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Kapitel 5: Dr. Warner

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Noah riet mir, als ich mich beruhigt hatte, Evelyn Warner anzurufen – meine ehemalige Therapeutin.

„Wann hast du diesen Termin?“ fragte sie mich am Telefon.

Während der Therapie hatte ich ihr das Du angeboten, sie bestand jedoch darauf, dass ich sie weiterhin siezen sollte, um die Professionalität zu wahren.

„Um vierzehn Uhr“ antwortete ich.

„Dann komme um zwölf zu mir, da habe ich Mittagspause, aber die muss heute ausfallen.“

Ich bedankte mich bei ihr für den neuerlichen Termin und legte auf.

„Soll ich mitkommen?“ fragte Noah.

Ich verneinte, versprach ihm aber, dass er mich um vierzehn Uhr zu dem Termin mit Dr. Snider begleiten durfte.

Die Praxis von Dr. Warner lag hinter dem Stadtbrunnen.

Die Sprechstundenhilfe Angie bat mich in das Behandlungszimmer. Es war lichtdurchflutet und sehr hell eingerichtet. Die weißen Vorhänge gingen bis zum hellen Parkettboden. Ich nahm auf einem der beiden mintfarbenen Kunstledersessel Platz.

Nach fünf Minuten kam Evelyn Warner herein. Eine große, schlanke Frau mit blonden Locken. Sie hatte ebenfalls wie ich grüne Augen. Sie trug meistens ein cremefarbenes Oberteil und einen beigefarbenen Rock. So auch an diesem Termin.

„Jake, lange nichts mehr von dir gehört. Als unsere Therapie vor drei Monaten endete, dachte ich eigentlich, du hättest das Trauma überwunden. Aber anscheinend ist dem nicht so. Du hast am Telefon von einem Traum erzählt und von dem Anwalt, zu welchem du gleich hingehen möchtest,

Dr. Snider, nicht wahr? Aber der Reihe nach.

Erzähle mir bitte von Anfang an, was genau geschehen ist.“

Ich berichtete ihr von dem Brief des Erbverwalters und meinem Traum in der darauffolgenden Nacht. Dr. Warner blätterte kurz in ihren Notizen.

„Damals hattest du mir erzählt, dass Miss Kaminsky euch umbringen wollte. Du hattest die Beschreibung unnatürliche Kraft benutzt, mit der sie euch attackierte. Nun hast du in dem Traum eine Variante erlebt, die hätte ebenfalls eintreffen können.“

„Aber das liegt über zwei Jahre zurück“ wandte ich ein.

„Dein Unterbewusstsein vergisst nie, Jake.“

Ich seufzte.

„Der Brief von Dr. Snider hat irgendetwas in dir ausgelöst – eine panische Angst, dass sich alles wiederholen könnte. Aber du weißt, dass dies nicht der Fall sein wird, oder?“

Ich nickte.

„Was wäre das schlimmste, was dir bei dem Termin geschehen könnte? Was wäre dein worst case?“

Nach kurzer Überlegung sagte ich: „Das der Anwalt mir verkündet, dass Omega zurückgekehrt ist.“

Evelyn Warner notierte sich etwas.

„Richtig. Doch die Anführerin des Ordens ist tot. Bereits seit über zwei Jahren, wie du sagtest. Also ist eine Rückkehr des Ordens so gut wie ausgeschlossen. Und warum sollte ein Anwalt sich um solche Belange kümmern?“

„Ich habe mir noch mal den Brief von Leander durchgelesen. Dort stand, Noah und ich hätten die weiße Magie unserer Eltern geerbt.“

Die Therapeutin rückte sich eine Strähne zurecht. „Das wusste er oder vermutet er das nur?“

„Ich weiß es nicht, aus dem Brief geht das nicht hervor.“

„Nun gehen wir mal in eine andere Richtung. Was bewegt der Tod von Mr. Carl in dir?“

„Nichts, glaube ich jedenfalls. Er ist mitschuldig an dem Tod unserer Eltern. Ich empfinde keine Trauer oder so.“

„Gut. Erzähle mir von deinem aktuellen Beziehungsstand.“

Ich berichtete ihr von den Problemen mit Jacob. Geduldig hörte sie mir zu.

„Das wirft deinen Traum in ein anderes Licht. Du hattest geträumt, Noah würde ermordet werden, also, dass er aus deinem Leben verschwindet. Deine Eifersucht auf die Aushilfe – Jacob – hat diesen Traum vermutlich ausgelöst und nicht der Brief des Anwaltes.“

„Also denken Sie nicht, dass es wieder von vorne los geht?“

„Nein, Jake. Du hast einfach Angst davor, deinen Mann zu verlieren. Ich habe ja Noah während deiner Therapie kennengelernt. Meiner Einschätzung nach ist er nicht der Typ der fremdgeht.“

Das beruhigte mich etwas, schließlich sah eine Therapeutin das Wesen hinter einer Person.

Nach einigen beruhigenden Atemübungen verabschiedete ich mich bei ihr. Ich fühlte mich nun stark genug für den Termin mit Dr. Snider.

Noah holte mich am Empfang ab.

„Hat dir der Termin weitergeholfen?“ erkundigte sich Angie, welche ungefähr in unserem Alter sein musste.

Sie hatte dunkelbraunes Haar und trug eine Bob – Frisur.

„Ich denke schon. Jedenfalls bin ich nicht mehr so angespannt“ antwortete ich.

„Das ist schön. Auf Wiedersehen ihr beiden.“

„Bye, Angie“ verabschiedete sich Noah.

„Freut mich, dass es dir besser geht“ sagte mein Mann, nachdem wir in seinen Jeep eingestiegen waren. „Lass´ uns noch etwas zu Mittag essen, bevor wir zum Anwalt fahren.“

Ich willigte ein.

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