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Ein neuer Freund

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Am nächsten Morgen wurde ich unsanft geweckt. Eigentlich hatte ich gedacht, dass die Römer sehr zivilisierte Menschen waren. Aber anscheinend wurden nur reiche oder zumindest nicht eingesperrte Römer so behandelt. Später kam dann ein spärliches Frühstück. Erneut gab es Brot zu essen und etwas Wasser zu trinken. Nach dem Essen hieß es wieder warten.

Langsam vergingen die Minuten und dann die Stunden. Ich konnte sehen, dass es bald Mittag wurde, denn die Sonnenstrahlen schienen nun stärker in das Verlies. Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, hörte ich dann wieder das Geräusch eines Schlüssels an der Tür. Wahrscheinlich würde bald das Mittagessen kommen, doch es war kein Mittagsessen, sondern ein Mann. Nachdem er mich gründlich gemustert hatte, sagte er: »Du bist also der Junge mit der seltsamen Kleidung!«

Erst jetzt fiel mir wieder auf, dass ich immer noch meine modernen Klamotten trug. Deshalb hatte mich auch der Wächter, der mir das Frühstück gebracht hatte, so seltsam gemustert. Plötzlich schmiss mir der Mann einen Beutel in die Zelle und sagte mit lauter Stimme: »Zieh das an!«

Danach schloss er die Tür wieder. Als ich den Beutel öffnete, sah ich darin einen weißen Stoff. Der erste

Gedanke, der mir durch den Kopf schoss und sich als richtig herausstellte, war: »Wow, eine Tunika!«

Ich hatte ja noch nie in meinem Leben eine Tunika getragen, nur ein paar Mal auf Bildern eine gesehen, die mir meine Mutter gezeigt hatte. Also probierte ich sie an. Aber das Ergebnis war ernüchternd. Ich sah eher aus wie ein Vampir, denn ich hatte aus der Tunika einen Umhang gemacht. Ich frage mich heute noch, wie ich das zusammenbrachte!

Als mich dann der Mann später in meiner Zelle abholte, tobte er vor Zorn und schrie: »Kannst du denn nicht einmal eine Tunika anziehen?« Und zum Wächter schrie er: »Das soll mein neuer Sklave sein?«

Nachdem mir der Wächter beim Anziehen geholfen hatte, sah ich schon besser aus. Nun wusste ich auch, wie man sie richtig anzog. Wenn ich jemals wieder nach Hause käme, müsste ich das meiner Mutter zeigen. Kurz darauf wurden meine Hände gefesselt und wir gingen nach oben.

Nach einem kurzen Fußmarsch erreichten wir einen Sklavenmarkt. Da begann ich zu begreifen, dass der fremde Mann, der mir die Tunika gegeben hatte, vermutlich ein Sklavenhändler war. Überall standen Sklaven in allen möglichen Hautfarben herum und wurden verkauft. Anscheinend war der Sklavenhändler, der mich gekauft hatte, hier ein sehr angesehener Mann. Alle grüßten ihn und manche verbeugten sich sogar vor ihm. Als wir dann endlich an einem sehr eindrucksvollen Stand ankamen, musste ich mich auf ein Podest stellen. Überall um mich herum glitzerten Gold, Juwelen und andere kostbare Dinge. Anscheinend war der Sklavenverkäufer kein armer Mann.

Nach langem Stillstehen durfte ich mich endlich einmal kurz bewegen. Das war allerdings auch das einzig Aktive, was ich an diesem Vormittag tun durfte.

Aber am späten Nachmittag änderte sich alles. Der Sklavenhändler zischte mir in mein Ohr, ich solle mich gut benehmen, denn der Direktor des Circus Maximus würde bald kommen. So war es auch. Kurze Zeit später erschien der Leiter des Amphitheaters. Er kam an das Podest, auf dem ich stand, blieb stehen und musterte mich sehr genau. Bald darauf war ich auch schon für 250 Sesterze verkauft worden.

Sonst ereignete sich an diesem Tag nichts mehr Besonderes. Außer, dass mich mein neuer Besitzer in ein großes Gebäude schleppte. Von außen hätte man es wirklich mit einem Museum verwechseln können. Es hatte ungefähr die gleiche Größe wie das Metropolitan Museum of Art. Okay, das war vielleicht etwas übertrieben, aber es war wirklich riesig.

Als wir eintraten roch ich schon von weitem das gute Essen.

Als wir das Haus oder sollte ich besser sagen die Villa betraten, genügte eine Geste meines neuen Besitzers, um den gerade vorbeigehenden Sklaven mich in mein Zimmer zu führen. Das Zimmer war ungefähr dreißig Quadratmeter groß und für einen Sklaven sehr luxuriös eingerichtet. Es gab drei Fenster, zwei Schränke, einen Tisch, zwei Stühle und auch zwei Betten. Höchstwahrscheinlich musste ich mir das Zimmer mit einem anderen Sklaven teilen. Ich musterte das Bett. Es bestand aus dem gleichen Holz wie mein Bett zu Hause, nämlich aus Pinie{1}.

Einmal hatte mich meine Mutter nach Rom mitgenommen. Dort waren wir in einem Museum, in dem man ein ähnliches Bett begutachten konnte. Meine Mutter erzählte mir, dass das Bett Triclinium{2} genannt wurde. Man verwendete es am Tag als Sofa, zu Mittag aß man und am Abend schlief man darauf. Das erklärte auch den Grund des kleinen Tisches, der neben dem Triclinium stand.

In der Frühzeit des römischen Reiches durften nur Männer auf den Triclinia{3} Platz nehmen, während die Frauen auf Sesseln sitzen mussten.

Trotz des großen Zimmers kam es mir eher wie ein Gefängnis vor, aus dem ich nicht entfliehen konnte. Denn, als ich versuchte die Tür zu öffnen, bemerkte ich, dass diese abgeschlossen war. Da ich wusste, dass weitere Versuche, die Tür zu öffnen, mich nur noch mehr frustriert hätten, setzte ich mich auf mein Bett. Erst jetzt fragte ich mich, wo meine alten Klamotten geblieben waren. Das einzige was ich nun besaß, war die Tunika, die ich trug und meine Sandalen.

Nachdem mir ein weiterer Sklave später etwas zu essen gebracht hatte, versuchte ich mich auf das Triclinium zu legen und von da aus mein Abendessen zu essen. Der Getreidebrei, den ich bekommen hatte, hieß im alten Rom Pulmentum{4}. Ich vermutete, dass das Pulmentum aus Dinkel, Wasser, Salz, Fett, Öl, vielleicht auch aus etwas Gemüse bestand. Leute, ich muss ehrlich zugeben, ich bin nicht jemand, der jedes x-beliebige Gericht sofort isst, aber das Pulmentum schmeckte wirklich vorzüglich!

Jetzt in der Ruhe fielen mir all die lateinischen Begriffe wieder ein, die mir meine Mutter und mein Lateinlehrer jahrelang versucht hatten, beizubringen.

Nach dem Abendessen, das übrigens Cena{5} bei den Römern hieß, wollte ich nur einen kurzen Verdauungsschlaf machen. Doch ich schlief vor lauter Müdigkeit fast die ganze Nacht durch. Nur einmal wachte ich durch ein plötzliches Geräusch auf:

Die Tür wurde geöffnet und vorsichtig schlich sich eine Gestalt herein. Im Schatten der Öllampe, die sie hielt, erkannte ich ein Männergesicht. Schnell zog der Fremde seine Tunika aus, faltete sie zusammen und legte sie in seine Truhe. Nachdem er sich in sein Bett gelegt hatte, blies er die Öllampe aus. Ein widerlicher Geruch nach verbranntem Öl verbreitete sich im Zimmer. Es war fast so abscheulich, wie der Gestank in einer Plastikverbrennungsanlage oder wie mein Cousin sagen würde, Polyethylen-Verbrennungsanlage. An den Schulausflug dorthin konnte ich mich noch sehr gut erinnern. Wir waren ungefähr dreißig Schülerinnen und Schüler, als wir die Verbrennungsanlage von New York besichtigten. Der Gestank an diesem Ort war beinahe unerträglich. Genauso roch es jetzt in dem Zimmer, in dem ich versuchte, zu schlafen.

Nach ein paar Minuten fielen mir trotzdem die Augen zu.

Am nächsten Morgen weckte mich mein Zimmerkamerad und stellte sich als Titus vor. Er trug auch eine Tunika, hatte dunkles lockiges Haar und ein freundliches Gesicht. Wahrscheinlich war er nicht älter als sechzehn Jahre.

Nachdem ich ihm von meinem Abenteuer erzählt hatte - nur den Teil mit der Zeitreise ließ ich aus - erfuhr ich von ihm, dass er bei einem Aufstand gefangen genommen worden war und alles versucht hatte, um zu seiner Familie, die in Noricum lebte, zu kommen. Er selbst hatte bis vor kurzem auch dort gelebt, doch durch den Kampf um die Unabhängigkeit von der Herrschaft der Römer, wurde er gefangen genommen. Jetzt wusste ich wenigstens, dass ich nicht der einzige war, der fliehen wollte.

Sofort entschied ich mich, ihn zu fragen, ob er mich mitnehmen würde: »Wann hast du denn vor zu fliehen?«

»Sobald wie möglich! Willst du mich denn begleiten?«, fragte er erstaunt.

»Na logo!«, antwortete ich blitzartig.

Worauf Titus mir nach knappem Überlegen seinen Plan anvertraute: »Morgen ist eine große Darbietung im Circus Maximus geplant. Vielleicht können wir dort den Plan in die Tat umsetzen. Angeblich soll sogar Caesar anwesend sein. Er hat vor kurzem den Krieg gegen die Piraten gewonnen und das sollte natürlich fantastisch gefeiert werden. Da unser Besitzer der Leiter des Circus Maximus ist, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass er uns als Sklaven mitnimmt. Da bei so einem großen Ereignis noch mehr Zuschauer als sonst anwesend sind, hat man immer viel zu wenige Sklaven. Besonders gebraucht werden Sklaven, um den Zuschauern Brot zu reichen.« Nach kurzem Schweigen erzählte er mir, dass dies der ideale Zeitpunkt wäre, um seinen Plan in die Tat umzusetzen.

Voreilig wie ich war, wollte ich schon aus dem Zimmer hinausrennen, als mir einfiel, dass ich ja noch nicht einmal angezogen war, noch immer in Boxershorts dastand und dass die Spiele erst morgen beginnen würden. Zum Glück achtete Titus im Moment nicht auf meine Klamotten, sonst hätte er sich vermutlich über meine Boxershorts gewundert.

Außerdem hätte ich den Weg sowieso nicht ohne seine Hilfe gefunden.

Schnell zog ich meine Tunika an und achtete besonders darauf, dass mir das Seil um meinen Bauch nicht den Atem nahm.

»Kommst du endlich?«, scherzte Titus belustigt.

LUKE MAKEN

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