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bb) § 130 OWiG
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Wie bei der AG dargestellt, wird eine allgemeine Compliance-Verpflichtung für das einzelne Unternehmen auch aus § 130 OWiG abgeleitet. Die gilt auch für die konzernweite Compliance-Verantwortung.[268]
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Zwar handelt es sich bei der Muttergesellschaft nicht um den Inhaber i.S.d. § 130 OWiG der konzernierten Gesellschaften, da der Inhaberbegriff nicht mit der Eigentümerposition gleichzustellen ist. Vielmehr ist Inhaber derjenige, dem die Erfüllung der Pflichten obliegt, die nach § 130 OWiG sanktioniert werden.[269] Im Falle einer juristischen Person ist dies die juristische Person selbst, die durch ihre Organe ihre Pflichten wahrnimmt. Für die Sanktionierung der Organe ist wiederum die Zurechnungsnorm des § 9 OWiG notwendig. An der Inhabereigenschaft ändert auch die Eingliederung in einen Konzern nichts, da die eigene Rechtspersönlichkeit der juristischen Person nicht verändert wird. Es besteht nur entweder ein Beherrschungsvertrag oder die Muttergesellschaft ist beherrschende Gesellschafterin der juristischen Person, wodurch eine faktische Beherrschung besteht. Da aber auch die Gesellschafter einer juristischen Person in einer unverbundenen Gesellschaft nicht als Inhaber i.S.d. § 130 OWiG zu klassifizieren sind, kann auch die herrschende Muttergesellschaft nicht Inhaberin gem. § 130 OWiG sein. Der BGH scheint das ähnlich zu sehen, indem er die Frage zwar offen gelassen hat, aber andeutete, dass die Rechtspersönlichkeit der abhängigen Gesellschaft einer fremden Inhaberschaft entgegenstehen könnte.[270] Eine Verantwortung zur Durchführung unternehmensinterner Untersuchungen als Aufsichtspflicht der Geschäftsführung der Muttergesellschaft kann somit nicht darüber begründet werden, dass die Muttergesellschaft Inhaber ihrer Tochtergesellschaft ist.
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Allerdings ist der Unternehmensbegriff des § 130 OWiG weit zu fassen und auch ein Konzern als Ganzes ist unter diesen Begriff zu subsumieren.[271] Wie ein Unternehmen hat ein Konzern eine einheitliche Leitung, auch wenn diese auf einem faktischen oder vertraglichen Durchgriffsrecht basiert. Dass ein Konzern aktienrechtlich nicht unter den Unternehmensbegriff fällt, ist unerheblich, da für eine Aufsichtspflichtverletzung i.S.d. § 130 OWiG insofern eine faktische Betrachtungsweise ausreichend ist.[272] Daraus folgt eine Aufsichtspflicht der Muttergesellschaft über ihre Tochter- und Enkelgesellschaften, so dass die Organe der Muttergesellschaft bei Pflichtverletzungen von Organen der Tochtergesellschaft wegen Verletzung der Aufsichtspflicht zur Verantwortung gezogen werden können.[273] Diese Auffassung vertrat unlängst auch das OLG München. Demnach seien für den Umfang der Aufsichtspflicht i.S.d. § 130 OWiG die tatsächlichen Verhältnisse im Konzern maßgeblich. Eine gesellschaftsrechtliche Aufsichtspflicht der Konzernmutter bestehe jedenfalls dann, wenn der Tochtergesellschaft von der Konzernmutter Weisungen erteilt würden, die das Handeln der Tochtergesellschaft beeinflussten und dadurch die Verletzung betriebsbezogener Pflichten begründeten.[274] Allerdings bestimmt sich der Umfang der Aufsichtspflicht aus § 130 OWiG nach den tatsächlichen Verhältnissen im Konzern. Hierfür sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend.
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Der Umfang der Aufsichtspflicht ist abhängig davon, welchen Spielraum zu eigener Willensbildung die einzelnen Unternehmen haben, beziehungsweise in welchem Umfang die Konzernspitze von ihren Durchgriffsmöglichkeiten tatsächlich Gebrauch macht.[275] Eine Begrenzung findet die Aufsichtspflicht dabei vor allem durch den Vertrauensgrundsatz, nach welchem die Unternehmensleitung des herrschenden Unternehmens grundsätzlich der Unternehmensleitung des Tochterunternehmens vertrauen darf.[276] Kommt es zu Rechtsverstößen innerhalb einer Konzerngesellschaft, so ist somit auch die Muttergesellschaft zur Aufklärung durch unternehmensinterne Untersuchungen verpflichtet. Diese Auffassung scheinen zwei aktuelle Urteile zu unterstützen.[277] In der ETEX-Entscheidung[278] vom 9.2.2009 hat das Bundeskartellamt ein gesondertes Bußgeld wegen einer Aufsichtspflichtverletzung gem. § 130 OWiG gegen die Etex Holding GmbH als Muttergesellschaft verhängt, da ein für das Europageschäft verantwortlicher leitender Manager des Etex-Konzerns konkrete Anhaltspunkte für kartellrechtswidrige Absprachen hatte und nichts unternahm, um die Absprachen seiner Tochterunternehmen zu verhindern.[279] Die konzernweiten Organisationspflichten zur Verhinderung von Kartellabsprachen wurden sogar bejaht, obwohl die Muttergesellschaft sich auf die Finanzierung der Tochtergesellschaften beschränkt hatte und eine dezentrale Konzernstruktur bestand.[280] In eine ähnliche Richtung geht eine Entscheidung des EuGH.[281] Nach der „Akzo-Entscheidung“ sei das herrschende Unternehmen verpflichtet, dafür zu sorgen, dass bei den Tochtergesellschaften keine Kartellabsprachen getroffen werden. Dies gelte insbesondere, wenn die Muttergesellschaft 100 % des Gesellschaftskapitals der Tochtergesellschaft halte.[282] Die Höhe des Bußgeldes wurde deshalb auch nach dem Konzernumsatz bemessen.[283]