Читать книгу Star Trek - Legacies 2: Die beste Verteidigung - David Mack - Страница 10
DREI
ОглавлениеAuch im geräuscharmen Betrieb summte die Brücke der Enterprise vor intensiver Energie und Konzentration. Lieutenant Uhuras Stimme durchschnitt die angespannten Hintergrundgeräusche und erregte Kirks Aufmerksamkeit. »Captain? Mr. Spock berichtet, dass die Galileo abflugbereit ist.«
Kirk antwortete über seine Schulter hinweg: »Sagen Sie ihm, er soll sich bereithalten, Lieutenant.«
Er drehte seinen Kommandosessel zur Wissenschaftsstation, wo Ensign Jana Haines sich über die abgeschirmte Sensoranzeigen beugte. Der schlanke Wissenschaftsoffizier mit den blonden Haaren war Anfang vierzig und ein ungewöhnlich später Bewerber an der Sternenflottenakademie gewesen. Sie sah hoch, als Kirk fragte: »Ensign, erfassen wir den klingonischen Kreuzer immer noch mit den Langstreckenscans?«
»Nein, Sir«, sagte sie. »Sein letzter bekannter Kurs führte ihn zurück in den klingonischen Raum.«
»Hoffen wir, dass unser Glück anhält.« Er wandte sich wieder dem Hauptbildschirm zu, auf dem ein statisches Sternenfeld zu sehen war. Einer dieser Lichtpunkte war das Libros-System, in dem der Planet Usilde beheimatet war. Dort befand sich eine fremde Maschine, die das Tor zwischen Universen öffnen konnte, die sich niemals überschneiden sollten.
Grundsätzlich befand sich das Libros-Sonnensystem weder auf Föderations- noch auf klingonischem Territorium, weshalb der offizielle Status auch als »umstrittenes« Hoheitsgebiet definiert war. Zu Kirks Missfallen – und vor achtzehn Jahren zum Nachteil von Captain Una und ihren Schiffskameraden von der Enterprise – neigte die Föderation dazu, den Begriff »umstritten« als Verbotsschild zu interpretieren. Im Gegensatz dazu fasste das Klingonische Reich solche Unklarheiten fast immer als Einladung dazu auf, seine Flagge zu hissen.
Was sie hier auf jeden Fall getan haben, brütete er.
Kirk sah sich auf der Brücke um und fand die Zahl unbekannter Gesichter besorgniserregend. Lieutenant Stiles bemannte den Posten des Navigators – normalerweise Chekovs Station während dieser Schicht – neben Steuermann Lieutenant Beggs Hansen, der den Platz von Lieutenant Hikaru Sulu einnahm. Beide waren für ihre Rolle herausragend qualifiziert, aber in Krisenzeiten war Kirk inzwischen daran gewöhnt, sich auf der Brücke mit den besten Offizieren der Enterprise zu umgeben. Er verzichtete nur widerwillig auf den Rat seiner erfahrensten Offiziere außer einem, wusste aber, dass dies die beste Strategie für einen Erfolg war – nicht zuletzt, weil Spocks ihm versichert hatte, dass es so war.
Das sanfte pneumatische Zischen der sich öffnenden Turbolifttüren veranlasste Kirk, seinen Kopf weit genug herumzudrehen, um die Ankunft von Doktor Leonard McCoy zur Kenntnis zu nehmen. Dieser war Chefarzt der Enterprise und sein verlässlicher Freund und Ratgeber. Obwohl ihm der Ruf emotionaler Ausbrüche vorauseilte, senkte er dieses Mal seine Stimme zu einer vertraulichen Lautstärke, die dennoch seinen Zorn nicht verbergen konnte. »Jim? Hast du den Verstand verloren?«
»Das ist weder die Zeit noch der Ort, Doktor.«
»Da bin ich anderer Meinung. Du bist dabei, vier gute Leute ins Fadenkreuz der Klingonen zu schicken. Jetzt scheint mir der perfekte Zeitpunkt für die Frage zu sein: warum?«
Kirk warf seinem Freund einen vorwurfsvollen Blick zu. »Weil es getan werden muss. Und gerade du solltest wissen, dass auf dieser Brücke meine Befehle nicht zur Diskussion stehen.«
Seine Zurechtweisung veranlasste McCoy dazu, sein Gegenargument flüsternd vorzubringen. »Verdammt, Jim. Wie kannst du so ein Risiko am Vorabend der Vertragskonferenz eingehen?«
»Weil ich ein Versprechen gegeben habe, Pille. Und zwar Captain Una.«
»Aber wenn Spock und die anderen erwischt werden …« McCoy sah sich um, um sicherzugehen, dass niemand seine nächsten Worte belauschte. »Das könnte einen Krieg auslösen. Oder man könnte sie als Spione anklagen …«
»Und sie zum Tode verurteilen«, beendete Kirk den finsteren Gedanken. »Das weiß ich. Und sie auch.«
»Das scheint mir ein schrecklich hoher Preis für ein Versprechen zu sein«, grollte der Doktor.
»Ihre Bedenken sind zur Kenntnis genommen, Doktor.«
Nachdem er abgeblitzt war, hatte McCoy offenbar nichts mehr zu sagen und räumte das Feld. Er gesellte sich zu Uhura auf dem Oberdeck der Brücke und sah ihr über die Schulter. Kirk ließ zu, dass sein Freund sich aus dem Gespräch zurückzog, und brütete über die beunruhigende Wahrheit, die er mit niemand anders auf dem Schiff – außer Spock – teilen konnte. Es war nicht Kirks Entscheidung gewesen, den größten Teil seiner Führungsoffiziere in verdeckter Mission nach Usilde zu schicken. Nachdem er dem Sternenflottenkommando von der Existenz des Transferschlüssels und dessen Diebstahl durch einen romulanischen Schläferagenten berichtet hatte, hatte dieses ihm trotz seiner Einwände diese Mission auferlegt.
Das Ärgerlichste an allem war der Zusatz gewesen, der Kirk anwies, die volle Verantwortung für die Mission zu übernehmen. Sollte sie ins Auge gehen, würde man sie als Operation eines Abtrünnigen abtun, die Schnapsidee eines eigenwilligen Raumschiffcaptains, der ohne Befugnisse handelte. Die Logik hinter dem Befehl war Kirk von Anfang an klar gewesen. Auf diese Weise sollten die Vertragsverhandlungen vor möglichen Rückschlägen geschützt werden, wenn die Mission schiefging. Und da Kirk schlussendlich für das Verhalten des gesamten Personals unter seinem Kommando verantwortlich war, hielt man es für besser, ihn als Abtrünnigen hinzustellen und nicht als einen Kommandanten, der die Kontrolle über sein Schiff und die Mannschaft verloren hatte. Rein theoretisch stimmte Kirk der Denkweise seiner Vorgesetzten zu, doch er hegte Bedenken, dass dies einen falschen Eindruck seines Kommandostils hervorrufen und Nachahmer auf den Plan rufen könnte.
Ich kann mir nicht den Kopf über meinen Ruf zerbrechen, entschied er. Wenn es das ist, was die Sternenflotte von mir braucht, dann wird sie es von mir bekommen. Kirk hatte sich immer für einen loyalen Offizier gehalten, der sich an die Regeln hielt, der seine Mission, sein Schiff und seine Besatzung vor seine eigenen Interessen stellte. Und das würde auch so bleiben – ganz egal welchen falschen Eindruck die Geschichte von ihm in zukünftigen Zeiten haben mochte.
Aber das hieß nicht, dass er leichtsinnig sein musste.
Er wandte sich wieder an Uhura an der Kommunikationskonsole: »Lieutenant? Gibt es Funkverkehr nach oder von Usilde auf klingonischen Militärkanälen?«
Sie drückte ihre Hand sanft an den Empfänger, der in ihrem Ohr steckte, und lauschte aufmerksam einige Sekunden. Dann sah sie Kirk an und schüttelte den Kopf. »Überhaupt nichts, Sir.«
»Also schön. Sagen Sie Mr. Spock, dass die Galileo Abflugerlaubnis hat.«
Während Uhura seinen Befehl an den Shuttlehangar des Schiffs weiterleitete, sagte Kirk: »Mr. Stiles, Hecksicht auf den Schirm, bitte.«
»Aye, Sir.« Stiles tippte den Befehl in die vordere Konsole ein. Das Bild auf dem Hauptschirm veränderte sich und zeigte den Heckbereich des zylinderförmigen Sekundärrumpfes der Enterprise. Ein paar Sekunden später schoss ein kleiner silberner Blitz aus den offenen Hangartoren des Raumschiffs. Innerhalb weniger Momente schrumpfte der gleißende Bewegungsstreifen zu einem Lichtpunkt zusammen, der immer kleiner wurde und zwischen den Sternen verschwand.
Hinter Kirk bestätigte Uhura: »Die Galileo ist unterwegs.«
»Danke, Lieutenant. Überwachen Sie bis zu ihrer Rückkehr jederzeit ihren Notrufkanal.«
Kirk starrte auf die Sterne und war ganz allein mit seinen Gedanken, von denen er wusste, dass er sie niemals teilen konnte. Hatte er das Richtige getan? Hatte er gerade die Friedensverhandlungen und dadurch das Schicksal von Milliarden denkender Wesen in Gefahr gebracht? Und das Schlimmste, hatte er seine Freunde und Schiffskameraden in den sicheren Tod geschickt? Das würde nur die Zeit zeigen, aber vorläufig musste er all seine Befürchtungen für sich behalten.
So war das, wenn man Captain eines Raumschiffs war.
Auch der längste Marsch mochte mit dem Schritt beginnen, aber Captain Una hatte den Schritt, der sie auf ihren unbestimmten Weg geführt hatte, längst vergessen.
In der Eintönigkeit der Wüste war es leicht für die Gedanken abzuschweifen. Sogar mit einem fernen Orientierungspunkt, auf den man den Blick richten konnte, verschworen sich die endlosen Ebenen, der karge Horizont und der leere Himmel dazu, den Betrachter beim Laufen in Hypnose zu versetzen, in einen fortwährenden Traumzustand der Verleugnung.
Una blinzelte und bemerkte, dass sie sich auf einem felsigen Bergpfad mit hohen Felswänden befand. Sie hatte keine Erinnerung daran, wie oder wann sie die Salzebenen verlassen und einen engen Pfad voller scharfkantiger Steine und wabernder beiger Staubschleier betreten hatte. Plötzlich wurde sie sich ihrer neuen Umwelt bewusst und blieb stehen. Dann legte sie den Kopf in den Nacken und drehte sich einmal langsam im Kreis. Windgepeitschte hellbraune Felsspitzen kratzten an dem schneeweißen Himmel über ihr. Zu beiden Seiten ihres einsamen Wegs ragten imposante, schroffe Klippen auf. Sie sah keine Anzeichen von Höhlen oder anderen Zufluchten, weder oben noch unten. Genau wie die Wüste war auch dieser Gebirgspass eine Einöde.
Ihre Ausbildung setzte sich durch. Una wusste, dass sie seit geraumer Zeit gelaufen war, aber sie hatte nur vage Erinnerungen an die Wechsel von Tag und Nacht oder an ihren Schatten, der sie wie der Schattenzeiger einer Sonnenuhr umkreist hatte. Hatte sie sich die Wanderung der Sonnen am Himmel eingebildet? Waren die Sterne über ihrem Kopf nichts als Wahnvorstellungen? Das schien unwahrscheinlich, aber sie konnte das Offensichtliche nicht leugnen: Wäre sie mehrere Tage hintereinander ohne pharmazeutische Hilfe wach gewesen, würde sie jetzt an schweren Symptomen von Schlafentzug leiden. Doch sie fühlte sich fast hellwach und fest verankert in der Gegenwart, so surreal diese auch sein mochte.
Andere unlösbare Rätsel nagten an ihr. Sie hatte sich gut auf ihre Reise jenseits der Dimensionsbarriere vorbereitet. Ihr Rucksack war vollgepackt mit Wasser, Proviant und einem Erste-Hilfe-Kasten. Aber hatte sie seit ihrer Ankunft etwas gegessen? Hatte sie auch nur einen Schluck aus der Feldflasche genommen? Diese baumelte schwer an der Seite ihres Rucksacks, was darauf schließen ließ, dass sie immer noch voll war. Aber wenn dem so war, wie war sie dann den Auswirkungen der Dehydrierung entgangen? Wenn sie ihre Verpflegung noch nicht angebrochen hatte, warum spürte sie dann nicht die Folgen von Unterzuckerung?
Die Einzelheiten ihrer misslichen Lage schienen nicht mit ihren Erfahrungen übereinzustimmen, als wäre sie nur Zuschauerin ihres eigenen Lebens. Vielleicht ist das eine Besonderheit dieses Paralleluniversums. Wenn sich seine physikalischen Gesetzmäßigkeiten von denen unterscheiden, die ich für selbstverständlich halte, könnten diese Eigentümlichkeiten der Beweis für einen Paradigmenwechsel sein.
Auf den ersten Blick schien dies eine vernünftige Erklärung zu sein, aber ein Teil ihres Verstandes weigerte sich, sie zu akzeptieren. Selbst wenn dieses Universum mit anderen physikalischen Gesetzen arbeitet, würde meine Physiologie nicht weiterhin denen gehorchen, unter denen sie entstanden ist? Ist es möglich, dass das Durchschreiten der Dimensionsbarriere mich verändert hat?
Das war eine zutiefst verwirrende Vorstellung. Wie konnte sie ihr Verhalten an physikalische Gesetze anpassen, die sie nicht einmal kannte? Ich kann nur auf die Phänomene eingehen, die ich wahrnehme, entschied Una.
Nachdem sie beschlossen hatte, sich den Umständen dann zu stellen, wenn sie konkret wurden, ging sie auf dem Bergpass weiter und auf einen Himmel zu, der sich scheinbar durch das schwindende Tageslicht verfärbte. Obwohl sie hoffte, dass die vielfältigen Texturen und Geländestrukturen des Passes ihre Gedanken beim Weitergehen beschäftigen würden, bemerkte sie bald, dass sie wieder durch denselben Traumschleier schwebte, der sie auf den Salzebenen schon eingehüllt hatte. Bald sah ein gezackter Stein wie die meisten anderen aus. Jede Hoffnung, in der schwer fassbaren Gegenwart zu bleiben, an die Una sich geklammert hatte, entglitt ihr und verlor sich in den Strudeln und Strömungen eines haltlosen Gedankensturms.
Ihr Geist driftete durch die Tümpel ihrer jüngsten Erinnerungen und tauchte dann in die Tiefen ihres Lebens vor der Sternenflotte ein – in eine Zeit bevor sie als außergewöhnlich gefeiert wurde, in ihre Entwicklungsjahre auf Illyria, in ihre Jugend, die von Unsicherheit und Kampf geprägt gewesen war, in ihre Kindheit, die aus Zurückweisung und Missbilligung bestanden hatte. Niemals gut genug – das war die Lektion ihrer Mutter, die sie verinnerlicht hatte, diese grausame Herrin, in deren rhetorischem Köcher es keinen Pfeil des Wohlwollens für Unas Bemühungen gegeben hatte.
Als Unas Volljährigkeit endlich in greifbare Nähe gerückt war, hatte sie gewusst, dass kein Lebensweg, den sie einschlagen konnte, die Zustimmung ihrer Mutter finden würde. Also hatte sie den Weg gewählt, der sie glücklich machte und der sie in die Lage versetzte, ihre eigenen Träume zu verfolgen. Sie wollte ihr Leben nicht mit bitteren Worten, sondern zu ihren eigenen Bedingungen als erwachsene Frau und freidenkendes Wesen gestalten.
Ironischerweise war das der einzige Tag in Unas Leben, an dem ihre Mutter sie nicht mit einem Stirnrunzeln, sondern mit einem Lächeln empfangen hatte, nicht mit Kritik, sondern mit einem hoffnungsvollen Segenswunsch: »Viel Glück, mein Liebes.«
Rückblickend konnte Una sich keine andere Möglichkeit vorstellen, wie ihre Mutter sie zu der Frau hätte erziehen können, die sie jetzt war.
Es ist beinahe, als hätte sie mir meine ganze Jugend lang beigebracht, mich von ihr zu lösen.
Der Stoß eines scharfkantigen Steins in Unas Rippen unterbrach ihre nostalgischen Tagträume. Sie blieb stehen, hob langsam die Hände und drehte sich, um zu sehen, wer ihr auf dem Pass aufgelauert hatte.
Eine Dreiergruppe Usildar, deren jadegrünes Haar und geschmeidige Körper mit steinfarbigen Staubstreifen getarnt waren, hatte sie aus dem Hinterhalt angegriffen. Sie waren an ein Leben im Wald angepasst und ihre langen Extremitäten hatten opponierbare Daumen an Händen und Füßen. Obwohl sie dazu neigten, offenes Gelände mit tief herabhängenden, schwingenden Armen zu überqueren, kam ihnen ihre schlanke Gestalt in Situationen wie diesen zugute: Zwei der drei Angreifer baumelten kopfüber von Felsvorsprüngen herab und schwangen Speere mit Steinspitzen. Der dritte hatte sich von hinten angeschlichen und ihr das scharfe Ende seiner Waffe in den Rücken gedrückt.
Sie wirken keineswegs besänftigt, als sie sie anlächelte. »So sieht man sich wieder.«
»Erklären Sie sich, Fremde.«
Sie verbarg ihre Enttäuschung. Obwohl nur wenige der Usildar, denen sie auf Usilde begegnet war, sie nach fast zwanzig Jahren Abwesenheit wiedererkannt hatten, hatte sie doch darauf gehofft, dass einer ihrer Verwandten, denen sie hier begegnete, sich an ihr Gesicht erinnerte. Jetzt musste sie darauf hoffen, dass sie sich an ihren Namen erinnerten.
»Sie kennen mich als Una.«
Die drei Usildar wechselten verwirrte Blicke. Derjenige, der ihr den Speer ins Kreuz drückte, sagte: »Wir kennen keine Una.«
»Meine Freunde und ich kamen aus einem fernen Land, um Ihrem Volk im Kampf gegen die Eindringlinge zu helfen.«
Dieses Mal lösten ihre Worte eine andere, weniger feindliche, aber immer noch misstrauische Reaktion aus. Der Usildar in ihrem Rücken zog seinen Speer zurück. »Sie sind mit den Außenweltlern befreundet?«
»Das bin ich.«
Der Anführer stieß seine Speerspitze unter Unas Kinn. »Beweisen Sie es.«
»Ich komme von der Enterprise. Die Namen meiner Freunde sind Martinez und Shimizu.«
In dem Moment, als sie die Namen aussprach, änderte sich die Haltung der Usildar. Der Anführer legte seine Waffe beiseite und das baumelnde Paar hinter ihm neigte die Köpfe. Der Anführer der drei streckte seine Hand nach Menschenart Una entgegen und sagte: »Ich bin Feneb, Waldhüter der Usildar.«
Sie nahm seine Hand. »Ich bin Una von der Enterprise und ich komme als Freundin zu Ihnen.«
»Dann folgen Sie uns, Freundin Una.« Er ließ ihre Hand los und hüpfte den Gebirgspass hinunter. Seine Kameraden folgten ihm auf dem Fuße und seine Stimme hallte von den Steinwänden wider: »Wir gehen zu den Ihren.«
Durch das vordere Sichtfenster des Shuttles Galileo beobachtete Spock die graugrüne Kugel des Planeten Usilde, die langsam vor dem Sternenzelt des Kosmos anwuchs. Er und der Rest des schwarz gekleideten Landetrupps unter seinem Kommando waren beinahe am Ziel.
»Zeit bis zum Eintritt in die Atmosphäre, Mr. Sulu?«
»Dreißig Sekunden, Sir.« Der erfahrene Steuermann flog das kastenförmige Shuttle mit solcher Leichtigkeit, dass er das klobig erscheinende Schiff geradezu anmutig wirken ließ. Spock sah dies als Beweis für das außergewöhnliche fliegerische Können des Mannes.
Hinter dem Steuermann und dem Ersten Offizier der Enterprise stritten sich leise der Chefingenieur, Lieutenant Commander Montgomery Scott, und der jungenhafte neue Navigator, Ensign Pavel Chekov, während sie an einem von Scott zusammengeschusterten Gerät herumbastelten, das dieser mit dem Navigationsdeflektor der Galileo verbunden hatte. »Nein, mein Junge«, sagte der Schotte und die Frustration verstärkte seinen Aberdeen-Akzent. »Das kommt hierhin und das kommt dahin.«
Chekovs russischer Akzent war genauso stark wie Scotts und darüber hinaus schwang ein Unterton von Unmut mit. »In Russland wären diese Verbindungen farbkodiert.«
»So ein Pech, dass wir nicht in Russland sind.«
»Meine Herren«, unterbrach Spock ihren Streit. »Wird der Sensorscrambler bereit sein, wenn wir die Atmosphäre erreichen? Wenn nicht, werde ich Mr. Sulu den Befehl zum Abbruch geben.«
»Aye, er wird bereit sein«, sagte Scott. »Wenn der Junge lernt, Anweisungen zu befolgen.«
Chekov wollte etwas erwidern, doch dann bemerkte er Spocks unerbittlichen Blick und behielt seine Proteste für sich. Er stellte die letzten Verbindungen zu dem Störgerät her. »Scrambler bereit, Mr. Spock.«
»Mr. Scott, wenn Sie dann bitte übernehmen würden?«
»Aye, Sir.« Der Chefingenieur ging zur Hauptkonsole. Spock schlüpfte nach hinten, um neben Sulu Platz zu machen. Nach ein paar Einstellungen an der Steuerkonsole des Shuttles gab Scott Energie auf das Gerät. Die Passagierkabine wurde von einem tiefen Summen und dem spürbaren Kribbeln galvanischer Kräfte erfüllt, die um die Besatzung herumflossen. Scott verließ die Konsole und nickte Spock zu. »System gestartet, Sir.«
Spock kehrte an seine Station neben Sulu zurück. »Gut gemacht, Mr. Scott.«
Es war möglich, dass sein Lob verfrüht war. Erst nachdem die Galileo den kritischen Punkt passiert hatte, würde die Besatzung wissen, ob ihre verdeckte Annäherung, gepaart mit einem eilig eingebauten Sensorscrambler, der sie wie gewöhnliche, in der Atmosphäre verglühende Meteortrümmer aussehen lassen sollte, ausreichten, um die klingonischen Streitkräfte auf der Planetenoberfläche zu täuschen. Wenn ihnen bei ihrem Störgerät auch nur der kleinste Fehler unterlaufen war oder sie den Technologiegrad des Gegners unterschätzt hatten, würden sie alle für diesen Fehler mit ihrem Leben bezahlen.
Die dunkle Seite von Usilde schob sich ins Sichtfeld und verdeckte die Sterne. Im Gegensatz zu den nächtlichen Hemisphären der meisten entwickelten Föderationswelten war die dunkle Hälfte des primitiven Planeten Usilde pechschwarz. Es fehlten jegliche künstliche Lichtquellen. Für Sulu hieß das, allein nach seinen Instrumenten zu fliegen, denn die Oberfläche bot keine sichtbaren Orientierungspunkte, nach denen er sich richten konnte. Zum Glück war dies eine Aufgabe, für die der in San Francisco geborene Steuermann hervorragend geeignet war.
Spock drückte einen Knopf auf der Befehlskonsole und löschte alle Lichter in der Galileo bis auf die Beleuchtung von Sulus Steuerkonsole. »Richten Sie sich nach unserer Landung auf einen sofortigen Ausstieg ein«, sagte er zu Scott und Chekov. Er überzeugte sich, dass sein kompakter Phaser an der richtigen Stelle auf seinem Rücken saß und dass sein Kommunikator gesichert war. Sein Trikorder befand sich in einem kleinen Rucksack, den er aufsetzte und mit einem Zug an den Riemen festschnallte. Obwohl der hintere Teil des Shuttles in Dunkelheit lag, nahmen seine scharfen vulkanischen Ohren das Geräusch von Händen wahr, die über Geräte strichen, während Scott und Chekov ihre eigene Ausrüstung überprüften.
Das Geräusch von brausendem Wind pflanzte sich durch den Rumpf fort und das Schiff bebte – erst leicht, dann immer heftiger –, als die Galileo im Sturzflug auf Usildes Oberfläche zuraste. Je heftiger die Turbulenzen wurden, desto zuversichtlicher war Spock, dass ihre Ankunft von den Klingonen nicht bemerkt worden war. Wenn sie unser Sensorprofil erkannt hätten, hätten sie uns schon längst vom Himmel geschossen. Nachdem Spock alle ihm bekannten Variablen ins Kalkül gezogen hatte, kam er zu dem Ergebnis, dass die Chancen der Galileo, die Oberfläche unversehrt zu erreichen, bei sechsundneunzig Prozent lagen.
Sulu verkündete über seine Schulter hinweg: »Noch dreißig Sekunden bis zum Landeplatz.«
»Achten Sie auf das hiesige Blattwerk, Lieutenant«, warnte Spock. »Es kann ziemlich dicht sein.«
»Aye, Sir. Ich habe klare Sensoranzeigen der Landschaft. Unsere Anflugschneise ist frei.« Sulu hielt Wort und steuerte das Shuttle durch eine Lücke im dichten Blätterdach des Regenwalds auf eine kleine und beinahe ebene Lichtung. Die Galileo setzte sanft auf. Das Schnurren des Impulsantriebs und der Schubdüsen ließ nach und verstummte schließlich. »Gelandet und gesichert, Mr. Spock.«
»Gut gemacht, Lieutenant. Öffnen Sie die Luke.«
Servomotoren sangen, als die Luke aufglitt. Schwüle Hitze strömte in das Innere des Shuttles, gefolgt von Insektenzirpen, schrillem Vogelkreischen und dem Grollen hungriger Tiere, das durch die Nacht hallte.
Spock ging voran. »Folgen Sie mir und bleiben Sie dicht hinter mir.«
Er hörte die Schritte der anderen drei Männer, die ihm nach draußen folgten. Sulu verließ als Letzter das Shuttle und schloss die Luke. Nachdem die Tür geschlossen war, war die einzige Lichtquelle auf der Lichtung das schwache und entfernte Leuchten der Sterne. Sulu zog die Riemen seines Rucksacks nach und Spock sagte: »Schalten Sie auf Nachtsichtgeräte um.«
Er und die anderen hatten das geübt. Jeder zog eine restlichtverstärkende Brille aus einer Außentasche seines Rucksacks. Spock setzte seine auf und schaltete sie ein. Sofort wich das undurchdringliche Schwarz der Nacht einer surrealen Szene. Die Brille verstärkte ultraviolettes Licht und ließ die nächtliche Landschaft in eisblauen Schatten und Schlaglichtern erscheinen. Die anderen Mitglieder des Landetrupps signalisierten Spock mit einem Daumen nach oben, dass ihre Brillen wie vorgesehen funktionierten. Er bedeutete ihnen mit einer Geste, ihm zu folgen.
Über seine holografische Ansicht des Regenwalds wurden unauffällig Daten von seinem Trikorder gelegt, die Richtung und Entfernung bis zum ersten Ziel des Landetrupps anzeigten. Er benutzte die Blickfeldanzeige als Richtungsweiser und führte Sulu, Chekov und Scott über Schlammpfade mit verschlungenen Wurzeln und tief hängenden Ranken, dann einen steilen Abhang hinab, der mit hüfthohen Farnwedeln bedeckt war, und schließlich durch einen Hohlweg auf eine andere Lichtung, die kleiner war als die, auf der Sulu die Galileo gelandet hatte.
»Hier entlang«, sagte Spock und zeigte auf ein Gewirr aus Blättern und Ästen. Die anderen gesellten sich bei dem hastig aufgeworfenen Stapel natürlicher Tarnung zu ihm. »Helfen Sie mir, das zu entfernen.« Gemeinsam brauchten sie nur eine Minute, um die fremdartige Flugkapsel freizulegen. Spock hatte sie vor mehr als einem Monat verborgen, nachdem er sie gestohlen hatte, um eine hektische Flucht mit Captain Kirk aus der Festung, die gleichzeitig ein Dimensionsportal war und die die Jatohr ihre Zuflucht nannten, zu ermöglichen.
Sulu setzte seinen Rucksack ab, zog seinen Trikorder hervor und scannte sorgfältig die Kapsel. Dabei wendete er Protokolle an, die er und Spock gemeinsam entwickelt hatten. »Ihr Sicherheitssystem reagiert immer noch auf externe Signale«, sagte Sulu. »Ich scanne nach den Zugangscodes für die Zitadelle.«
Irgendwo in der Nähe erklang ein gutturales Brüllen. Es klang, als wäre ein riesiges Raubtier mit einem noch größeren Appetit auf der Jagd und wollte aus dem Landetrupp eine Mahlzeit machen. Scott und Chekov zogen ihre Phaser und lauschten, ob sie weitere Warnungen ungebetener Gesellschaft hörten, ob es nun ein Tier oder etwas anderes war.
»Ich hab’s«, sagte Sulu. »Sie hatten recht, Mr. Spock. Die Kapsel überträgt den Zugangscode über eine subharmonische Schwingung der Hauptantwortfrequenz.«
Chekov drehte sich nach links und dann wieder nach rechts. Seine Hand umklammerte seinen Phaser. »Heißt das, wir können jetzt von hier verschwinden?«
»Ja, Ensign«, bestätigte Spock. Mit einem Tippen gegen die äußeren Bedienelemente seiner Brille wies er seinen Trikorder an, sie zum nächsten Ziel zu leiten: der Zitadelle der Jatohr. Sobald dieses erfasst war, ging er ohne Angst oder Zögern tiefer in den Urwald hinein. »Hier entlang, meine Herren. Wir haben vor Tagesanbruch noch viel zu tun.«
»Vorausgesetzt, wir leben so lange«, wandte Sulu ein.
»Wenn alles plangemäß verläuft«, korrigierte Spock, »gibt es keinen Grund anzunehmen, dass wir dies nicht tun werden.«
Scott kicherte leise und flüsterte Chekov dann zu: »Sehen Sie, mein Junge? Was habe ich Ihnen gesagt? Unter dieser kalten, vulkanischen Logik schlägt das Herz eines Optimisten.«
Sulu und Chekov lachten.
Spock konnte nur mit dem Kopf schütteln. »Also wirklich, Mr. Scott. Ich sehe keinen Grund, in Beleidigungen zu verfallen.«
»Tut mir leid, Sir«, sagte Scott – doch Spock argwöhnte, dass der Mann keine Reue empfand.
Ich werde nie das menschliche Bedürfnis nach abfälligem Humor verstehen.
Eine Seele konnte sich leicht in den Klippen und Felsspalten entlang des Gebirgspasses verlieren und Una war so gut wie sicher, die Orientierung verloren zu haben, während ihre Usildar-Begleiter sie durch eine Spalte nach der anderen immer tiefer in das felsige Labyrinth führten.
»Ist es noch weit?«
»Es ist so weit, wie es ist«, sagte Feneb.
Das Einzige, was Una noch nervtötender fand als Fenebs Tautologien, war das endlose Labyrinth aus Steinpfaden und Serpentinen, auf denen er und seine Kohorte sie abwärtsführten.
Ihre Umgebung wiederholte sich ständig und die Bezugspunkte sahen immer gleich aus. Außerdem hatte sie wieder das Gefühl, dass die Zwillingssonnen reglos am Himmel standen. All das führte bald dazu, dass Una gegen die Orientierungslosigkeit kämpfte. Es war, als wäre jede Einzelheit, die sie sah, dazu geschaffen worden, ihren Willen zu untergraben.
Von einem Moment zum anderen fand Una sich in einer Sackgasse am Ende eines Canyons wieder. Höhlen übersäten die roten Steinwände. Provisorische Netze aus Seilen ermöglichten eine Verbindung zwischen den oberen und unteren Etagen. Einige Usildar manövrierten mit übernatürlicher Leichtigkeit durch die Seilnetze. Auf dem Boden der Schlucht war eine kleine Gruppe Zelte aufgeschlagen.
Una erinnerte sich nicht daran, die felsigen Pfade verlassen zu haben. Im einen Moment war sie in dem Labyrinth, im nächsten befand sie sich in der Schlucht. Sie konnte sich das nur so erklären, dass ihre Gedanken wieder abgeschweift waren und sie deshalb den Übergang verpasst hatte. So war es ihr auch in den Gebirgsausläufern ergangen.
Wie lange ist das her? Wann bin ich hier angekommen?
Sie hatte keine Zeit, nach Antworten zu suchen. Halb vertraute Gesichter tauchten aus den Zelten auf. Una hatte sich darauf vorbereitet, gealterten Versionen ihrer ehemaligen Schiffskameraden gegenüberzustehen. Doch die Leute, die zu ihrer Begrüßung herauskamen, sahen noch genauso aus wie ihre verschollenen Freunde vor achtzehn Jahren, als sie getrennt worden waren. Sie stellte ihren Rucksack ab und ging auf sie zu.
Lieutenant Commander Martinez war sonnengebräunt, aber immer noch kräftig – bis auf seine Augen, die unglaublich alt wirkten. Seine einst unbeugsame Haltung wirkte zermürbt und er ging müde vorgebeugt. Neben ihm war Ensign Tim Shimizu. Er hatte den Körperbau und das Gesicht eines jungen Mannes, aber alle Spuren seines jugendlichen Humors und seiner Lebenskraft waren verschwunden. Zurückgeblieben waren die gehetzten Augen eines Mannes, der zu viel gesehen hatte, um seine Hoffnung zu bewahren. Hinter ihnen waren die drei Sicherheitsoffiziere, die 2249 zu dem Landetrupp auf Usilde gehört hatten – Lieutenant Griffin, Ensign Le May und Petty Officer Cambias.
Bei den Zelten hielten sich noch vier weitere verschollene Besatzungsmitglieder der Enterprise auf. Es handelte sich um die Offiziere, die auf grausame Weise von den Jatohr von der Brücke des Schiffs entführt worden waren: die Ablösenavigatorin Ensign Cheryl Stevens, Ensign Bruce Goldberg, der Captain Aprils Yeoman der Beta-Schicht gewesen war, Ensign Dylan Craig aus der Wissenschaftsabteilung und Kommunikationsoffizier Lieutenant Ingrid Holstine.
Sie alle starten Una an, als bemühten sie sich, ihr Bild aus ihren Erinnerungen zu kramen. Una hoffte, dass die Kommandokette trotz ihres langen Exils immer noch existierte, und ging deshalb direkt auf Martinez zu. Sie hob zur Begrüßung eine Hand, als sie einige Meter voneinander entfernt stehen blieben. »Raul? Ich bin es, Una.« Da sie in seinen Augen kein Erkennen sah, griff sie auf ihren Spitznamen an Bord zurück: »Nummer Eins.«
Er neigte seinen Kopf nach vorn und kniff die Augen noch enger zusammen. »Una? Sind Sie das wirklich?«
»Ja, Raul. Ich bin es wirklich.«
Sie war nicht sicher, was sie erwartet hatte. Ein freudiges Wiedersehen vielleicht? Einen festen Händedruck? Vielleicht sogar eine lebhafte, wenn auch platonische Umarmung?
Tränen stiegen Martinez in die Augen. Dann fiel er vor ihr auf die Knie und schluchzte in den Sand. »Es ist so lange her, Una. Eine Ewigkeit. Wir dachten, Sie hätten uns vergessen.«
Konnte das wirklich derselbe Mann sein, den sie gekannt hatte? Der knallharte Zuchtmeister? Der stolze Anführer, der furchtlose Soldat? Er sah so aus, doch dieser Mann war gebrochen und innerlich auf eine Weise zerrissen, die Una niemals für möglich gehalten hätte. Sie kniete sich neben ihn und legte eine Hand auf seine Schulter, auch wenn diese schwache Geste nur wenig Trost spenden würde.
Ein Schatten fiel auf sie. Una sah hoch und blickte in die freudlosen Augen von Shimizu. Sein verdrossener Gesichtsausdruck hellte sich für einen kurzen Moment auf und er sagte: »Schön, dich zu sehen, Nummer Eins. Willkommen in der Hölle.«