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MISS MARY MACK

Zahlreiche Kommunikationshürden und Empfindungen begleiten den Alltag in einem anderen sprachlichen Umfeld

Natürlich habe ich in der Schule Englisch gelernt, und ich war beim Umzug in die Staaten fest davon überzeugt, dass unser Leben in einem englischsprachigen Umfeld keine große Herausforderung darstellen würde.

Die unbedarfte Fehleinschätzung meines Sprachniveaus verfolgte mich durch die Jahre wie an jenem Tag, an dem meine Tochter beschloss, mir auf dem Heimweg vom Kindergarten das Lied von Mary Mack beizubringen. Mary trägt ein schwarzes Kleid mit silbernen Knöpfen am Rücken, fragt ihre Mutter nach Geld, um den Elefanten dabei zuzusehen, wie sie über einen Zaun springen, am Ende den Himmel berühren und erst am 4. Juli zurückkehren. Die Folge der Geschehnisse ist mir bis heute nicht ganz einsichtig, und so empfand ich meine Fragen als durchaus berechtigt: »Wohin springen die Elefanten? Warum kommen sie erst am 4. Juli zurück? Hab ich das richtig verstanden?«

Nach drei Strophen und mehreren Unterbrechungen riss der kleinen Dame in ihrem Kindersitz auf der Rückbank der Geduldsfaden. Dramatisch rollte sie mit den Augen und beendete die Unterrichtsstunde mit einem genervten: »Mom, we really have to work on your English.«

Einige Tage später war ich bei einer Nachbarin auf ein Glas Wein eingeladen, und während wir so gemütlich in ihrer Küche saßen, fingen wir an, Rezepte auszutauschen. Ich versuchte, die leicht irritierten Blicke zu deuten, die meine Ausführungen über Weißkohl begleiteten, änderte leicht verunsichert die Betonung meiner Zutat und fügte angesichts meines immer ungläubigeren Gegenübers weitere Erklärungen hinzu wie: »Kennst du das nicht? Kohl? Weiß, grün …?«

Befremdet schauten wir uns an, bis der Groschen fiel. Ich hatte »cabbage« mit dem Wort »garbage« für Müll verwechselt, und eine derartige Resteverwertung erschien meiner Nachbarin verständlicherweise nicht besonders appetitanregend.

Eine ähnliche Verwechslung von Wörtern passierte mir im Kreis unserer amerikanischen Freunde bei einer Cocktailparty. Mein Mann und ich waren gerade von einer Hochzeit aus Seattle zurückgekehrt und unterhielten die Runde mit Details unserer erinnerungswürdigen Odyssee. Natürlich hatte ich im Vorfeld meinen Mann gefragt, was ich bei dieser Gelegenheit anziehen sollte. Es war meine erste amerikanische Hochzeit. Ich kannte niemanden und wollte zumindest passend angezogen sein. Mit einem kleinen Chanel-Kostüm und hochhackigen Pumps im Gepäck kamen mir schon bei der Überfahrt mit der Fähre nach San Juan erste Zweifel. Auf der Insel angekommen, erwartete mich die nächste Überraschung. Kein Taxi weit und breit. »Ist doch eine Insel. Man fährt hier einfach per Anhalter«, wurde uns erklärt.

Nach einigen erfolglosen Versuchen meines lieben Mannes stellte ich mich an den Straßenrand, und da ich im Eifer des Erzählens »hitchhiking« mit »hijacking« verwechselt hatte, fuhren wir also nicht per Anhalter mit dem freundlichen alten Mann und seinem riesigen Hund auf dem Rücksitz in dem vor Schmutz starrenden Auto zu den rustikalen Blockhütten am Meer, sondern entführten den armen Kerl stattdessen. Diese Verwechslung blieb nicht mein letztes lexikalisches Missgeschick, sorgte aber in diesem Fall wenigstens für tosendes Gelächter.

In anderen Situationen war das nicht immer der Fall. Oft beschlich mich beim Klang des Gelächters ein Gefühl des Unbehagens und ließ mich mit dem Zweifel zurück, ob man nun mit mir, über mich oder einfach aus Höflichkeit lachte. Wenn Humor ein kulturell bedingtes Phänomen ist, kommt erschwerend hinzu, dass wir Deutschen nicht gerade für unseren Humor bekannt sind. Ich bewundere Menschen, denen es gelingt, genügend feinsinnige Witze in ihrem Repertoire zu haben, den passenden Witz im richtigen Moment zu platzieren und diesen dann auch noch wirkungsvoll zum Besten zu geben. Einige unserer amerikanischen Freunde haben die großartige Gabe, oftmals banale Begebenheiten ihres Alltags in ein unterhaltendes Licht zu rücken, sich selbst am meisten über ihre eigenen linkischen Missgeschicke zu amüsieren und den Unwägbarkeiten des Lebens auf diese Art eine gewisse philosophische Leichtigkeit zu verleihen.

Leider ist mir diese Gabe nicht eigen, und es stellte sich heraus, dass ich zu meinem Leidwesen auf Englisch noch weit weniger humorvoll bin als auf Deutsch. Wenn ich mich ab und an mal traue, mit einer gewissen Situationskomik aufzuwarten, scheint meine Art Witz oft schon in der Übersetzung verloren zu gehen. Auch verstehe ich nicht immer die Pointe, worauf ich mich dann meistens entscheide, nur höflich mitzulachen. Und manchmal stolpere ich einfach über die Tatsache, dass ich bestimmte Feinheiten in der englischen Aussprache nicht höre und schon gar nicht zu interpretieren vermag. So klingt das englische Wort für nass, »wet«, bei mir leider immer wie die Kurzform für Tierarzt, und diesem feinen Unterschied zufolge bat ich meine Tochter bei einem gemeinsamen Einkaufsbummel auch, mir bei Starbucks einen doppelten »Vet«-Cappuccino zu holen. Sie dachte sich nicht viel dabei, da hierzulande ja andauernd Getränke mit den merkwürdigsten Namen versehen werden, und bestellte.

»Fünfmal hat die Verkäuferin nachgefragt!«, schnaubte sie, als sie zurückkam. »Weißt du, wie peinlich das ist?«

Natürlich wusste ich das, da ich ja selbst meist gefragt werde, ob ich nicht vielleicht einen »wet« Cappuccino meine, und oft mit einem freundlichen Nicken zur Klärung hinzufüge: »einfach ein bisschen mehr Milch«.

Hier ist dort ganz anders

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