Читать книгу Alle fürs Klima - Deborah Weinbuch - Страница 5
Einleitung
ОглавлениеEin Buch über »For Future«? Nein, ein Buch mit »For Future«! Bei den zahlreichen Gesprächen mit engagierten jungen Menschen fiel mir auf: Sie befinden sich in einem Überlebenskampf. Das Thema ist so ernst, dass sie teilweise 50, 80 oder sogar 90 Stunden pro Woche in die Organisation von Fridays for Future stecken, zu wenig schlafen und »von Kaffee leben«. Was sie antreibt, schildern sie in ihren Interviews in diesem Buch.
Auch Eltern, Lehrer, Experten und Forscher nehmen teilweise an den Fridays for Future-Demonstrationen teil oder befürworten diese. Warum sie das tun und welche persönliche und fachliche Perspektive sie dazu einnehmen, haben sie mir bei Telefonaten, Skype-Interviews oder beim Mittagessen erzählt. Die Texte, die so entstanden sind, sind Protokolle dieser Gespräche.
Gleich vorweg sei gesagt: Diese Menschen leben, was sie predigen. Beispielsweise kamen manche per Fahrrad zum veganen Mittagessen, andere nahmen sich bei einer Fernreise abends mit der Bahn Zeit für ein Telefonat.
So wurde die Arbeit an diesem Buch zum co-kreativen Prozess. Die For Future-Bewegung ist binnen weniger Monate zu einer Art Ökosystem herangewachsen. Die jungen »Fridays« sind mittlerweile eingebettet und unterstützt von großen und kleinen Gruppen: Scientists for Future, Parents for Future, Doctors, Psychologists, Artists, Farmers for Future und viele mehr. Immer wieder kommen neue For Future-Gruppen dazu. Sie alle bringen ihre jeweilige Expertise und ihr Gewicht in die Debatte ein.
Die Aktivisten, mit denen ich gesprochen habe, sind nicht radikal, sondern ausgesprochen freundliche und kooperative Menschen. Aber sie stellen radikale Forderungen, weil sie das müssen. Auch das bestätigt die Wissenschaft. Ein tief greifender Wandel ist jetzt eine lebenserhaltende Maßnahme.
Achtung: Obwohl alle Interview-PartnerInnen und ExpertInnen in diesem Buch ein gemeinsames Ziel haben, sind sie sich nicht immer bei allen Details einig! Die Diskussion ist breit und lebendig – und genau das brauchen wir jetzt. Denn aus einem ernsthaft geführten, authentischen Diskurs werden neue, bessere Lösungen wachsen. Deshalb spiegelt dieses Buch auch unterschiedliche Ansätze und Positionen innerhalb der Klimabewegung wider. Konstruktive Impulse helfen, miteinander über den Status quo hinauszuwachsen und Zukunft aktiv zu gestalten.
In diesem Buch verwende ich das Wort Klimakrise, denn das sanfte Wort Klimawandel beschönigt die dramatischen Effekte, die uns ins Haus stehen. Auch der renommierte Klimaforscher Prof. Hans Joachim Schellnhuber und der UN-Generalsekretär António Guterres verwenden das Wort Klimakrise.1
Wer bin ich überhaupt, und wie komme ich dazu, dieses Buch zu schreiben? Ich bin Mutter und arbeite als Journalistin mit dem Schwerpunkt Gesundheit. Umweltschutz ist für mich die Voraussetzung für menschliches Wohlergehen. Geprägt durch meine individualistische Mutter, die dem ersten Bioladen in unserer Gegend eine treue Kundin war, kam ich bereits im Grundschulalter in den Achtzigern in Kontakt mit Öko-Zeitschriften wie der damals gerade gegründeten »Schrot & Korn« und etwas später dem »Regenwald Report«. Etwas rührte sich ganz tief in mir, und ich schwor in meinem Kinderzimmer, den mir möglichen Beitrag zur Rettung der Natur zu leisten – und sei es zunächst auf der ganz persönlichen Ebene. Im Alter von sieben Jahren wurde ich zum Schrecken meiner Eltern Vegetarierin. Trotz ihrer Befürchtungen wuchs ich zu einer normalen Größe heran und konnte sie sogar schließlich für eine weitgehend pflanzenbasierte Ernährung, die ja auch CO2 spart, begeistern.
Auf meiner ersten Klima-Demo war ich im Alter von 20 Jahren am 21. Juli 2001 in Bonn. Damals kämpften wir für die umfassende Annahme und Umsetzung des Kyoto-Protokolls, das erstmals völkerrechtlich verbindliche Grenzen für Treibhausgasemissionen festlegte. Die USA hatten im April 2001 dem Kyoto-Protokoll eine Absage erteilt, was unter meinen Politikwissenschafts-Kommilitonen lebendig diskutiert wurde. So kam es, dass meine Mutter, mein damaliger Verlobter und später Vater meines Kindes und ich mit Holzplanken durch die Stadt liefen, auf denen wir Sprüche schrieben wie »Bush, it’s not too late«. Diese Holzplanken zimmerten wir zu einem riesigen »Rettungsboot für den Klimavertrag« zusammen, das wir bis zum Schauplatz des zweiten Teils der COP6-Verhandlungen, dem Hotel Maritim, zogen. Teile unserer »Bootschaft« wanderten später ins Deutsche Historische Museum in Berlin und ins Bonner Haus für Geschichte. Die USA blieben in dieser Sache freilich unbeeindruckt.
Heute nimmt mein Sohn an Fridays for Future-Demonstrationen teil, was ich ausdrücklich befürworte. Den verpassten Schulstoff holt er selbstständig zu Hause nach. Außerdem informiert er sich zu jedem Motto der jeweiligen Demo – Artenschutz, Schutz der Meere, Verkehrswende. Ich beobachte bei ihm und den anderen Kindern und Jugendlichen eine regelrechte Wissensexplosion rund um das Thema Klima und Naturschutz.
In der Hamburger Ortsgruppe der Parents for Future habe ich die Fridays öfter aktiv unterstützt, beispielsweise als eine der zusätzlichen OrdnerInnen bei den Demos, von denen die Fridays einen Großteil aus den eigenen Reihen stellen. Zusätzlich habe ich als Einzelperson inhaltliche Aufklärungsarbeit geleistet, etwa indem ich auf Anfrage einen Vortrag an einer Schule gehalten und diesen anschließend anderen zur Verfügung gestellt habe, um die Hintergründe der Klimakrise zu erklären.
Lassen wir uns bei den anstehenden notwendigen Transformationsprozessen nicht von Angst ausbremsen. Manchmal krallen wir uns an den merkwürdigsten Dingen fest, ja sogar an Zuständen, die uns bedrohen, nur weil wir das Neue so sehr scheuen. Dabei ist unser menschliches Gehirn so wunderbar leistungsfähig. Wir finden Lösungen, wenn wir danach suchen! Wissen ist die Basis, auf der wir diese neuen Wege erarbeiten. Dazu möchte dieses Buch einen Beitrag leisten. Je mehr wir über Wissen verfügen, desto mehr schwindet die Angst. Lasst uns jetzt den entscheidenden Unterschied machen, aus Eigennutz und aus Mitgefühl mit allem, was lebt und leben wird.
Beim Schreiben dieser Zeilen schwitzt Deutschland unter bisher nie da gewesenen Temperaturen. An 25 Orten hierzulande wurden im Juli Temperaturen über 40 Grad gemessen. In Süd-Ost-Frankreich schnellte das Thermometer zwischenzeitlich auf 45,9 Grad. Weltweit kam es zu noch weit heftigeren Temperaturrekorden, Menschen standen in langen Schlangen um Wasser an, bei Temperaturen über 50 Grad. Die aktuellen Ereignisse bestätigen nicht nur die wissenschaftlichen Warnungen, die jahrzehntelang beiseitegewischt wurden, sie übertreffen sie. Schon jetzt ziehen Hitzewellen Tausende Todesfälle nach sich. Dass sich dieser Zustand noch verschlimmert, kann niemand wollen.
Klar ist: Wir haben gerade einen Haufen Probleme. Mit unserer rücksichtslosen Art zu wirtschaften haben wir uns an den Rand eines ökologischen Kollapses getrieben. Was es jetzt braucht, sind ganzheitliche Denkansätze und interdisziplinäres Handeln. Die Klimakrise in den Griff zu bekommen ist die Rahmenbedingung für alles andere. Deshalb wünsche ich allen LeserInnen dieses Buchs viel Inspiration, Kraft und gute Laune beim Wandel. Auf dass wir gemeinsam nachhaltig eine bessere Welt gestalten. Und zwar jetzt!
Eure
Deborah Weinbuch
Hinweis:
Alle Interviews wurden im Frühjahr und Frühsommer 2019 geführt. Die Äußerungen meiner Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder, die nicht zwangsläufig mit meiner oder der des Verlags übereinstimmen und die auch nicht zwangsläufig die Position von Fridays for Future oder anderen For Future-Zusammenschlüssen repräsentieren. Sie stellen keine Handlungsaufforderung dar, sondern schaffen Einblicke und sollen den Diskurs fördern.
1 Damian Carrington (2019): Why the Guardian is changing the language it uses about the environment. In: Guardian. Verfügbar unter: https://www.theguardian.com/environment/2019/may/17/why-the-guardian-is-changing-the-language-it-uses-about-the-environment?fbclid=IwAR0r7-MltgdEe8R_q_YyO7Zhp6XCRzpgIKUYt9XPsEF6LrazPGI2SOWZtvY. Eingesehen am: 21.06.2019.