Читать книгу OMMYA - Freund und Feind - Dennis Blesinger - Страница 8
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Оглавление»Was ich immer noch nicht verstehe, ist der Grund. Was wollen die hier?«
Mehr als eine Stunde lang hatte sich die kleine Gruppe die Köpfe heiß geredet, ohne auch nur einen Schritt weiter gekommen zu sein. Als Christopher und Hansen erschienen waren, hatten sie den Entschluss gefasst, in die Zentrale umzuziehen, da es ungemütlich eng in dem kleinen Büro wurde. Auf diese Weise konnten sie Kriegsrat halten und gleichzeitig die Meldungen im Auge behalten, die wieder auf dem zentralen Monitor erschienen. Alle Systeme waren erfreulicherweise nur vorübergehend deaktiviert gewesen, keinerlei Daten waren gelöscht und nichts dauerhaft in Mitleidenschaft gezogen worden. Sophia war nach einer Weile zurück auf die Krankenstation gegangen, um nach ihren Patienten zu sehen.
Die Verriegelung der Zentrale war nach wie vor aktiv und es war nicht abzusehen, dass sich dieser Umstand bald ändern würde. Sie traten auf der Stelle, was das 'Wer' betraf. Allen war klar, dass es sich bei der ganzen Sache um einen Insiderjob handelte. Gleichzeitig schieden jedoch alle Hauptverdächtigen aus, die die Beweislage hervorbrachte. Weder Sahra noch Jochen hatten den Code, der im System registriert war, innerhalb der letzten Wochen verwendet. Darüber hinaus hatten alle Anwesenden ein Alibi. Streng genommen gaben sich im Falle von Honk und Sophia zwei Verdächtige gegenseitig ein Alibi, jedoch waren sich alle Anwesenden einig, dass die Ärztin noch nicht lange genug bei OMMYA war, um Gelegenheit gehabt zu haben, die verschiedenen Informationen zusammenzutragen. Bei Honk auf der anderen Seite waren mehr als ein Dutzend Personen bereit, ihre Hand für ihn ins Feuer zu legen. Auch wenn sein Job zu neunzig Prozent aus bewegungslosem Herumgestehe bestand, so hatte der Wachmann in der Vergangenheit mehrfach dem einen oder anderen Mitarbeiter das Leben gerettet, als einige der Artefakte unvorhersehbare Aktivitäten entwickelt hatten, oder sich einige der Kreaturen, die in den Katakomben lebten, als feindselig herausgestellt hatten.
Sophias Aussage nach hatte Christopher mehr Glück als Verstand, noch am Leben zu sein. Die Wunde an seinem Kopf war weder besonders tief noch groß, was aber hauptsächlich daran lag, dass die Waffe abgerutscht war. Wäre der Treffer wenige Zentimeter weiter links erfolgt, so hätten sie immer noch damit zu tun gehabt, Christophers Hirn vom Boden aufzusammeln. Nichts, aber auch gar nichts deutete auf einen Verdächtigen hin, was die Gruppe zunehmend missgelaunter werden ließ.
»Keine Ahnung.« René musterte abwesend die Meldungen, die jedoch nichts preisgaben, das bei einem von ihnen die Alarmglocken hätte klingeln lassen.
»Aber was es auch ist, wir haben nicht viel Zeit.«
»Wie kommst du darauf? Vielleicht wollen die hier ja auch sesshaft werden.« Christopher lächelte müde. Wie alle anderen hatte er nicht die leiseste Ahnung, was gerade passierte. Die Möglichkeit war so gut wie jede andere. René schüttelte langsam den Kopf.
»Nein«, meinte er. »Das hat was mit dem Datum zu tun. Ich weiß es.« Bevor einer der anderen eine entsprechende Frage stellen konnte, fuhr er fort. »Das ist über Monate hinweg geplant worden. Erst die Codes, dann meine Karte.« Erneut schüttelte er langsam seinen Kopf. »Da steckt ein Plan hinter.«
Sahra, die sich zwischenzeitlich davon gemacht hatte, erschien und setzte sich zu der Gruppe. Bevor sie ein Wort sagte, wusste René, dass die Botschaft, die sie mit sich trug, negativer Natur sein würde.
»Ich habe die Kameras in der Gegend angezapft«, erklärte sie. »Das erste und letzte Mal, dass man die Gruppe gesehen hat, war auf dem Parkplatz vor dem Gebäude. Und selbst da nur undeutlich wegen des Kamerawinkels. Danach … « Sie hob die Hände in die Höhe, um ihre Niederlage zu bekunden. »Es ist, als ob sie sich absichtlich in dunklen Gegenden aufhalten, wo man sie schlecht sehen kann. Mit jeder Minute, die vergangen ist, müssen wir mehr Kamerabilder anschauen, weil wir nicht wissen, welche Richtung sie eingeschlagen haben. Auf die Art und Weise finden wir sie nie.«
»Nein«, meinte René und blickte Sahra an. »Mein Gott, sind wir blöd.« Er stand auf und setzte sich zielstrebig in Bewegung. Nach einer Sekunde folgten ihm Sahra und Jochen.
»Wo gehen wir hin?«, erkundigte sich Jochen.
»Ins Lager. Wie spät ist es?«
»Äh, zwanzig nach fünf. Was machen wir im Lager?«
»Rausfinden, wo unsere vermissten Flüchtlinge sind.«
Jochen blickte Sahra an, die jedoch nur lächelnd mit den Augen rollte. Alle kannten Renés Vorgehensweise und eine der wichtigsten Eigenschaften dieser Vorgehensweise war Geduld. Nicht die von René, sondern die von allen anderen. Jedoch befand sich das Lager nur weniger als hundert Meter entfernt, entsprechend machte es keinen Sinn, ihren Vorgesetzten mit Fragen zu löchern, die sowieso bald beantwortet werden würden.
Schweigend marschierte die Gruppe durch das Lager, René voran, bis sie nach etwa zweihundert Metern vor einem verhängten Gegenstand stehen blieb. Das Tuch war zentimeterdick mit Staub bedeckt und sah aus, als ob es seit einer Ewigkeit nicht mehr bewegt worden war. Vorsichtig zog René daran und hielt sich die Hand vor Mund und Nase, als trotz aller Vorsicht eine Staubwolke die nähere Umgebung verdunkelte. Als der Staub sich langsam legte, erklang ein Lachen.
»Das ist jetzt nicht das, von dem ich denke, dass es das ist, oder?«
René blickte Sophia milde lächelnd an, die den übergroßen Standspiegel, der unter dem Tuch zum Vorschein gekommen war, fassungslos anglotzte.
»Das ist genau das, was es ist«, entgegnete er. »Ich hatte ganz vergessen, dass der hier rumsteht. Wieso hat den noch keiner angefasst?« René blickte Jochen an. Die Staubschicht auf dem Tuch besagte deutlich, dass während der letzten Monate niemand auch nur in die Nähe des Spiegels gekommen war.
»Keine Ahnung«, gab Jochen zu. »Vielleicht steht er hinten auf der Liste. Und ganz offen: Das ist jetzt eines unserer kleineren Probleme, oder?«
René grummelte etwas, beließ es dann aber dabei. Jochen hatte recht. Er drehte den Spiegel so, dass sich alle Anwesenden in einem Halbkreis davor stellen konnten.
»Wir müssen ein bisschen aufpassen, was die Frage angeht«, meinte er nachdenklich. »Das Ding funktioniert nur alle paar Tage, keine Ahnung warum.«
»Wahrscheinlich liegt das an der magischen Hintergrundstrahlung.«
Vier Augenpaare wandten sich zu Hansen um, der sich unbemerkt der Gruppe angeschlossen hatte.
»Was?«
»Das ist eine der Variablen, an denen Sahra und ich arbeiten.« Hansen blickte in die nach wie vor fragenden Gesichter und fuhr fort.
»Jede Welt hat eine Hintergrundstrahlung, die angibt, wie wahrscheinlich es ist, dass magische Phänomene in ihr passieren. Wobei man natürlich erst einmal definieren muss, was 'magisch' eigentlich bedeutet. Was diese Strahlung hervorruft, wissen wir noch nicht genau, wir glauben aber – «
»Ja, danke«, unterbrach ihn René. Hansen hatte im Laufe des letzten Jahres eine deutliche Wandlung durchgemacht. Kaum noch etwas erinnerte an den stotternden, jungen Mann, der er war, als er hier angefangen hatte. Zumindest, wenn es um theoretische Abhandlungen ging. Und auch wenn er René eine gewaltige Hilfe bei dem verhassten Papierkram war, so ging ihm der schmächtige kleine Mann zuweilen gehörig auf die Nerven. Einer der Gründe war die Unfähigkeit, sich kurz zu fassen.
»Fakt ist, dass das Ding nur einmal die Woche funktioniert«, meinte René und wandte sich an die Gruppe. »Danach muss es sich quasi wieder aufladen. Also, was genau wollen wir wissen?«
»Hmm,« lautete Jochens Kommentar. »Wo sie sind, wer sie sind und was sie hier wollen.«
»Wer ihnen geholfen hat«, schlug Sahra vor.
»Wie viele es sind«, lautete Christophers Vorschlag.
»Äh, nur eine Frage.« René überlegte. »Und nichts, was die Zukunft angeht. Das Ding zeigt nur Sachen im Hier und Jetzt.«
»Hmm, dann wo sie sind. Oder?« Jochen blickte alle Anwesenden der Reihe nach an, schüttelte dann jedoch mit dem Kopf. »Nein«, meinte er. »Besser, wer sie sind. Dann wissen wir wenigsten, mit was wir es zu tun haben.«
René überlegte eine Weile, dann nickte er. Er postierte sich etwa einen Meter entfernt von dem großen ovalen Spiegel und blickte konzentriert auf das Glas, das sich weigerte, ein Spiegelbild zu zeigen. Auf der Oberfläche waren Schatten zu sehen, die sich langsam bewegten, Konturen, die zu undeutlich blieben, um sie identifizieren zu können. Sie hatten versucht, herauszufinden, woraus der Spiegel eigentlich bestand, waren aber zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht möglich war, ohne ihn zumindest zu beschädigen.
»Spieglein, Spieglein … « Er zögerte eine Sekunde, blickte sich um, und fuhr dann fort: »… im Lager. Zeige mir, wer als Letztes das Tor Nummer 17 durchschritten hat.«
Eine Sekunde lang passierte nichts. Sophia beugte sich zu René und flüsterte: »Im Lager?«
»Ja, hängt er an der Wand oder was?«
»Und es reimt sich gar nicht.«
»Wer sagt denn, dass sich das reimen muss? Was wäre denn gewesen, wenn Schneewittchen in einem Stadtstaat gelebt hätte?«
»Bitte? Wie – «
Bevor die Diskussion weitergeführt werden konnte, entstanden Bewegungen auf der Oberfläche des Spiegels. Schlieren entstanden, wie Rauch unter Wasser, und formten langsam ein Bild. Einzelheiten nahmen Formen an und schließlich blickte die Gruppe auf ein Gesicht, das jedoch nur undeutlich zu erkennen war.
»Wieso ist das so dunkel?«, fragte Hansen aus dem Hintergrund.
»Weil es noch nicht einmal sechs Uhr ist. Das ist nun mal keine Kamera mit Restlichtverstärker.« René trat ein paar Schritte zur Seite und tippte an der nächstgelegenen Konsole einen Code ein. Innerhalb weniger Sekunden schalteten sich die unzähligen Lampen, die das Lager erhellten, eine nach der anderen ab, bis sie schließlich in völlige Dunkelheit getaucht da standen und warteten, dass sich ihre Augen an die neue Beleuchtung gewöhnten. Dann erkannten alle mehr oder weniger gleichzeitig, was auf der ovalen Oberfläche zu sehen war. Immer noch undeutlich, so waren jedoch die Gesichtszüge des Individuums nicht mit denen eines Menschen zu verwechseln. Die oberen Fangzähne standen leicht hervor und gaben dem Wesen selbst im Schlaf ein aggressives Äußeres.
»Na super«, kommentierte René.
»Was ist das?«, fragte Sophia, ehrlich fasziniert.
»Das ist ein Ork. Schlimmer hätte es fast nicht kommen können.«
»Wirklich? Ein richtiger Ork? Wow.« Die Ärztin blickte mit großen Augen auf das Bild vor sich. René warf ihr einen belustigten Blick zu. Auch wenn die Offizierin bereits seit mehreren Wochen hier stationiert war, so waren die Situationen, in denen sie direkten Kontakt zu dem hatte, was die Arbeit bei OMMYA eigentlich ausmachte, sehr wenige gewesen. Etwas wehmütig registrierte er, dass er sich nicht daran erinnern konnte, wann etwas bei ihm das letzte Mal eine derartige Reaktionen ausgelöst hatte.
»Wo sind sie?«
»Im Wald. Vielleicht auch ein großer Park.« Jochen zeigte auf den Rand des Spiegels. »Das sind Eschenblätter, und das andere sind Farne. Die wachsen überall. Wahrscheinlich haben sie sich über den Tag irgendwo verschanzt, um nicht aufzufallen.«
Das Bild verblasste und nahm den letzten Rest an Licht mit sich. Kurze Zeit später gingen die Lampen wieder an. René blickte die anderen von der Konsole aus finster an.
»Irgendwelche genialen Ideen?«, fragte er.
»Wenn sie in einem Wald sind, sollten sie nicht so schwer zu finden sein«, meinte Sophia. »So viele Wälder gibt es in der Gegend nicht.«
René lachte humorlos. »Wir reden von Orks. Die Jungs können ohne Probleme zehn Kilometer in der Stunde zurücklegen. Fünfzehn, wenn sie sich beeilen, und das Ganze mit Ausrüstung. Die sind seit mindestens vier Stunden unterwegs. Das heißt, sie können sich in einem Radius von mindestens vierzig Kilometern befinden. Und wir haben keine Ahnung, in welcher Richtung wir suchen müssen. Friedhöfe, Parkanlagen, alles kommt in Frage.«
»Wir haben einen langen Tag vor uns.« Jochen blickte ernst auf die nun wieder graue Oberfläche des Spiegels. »Ich geh mal los und besorge uns ein paar Kannen Kaffee.«