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«Darf ich vorstellen?», strahlte Pfarrer Selri in die Runde und deutete mit der ausgestreckten Hand auf den neuen Pfarrer, der in Zukunft für die Frauensinggruppe der reformierten Kirchgemeinde Kreis Fünf, mitten in der Stadt Zürich, zuständig sein würde. «Pfarrer Sebastienne.»

«Sebastienne?!», krähte Sabine Pfau nach vorne und kapierte gar nichts mehr.

«Äh, ja», druckste der neue Pfarrer herum, lief rot an und verstummte.

«Lass den schüchternen Herrn Pfarrer in Ruhe, Sabine!», dröhnte Marie Krug, die heute ein jadegrünes Jackenkleid aus fein gewobener Wolle trug.

«Unser neues Pfarramtsmitglied liess sich umtaufen, offiziell, als ihm unser Herr Jesus bewusst machte, dass er sich mehr als Frau fühlte denn als Mann», erklärte Pfarrer Selri.

«Und was sollen wir mit einem schwulen Pfarrer?!», wollte Sabine fordernd wissen. «Der verliebt sich doch nie in eine von uns.»

«Aber Pfarrer Jacques, wie?! Vor allem in dich, was? Du blinde Kuh!», giftete Marie.

Pfarrer Jacques stand derweil ganz still, mit brav gefalteten Händen, den Blick auf die Steinplatten der Kirche gerichtet, daneben und grinste innerlich.

«Hört mal, meine Lieben, hier geht’s nicht ums Verlieben, sondern ums Singen, ja? Also beherrscht euch gefälligst», entschärfte Thea Semp die Situation.

«Sie dürfen sich auch gerne in mich verlieben, meine Damen, ich habe nichts dagegen. Unerwiderte Liebe ist doch die schönste von allen.» Und dabei lächelte Pfarrer Sebastienne so unbedarft, dass ihm bereits etliche Herzen zugeflogen kamen.

«Pfarrer Jacques wird unsere Seniorengruppe übernehmen», erläuterte Selri weiter.

«Seit wann hat diese Gemeinde eine Seniorengruppe?!» Sabine Pfau war noch nicht wirklich beschwichtigt.

«Seit heute», meldete sich endlich Pfarrer Jacques zu Wort, ein grosser, schlanker Mann mit blondem, dichtem Haar und grauen Augen, die wie Kiesel in einem sonnenbeschienenen Bach funkelten.

Doch das täuschte.

Jacques war etwa so gefühlvoll wie ein Eiskristall und betätigte sich ausserdem während seines Kirchendiensts gelegentlich als Reliquienräuber, um die für die Katholischen wertvollen Gegenstände zu verticken. Sein Abnehmer war ein Freund aus Studientagen, Prior Hans-Peter vom Kloster Sankt Gallen, der die gestohlenen Objekte seinerseits weiterverkaufte. Mit Marge, versteht sich.

«Sabine, denk’ auch mal an deinen Mann, den armen Heinz, du solltest dich eigentlich gar nicht anderweitig verlieben», kicherte Jacques.

«Ach, Jacques», schmachtete Sabine nichtsdestotrotz.

Und dann lag noch ein anderes Augenpaar verzückt auf Pfarrer Jacques’ Gesicht. Und das gehörte keiner der anwesenden Frauen. Auf alle Fälle keiner selbst ernannten.

Der auferstandene Rosenkranz

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