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NEHMEN SIE JEDERMANNS GESTALT AN
ОглавлениеSie beschenken andere mit Ihrer Offenheit
oder Ihrer krampfhaften Weigerung.
Sind Sie gerade jetzt vollkommen erfüllt? Wenn ja, dann bringt Stress Sie nicht aus der Ruhe und Ihr Leben entfaltet sich als Offenheit. Aber wenn Sie nicht vollkommen erfüllt sind, dann verspüren Sie einen eigenartigen Mangel. Wenn Sie sich von diesem „fehlenden Etwas“ leiten lassen, erzeugen Sie Leid in der Welt – bei jedem, den Sie kennen, und bei sich selbst.
Wahrscheinlich lassen Sie sich von dem Gefühl leiten, es fehle Ihnen etwas Wesentliches: Sie wollen mehr Sicherheit, mehr Zuneigung, mehr Verständnis. Bis zu einem gewissen Grad öffnen Sie sich auch der Liebe; Ihre Gedanken und Handlungen entspringen spontan der Tiefe Ihres offenen Herzens. Das heißt, Sie erleben einen Teil Ihres Lebens als krampfhaftes Festklammern und einen Teil als Geschenk.
Zum spirituellen Wachstum gehört, dass Sie Ihr Leben immer mehr als Geschenk der Liebe leben. Während Sie lernen, sich für jeden Moment zu öffnen, entspringt Ihr Leben der offenen Liebe, die Sie im Grunde sind. Wenn Sie als Liebe leben, geben Sie der Welt Liebe und erzeugen in anderen ein Echo, so dass auch sie sich öffnen und anfangen, als Liebe zu leben.
Je nachdem, wie verschlossen Sie sind, belasten Sie die Welt. Ihre Verkrampfung schlägt Wellen und führt dazu, dass sich andere ebenfalls verschließen. Selbst wenn Sie anderen helfen wollen, überträgt sich Ihre Verkrampfung zusammen mit Ihren Bemühungen. Die Menschen mögen zwar von Ihrem Handeln profitieren, aber Sie werden auch von Ihrer Verkrampfung, Ihrem Festklammern durcheinandergebracht.
Sie dienen der Welt erst dann richtig, wenn Ihre Handlungen sich durch einen Körper, der als Offenheit gelebt wird, als Liebe zeigen. Und der einzige Weg, als Offenheit zu leben, ist, sich als Offenheit zu spüren. Sie können üben, jeden Moment so zu spüren, wie er ist, und sich seiner Form zu öffnen.
Sind Sie beispielsweise verwirrt, können Sie üben, sich der Verwirrung zu öffnen. Ja, Sie können sogar die Beschaffenheit der Verwirrung spüren, sie wie einen Anzug tragen, der Ihnen wie angegossen sitzt, und offen in seine Form hineinsinken. Mit dieser Offenheit können Sie nach außen spüren, um den ganzen Moment zu spüren und sich für ihn zu öffnen. Egal, wie mies Sie sich innerlich fühlen, Sie können sich Ihrer Form öffnen. In Ihrem jetzigen Zustand – verwirrt, unbeholfen, desorientiert – können Sie üben, Stück für Stück nach außen zu spüren und sich allem und jedem zu öffnen.
Sich diesem Moment zu öffnen, das ist vollkommene Erfüllung. Sie können üben, sich für alles offen zu fühlen, indem Sie zu Beginn die spezifische Form Ihrer Haltung, Ihrer Atmung, Ihrer Bewegungen, Gedanken, Emotionen und Handlungen spüren und sich für sie öffnen. Wenn Sie als Offenheit lebendig sind, ist jeder Teil von Ihnen und Ihr gesamtes Leben erfüllt – es wird vollkommen als Liebe erfahren und löst sich vollkommen in Liebe auf.
Jede Facette dieses verbleibenden Moments gehört Ihnen, und mit ihm sollen Sie üben. Sind Sie immer noch verwirrt, dann können Sie üben, indem Sie die Verwirrung weiterhin tragen, indem Sie ihre Form spüren, als Verwirrung atmen, sich als Verwirrung bewegen und sich genau jetzt der Verwirrung wirklich öffnen, nach außen spüren, und letztendlich als der ganze Moment atmen und sich ihm immer wieder öffnen. Sie sind lebendig als das atmende, handelnde Gefühl, welches Verwirrung ist, und öffnen sich ihrer gesamten Form, um nach außen zu allem und jedem zu spüren, wie eine Seifenblase, die sich dem Sonnenlicht unentwegt und immer wieder weit öffnet.
Wenn Sie jeden Moment offen leben, sind Sie ein Segen für die Welt. Ihre Offenheit erzeugt Offenheit. Ihre Mitmenschen reagieren in dem Maß offen darauf, wie sie dazu bereit sind. Und sie sind, genau wie Sie, nicht immer zu vielem bereit.
Sie werden immer wieder mit allem konfrontiert werden, was Sie nicht erleben und für das Sie sich nicht öffnen wollen. Wenn Sie Angst haben, Wut zu empfinden, wenn Sie die Wut nicht lieben und sich nicht offen in Wut auflösen wollen, dann werden Sie bei sich selbst und anderen ständig mit Wut zu kämpfen haben. Wenn Sie Angst davor haben, Unsicherheit zu fühlen, sie zu lieben und sich für sie zu öffnen, dann werden Sie Bedrohungen für Ihre Sicherheit heraufbeschwören. Ihr krampfhafter Rückzug wird nämlich die Wogen dessen, was Sie fürchten, nicht glätten und unweigerlich eine Konfrontation mit irgendetwas herbeiführen, das Sie nicht vollständig fühlen wollen, als das Sie nicht lebendig und für das Sie nicht offen sein wollen.
Angenommen, Sie sehen einen Dickwanst im Fernsehen, der ein Essproblem hat. Können Sie sich als Dickwanst mit einem Essproblem fühlen? Ja, können Sie gar der durch dieses Essproblem ausgelöste Stress werden und Ihr Gewicht, Ihre Sehnsucht, Ihre Einsamkeit fühlen? Können Sie diese ganze Gestalt richtig spüren und sich der Liebe öffnen, während Sie diese Gestalt sind?
Sie können sich für jede Art von Erfahrung öffnen. Wenn Sie es nicht tun – wenn Sie den Rollladen herunterlassen, sich zurückziehen oder weigern, gewisse Erfahrungen richtig zu spüren –, dann werden Sie dieses Muster, die Wellen des Sich-Verschließens, fortsetzen. Wenn Sie sich nicht der Liebe öffnen können, während Sie sich die ganze Gestalt eines Dickwansts mit einem Essproblem „zulegen“, dann wird sich dieses Muster fortsetzen und dazu führen, dass Sie isoliert, ungeliebt und allein sind und sich krampfhaft verschließen.
Und Sie werden sich genauso fühlen. Sie sind die Offenheit dieses ganzen Augenblicks, und Sie fühlen jede trennende Spannung, egal ob sie zu Ihnen oder zu jemand anderem gehört.
Als Offenheit öffnen Sie sich für jedes Lebewesen. Als Offenheit sind Sie nämlich für die Offenheit eines jeden verantwortlich. Sie gehen die Straße entlang und überholen einen alten Mann im Rollstuhl. Können Sie seine Gestalt spüren? Können Sie so keuchend, so pfeifend atmen wie er? Können Sie den Tod neben sich, die Jugend hinter sich, endlos lange Tage des Röchelns, des Schmerzes und der Zersetzung spüren? Können Sie sich diesem alten Mann öffnen, während Sie sein ganzes Daseinsmuster spüren? Können Sie sich der Liebe öffnen, während Sie jedes Detail seiner gebrechlichen Gestalt als Grundlage Ihres Sich-Öffnens spüren?
Wenn Sie sich nicht für jedermanns Form öffnen können, bleibt Ihre Tiefe – die Liebe selbst – verschlossen. Sie werden zutiefst unerfüllt sein, und andere werden durch Ihr krampfhaftes Verschlossensein durcheinandergebracht werden.
Als Erstes können Sie üben, sich für Ihre eigene Gestalt zu öffnen, egal wie sie im Augenblick aussieht: Wut, Freude, Verwirrung, Angst, Kummer, Starre.
Wenn Sie dies eine Weile geübt haben, sind Sie meistens offener als die Menschen in Ihrer Umgebung – deren Verschlossensein verletzt Sie mehr als Ihr eigenes. Sie kommen also nicht umhin, zu üben, sich für deren Gestalt zu öffnen. So wie Sie sie spüren, öffnen Sie sich. Wenn sie Wut verspüren, öffnen Sie sich der Wut. Wenn sie Lust verspüren, öffnen Sie sich der Lust. Sie üben, jede Eigenschaft, die Sie fühlen, richtig zu spüren und sich für sie zu öffnen.
Es spielt keine Rolle, ob die Verschlossenheit, die Sie verspüren, Ihre eigene oder die der anderen ist. Wenn Sie die Verkrampfung, die Sie spüren, lösen wollen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als sich zu öffnen.
Dann wird Ihr Leben zu einer fortlaufenden Übung, sich für den ganzen Augenblick zu öffnen. Wer oder was auch immer Teil dieses Augenblicks ist – Sie fühlen sich als dieser Mensch oder dieses Etwas und öffnen sich dafür. Sie üben, sich zu jedem Augenblick für alles zu öffnen, was Sie in sich oder um sich herum spüren.
Manche Augenblicke sind einfacher als andere. Manchmal wollen Sie sich nicht öffnen. Vielleicht wollen Sie lieber verkrampft festhalten, in Möglichkeiten verharren, sich in Emotionen einspinnen. Diese Augenblicke sind nicht erfüllend, aber vertraut. Manchmal scheint es, als bliebe Ihnen keine andere Wahl, als sich in Ihrer eigenen Verspannung zu winden.
Sie sind genau wie alle anderen Menschen. Sie und die anderen sind Sie Offenheit, entscheiden sich aber oft dafür, verkrampft zu bleiben. Es scheint, als ob jede Verkrampfung ihren eigenen Zeitrhythmus hätte. Sie können weder sich selbst noch andere zwingen, sich plötzlich ganz zu öffnen und ein für alle Mal offen zu bleiben. Bestimmte Teile öffnen sich leicht, andere scheinen sich dagegen zu wehren. Vielleicht können Sie als Offenheit tanzen oder als Offenheit meditieren, aber wenn jemand Ihre großartige Arbeit kritisiert oder sexuell nicht mehr an Ihnen interessiert ist, dann weigern Sie sich einfach, sich zu öffnen. Wie ein schmollendes Kind weigern Sie sich, jede Beschaffenheit Ihrer Scham, Ihres Verletztseins und Ihrer Unsicherheit zu spüren; Sie weigern sich, sich dieser Gestalt zu öffnen, nach außen zu spüren, andere zu spüren, den ganzen Moment zu spüren und sich für alles und jeden zu öffnen.
Sie erleben Erfüllung in jedem Augenblick, in dem Sie Offenheit praktizieren, egal wie verschlossen Sie normalerweise sind, egal, ob sich jemand anderes verschließt und Sie dies spüren. Die einzig richtige Reaktion darauf ist, zu üben, sich der Gestalt dieses ganzen Augenblicks zu öffnen.
Sie sind im Leben entweder für die Liebe oder für die Verkrampfung offen. Sie leben entweder wahre Offenheit oder die Lüge des Sich-Verschließens – und tief im Innern spüren Sie dies auch.
Liebe beziehungsweise Offenheit ist das Geschenk, das Sie für andere sind. Ihre Fähigkeit, als Offenheit zu leben, überträgt die Tiefe Ihrer Liebe. Wenn Sie jedermanns Verschlossenheit als die Gestalt dieses Augenblicks tragen und sich für seine ablehnende Haltung öffnen können, indem Sie alles spüren und sich für alles öffnen, dann gibt es keine Unliebe mehr. Auch wenn es immer wieder zu einer Verkrampfung kommt, ist ihr angstgesteuertes Handeln gut spürbar, und die Offenheit blüht durch ihre Form neu auf. Es zeigt sich, dass jeder Augenblick für die Liebe offen ist. Dies ist Ihre einzige Erfüllung.