alle haben nichts zu befürchten. Diese Eltern sind gelassen, denn sie wissen um ihre Macht als Väter und Mütter. Sie wissen um ihre Stellung im Leben des Kindes, schließlich sind sie selbst Töchter und Söhne. Sie sind sich ihrer Unantastbarkeit dermaßen bewusst, dass sie ihr Spiel bis zu ihrem Tod spielen. Hochmütig leugnen sie ihr Versagen und ihre Schuld selbst dann, wenn man die Karten offen auf den Tisch legt, die Beweise auspackt, wenn das Kind den Grund des eigenen Unglücks detailliert darlegt.

Ein Mensch, der wahre Mutterliebe erlebt hat, dessen Eltern sich Zeit genommen haben, um ihm die wirklich wichtigen Dinge für ein glückliches Leben mitzugeben, durch Spiel und Spaß, Erklärungen und Erzählungen, wird niemals einen Grund sehen, seinem Körper zu schaden oder zu einem seelischen Wrack verkommen. Er weiß, dass er wertvoll ist, weil er Werte mitbekommen hat. Er liebt sich selbst, denn er hat Liebe erfahren. Und er ist stark gegen alle Unwetter und Angriffe, denen er auf seinem Lebensweg begegnen mag, denn seine Erziehung hat ihn stark gemacht… Kein Kind wird von alleine zum Drogenjunkie, kein Kind wird von alleine essgestört, alkoholsüchtig, verletzt sich selbst. Kein Kind wird von alleine Borderliner, bi-polar, nimmt sich das Leben oder misshandelt oder tötet andere Lebewesen. Kein Kind wird ohne die Handlungen und Unterlassungen seiner Eltern zu dem, was es ist. Der Hass und die wertelose Erziehung unserer Väter und Mütter machen uns zu kranken Lebewesen. Der Mangel an Liebe, Gerechtigkeit, Respekt, Freiheit, Demut und Glaube macht uns kaputt und unglücklich.

Wie viele Paare überlegen sich, was für ein Mensch ihr Kind werden soll, wie sie es erziehen wollen, was sie ihm an Werten mitgeben wollen, bevor sie „die Pille absetzen“? Welcher Mann überlegt sich, ob er selbst stark genug ist, um seine Tochter stark zu machen? Welche Frau möchte zuerst die eigenen persönlichen Probleme und Schwächen beseitigen, bevor sie ein Kind plant? Im Gegenteil, das Kind soll dem eigenen Leben endlich einen Sinn geben und von aller Last befreien. Kinder, die als „Beziehungskit“ dienen sollen. Egoistisch und nur die eigenen Ziele verfolgend wird gevögelt, bis die Einnistung stattgefunden hat.

Wir werden unser Kind niemals schlagen, sagt die werdende Mutter, die als Kind manchmal einen Klaps bekommen hat. Meine Kinder sollen es besser haben als ich. Ich hatte nie die Spielsachen, die ich mir gewünscht habe, sagt der werdende Vater, der in einfachen Verhältnissen aufwuchs. Wenn mein Sohn drei Jahre alt ist, werde ich ihn zum ersten Mal auf die Baustelle mitnehmen, sagt der Bauingenieur. Meine Tochter soll Malunterricht nehmen, ich durfte das nie, sagt die künstlerisch begabte Ärztin. Ich lasse meinen Kindern die freie Berufswahl, sie sollen sich unabhängig und nach ihren Neigungen entscheiden, nur Jura dürfen sie nicht studieren, sagt die Richtertochter.

Die meisten Töchter und Söhne erkennen die Situation nicht, sehen nicht den wahren Grund für ihr Leiden und geben sich selbst anstatt ihren Eltern den Schwarzen Peter. Vielleicht bekennt das Kind mit fortgeschrittenem Alter, dass die Eltern nicht alles richtig gemacht hätten. Aber das sei doch ganz normal. Letztlich sei es jedoch selbst daran schuld, wie es gelaufen ist, da es doch kein einfaches Kind gewesen sei. Es weiß nicht, wie seine Eltern es zum schwachen, respektlosen, großmäuligen, egoistischen Lebewesen erzogen haben. Wie sie es von klein auf abhängig von sich machten, wie sie es subtil kontrollieren, wie sie sein Leben bestimmen, wie sie seine Unselbstständigkeit nähren, sein Versagen fördern, seine Krankheit verschlimmern. Denn der Teufel zeigt nie seine wahren Absichten. Der Teufel zeigt sich liebevoll und helfend. Und wenn du ihm auf den Leim gegangen bist, saugt er dich aus. Indem er dich jedes Wochenende die Birne taub saufen lässt. Indem er dich Süßigkeiten fressen lässt, bis du fett wirst. Indem er dich ziellos irgendeiner ungeliebten Tätigkeit nachgehen lässt, die dein Job ist. Indem er dich kotzend über der elterlichen Kloschüssel hängen lässt. Indem du von einer unglücklichen Beziehung in die nächste schlitterst. Und du weißt nicht, warum du all das tust.

Unsere Eltern beherrschen uns. Selbst wenn man vermeintlich auf eigenen Beinen steht, einen Job hat, eine eigene Wohnung, vielleicht sogar schon Partner und Kinder hat, sind die Eltern diejenigen, die die Stränge im Hintergrund ziehen. Denn sie haben uns geformt, wie sie es für sich wollen und nicht, wie es für uns gut gewesen wäre.

Sie warten darauf, dass wir Nachwuchs bekommen, damit sie wieder eine Aufgabe im Leben haben. Damit sie mit Mitleid erregendem Unterton in der Stimme erzählen können, dass der Sohn mit seiner Frau in Urlaub gefahren ist und sie nun den zweijährigen Enkel für eine Woche in Obhut haben, was ja so anstrengend sei. Dass sie sich selbst dafür angeboten haben, verschweigen sie. Damit sie mit falschem Mitgefühl erzählen können, dass die Tochter (die aktuell nicht arbeiten geht) den Haushalt nicht alleine stemmen kann mit den zwei Kleinen, und sie daher zum Putzen und Unkraut jäten kommen müssen. Diese Eltern wollen gebraucht werden, ihr Leben lang. Denn das gibt ihnen Energie. Und der Energielieferant ist das Kind. Sie erziehen ihren Nachwuchs so, dass dieser auf ihre Unterstützung angewiesen ist, die Hilfe dankbar annimmt und immer in ihrer Schuld steht. Zum Glück weiß die Tochter nicht, dass sie, wäre sie richtig erzogen worden, ihren Haushalt samt Kindern und Teilzeitjob selbst stemmen könnte. Und dabei noch Zeit hätte, sich am Wochenende die Fingernägel zu lackieren.

Eltern bemitleiden ihre Söhne und Töchter, anstatt sie zu stärken. Denn das Versagen der Kinder relativiert und romantisiert das eigene Versagen. Der Vater ist beruhigt, wenn er sieht, dass der Sohn es auch nicht weiter geschafft hat als er selbst. Die Mutter freut sich, wenn die Tochter genauso unstrukturiert arbeitet wie sie.

Viele Eltern machen ihren Kindern große Geschenke. Nicht aus Nächstenliebe, sondern um sie abhängig zu machen. Anstatt den Sohn streng und mit echten Werten zum Erfolg zu erziehen, sodass er beruflich und damit finanziell auf eigenen Beinen steht, verkommt er zu einem konsumorientierten faulen Wesen, das immer den bequemsten Weg auswählt und deshalb auch nach seinem Studium noch abhängig von seinen Eltern ist. Da er den luxuriösen Lebensstandard des Elternhauses gewohnt ist, reicht ihm sein Geld nie. Er bekommt unter anderem mit 18 Jahren ein Auto, mit 23 Jahren eine Spülmaschine, mit 30 eine Wohnung und mit 32 einen zweiwöchigen Urlaub geschenkt. Dadurch fühlt er sich in ewiger Schuld gegenüber seinen Eltern, die ihm doch so vieles und so Großes gegeben haben. Ein Auto, eine Spülmaschine, eine Wohnung und einen Urlaub. Das macht die Eltern stark. Und den Sohn schwach.

Doch zum Glück haben wir Kinder die Chance, es besser zu machen. Und das fängt damit an, dass wir unseren Eltern all ihre Fehler, die uns krank und unglücklich gemacht haben, verzeihen und uns selbst für ein glückliches Leben entscheiden, um unseren eigenen Söhnen und Töchtern das Verzeihen und alle anderen Werte, die wichtig sind, lehren und vorleben zu können.



Fallschirmkinder. Fallschirmerziehung oder Kinderzüchtung anstatt Kindererziehung

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