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Kapitel 7

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Rorys sämtliche Besitztümer passten in eine einzige Papiereinkaufstüte, was schrecklich war, aber den Umzug aus dem Asyl in Beaus kleines Apartment vereinfachte. Rorys Hände zitterten, als er einen bestimmten, in einer Plastiktasche verpackten Gegenstand mit einem dumpfen, rasselnden Geräusch in die Tüte schob, und Beau brauchte nicht zu fragen, was sich darin befand. Er bat Rory nicht, es ihm zu geben – nicht jetzt, nicht hier.

Beau schulterte seinen eigenen Rucksack, in dem er seine Kopien ihrer brandneuen Dokumente sicher verwahrt hatte, legte seinen Arm um Rory, verließ mit ihm das Asyl und ging auf das Taxi zu, das am Straßenrand wartete. Die Sonne schien immer noch, es war später Nachmittag. Kaum achtundvierzig Stunden zuvor hatte er Rorys Bild zum ersten Mal gesehen, jetzt waren sie verheiratet und er nahm ihn mit sich nach Hause. In sein halb ausgeräumtes Studioapartment.

Na, dachte Beau, während er gegen seine eigene Hysterie ankämpfte, wenigstens wird es ihm nichts ausmachen, dass ich kein Essen im Kühlschrank habe.

Tatsächlich schien Rory eingedöst zu sein, als sie bei Beaus Apartment ankamen. Beau bezahlte die Fahrt und weckte ihn dabei genug auf, um den Kopf zu heben und sich umzusehen. Er schien in sich zusammenzusinken, und Beau legte wieder den Arm um Rory, so schnell er konnte, dirigierte ihn aus dem Taxi und über den Gehweg.

Während er die Haustür aufschloss, war Rory an seiner Seite ganz still, aber er wimmerte, als Beau ihn in Richtung der Treppe brachte. „In welchem Stock wohnst du?“

Beaus Herz krampfte sich bei der dünnen Stimme, der entschlossenen Ruhe der Frage schmerzhaft zusammen. Er hatte gesehen, wie langsam Rory selbst über ebenen Untergrund gegangen war, es war klar, wie viel Anstrengung ihn das kostete.

„Im vierten“, gab Beau zu. „Tut mir leid, ich habe nicht nachgedacht …“

„Ist schon gut“, sagte Rory fest. „Ich kann es, ich bin nur langsam.“

Beau wollte etwas erwidern, aber Rory hatte schon den Handlauf ergriffen und sich die ersten Stufen auf den Weg nach oben gemacht. Beau folgte ihm ein paar Schritte dahinter und ließ eine Seite der schmalen Treppe für jeden frei, der ihnen entgegenkam. Es war schmerzhaft zu sehen, wie sich Rory die erste Treppe hinaufkämpfte, die zweite war noch schlimmer. Auf halber Höhe der Dritten stolperte er, und Beau schaffte es kaum, ihn von hinten aufzufangen, bevor er den ganzen Weg wieder hinunterpurzelte.

Rory schnappte nach Luft, baumelte beinahe völlig schlaff in Beaus Griff und ließ den Kopf hängen. „Tut mir leid, ich …“

„Nein, es tut mir leid“, sagte Beau. „Baby, bitte, lass mich dich den Rest des Weges tragen. Bitte.“

Rorys rauer Atem stockte, und Beau sah die Röte in sein Gesicht steigen, bemerkte eine Träne fallen – aus genauso viel Verlegenheit und Frustration wie aus allem anderen, dachte Beau.

„Bitte. Es ist doch ein Hochzeitsbrauch, oder? Dich beim ersten Mal über die Schwelle tragen? Bitte, Rory, ich weiß, dass du es kannst, wenn du unbedingt musst, und ich lasse dir alle Zeit, die du brauchst, wenn du das willst, aber bitte lass mich helfen.“

Rory schniefte und nickte dann, ohne den Kopf zu heben und Beau anzusehen, und Beau kam auf ihn zu, um ihn sich auf die Arme zu heben.

Er war erschreckend leicht. Es war, als würde man einen Erste-Hilfe-Dummy oder eine der Übungspuppen aus dem Medizinstudium hochheben. Rory fühlte sich auch so zerbrechlich wie ein Skelettmodell in Beaus Armen an, und er machte sich steif und drehte sein Gesicht weg von Beaus Schulter.

„Entspann dich. Ich habe dich“, sagte Beau und versuchte, Rory näher an seine Brust zu drücken.

Rory schüttelte den Kopf. „Ich habe so Zeug im Gesicht, das würde an deinen Anzug kommen.“

„Das kann man auswaschen“, erwiderte Beau entschieden. „Bitte, du bist schwerer zu tragen, je weiter du von meinem Körperschwerpunkt entfernt bist.“

Dieses Argument sorgte dafür, dass Rory einknickte, und Beau hasste es zwar, bereute es jedoch nicht, da Rory endlich entspannt gegen ihn sank, seine Wange ruhte auf Beaus Schulter. Er hatte seine Einkaufstüte nicht losgelassen, sie lag jetzt in seinem Schoß und raschelte an Beaus Brust.

„Okay“, sagte Beau, dann lief er die Stufen nach oben und versuchte dabei, seine Bewegungen sanft zu halten, ohne Zeit zu verschwenden. Beau musste Rory auf die eigenen Füße stellen, um die Schlüssel hervorzuholen und die Tür aufzuschließen. Dabei lehnte Rory wie ein nasser Sack an ihm und nahm kaum die Veränderung in seiner Position wahr. Trotzdem hielt er die Einkaufstasche fest in der Hand.

Er regte sich genug, um ein leises, protestierendes Geräusch von sich zu geben, als Beau ihn wieder auf die Arme hob, um ihn in die Wohnung zu tragen, doch Beau sagte: „Nein, hey, das hier ist der Teil mit der Schwelle, das ist Tradition.“

Rory hob den Kopf, als Beau die Tür hinter ihnen zu trat, und nachdem Beau ihn diesmal auf die Füße stellte, blieb er stehen und sah sich um.

Beau fuhr sich mit der Hand durch die Haare und fragte sich, wie die kleine Wohnung und die Stapel von Kartons auf einen Fremden wirken mochten.

Für Beau sah es gemütlich aus. Er war in diese Schuhschachtel von Wohnung gezogen, kaum dass er sich eine eigene Bleibe mehr oder weniger leisten konnte, etwa sechs Monate, nachdem er nach Chicago gekommen war. Es war nicht besonders komfortabel gewesen, als er vom City College nach Loyola wechselte, um die Schule zu beenden, oder während des Medizinstudiums, aber es war vertraut: seine eigene kleine Höhle in dieser überfüllten, lauten, menschlichen Stadt. Er hatte sie nicht verlassen wollen, bevor es unbedingt sein musste.

Der eine Raum war lediglich eine rechteckige Schachtel mit einer Küchenzeile an der linken Wand und einem Badezimmer rechts, aber er hatte die letzten neun Jahre in diesem Bett geschlafen, die Bücherregale waren so angebracht, dass sie es halb umschlossen. An den kleinen Tisch, den er selbst zusammengebaut hatte, hatte er studiert und zahllose Mahlzeiten gegessen.

Das war Zuhause.

Er wusste, dass es, objektiv gesehen, beschissen war, und es war nicht einmal wichtig, wenn Rory es nicht mochte, weil sie innerhalb weniger Tage in ein Haus zogen, das sich Beau zum Teil deshalb leisten konnte, weil er geknausert hatte und auch deshalb sparen konnte, eben weil er neun Jahre lang in dieser winzigen Schuhschachtel gelebt hatte, aber er wollte nicht, dass Rory schlecht darüber dachte. Von ihm, weil er ihn in dieses Zuhause gebracht hatte.

„Es riecht nach dir“, sagte Rory schließlich, wobei er Beau noch immer nicht ansah. „Es fühlt sich … sicher an.“

„Es ist sicher“, erwiderte Beau, jede andere Reaktion hinunterschluckend. „Du bist hier sicher, Rory.“

Rory nickte und sah sich um. „Ich werde mir mein Gesicht waschen gehen.“ Die Papiertüte hielt er nach wie vor in der Hand, als er sich zum Badezimmer umdrehte, Beau streckte die Hand aus und berührte sie.

„Du musst mir die Beruhigungsmittel geben“, sagte Beau leise. „Das war die Abmachung. Ich bin jetzt dein Alpha, wir sind verheiratet, und du gibst sie mir. Wenn du gesund bist, werde ich Ersatz für dich finden.“

Rory spannte sich an und biss die Zähne zusammen.

Beau war froh, diesen kleinen Anflug von Widerstand zu sehen, denn es bedeutete, dass Rory tief im Inneren noch ein wenig Selbsterhaltungstrieb hatte. Aber er konnte Rory die Beruhigungsmittel nicht weiter nehmen lassen; er würde die Herausgabe erzwingen, wenn es sein musste, um Rory eine Chance zu geben, gesund zu werden, wenn er sich Mühe gab. Allerdings war es nicht genau das, wie er ihre Hochzeitsnacht beginnen wollte.

„Sobald es sicher ist“, redete Beau leise beruhigend weiter. „Sobald du stark genug bist, werde ich sie dir mit einer sicheren Dosis wieder geben, das schwöre ich dir. Ich weiß, dass du keine Hitzen haben möchtest, und ich weiß, dass du sie nicht mit mir verbringen wirst, wenn du doch welche bekommst. Aber im Moment brauche ich diese Flasche.“

Rory nickte steif. Es dauerte einen weiteren Augenblick, bis er die Hand in die Tüte schob, zwischen den plastikverpackten Bündeln herumkramte und das eine herauszog, das Beau kannte.

Beau nahm es ihm aus der Hand, anstatt Rory zu zwingen, den Arm auszustrecken und es ihm zu geben, und sagte, ohne den Tonfall zu ändern, um eine große Sache daraus zu machen: „Danke. Ich werde uns Essen zum Mitnehmen bestellen. Gibt es etwas, das für dich gerade richtig gut klingt?“

Rory zuckte mit den Schultern, schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Dabei stockte er in seinem Schritt, was mehr war als nur seine Langsamkeit. Er wartete darauf, was Beau ihm antun würde, wenn er wegging, ohne eine zufriedenstellende Antwort zu geben. Ohne entlassen zu werden.

Beau stopfte die Plastiktasche und die Flasche in seine Tasche. Dann stellte er sich vor die Fenster, drehte Rory den Rücken zu und legte seine Stirn gegen das Glas, während er die Liefer-App öffnete und ein paar Schüsseln Hühnersuppe und einige Brotlaibe von dem koscheren Feinkostladen, den er am liebsten mochte, bestellte. Er hatte das eigentliche Geschäft nie betreten, aber er hatte jahrelang ihre Suppen geordert. Alles, was sie machten, schmeckte nach richtigem Essen, nicht nach Chemikalien und Konservierungsstoffen.

Er hörte, wie hinter ihm der Wasserhahn am Waschbecken des Badezimmers aufgedreht wurde. Aus diesem Winkel hatte er die Geräusche, die die Rohre machten, wenn das Wasser lief, noch nicht gehört; es verwirrte ihn für einen Moment, als hätte sich die Wohnung um neunzig Grad gedreht. Aber es war nicht die Wohnung, die sich seitlich verschoben hatte. Es war Beaus gesamtes Leben.

Er sah sich in dem kleinen Apartment um, um ein Versteck für die Beruhigungstabletten zu finden – er wollte, dass sie weg waren, wenn Rory aus dem Bad kam, aber er wollte die Wohnung nicht verlassen, nicht einmal für den kurzen Weg zum Müllschlucker. Er holte die eingewickelte Flasche aus der Tasche, wickelte die Plastiktüte ab und legte eine Glasflasche mit Plastikverschluss frei. Im Inneren konnte er die Umrisse der Tabletten sehen, kleine Kugeln mit leicht unterschiedlichen Größen und Formen. Eindeutig von einer Hebamme handgemacht. Die Flasche war nur zu einem Viertel voll, aber der Größe der Pillen nach, hätten sie ursprünglich für ein Jahr oder länger gereicht.

Nach den Auswirkungen auf Rory zu urteilen, genügten sie vermutlich, um einen Werwolf – oder einen Menschen – umzubringen, wenn man alle auf einmal nahm. Er konnte nicht zulassen, dass irgendjemand diese Flasche samt Inhalt fand.

Er ging zur Spüle und drehte das kalte Wasser voll auf, ehe er eine Flasche Essig aus dem Schränkchen unter dem Spülbecken holte. Dann öffnete er den Verschluss der Pillenflasche und kippte den gesamten Inhalt in den Abfallzerkleinerer und schaltete ihn ein, sobald alle Tabletten darin verschwunden waren, und jagte sie mit einer halben Flasche Essig den Abfluss hinunter, um sicherzugehen, dass kein Geruch in der Spüle zurückblieb. Anschließend schloss er das leere Glas, wickelte es wieder in die Plastiktüte und stopfte es in den Müll, wo Rory es sehen und riechen konnte, wenn er nachschaute.

Wenn Rory das Geräusch der Müllentsorgung erkannt hatte, verriet er mit keinem Zeichen, dass er wusste, was es bedeutete. Beau hörte die Toilettenspülung, als er die Essensbestellung abschloss, und wechselte in eine andere App, um zu erfahren, wie er am schnellsten ein paar Pfund dieser Ingwerbonbons und guten Pfefferminztee bekommen konnte.

Er hatte vor, ruhig und ungezwungen zu sein, wenn Rory aus dem Bad kam, aber sobald er aufblickte, ließ er sein Handy auf die Küchentheke fallen und rannte auf den Omega zu.

Er hatte gewusst, dass die neuen Kleider und das Make-up Rorys Zustand nur maskierten. Er hatte es gewusst.

Er hatte Rory in natura gesehen, bevor er zum Schminken entführt worden war.

Der Kontrast bei Rorys Aussehen nach ein paar weiteren Stunden Stress und Erschöpfung war einfach nur schockierend. Er sah verhungert aus, seine Haut war so blass, dass sie fast grau war, von dem kränklichen Gelbstich einmal abgesehen. Er hatte sowohl das Halstuch als auch das neue Hemd ausgezogen, sodass seine unverheilten Verbrennungen zu sehen waren. Seine linke Hand drückte er gegen seinen Bauch, der unter dem dünnen T-Shirt, das er trug, konkav war. Beau konnte fast seine Rippen zählen und unterdrückte das Verlangen, seine Leber abzutasten.

„Komm, leg dich hin“, sagte Beau und legte einen Arm um Rory. „Ich habe Essen bestellt, du kannst dich ausruhen, bis es hier ist. Okay?“

Rory nickte müde und murmelte: „Wasser?“

„Ja, natürlich.“ Beau manövrierte ihn zum Bett und legte ihn hin. Er konnte beinahe das erfreute, besitzergreifende Knurren seines Wolfes spüren, als Rory sich mitten in das Gewirr aus Kissen und Decken schmiegte, die alle Beaus Geruch trugen. Er zog eine Decke hoch und ging, um eine Wasserflasche zu füllen, damit sich Rory zum Trinken nicht aufsetzen musste, und brachte den weichen Winterschal mit, den Rory normalerweise um den Hals trug.

Rory schien bereits zu schlafen, als Beau zu ihm zurückkam, wachte aber so weit auf, dass er ein paar Schlucke trank, nachdem Beau ihm das Mundstück an die Lippen setzte. Als Beau ihm den Schal um den Hals legte, lächelte er schwach, doch seine Augen öffneten sich nicht.

Beau setzte sich an das Fußende des Bettes und beobachtete ihn, bis das Essen kam, lauschte dem leicht unregelmäßigen Herzschlag und überlegte, was zum Teufel er tun sollte, wenn er sich weiter verlangsamte.

Aber das würde er nicht. Bestimmt würde er nicht noch langsamer werden.

Sobald Rory die Beruhigungsmittel nicht mehr brauchte, würde er wieder auf die Beine kommen. Er musste einfach. Er war hier, lebendig, und schlief in Beaus Bett. Beau konnte nicht zu spät gekommen sein.

Omega erforderlich

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