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Kapitel 4: Leander Carl´s Vermächtnis
ОглавлениеUm der Situation in der Videothek zu entgehen, schob ich meine angeblichen Kopfschmerzen vor. So konnte ich wenigstens zuhause bleiben und musste Jacob´s Blicke auf Noah nicht ertragen.
Mir fiel ein Brief auf, während ich die Post aus dem Briefkasten vor unserem Haus holte. Ein Rechtsanwalt namens Snider war der Absender. Ich öffnete ihn und setzte mich in unsere rote Küche. Vor einem Jahr hatten wir sie renoviert.
Ich überflog den Brief.
„Ich bin der Rechtsanwalt und Erbverwalter von Leander Carl. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass er vor zwei Wochen verstorben ist. Bezüglich einer dringenden Angelegenheit möchte ich Sie bitten, mich telefonisch wegen eines Termins zu kontaktieren.
Mit freundlichen Grüßen
G. Snider“
Vor meinem geistigen Auge tauchte das Bild von Leander Carl auf. Damals arbeitete er noch im Stadtarchiv, wir entwickelten eine Art Freundschaft, bis meine Freunde und ich im Archiv eingesperrt wurden und Mr. Carl´s Tagebücher fanden, in denen er von dem Tod unserer Eltern berichtete. Er war Mitglied des Omega – Ordens, hatte sich am Ende aber gegen seine Anführerin Cecilia Combe gestellt, trotzdem saß er wegen achtfachen Mordes zurecht im Gefängnis.
Was konnte der Anwalt von mir wollen?
„Erbverwalter....“ las ich laut.
Ich ging in mein Arbeitszimmer und suchte etwas. Nach wenigen Minuten hatte ich es gefunden. Es war ein handschriftlich verfasster Brief von Leander Carl, den er mir vor zwei Jahren geschrieben hatte. Seitdem lag er in einer Pappkiste. Ich las ihn mir noch einmal durch.
„Hallo Jake.
Ich verstehe, dass du mich nicht mehr besuchen kommst und es ist eigentlich auch alles gesagt. Aber eine Sache muss ich noch los werden, denn ich bin gesundheitlich sehr angeschlagen. Als ich euch damals erzählte, wie ich zu Omega kam und was genau geschehen ist, verschwieg ich ein Detail.
Jake, du, Noah und Brenda habt ebenso wie Linda, die weiße Magie eurer Eltern geerbt. Es ist kein Zufall, dass Noah sich so gut mit Tarotkarten auskennt. Ihr seit zu Höherem berufen.
Ich habe gestern nach langer Zeit wieder eine Legung gemacht und aus ihr geht eindeutig hervor, dass Omega wieder an die Oberfläche will. Ich möchte, dass ihr nicht unerwartet an die Sache herangeht.
Bitte Noah um eine Legung seiner Karten, dann wird er feststellen, dass ich recht habe.
Alles Gute.
Gezeichnet C.“
Unter dem Brief kamen Karten zum Vorschein. Es waren Noah´s Tarotkarten, die – wie wir herausfanden – dem Sirius – Orden gehörten und damit eine Verbindung zu unseren Eltern waren, welche uns am Anfang unseres Lebens verlassen mussten. Der Sirius – Orden entwickelte sie vor langer Zeit. Unsere Eltern versuchten mit aller Kraft den Omega – Orden zu zerstören. Vor etlichen Jahrhunderten gab es nur diesen einen Orden, doch die Einwohner von Grave´s Garden schlugen sich auf die dunkle Seite und gründeten Omega. Durch diesen Hexenorden waren unzählige Einwohner, sowie unsere Eltern, von Cryptal City ermordet worden.
Nachdem Noah und ich den Brief gelesen hatten, fanden wir auf einem der Schaukästen von Noah´s Movies das Zeichen des Omega – Ordens. Damals dachten wir, dass ein Trittbrettfahrer uns einen Streich spielen wollte, schließlich ging die Geschichte durch den Cryptal´s Express.
Wir wollten nichts mehr mit Magie zu tun haben, deshalb legten wir alles in diese Pappkiste. Es stimmte, Noah hatte wirklich Talent im Kartenlegen. Sofort fand er einen Zugang zu dem Sirius – Tarot, welches er per Zufall einem Antiquitätenhändler im Internet für einen stolzen Preis abgekauft hatte.
Noah hatte uns mithilfe der Karten vor einigen Dingen bewahrt und sie hatten jedes Mal recht behalten.
Seit unserer Hochzeit hatte er sie nicht mehr gelegt. Wir schlossen mit dem Thema ab.
Doch jetzt kam alles wieder hoch.
Ich sah Miss Kaminsky, jene alte Frau, die sich damals im Heim um uns kümmerte und zuvor unsere Eltern ermordet hatte. Auch Cecilia Combe sah ich vor mir. Und Frank, ihren Ehemann.
Frank.
Ihn hatte sie mit einer Axt ermordet, als er uns über die Machenschaften seiner Frau aufklären wollte. Die Gesprächstherapie, welche ich vor drei Monaten beendet hatte, schien mein Leiden nur unterdrückt zu haben, statt es zu beseitigen.
Ich ging durch den Flur, wo ich ein Bild meiner Eltern sah. Es hing an der Wand. Jessica und Louis. Meine Eltern. Auf dem Foto hielten sie ein Herz mit ihren Initialen in die Kamera. Unter dem Herz stand ein kleiner Junge – dieser Junge war ich.
Meine Hand strich sanft über das Bild. Dann wandte ich mich wieder dem Schreiben des Anwaltes zu. Unsicher wählte ich die angegebene Telefonnummer.
„Snider“ ertönte es knapp.
„Hallo. Hier ist Jake... Ich habe Ihren Brief erhalten.“
„Oh Jake, das freut mich. Natürlich sind die Umstände nicht optimal, aber ich würde Sie gerne morgen treffen.“
„Morgen schon?“ fragte ich erstaunt.
„Nur, wenn es Ihnen recht ist.“
Schließlich willigte ich ein und nach dem Auflegen, bereute ich dies bereits.
Ich musste mit jemandem über die Sache reden. Brenda wäre vermutlich die falsche Ansprechpartnerin gewesen. Ihrer Reaktion neulich im Café wegen der Tischdeko nach zu urteilen, hielt sie das Geschehene noch immer in seinen Klauen.
Deshalb fuhr ich zur Videothek.
„Noah, wir müssen reden“ sagte ich und zog ihn zur Theke.
Dann versicherte ich mich, dass uns niemand zuhörte. Der Laden war leer, nur Jacob stand hinter der Theke. Mit einem Handzeichen wies Noah ihn an woanders hinzugehen, worauf er einige Meter entfernt DVD´s und Blu – Ray´s einsortierte.
„Worum geht’s?“ fragte mein Mann.
Ich zeigte ihm den Brief.
„Du willst dich nicht wirklich bei diesem Mann melden, oder?“
„Das habe ich bereits.“
„Du hast was?“ fragte Noah entsetzt. „Wir waren uns doch einig, die Sache hinter uns zu lassen. Wann ist der Termin?“
„Morgen.“
„Okay, ich komme mit.“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das musst du nicht.“
„Mich geht die Sache auch etwas an, Jake.“ Er nahm meinen Kopf in seine Hände. „Du gehst da nicht alleine hin.“
Die folgende Nacht schlief ich unruhig. Die traumatischen Erlebnisse in Miss Kaminsky´s Haus verfolgten mich. Im Traum war ich wieder dort, in der 29. Straße.
Linda stand neben mir, ihr Genick war bereits gebrochen. Miss Kaminsky würgte den Hals meines Mannes. Dessen Gesicht lief blau an. Die Karten des Omega – Ordens flogen durch die Gegend. Brenda kam hereingestürzt, lief auf ihre Freundin zu und leckte ihr das Blut von ihrem verletzten Hals. Dann knackte etwas.
Ich sah zu Noah. Er lag tot auf dem Boden.
Miss Kaminsky kam mit den Worten „Jetzt bist du dran!“ auf mich zugerannt.
Dann stürmte John Jones herein. Mit einer magischen Geste zog die alte Frau ihm die Waffe aus der Hand, zielte auf den Detective und drückte ohne zu zögern fünf Mal ab. Dann spürte ich ihre kalten Hände um meinem Hals.
Ich schrie.
„Oh mein Gott, Jake. Was ist los?“ fragte Noah besorgt.
Er streichelte mir über die Stirn. „Du schwitzt total. Hast du Fieber?“
Schwer atmend versuchte ich mich zu beruhigen.
„Ich hatte einen Albtraum. Wir waren in dem Haus der Kaminsky. Sie hatte dich ermordet und wollte...“
Ein schwerer Kloß legte sich auf meine Stimme und ich begann zu weinen.
Noah umarmte mich fest.
Ich ließ den Tränen freien Lauf.
Sie war wieder da.
Die Angst vor dem Bösen.