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Eine Nacht und schon ist man Sklave

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Wo? Wo war ich? Alles war dunkel, nur eine Öllampe gab Licht. Langsam nahmen meine Augen etwas in der Finsternis wahr. Ich konnte ein Bett, einen Kasten, ein Fenster und eine Tür erkennen. Ich wusste nicht, wo ich war und erst recht nicht, wie ich hierhergekommen war. Plötzlich sah ich, dass im Bett neben mir eine Person schlief. Jetzt hörte ich auch das Schnarchen, welches ich vorhin für das Geräusch eines rauschenden Baches gehalten hatte.

Vorsichtig schlich ich mich nach draußen, um nicht von dem Bewohner des Hauses bemerkt zu werden. Nun erkannte ich auch ein paar andere Häuser. Alle waren aus weißem Stein gebaut, hatten aber nur Holztüren. Das waren bestimmt keine Museen in New York, denn für Museen waren die Häuser viel zu klein, aber auch die Türen wären für die Sicherheit nicht ideal gewesen. Plötzlich hörte ich eine Stimme: »Komm! Schneller oder willst du, dass uns die Patrouille erwischt?«

»Wer, wer bist du?«, fragte ich mit zitternder Stimme.

»Das tut nichts zur Sache. Nun komm endlich oder willst du, dass sie uns entdecken und ins Gefängnis bringen?«, sagte die Stimme.

»Die Patrouille? Warum soll ich ins Gefängnis kommen?«, fragte ich erstaunt und verwirrt zugleich. Seit wann gibt es Patrouillen in New York? Doch besser ich folgte dem Mann, dachte ich. Ich glaubte zumindest, einen Mann zu erkennen, denn im Dunkeln der Nacht konnte ich das schwer erkennen. Eine tiefe Stimme hatte er jedenfalls. Schnell beeilte ich mich, um zu ihm hinüber zu kommen.

»Da bist du ja endlich«, meinte der Mann. Er hatte große, glänzende, blaue Augen, ein schiefes Lächeln und kurze braune Haare, was ich durch genaueres Hinsehen erhaschen konnte. Nun erkannte ich auch seine seltsamen Klamotten. Meine Mum hatte mir einmal solche gezeigt. Es war eine Tunika. Normalerweise trugen nur Römer eine Tunika. Möglicherweise wurde gerade eine Kostümparty, die auf römische-Kleidung ausgelegt war, in dieser Stadt gefeiert. Jedenfalls roch der Mann sehr stark nach Alkohol!

»Wohin gehen wir?«, fragte ich den Mann.

Anstatt mir eine Antwort zu geben, marschierte er weiter.

Nach einem kurzen Fußmarsch erreichten wir eine kleine Brücke, die sich im Mondschein im Wasser des Flusses spiegelte. Dort teilte mir der Mann mit einer kurzen Handbewegung mit, dass ich hier auf ihn warten sollte.

Danach sah ich ihn schon davon taumeln. Kopfschüttelnd wusste ich sofort, dass es bestimmt sehr lange dauern würde, bis er wieder zu mir zurückkommen würde, falls er überhaupt zurückkäme. Obwohl ich schon sehr müde war, konnte ich dennoch nicht schlafen. Zu viele Gedanken jagten mir durch den Kopf. Was wohl mein Stiefvater gerade machte? Hatte er schon meine Mutter alarmiert? Wahrscheinlich nicht, er würde zuerst alles versuchen, um mich zu finden und es Mum verschweigen, damit sie keinen Herzinfarkt erleiden würde.

Zum Glück waren gerade Ferien, so müsste ich wenigstens nichts in der Schule nachschreiben, falls das hier kein Traum wäre.

Nachdem ich mir kurz in den rechten Arm gezwickt hatte, musste ich entsetzt feststellen, dass es doch kein Traum war.

Obwohl ich mir sicher war, dass ich heute niemals einschlafen könnte, fielen mir nach kurzer Zeit die Augen zu.

Plötzlich spürte ich ein Rütteln.

»Hier, trink das und nimm das Brot!«, sagte eine Stimme, die vermutlich von dem Mann von vorhin kommen musste. Ich konnte das Gesicht nicht sehen, weil es unter der Brücke sehr dunkel war. Langsam trank ich aus dem Tongefäß. Später fiel mir ein, dass es Amphore hieß. Die Flüssigkeit schmeckte stark nach Alkohol und leicht süßlich zugleich. Allerdings war ich zu müde und zu durstig, um etwas dagegen einzuwenden, dass man einem 15-jährigen Jungen Alkohol gab. Nach dem kurzem Essen und Trinken holte der Mann eine Decke, die er in einem Stoffsack verstaut hatte. Grauenhafterweise stank diese Decke enorm und sie sah aus, als wäre sie schon seit ein paar Jahren nicht gewaschen worden. Als ich mich in die Decke „kuschelte“, juckte es überall an meinem Körper, vor allem dort, wo mich der Stoff an meiner bloßen Haut berührte. Wie viele Bakterien, Flöhe, Zecken und all das andere Ungeziefer da wohl in der Decke hausten, daran wollte ich gar nicht denken. Vermutlich würde ich nach einer zweiten Nacht unter diesen Umständen sowieso sterbenskrank sein.

Nachdem der Fremde den Rest aus der Amphore getrunken hatte, stellte ich zu meinem Erschrecken fest, dass er anscheinend mit mir die Decke teilen wollte. Langsam, um nicht in Panik zu verfallen, rutschte ich auf die Seite. Kurz darauf legte sich der Fremde zu mir.

Ein weiterer Schock jagte durch meinen Körper, als ich plötzlich eine verschwitzte Hand auf meinen Schultern ruhen fand. Langsam ging es mir doch zu weit! Was dachte sich der Kerl überhaupt? Vergeblich versuchte ich, seine Hand von meinen Schultern herunter zu bekommen. Nach einer Ewigkeit, wie mir schien, war ich zu müde, um es weiter zu versuchen, von ihm los zu kommen. Das war fast so wie in den Fernsehfilmen, in denen jemand einer schlafenden Person eine Fernbedienung oder etwas Ähnliches aus der Hand reißen möchte, aber es nach allen Bemühungen dennoch nicht schafft.

Mitten in der Nacht hörte ich ab und zu leise Stimmen, die von der Brücke herunterhallten. Einmal kam es mir fast vor, als hätte ich ein Auto gehört, was sich jedoch als eine lästige Fliege entpuppte, die mein Ohr als Schlafplatz benutzen wollte. Schnell hatte ich sie jedoch eines Besseren belehrt. Später hörte ich noch ab und zu das Bellen eines Hundes, das aber schnell wieder verklang.

Am nächsten Morgen wurde ich von einem Sonnenstrahl geweckt. Kurz darauf schoss mir ein Gedanke durch den Kopf: »War das wirklich geschehen?« Obwohl ich zum Glück keine Hand mehr auf meiner Schulter fühlte, vergewisserte ich mich, ob der seltsame Typ noch da war. Vor Erleichterung seufzte ich laut auf, denn ich konnte ihn nirgends mehr entdecken. War das doch alles nur Einbildung und ich befand mich immer noch in einem Traum und würde bald in meinem Zimmer aufwachen? Aua! Nein, doch nicht, nach einem weiteren kurzen Kniff in mein Knie war ich hellwach und musste tatsächlich feststellen, dass alles real war.

Nachdem ich mir mein Gesicht im Fluss gewaschen hatte, beobachtete ich die Menschen um mich. Männer und Frauen gingen an mir vorbei. Einige Männer trugen eine strahlend weiße Toga und beinahe alle Frauen hatten eine Tunika an.

»Aua!«, plötzlich rempelte mich einer dieser Männer an.

Hast du denn keine Augen im Kopf?« , brüllte der Kerl. Schnell verzog ich mich. Also war das wirklich kein Traum. Entsetzlich!

Aufgeregt erkundete ich die Gegend weiter. Überall waren diese gigantischen Villen aus Marmor, doch weiter vorne konnte ich einen großen Platz entdecken, auf dem sich eine große Menschenmenge versammelt hatte. Ich entschied mich, ganz nach vorne zu gehen, um zu erfahren, warum all diese Menschen dort standen. Als ich dort angekommen war, sah ich einen Mann, der auf einem kleinen Podest stand und den Leuten zurief:

»Römer, hört mich an, Caesars Machtgier hat schon tausenden Legionären das Leben gekostet! Er verbündet sich mit dem Feind aus Ägypten! Wir müssen ihn stürzen! Pompeius wird euch helfen, wieder einen geordneten Staat zu haben! Keine Diktatur mehr! Caesar nützt uns aus! Er beutet uns aus und baut riesige Paläste für sich selbst!«

Nun durchfuhr mich ein gewaltiger Schreck. War ich etwa im alten Rom gelandet? Wie konnte das sein? Angst durchströme meinen Körper. Ich war allem Anschein nach bei den antiken Römern gelandet und hatte keine Ahnung, wie ich wieder nach Hause kommen würde. Wie konnte das geschehen? Und hatte ich wirklich gerade den Namen Pompeius gehört? Irgendwie kam mir der Name sehr bekannt vor. Ja natürlich, meine Mutter hatte mir einmal von ihm erzählt. Ich glaube, es war einer der vielen Widersacher Caesars. Nach kurzer Überlegung kam ich zu einem grauenhaften und unvorstellbaren Ergebnis. Konnte es wirklich sein? Es war fast unmöglich, dennoch wusste ich es tief in mir, ich war mit der Erfindung meines Stiefvaters durch die Zeit gereist. Allem Anschein nach befand ich mich sogar in einer Zeit vor Christus, in der Zeit Caesars. Es war unbeschreiblich verrückt. Ich war durch die Zeit gereist und mitten in Rom gelandet. Jedoch die Kirsche auf der Sahne war, dass ich genau in Caesars Zeit aufgetaucht war. Ich glaube, er ist auch der römische Lieblingskaiser von meiner Mum. Einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich nicht für meine Mum, Caesar um ein Autogramm bitten sollte. Aber allein der Gedanke brachte mich zum Lachen. Wahrscheinlich wusste Caesar nicht einmal, was ein Autogramm war.

Aber zurück zu Pompeius. Ich dachte nach, was ich von ihm wusste. Denn bevor Pompeius und Caesar Erzfeinde wurden, waren sie sehr gute Freunde. Wegen ihrer Freundschaft hatte Caesar sogar seine geliebte Tochter Julia mit Pompeius verheiraten lassen. Doch als sie starb, war die Freundschaft zwischen ihnen zerbrochen. Pompeius wand sich immer mehr den Senatoren und Caesar seinen eigenen Zielen zu.

Auf einmal kam eine große Schar an Legionären, die alle Menschen in meiner Umgebung sofort in großen Aufruhr versetzte. Binnen weniger Minuten war das Chaos perfekt. Ich wollte nur noch so schnell wie möglich zurück zur Brücke und mich dort verstecken. Aber so weit kam ich gar nicht. Ein Legionär packte mich und zerrte mich mit sich davon. Verzweifelt versuchte ich mich zu befreien, doch er hielt mich so fest, dass ich von Schmerzen durchströmt wurde. Nach dem zweiten Fluchtversuch hatte ich keine Kraft mehr, mich zu wehren. Widerwillig hielt ich ihm meine Hände hin, damit er sie fesseln konnte und ich nicht halb Huckepack durch ganz Rom geschleppt werden würde. Sehr schnell hatte er meine Hände mit einem Seil zusammen gebunden. Mit hängenden Schultern latschte ich hinter ihm her und nutzte diese Zeit, um ihn zu beobachten. Er hatte kurz-geschnittene blonde Haare und einen rasierten Bart. Seinen muskelbepackten Armen nach zu urteilen, würde er mich, falls ich mich weigerte, mitzugehen, sofort wieder Huckepack nehmen und mich wie einen Kartoffelsack durch die Straßen Roms schleppen. Ich schätzte ihn ungefähr auf 24 Jahre. Als er bemerkte, dass ich ihn musterte, schnauzte er mich an: »Hast du etwa noch nie einen Legionär gesehen? Aber, was sind das überhaupt für seltsame Lumpen, die du da trägst?«

Erst jetzt bemerkte ich, dass ich noch immer meine blaue Jeans, meine blauen Sneakers und mein grünes T-Shirt trug. Ich sah darin bestimmt aus wie eine Tomate, (die es bei den Römern noch nicht gab), denn mein Kopf fühlte sich so heiß an, dass er knallrot sein musste. Gedanken schwirrten durch meinen Kopf, wie seltsam es für die Römer sein musste, einen Teenager aus New York und noch dazu einen aus dem 21. Jahrhundert zu sehen. Zum Glück war ich nicht im Mittelalter gelandet, sonst hätte man mich bestimmt auf dem Scheiterhaufen geworfen und verbrannt. Oder gab es solche ähnliche Zeremonien auch schon bei den Römern? Wohin schleppte mich dieser Römer bloß?

Gleich darauf wurde ich in einen Kerker gesperrt. Nur durch ein kleines Loch in der Decke kam ein Lichtstrahl herein. In dem Verlies war es sonst stockdunkel und eiskalt. Mit ziemlicher Sicherheit würde ich mir spätestens morgen eine Erkältung einfangen. Langsam gewöhnten sich meine Augen an das spärliche Licht. Fast auf allen Wänden waren Risse zu erkennen. Dazu kam auch noch, dass Wörter und Bilder in die schon stark zerkratzte Wand eingeritzt worden waren. Wie viele Gefangene hier wohl schon gewesen waren? Nach kurzer Zeit konnte ich eine Tonschale mit Brotkrümeln und eine halbvolle Amphore mit Wasser erkennen. Neben der Kerkertür konnte ich auch etwas Stroh ausfindig machen, auf dem ich wahrscheinlich schlafen sollte. Die Zelle war ungefähr sechs Quadratmeter groß, eigentlich ziemlich geräumig für einen Kerker.

Nach der kurzen Erkundungstour hockte ich mich auf mein Strohlager und aß einen Teil des Brotes. Ab und zu spürte ich kleine Steine, die meine Zähne zum Knirschen brachten. Mein Zahnarzt hätte denjenigen, der das Brot zubereitet hatte, sicher vors Gericht gebracht. Solche Gedanken erheiterten meine Zeit im Verlies. Jedoch, wenige Augenblicke später, hörte ich ein Knarren. Gleich darauf wurde ein Schlüssel in das Schloss gesteckt und die Tür geöffnet. In meinen Gedanken dachte ich schon, dass ich von jemandem befreit werden würde. Aber das echte Leben ist nicht wie in einem Comic oder einem Roman, in dem jeder Charakter überlebt und sich im nächsten Teil wieder in haarsträubende Abenteuer begibt. Stattdessen verkündete mir der Wärter:

»Du wurdest bei einer Ansammlung gegen Caesar erwischt. Das ist ein Volksverbrechen. Du hast Glück, dass ein Senator heute in guter Stimmung war, deshalb hast du zwei Möglichkeiten, dir deine Strafe auszusuchen. Die erste ist, du gehst in die Gladiatorenschule und trittst bei besonderen Anlässen im Circus Maximus gegen einen anderen Gladiator an. Deine zweite Wahl ist, du wirst lebenslang Sklave!«

Während seines Vortrages fuhr er sich ab und zu durch seine schwarzen Haare. Seine leicht verdreckte Tunika war ihm eindeutig viel zu klein. Was in einer anderen Situation sogar erheiternd gewesen wäre.

Die zwei Möglichkeiten waren zwar nicht die besten, aber zwischen aufgespießt zu werden oder den ganzen Tag zu arbeiten, erschien mir die zweite die bessere zu sein. Darum entschied ich mich, Haussklave zu werden. Vielleicht würde es mir ja sogar gelingen, wegzulaufen. Oder wie meine Mutter mir einmal erzählt hatte, freigelassen zu werden. Ja, einige Sklaven wurden von ihren Besitzern freigelassen. Meistens, weil sie zu alt waren. Das waren also nicht gerade tolle Aussichten.

Nachdem ich den restlichen Nachmittag damit verbracht hatte, mit einem Stein die Wand zu zerkratzen, wie viele andere hier auch schon, versuchte ich jetzt zu schlafen. Aber ich konnte nicht, ich war zu aufgeregt wegen der morgigen Ereignisse. Irgendwann schaffte ich es dann doch, einzuschlafen.

LUKE MAKEN

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