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… und wer kümmert sich um den Abfall?
ОглавлениеAuf den ersten Blick mag der Gedanke, Abfall sei in irgendeiner Weise von Bedeutung, vielleicht ein wenig seltsam erscheinen; und noch eigentümlicher wirkt die Behauptung, im Abfall stecke eine intellektuelle oder analytische Herausforderung. Traditionell nähert man sich dem Abfall auf eine ganz spezielle Art und Weise, die zu einer akademischen Arbeitsteilung führte, welche den Abfall wiederum lange Zeit dem Zugriff der Sozialwissenschaften entzog.
Um dies nachzuvollziehen, müssen wir zunächst einmal zusammenfassen, was man üblicherweise über Abfall zu wissen glaubt:
(1) dass es sich um eine fest umrissene und deutlich abgrenzbare Kategorie handelt – dass bestimmte Dinge also per se oder in einem bestimmten Zustand Abfall sind,
(2) dass das, was man als Abfall einstuft, entweder wertlos oder schädlich ist und daher von der Gesellschaft, die es produziert hat, abgesondert werden muss,
(3) dass diese Absonderung die Aufgabe der Entsorgungswirtschaft ist, was wiederum die Annahme beinhaltet, dass das, was wir als Abfall kategorisieren, entsorgt werden muss3,
(4) dass der Abfall das ist, was „hinten herauskommt“, also etwas ist, das am Ende übrig bleibt, das redundante und finale Nebenprodukt kultureller und wirtschaftlicher Organisation.
Doch all das sind Fehleinschätzungen, und in ihrer Summe haben sie dazu geführt, dass Abfall als etwas gilt, das aus dem Rahmen der Prozesse, mit denen sich die Sozialwissenschaft beschäftigen sollte, herausfällt. Man forschte also munter drauf los, wenn es um die Produktion, den Vertrieb, den Kauf und die Nutzung von Dingen ging; der Abfall blieb dabei stets zweitrangig. Man verstand ihn als etwas, das sich erst an die „wichtigen“ Aktivitäten anschloss und das nur für wenige, ganz bestimmte Zweige der Sozialwissenschaften wie die Umweltpolitik von Interesse war. Immerhin hat dies zu ein paar hochinteressanten Untersuchungen rund um die Themen Governance, Abfallpolitik und Abfallwirtschaft geführt4. Doch tangieren diese Spezialthemen den Mainstream der Sozialwissenschaften nach wie vor kaum.
Natürlich kann man unter Abfall ganz unterschiedliche Dinge verstehen. Gay Hawkins schreibt, wenn man Abfall „in normativem Sinne verwendet, als Kategorie des persönlichen Urteils, gelangt man schnell zu vielen verschiedenen Bedeutungen“.5 Allerdings haben diese verschiedenen Perspektiven nicht notwendigerweise zu einer ernsthaften oder nachhaltigen Beschäftigung mit dem Phänomen Abfall geführt, und auch ihre Relevanz für eine breiter angelegte sozialwissenschaftliche Untersuchung fällt nicht sofort ins Auge. Zunächst einmal sind da die Ansätze, die Abfall als gefährlichen oder verunreinigenden Faktor konzeptualisieren: Diese haben wiederum zu Untersuchungen über Risiken und die Wahrnehmung von Risiken geführt sowie zu ein paar Arbeiten, die eher in die soziologische Richtung gehen und die die These von Beck6 zur Risikogesellschaft auf die Analyse von Abfall ausgeweitet haben.7 Arbeiten in der Tradition der sogenannten environmental justice haben aufgezeigt, wie soziale und räumliche Ungleichheiten – in der Regel hinsichtlich Ethnie und Gesellschaftsschicht – durch die Exposition oder die Nähe zu Abfall gekennzeichnet sind und dadurch gespiegelt werden.8 Etwas allgemeiner ausgedrückt: Verschiedene sozialwissenschaftliche Darstellungen9 haben gezeigt, wie (zivilisierende) Prozesse der sozialen Organisation und Modernisierung auf Bemühungen aufbauen, Abfälle von der Gesellschaft, die sie erzeugt hat, möglichst weit zu entfernen bzw. vor ihr zu verstecken. Das sind alles interessante Punkte, aber sie führen uns hier leider nicht weiter, da sie den Abfall jenseits der Grenzen des Sozialen betrachten und als etwas Negatives positionieren – nämlich als ein Problem, mit dem sich gefälligst die Abfallwirtschaft zu beschäftigen hat.
Es gibt aber auch eine andere Tendenz: Hier werden Abfall und Verschwendung als Metaphern eingesetzt für den unproduktiven Aufwand von Zeit und Geld10, für die angeblichen Auswüchse des globalen Konsumkapitalismus11 oder für die Umweltzerstörung.12 In diesem Zusammenhang könnte man sogar behaupten, dass sich die Sozialwissenschaften eigentlich seit Langem mit wenig anderem beschäftigen als mit Abfall und Verschwendung. Wie Munro schreibt:
Hier kann man nicht nur Klassiker der Soziologie wie Street Corner Society (Whyte 1943) und The Police on Skid Row (Bittner 1967) anführen […]. Es geht auch darum, wie moderne Konzepte wie die Humanmedizin Vorstellungen beinhalten, anhand derer chronisch Kranke als „Wracks“ (Becker 1993), Obdachlose als „üblicher Müll“ (Jeffery 1979) und gebrechliche Menschen als „Bettenbeleger“ (Latimer 2000) definiert und aussortiert werden. So tut es auch Bauman (2004), der von „verschwendeten Leben“ spricht und – recht vorausschauend – darauf hinweist, dass in Zukunft die „Ausgestoßenen“ der Globalisierung in der Gesellschaft keinen Platz mehr haben werden.13
Dies soll nur ein paar der vielen Möglichkeiten illustrieren, wie Abfall innerhalb des Mainstreams der sozialwissenschaftlichen Forschung von ganz offensichtlicher Relevanz sein kann, auch wenn der Abfall an sich nicht im Mittelpunkt solcher Analysen steht14 und diese sich auch nicht mit der materiellen Realität von Abfällen befassen. Stattdessen ist der Abfall dort eine Allegorie, die auf die Gesellschaften und die Systeme, die ihn produzieren und ihn aussondern wollen, zurückverweist und uns zugleich einiges über sie verrät.
In diesem Buch möchte ich keine solchen Wertungen anstellen. Stattdessen will ich darauf hinweisen, dass es bei Lebensmitteln keine festgelegte Definition von Abfall und Verschwendung gibt und dass es sich dabei auch nicht um eine eindeutig negative Erscheinung handelt. Allerdings möchte ich auch die „konkrete und in sozialer Hinsicht folgerichtige Materialität“15 des Phänomens Nahrung als Abfall würdigen, und dazu muss ich mich mit den kulturellen, wirtschaftlichen, technologischen, politischen und sozialen Beziehungen beschäftigen, in die dieses Phänomen eingebettet ist – und mit den verschiedenen Möglichkeiten, es zu kategorisieren, zu verorten, darzustellen und generell damit umzugehen.
In meinem Konzept ist das Wegwerfen von Lebensmitteln nicht etwa der Endpunkt linearer Produktions-, Konsum- und Entsorgungsprozesse. Vielmehr tritt Abfall an mehreren Stellen innerhalb der Nahrungskette auf, und das hat konkrete Folgen für die wirtschaftliche und kulturelle Organisation von Nahrungssystemen. Im Zusammenhang damit vertrete ich die Meinung, dass das Wegwerfen bzw. die Verschwendung von Lebensmitteln die generative und konstitutive Basis (und nicht nur das bloße „Hinterher“) dieser Praktiken darstellt, welche die Organisation unseres täglichen Lebens ausmachen. Für diesen Standpunkt lasse ich mich von den jüngsten Entwicklungen inspirieren, die den Abfall in den Mittelpunkt sozialwissenschaftlicher Analysen stellen, um seine dynamische und stetig wechselnde Rolle innerhalb des Prozesses der sozialen Organisation zu erforschen – ohne indes seine konkrete Stofflichkeit zu verleugnen. Dabei denke ich insbesondere an die Arbeiten von Zsuzsa Gille, Nicky Gregson, Gay Hawkins und Martin O’Brien. Doch bevor ich mich damit eingehender beschäftige, möchte ich dem interessierten Leser ein paar grundsätzliche Überlegungen zu den Vorläufern dieser Ideen vorstellen.16
Zunächst einmal gibt es ein paar Forscherinnen und Forscher, die sich schon früher systematisch mit Reststoffen beschäftigt haben und damit, welche Rolle diese in den Prozessen sozialer Organisation und sozialen Wandels spielen. Hier wäre beispielsweise Mary Douglas zu nennen, deren zuerst 1966 veröffentlichtes Buch Reinheit und Gefährdung die Aufmerksamkeit auf die kulturelle Kategorisierung von Verunreinigung gelenkt hat und darauf, welche analytische Bedeutung es hat, die Klassifikationen zu untersuchen, anhand derer sogenannte „deplatzierte Materie“ produziert und aussortiert wird. 1979 erschien Michael Thompsons einflussreiches Werk Müll-Theorie17, in dem der Autor darauf hinweist, dass der Prozess, mit dem Abfall als solcher kategorisiert wird, Teil eines viel größeren Kategorisierungs- und Bewertungssystems ist. Für Thompson ist Abfall weniger etwas Überflüssiges und Wertloses als vielmehr ein „flexibler Bereich“ zwischen sinkendem und steigendem (oder zumindest stabilem) Wert. Im Wesentlichen vertritt er die Meinung, dass der Abfall Bewegungen zwischen sinkendem und steigendem/stabilem Wert erleichtern kann. Daher misst er dem Abfall eine zentrale Bedeutung bei, wenn es darum geht zu verstehen, wie Werte sozial kontrolliert werden. Die entscheidende Formulierung fand jedoch erst John Scanlan in seinem Band On Garbage, in dem er die Verbindungen zwischen „den unterschiedlichen Phänomenen des Versteckten, Vergessenen, Weggeworfenen und Übriggebliebenen“ untersucht, „die uns im Leben ständig begleiten“18. Dabei zeigt er auf äußerst eloquente Weise, dass der metaphorische Müll – die separierten Reste, die das Wertvolle vom Wertlosen scheiden – nicht nur allgegenwärtig, sondern für unsere (westliche) Auffassung von der Welt von geradezu zentraler Bedeutung ist. Scanlans Buch erkennt die konstitutive Rolle der „Müll-Kategorien“ an und stellt sie in den Mittelpunkt sozialwissenschaftlicher Betätigung. Außerdem ist Abfall dort als Kategorie genauso dehnbar wie die Komplexität der Bedeutungen, die diesem Begriff zugeschrieben werden. Aber auch diese Ansätze erkennen nicht genug die konkrete und konsequente Stofflichkeit des Abfalls an.
Andere Analysen stellen den Abfall in seiner brutalen physischen Präsenz in den Mittelpunkt, um breiter angelegte Theorien über kulturelle und wirtschaftliche Prozesse aufzustellen. Susan Strasser zum Beispiel bedient sich in ihrem Buch Waste Not Want Not der im Wandel begriffenen Vorstellungen von Müll, um eine Sozialgeschichte von Produktion, Konsum und Verbrauch zu schreiben.
William Rathje, der später mit Cullen Murphy zusammenarbeitete, gewann Anfang der 1970er Jahre erste Erkenntnisse in einem Feld, das er selbst als „Müllologie“ („garbology“) bezeichnete: Er untersuchte Müll mit den Methoden der Archäologie und kam zum Schluss, dass eine solche Analyse wichtige Erkenntnisse über die Kultur zeitigt, die ihn weggeworfen hat. Im Mittelpunkt seiner Bemühungen stand der Gedanke, dass man Abfälle nicht „auf einem abstrakten Level“ untersuchen kann, sondern der Müllologe in direkten physischen Kontakt mit „hunderten Tonnen“ Abfallmaterial kommen muss19. Seither haben zahlreiche archäologische und anthropologische Arbeiten darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, sich mit ausgesonderten und weggeworfenen Dingen zu befassen. Gavin Lucas plädierte schon früh dafür, dass man bei der Erforschung materieller Kulturen deren Abfall nicht vergessen solle, und merkte an, dass die Verfügbarkeit und die Beseitigung von Dingen ein nützlicher Ausgangspunkt sei, um sich einer Volkswirtschaft zu nähern. Laurence Douny konzentriert sich bei ihrer Studie über die Dogon, eine Volksgruppe im westafrikanischen Mali, auf die Tatsache, dass im Haushalt anfallender Müll, den die westliche Welt als „wertlos“ oder „unrein“ einstufen würde (Exkremente von Haustieren, körpereigener Schmutz, Kehricht, nicht abgespülte Kochutensilien), bei dieser Volksgruppe durchaus positive Konnotationen hat. Ferner weist sie darauf hin, dass die westlichen Vorstellungen von Abfall – als etwas, das nutzlos und überflüssig ist – bei den Dogon eher auf „Elemente [zutrifft], die sich außerhalb des häuslichen Lebens befinden“20. Douny beschäftigt sich direkt mit der Stofflichkeit von Abfällen, räumt aber zugleich ein, dass es sich dabei um keine feststehende Kategorie handelt. Darüber hinaus zeigt sie in Anlehnung an Mary Douglas, wie Abfall ansonsten immaterielle Prozesse kultureller Kategorisierung materialisiert. Was bei ihr jedoch meiner Meinung nach noch fehlt, ist die Erkenntnis, dass er schlicht zeigt, was wir für Menschen sind; an unserem Abfall und Müll kann man ablesen, wie wir leben – und wie wir uns in dieser Welt benehmen.
Kehren wir nun zu den neuen Strömungen in der Abfallforschung zurück. Es scheint, als liefen hier einige der genannten Denkmuster und Konzepte zusammen. Zunächst einmal sei Gay Hawkins genannt, die in ihrem Buch The Ethics of Waste: How We Relate to Rubbish einige weithin vorherrschende Annahmen bezüglich unserer Beziehung zum Abfall infrage stellt, die bis dato vom Umweltdiskurs beherrscht wurden und von einer Rhetorik, die einen Hang zur Panikmache erkennen lässt. Sie stellt dar, wie „Entzauberungs-Geschichten“ und Erzählungen von einem „verlorenen Paradies“ dazu geführt haben, den Abfall als Sinnbild für die Entfremdung des Menschen von der Natur und seine konsequente Missachtung der Umwelt zu stilisieren. Das habe, so Hawkins, zu einer Politik geführt, die auf der Forderung aufbaut, dass sich der Mensch zum Wohle der Natur bitteschön zu ändern habe. Ihr Ansatz ist ein anderer: Sie rückt den Abfall in den Vordergrund und beschäftigt sich mit seiner empirischen – und materiellen – Realität. Erst so kann sie danach fragen, wie der Abfall die Prozesse und Gewohnheiten beeinflusst, die bestimmen, wie wir Dinge konsumieren, wertschätzen, klassifizieren und generell mit ihnen umgehen. Beispielsweise zeigt sie auf, dass unsere Reaktionen auf menschliche Exkremente konstitutiv sind für die Beziehung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum und bestimmte Routinen der Selbstpflege und Verkörperlichung überhaupt erst entstehen lassen.
Martin O’Brien weist in A Crisis of Waste darauf hin, dass Abfälle deshalb im soziologischen Gedankengut ausgeblendet werden, weil wir sie in unseren populären und politischen Vorstellungswelten ebenfalls ausblenden. Er hält dagegen und will dem Abfall den ihm gebührenden Platz in der Wissenschaft einräumen. Dazu entwickelt er eine „Müll-Vorstellungswelt“, die die generative Rolle von Abfällen innerhalb des gesellschaftlichen Lebens ernst nimmt. Die westlichen Gesellschaften von heute sollten endlich lernen, sich als „Abfall-Gesellschaften“ zu verstehen – und zwar nicht in dem Sinne einer Wegwerf-Kultur, sondern insofern, als Abfall für die Prozesse sozialer Organisation von zentraler Bedeutung ist (was er auch schon immer war). O’Brien schlägt vor, dass sich die Soziologie auf die Praktiken, Institutionen, Innovationen und Beziehungen konzentriert, die entstanden sind, um Abfälle und deren Umwandlung in Werte zu regulieren.
In From the Cult of Waste to the Trash Heap of History stellt die Soziologin Zsuzsa Gille klar, dass Abfall weder eine feste Kategorie ist noch einfach nur das Ergebnis einer Politik, die bestimmte Dinge als Abfall definiert. Vielmehr entwickelt sie das Konzept der „Abfallregimes“, mit dem sie die Organe und Konventionen beschreibt, die bestimmen, welche Abfälle als wertvoll gelten und wie ihre Produktion und Verteilung abgewickelt, dargestellt und politisiert werden. Sie zeigt auf, wie diese Maßnahmen über Raum und Zeit variieren, und hebt so den immer gleichbleibenden und relationalen Charakter von Abfall hervor. Zugleich nimmt sie die stoffliche Realität dieser Materialien ernst. Entscheidend ist bei Gille, dass sie nicht nur anerkennt, dass unterschiedliche Systeme Abfall unterschiedlich definieren; sie hebt zudem hervor, dass diese Definitionen für die betreffenden Systeme von geradezu konstitutiver Bedeutung sind.
Schließlich gibt es noch ein paar Arbeiten, die vordergründig aus der Forschung zur materiellen Kultur stammen und die zu ähnlichen oder zumindest artverwandten Einsichten führen. Hier ist einmal Nicky Gregson zu nennen, die (in einer ganzen Reihe von Projekten und mit diversen anderen Forschern zusammen) anhand verschiedener Maßstäbe den Bezug der Menschen zum Abfall untersucht hat und dabei diverse theoretische und inhaltliche Bedenken berücksichtigt. Ihr Buch über die Second-Hand-Kultur21 führte sie dazu, sich damit zu beschäftigen, wie und warum bestimmte Dinge wiederverwendet werden. Entsprechend zeigen ihre ethnographischen Arbeiten über die Entsorgung alltäglicher Konsumprodukte22 den generativen Beitrag des Prozesses der Beseitigung für das Menschsein, die Selbsterneuerung und die unterschiedlichen Beziehungen zwischen Menschen und Dingen23. Dies wiederum führte Nicky Gregson zu einer Studie, die über den Tellerrand des individuellen Haushalts hinausblickte und bei der sie zur Erkenntnis gelangte, dass Abfälle mehr sind als bloß das letzte Glied in der Kette eines Produktions- und Konsumprozesses. Darin untersucht sie den globalen Materialfluss, der entsteht, wenn Dinge verfallen oder absichtlich demontiert werden, und hebt hervor, welche unterschiedlichen wirtschaftlichen Effekte durch diese Prozesse entstehen und erhalten werden24.
Es ist äußerst aufschlussreich, wenn auch ein wenig kurios, dass dem Bereich Lebensmittel bei diesen aktuellen Bemühungen in Sachen Abfallforschung relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Bis vor Kurzem hat sich die Sozialwissenschaft im Grunde kaum explizit mit dem Wegwerfen und der Verschwendung von Lebensmitteln beschäftigt. Hin und wieder wurde dieses Thema in größer angelegten soziologischen und anthropologischen Analysen gestreift25, es gab theoretische Betrachtungen darüber, wie die Verfügbarkeit von Entsorgungswegen bestimmen, was wir essen26, und in jüngerer Zeit wurden Arbeiten veröffentlicht27, die Analysen der materiellen Kultur und des Konsums auf die Lebensmittelverschwendung ausweiten28.
Im Jahr 2013 erschien mit Waste Matters: New Perspectives on Food and Society29 ein Herausgeberband, der die jüngsten Entwicklungen in der Abfallforschung ganz bewusst auf eine Analyse der Lebensmittelverschwendung auszuweiten versucht. Im Endeffekt führte dieser Band die Ansätze einer Untersuchung von Catherine Alexander und ihren Kollegen30 weiter, und er enthielt Beiträge, die die Lebensmittelverschwendung zu anderen Themenbereichen in Bezug setzten wie der politischen Ökonomie31, der Kultur, Ideologie und Politik von Ernährung und Konsum32 und posthumanistischen Perspektiven33. Dabei wurde deutlich, wie wichtig es für die Analyse von Abfall und Verschwendung ist, ein besseres Verständnis von Lebensmitteln34 und ganz allgemein von gesellschaftlichen Theorien35 zu entwickeln.
Doch auch trotz dieser Veröffentlichung ist und bleibt das Wegwerfen von Lebensmitteln ein Thema, das viel zu wenig untersucht wird. Tiefgründige und vor allem empirisch fundierte Darstellungen sind nach wie vor Mangelware. Der vorliegende Band soll daher eine möglichst systematische und konzentrierte Analyse darstellen, die Bezug nimmt auf die Fragen, wie und warum im Haushalt Lebensmittel weggeworfen werden. Doch bevor ich mehr darüber erzähle, möchte ich noch ein paar nicht-wissenschaftliche Überlegungen anführen, die rund um die Ursachen und Folgen des Wegwerfens und der Verschwendung von Lebensmitteln aufgetaucht sind.